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e) Entscheidungen des EuGH

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Eine vollständige Darstellung der Rechtsprechung im Zusammenhang mit den Freiheiten des Personen- und Dienstleistungsverkehrs mit Bezug zum Gesundheitsrecht ist aufgrund der Vielzahl der Entscheidungen nicht möglich. Die folgende Auswahl kann nur eine Übersicht über die Entwicklungslinien der Rechtsprechung geben. Im Rahmen des Sozialversicherungsrechts bestimmt mangels einer Harmonisierung auf Unionsebene das Recht eines jeden Mitgliedstaats, unter welchen Voraussetzungen das Recht oder die Pflicht auf Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit besteht. Doch müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht beachten.[91] Da der Mitgliedstaat das Niveau, auf welchem er den Schutz der Gesundheit der Bevölkerung gewährleisten will, bestimmen kann und sich dieses Niveau von einem Mitgliedstaat zum anderen unterscheiden kann, wird den Mitgliedstaaten aber ein entsprechender Beurteilungsspielraum zuerkannt (siehe Rn. 45). Von Bedeutung ist insbesondere die Frage der Übernahme der Kosten ärztlicher Behandlungen in einem anderen Mitgliedstaat. Hierbei ist zwischen ambulanten und stationären Behandlungen zu unterscheiden.

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Im ambulanten Bereich haben sozialversicherte Patienten eines Mitgliedstaates das Recht, ohne vorherige Genehmigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers in anderen Mitgliedstaaten ambulante Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen. Die entstehenden Kosten erhalten sie vom Sozialversicherungsträger ihres Mitgliedstaates nach den dort geltenden Tarifen erstattet.[92]

Eine nationale Regelung, die die Erstattung der Kosten für eine ambulante Zahnbehandlung in einem anderen Mitgliedstaat nach den Tarifen des Versicherungsstaats von der Genehmigung des zuständigen Sozialversicherungsträgers abhängig macht, verstößt gegen Art. 56 AEUV. Eine solche Regelung hält die Versicherten davon ab, sich an Ärzte in einem anderen Mitgliedstaat zu wenden, und stellt sowohl für diese wie für ihre Patienten eine Behinderung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Die Kostenerstattung hat keine wesentlichen Auswirkungen auf das finanzielle Gleichgewicht des Systems der sozialen Sicherheit. Auch ist eine Rechtfertigung zum Schutz der öffentlichen Gesundheit nicht möglich, da die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung der Tätigkeiten des Zahnarztes Gegenstand von Richtlinien sind (Rs. Kohll).[93]

Art. 56 AEUV steht nationalen Rechtsvorschriften entgegen, die die Übernahme der Kosten für eine Versorgung, die in einem anderen Mitgliedstaat außerhalb eines Krankenhauses durch eine Person oder Einrichtung erfolgt, davon abhängig machen, dass die betreffende Kasse vorher ihre Genehmigung erteilt, auch wenn die fraglichen Rechtsvorschriften ein Sachleistungssystem einführen, in dessen Rahmen die Versicherten Anspruch nicht auf die Erstattung der Kosten für die medizinische Versorgung, sondern auf die Versorgung selbst haben. Die Aufhebung des Erfordernisses der vorherigen Genehmigung führt weder zu einer erheblichen Störung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit noch zu einer Gefährdung des Gesamtniveaus des Schutzes der öffentlichen Gesundheit (Rs. Müller-Fauré und van Riet).[94]

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Abweichend wird die Sachlage im stationären Bereich beurteilt. Hier machen die Mitgliedstaaten als Rechtfertigung für eine Beschränkung der Freiheiten eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit als zwingenden Grund des Allgemeininteresses geltend. Der EuGH folgt dieser Auffassung unter bestimmten Voraussetzungen.[95]

Art. 56 AEUV steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die die Übernahme der Kosten für die stationäre Versorgung in einem anderen Mitgliedstaat von einer Genehmigung der zuständigen Krankenkasse abhängig macht, und nach der dies der Voraussetzung unterliegt, dass die medizinische Behandlung üblich und notwendig ist. Dies gilt jedoch nur, soweit die Üblichkeit so ausgelegt wird, dass die Genehmigung erteilt wird, wenn die betreffende Behandlung in der internationalen Medizin hinreichend erprobt und anerkannt ist, und die Genehmigung nur dann wegen fehlender medizinischer Notwendigkeit versagt wird, wenn die gleiche oder eine ebenso wirksame Behandlung rechtzeitig in einer Vertragseinrichtung erlangt werden kann. Die Rechtfertigung ergibt sich aus der Notwendigkeit, dass die Zahl der Krankenhäuser, ihre geografische Verteilung, ihr Ausbau und ihre Einrichtungen sowie die Art der medizinischen Leistungen planbar sein müssen, um ein ausgewogenes Angebot qualitativ hochwertiger Krankenhausversorgung ständig in ausreichendem Maße zu gewährleisten und zugleich die Kosten zu beherrschen (Rs. Smits und Peerbooms).[96]

Ein Verstoß gegen Art. 56 AEUV liegt vor, wenn die Versagung einer Genehmigung auf die Existenz von Wartelisten gestützt wird, die dazu dienen, das Krankenhausangebot nach Maßgabe von klinischen Prioritäten zu planen und zu verwalten, ohne dass eine objektive medizinische Beurteilung des Gesundheitszustands des Patienten erfolgt ist. Sofern der Zeitraum, der sich aus derartigen Wartelisten ergibt, den Rahmen überschreitet, der unter Berücksichtigung einer objektiven medizinischen Beurteilung vertretbar ist, kann die Krankenkasse die beantragte Genehmigung nicht unter Berufung auf die Existenz dieser Wartelisten, auf die Kostenfreiheit der im Rahmen des fraglichen nationalen Systems erbrachten Krankenhausbehandlungen, auf die Verpflichtung, für die Übernahme der Kosten einer in einem anderen Mitgliedstaat beabsichtigten Behandlung besondere finanzielle Mittel vorzusehen, oder aufgrund eines Vergleichs der Kosten dieser Behandlung mit den Kosten einer gleichwertigen Behandlung im zuständigen Mitgliedstaat versagen (Rs. Watts).[97]

Art. 56 AEUV steht einer nationalen Regelung entgegen, die jede Erstattung der Kosten der Behandlung der bei einem nationalen Sozialversicherungsträger Versicherten in Privatkliniken in einem anderen Mitgliedstaat, außer für die Behandlung von Kindern im Alter von bis zu 14 Jahren, ausschließt. Die Wahrung des finanziellen Gleichgewichts des Systems der sozialen Sicherheit kann mit weniger einschneidenden und den freien Dienstleistungsverkehr besser wahrenden Maßnahmen ergriffen werden, wie etwa ein System der vorherigen Genehmigung, das den Anforderungen des Unionsrechts genügt oder die Festlegung von Tabellen für die Erstattung der Kosten (Rs. Stamatelaki).[98]

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Anderes gilt, wenn der Versicherte vom zuständigen Sozialversicherungsträger die Genehmigung zur stationären Behandlung in einem anderen Mitgliedstaat erhalten hat.[99]

Art. 56 AEUV ist dahingehend auszulegen, dass dann, wenn die Erstattung von Kosten, die durch in einem Aufenthaltsmitgliedstaat erbrachte Krankenhausdienstleistungen veranlasst worden sind, die sich aus der Anwendung der in diesem Mitgliedstaat geltenden Regelung ergibt, niedriger ist als diejenige, die sich aus der Anwendung der im Mitgliedstaat der Versicherungszugehörigkeit geltenden Rechtsvorschriften im Fall einer Krankenhauspflege in diesem Staat ergeben würde, dem Sozialversicherten vom zuständigen Träger eine ergänzende Erstattung zu gewähren ist (Rs. Vanbraekel u.a.).[100]

Der zuständige Sozialversicherungsträger, der darin eingewilligt hat, dass einer seiner Sozialversicherten eine medizinische Behandlung in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat erhält, ist an die vom Träger des Aufenthaltsmitgliedstaats autorisierten Ärzten getroffenen Feststellungen hinsichtlich der Erforderlichkeit einer dringenden lebensnotwendigen Behandlung gebunden. Ebenso ist er an die therapeutische Entscheidung dieser Ärzte gebunden, und zwar auch dann, wenn diese Entscheidung darin besteht, den Betreffenden in einen anderen Staat zu verlegen. Die Behandlungskosten sind vom Träger des Aufenthaltmitgliedstaats nach dessen Vorschriften für Rechnung des Trägers des Mitgliedstaats der Versicherungszugehörigkeit zu übernehmen (Rs. Keller).[101]

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Neben Problemstellungen des Sozialversicherungsrechts beschäftigte sich der EuGH vor allem mit Fragen der Berufsausübung in einem anderen Mitgliedstaat. Zwar bleiben die Mitgliedstaaten in Ermangelung einer Harmonisierung grundsätzlich befugt, die Ausübung von Tätigkeiten zu regeln, jedoch müssen sie ihre Befugnisse in diesem Bereich unter Beachtung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten ausüben.[102]

Art. 49 AEUV verwehrt es einem Mitgliedstaat nicht, das nationale Recht so auszulegen, dass im Rahmen der Korrektur rein optischer Sehfehler eines Patienten die objektive Untersuchung des Sehvermögens aus Gründen des Schutzes der Gesundheit einer Gruppe von besonders qualifizierten Berufstätigen wie den Augenärzten unter Ausschluss u.a. der Augenoptiker, die keine Ärzte sind, vorbehalten ist (Rs. Mac Quen u.a.).[103]

Art. 49 AEUV und Art. 56 AEUV stehen einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein Mitgliedstaat die Ausübung der Tätigkeit des Heilpraktikers durch Personen ohne Arztdiplom verbietet. Die Regelung kann auch die Ausbildung für diese Tätigkeit verbieten, sofern dieses Verbot so angewendet wird, dass es nur solche Modalitäten der Ausbildungen betrifft, die geeignet sind, in der Öffentlichkeit Unklarheit darüber entstehen zu lassen, ob der Beruf des Heilpraktikers im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats rechtmäßig ausgeübt werden kann (Rs. Gräbner).[104]

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Von erheblicher Bedeutung ist auch der Bereich der Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen.[105]

Ein Mitgliedstaat verstößt gegen Art. 45, 49 und 56 AEUV, wenn er die Anerkennung ausländischer Diplome, die zur Ausübung medizinischer Hilfsberufe berechtigen, eigenen Staatsangehörigen vorbehält (Rs. Kommission/Italien).[106]

Ein Mitgliedstaat verstößt gegen Art. 49 AEUV, wenn er die Übergangs- bzw. Bestandsschutzregelungen, aufgrund derer die Psychotherapeuten eine Zulassung bzw. eine Genehmigung zur Berufsausübung unabhängig von den geltenden Zulassungsbestimmungen erhalten, lediglich auf die Psychotherapeuten anwendet, die ihre Tätigkeit in einer Region dieses Mitgliedstaats im Rahmen der innerstaatlichen gesetzlichen Krankenkassen ausgeübt haben, und die vergleichbare bzw. gleichartige Berufstätigkeit von Psychotherapeuten in anderen Mitgliedstaaten nicht berücksichtigt (Rs. Kommission/Deutschland).[107]

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Zu den diesbezüglichen Richtlinien sind zahlreiche Entscheidungen des EuGH ergangen.[108] Besondere Beachtung verdient dabei auch die Frage der Anerkennung von Diplomen, Prüfungszeugnissen und sonstigen Befähigungsnachweisen aus den zwischenzeitlich beigetretenen Mitgliedstaaten sowie aus Drittstaaten.[109]

Die nach der [ehemaligen] Richtlinie 93/16/EWG zur Erleichterung der Freizügigkeit für Ärzte und zur gegenseitigen Anerkennung ihrer Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise erforderliche ärztliche Ausbildung kann – auch überwiegend – aus einer in einem Drittland erhaltenen Ausbildung bestehen, sofern die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, die das Diplom erteilt, diese Ausbildung anzuerkennen und dementsprechend festzustellen in der Lage ist, dass diese Ausbildung tatsächlich zur Erfüllung der in dieser Richtlinie normierten Anforderungen an die ärztliche Ausbildung beiträgt (Rs. Tennah-Durez).[110]

Die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats sind an eine nach der [ehemaligen] Richtlinie 93/16/EWG ausgestellte Bescheinigung, wonach das fragliche Diplom den Diplomen, in der Richtlinie gleichgestellt ist und eine den Bestimmungen der Richtlinie entsprechende Ausbildung abschließt, gebunden. Treten neue Gesichtspunkte auf, die ernste Zweifel daran begründen, ob das ihnen vorgelegte Diplom echt ist oder den einschlägigen Vorschriften entspricht, so steht es ihnen frei, sich erneut mit einem Ersuchen um Nachprüfung an die Behörden des Mitgliedstaats, der das Diplom erteilt hat, zu wenden (Rs. Tennah-Durez).[111]

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Ein weiterer Problemkreis betrifft die Frage der Anforderungen an den Besitz und den Betrieb von Gesundheitseinrichtungen.[112]

Art. 49 AEUV steht einer nationalen Regelung entgegen, die es einem diplomierten Optiker nicht erlaubt, mehr als ein Optikergeschäft zu betreiben. Ein Verstoß liegt auch vor, wenn die Möglichkeit, dass eine juristische Person ein Optikergeschäft eröffnet, von der Voraussetzung abhängig gemacht wird, dass die Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb des Geschäfts auf den Namen eines Optikers ausgestellt wird und dass die Person, die die Erlaubnis für den Betrieb des Geschäfts besitzt, mit mindestens 50 % am Gesellschaftskapital sowie an den Gewinnen und Verlusten der Gesellschaft beteiligt ist (Rs. Kommission/Griechenland).[113]

Anderes gilt bei einer nationalen Regelung, die Personen, die keine Apotheker sind, den Besitz und den Betrieb von Apotheken verwehrt. Eine solche Regelung ist geeignet und erforderlich, um eine sichere und qualitativ hochwertige Versorgung mit Arzneimitteln und somit den Schutz der Gesundheit sicherzustellen. Aufgrund des besonderen Charakters der Arzneimittel und ihres Marktes lässt sich die Rechtsprechung zu Optikerprodukten nicht übertragen. Denn im Unterschied zu Optikerprodukten können sich Arzneimittel als sehr schädlich erweisen, wenn sie ohne Not oder falsch eingenommen werden. Zudem führt ein medizinisch nicht gerechtfertigter Verkauf von Arzneimitteln zu einer ungleich größeren Verschwendung öffentlicher Finanzmittel als der nicht gerechtfertigte Verkauf von Optikerprodukten (Rs. Apothekerkammer des Saarlandes u.a.).[114]

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Relevant wurde auch die Frage des Erfordernisses und der daran zu knüpfenden Voraussetzungen einer krankenhausrechtlichen Bewilligung.

Art. 49 AEUV steht nationalen Vorschriften entgegen, wonach für die Errichtung einer privaten Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums eine Bewilligung erforderlich ist und diese Bewilligung, wenn angesichts des bereits bestehenden Versorgungsangebots durch Vertragsärzte kein die Errichtung einer solchen Anstalt rechtfertigender Bedarf besteht, zu versagen ist, sofern nicht auch Gruppenpraxen einem solchen System unterworfen sind und sofern sie nicht auf einer Bedingung beruhen, die geeignet ist, der Ausübung des Ermessens durch die nationalen Behörden hinreichende Grenzen zu setzen (Rs. Hartlauer).[115]

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Ein weiterer Problemkreis eröffnet sich im Zusammenhang mit der Frage einer Pflichtmitgliedschaft in einem System der sozialen Sicherheit.

Art. 56 AEUV steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, nach der Unternehmen, die in einem bestimmten Gebiet einem bestimmten Gewerbezweig angehören, verpflichtet sind, einer Einrichtung wie einer Berufsgenossenschaft beizutreten, soweit dieses System nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels der Gewährleistung des finanziellen Gleichgewichts eines Zweigs der sozialen Sicherheit erforderlich ist (Rs. Kattner Stahlbau GmbH).[116]

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Im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit standen auch wiederholt Fragen zu Wohn- und Tätigkeitssitz des Betroffenen im Mittelpunkt.

Ein Mitgliedstaat verstößt gegen Art. 45 und 49 AEUV, wenn er die Ausübung des Zahnarztberufs an einen Wohnsitz in dem zuständigen Bezirk der berufsständischen Vertretung knüpft. Eine Wohnsitzverpflichtung ist weder durch das Erfordernis der Einhaltung der Standesregeln, noch durch die Gewährleistung der Kontinuität ärztlicher Behandlungen gerechtfertigt. Ebenso liegt ein Verstoß vor, wenn der Mitgliedstaat das Recht, im Fall der Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat im Kammerregister eingetragen zu bleiben, Zahnärzten eigener Staatsangehörigkeit vorbehält (Rs. Kommission/Italien).[117]

Auch verstößt ein Mitgliedstaat gegen Art. 45 und 49 AEUV, wenn er Ärzte, die in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen sind oder dort einer unselbstständigen Beschäftigung nachgehen, daran hindert, sich unter Beibehaltung ihrer Praxis oder Beschäftigung in diesem Mitgliedstaat niederzulassen oder einer unselbstständigen Beschäftigung nachzugehen. Ein solches Verbot kann nicht unter Hinweis auf die Notwendigkeit der Sicherung einer ununterbrochenen ärztlichen Versorgung gerechtfertigt werden, da diese mit weniger einschränkenden Mitteln sichergestellt werden kann (Rs. Kommission/Luxemburg).[118]

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Schließlich stand auch die Werbung im Fokus der Entscheidungen.[119]

Art. 49 AEUV und Art. 56 AEUV steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, wonach ein Mitgliedstaat, der die Ausübung der Tätigkeit des Heilpraktikers durch Personen ohne Arztdiplom verbietet, auch die Werbung für solche Ausbildungen verbietet, wenn diese sich auf Modalitäten der Ausbildung bezieht, die als solche in diesem Mitgliedstaat verboten sind. Ein Verstoß liegt hingegen vor, wenn der Mitgliedstaat die Werbung für Ausbildungen, die in einem anderen Mitgliedstaat erteilt werden, verbietet, wenn in dieser Werbung angegeben ist, an welchem Ort die Ausbildung stattfinden soll, und darauf hingewiesen wird, dass der Beruf des Heilpraktikers im erstgenannten Mitgliedstaat nicht ausgeübt werden darf (Rs. Gräbner).[120]

3. Kartellrecht

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Der Binnenmarkt der Union (Art. 3 Abs. 3 EUV) umfasst ein System, das den Wettbewerb vor Verfälschungen schützt (Protokoll 27 zu den Verträgen[121]). Neben den Bestimmungen über staatliche Beihilfen dienen hierzu die an Unternehmen gerichteten Normen der Art. 101–106 AEUV. Art. 101 AEUV qualifiziert Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die geeignet sind, den Handel zwischen Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen und eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des Binnenmarktes bezwecken oder bewirken, als mit dem Binnenmarkt unvereinbar und verboten. Art. 102 AEUV verbietet die missbräuchliche Ausnutzung einer beherrschenden Stellung auf dem Binnenmarkt oder auf einem wesentlichen Teil desselben durch ein oder mehrere Unternehmen, soweit dies dazu führen kann, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen.

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Gemäß Art. 103 Abs. 1 AEUV ist der Rat ermächtigt, zur Verwirklichung der in den Art. 101 und 102 AEUV niedergelegten Grundsätze zweckdienliche Verordnungen oder Richtlinien zu erlassen. Hierzu wurde schon früh die Verordnung (EWG) Nr. 17/62[122] erlassen, welche im Jahre 2004 durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2003[123] abgelöst wurde.

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Die Mitgliedstaaten werden gemäß Art. 106 Abs. 1 AEUV in Bezug auf öffentliche Unternehmen und auf Unternehmen, denen sie besondere oder ausschließliche Rechte gewähren, keine den Verträgen widersprechenden Maßnahmen treffen oder beibehalten. Für Unternehmen, die mit Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse betraut sind, gelten die Vorschriften der Verträge, soweit die Anwendung dieser Vorschriften nicht die Erfüllung der ihnen übertragenen besonderen Aufgabe rechtlich oder tatsächlich verhindert (Art. 106 Abs. 2 AEUV). Diese Bestimmung, die unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen von den allgemeinen Vorschriften des Vertrages zulässt, soll das Interesse der Mitgliedstaaten am Einsatz bestimmter Unternehmen, insbesondere solcher des öffentlichen Sektors, als Instrument der Wirtschafts- oder Sozialpolitik mit dem Interesse der Union an der Einhaltung der Wettbewerbsregeln und der Wahrung der Einheit des Binnenmarktes in Einklang bringen.[124]

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Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH umfasst der Begriff des Unternehmens im Sinne der Wettbewerbsregeln unabhängig von der Rechtsform und der Art der Finanzierung jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit.[125] Dabei ist die Unternehmenseigenschaft aufgrund der Relativität des Unternehmensbegriffs an der Art der konkreten Tätigkeit zu prüfen.[126] Weder das Fehlen eines Gewinnerzielungszwecks, noch die Verfolgung einer sozialen Zielsetzung genügen, um die Unternehmenseigenschaft zu verneinen.[127] Damit wird der Begriff des Unternehmens regelmäßig sehr weit ausgelegt.

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Anders werden hingegen Einrichtungen beurteilt, die mit der Verwaltung der gesetzlichen Kranken-, Unfall- oder Rentenversicherungssysteme betraut sind,[128] wenngleich auch hier auf die Art der konkreten Tätigkeit abzustellen ist.[129]

Krankenkassen haben keine Möglichkeit, auf die Höhe der Beiträge, die Verwendung der Mittel und die Bestimmung des Leistungsumfangs Einfluss zu nehmen. Auch der Spielraum, über den Krankenkassen im Hinblick auf die Beitragssätze verfügen, führt zu keiner anderen Betrachtung, da dies im Interesse des ordnungsgemäßen Funktionierens des Systems der sozialen Sicherheit erfolgt. Maßgeblich ist, dass die Leistungen von Gesetzes wegen und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht werden. Damit sind Krankenkassen keine Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln, wenn sie Festbeträge festsetzen, bis zu deren Erreichen sie die Kosten von Arzneimitteln übernehmen (Rs. AOK-Bundesverband u.a.).[130]

Keine andere Bewertung ergibt sich bei einer reinen Einkaufstätigkeit dieser Einrichtungen gegenüber Dritten, sofern die zu erwerbenden Güter oder Dienstleistungen zur Erfüllung dieser Tätigkeit dienen. Der Kauf ist nicht von der späteren Verwendung der Güter oder Dienstleistungen zu trennen. Der wirtschaftliche oder nichtwirtschaftliche Charakter der späteren Verwendung bestimmt zwangsläufig den Charakter der Einkaufstätigkeit (Rs. FENIN).[131]

Auch Berufsgenossenschaften, der die Unternehmen, die in einem bestimmten Gebiet einem bestimmten Gewerbezweig angehören, für die Versicherung gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten beitreten müssen, sind keine Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln, sondern nehmen Aufgaben rein sozialer Natur wahr, soweit sie im Rahmen eines Systems tätig sind, mit dem der Grundsatz der Solidarität umgesetzt wird und der staatlichen Aufsicht unterliegen (Rs. Kattner Stahlbau).[132]

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Hiervon zu unterscheiden sind jedoch Zusatzversicherungssysteme auf freiwilliger Basis.[133]

Eine Einrichtung, die ein zur Ergänzung einer Grundpflichtversicherung durch Gesetz geschaffenes, auf Freiwilligkeit beruhendes Rentenversicherungssystem verwaltet, das insbesondere hinsichtlich der Beitrittsvoraussetzungen, der Beiträge und der Leistungen nach dem Kapitalisierungsprinzip arbeitet, gilt als Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln (Rs. Fédération française des sociétés d'assurance u.a.).[134]

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Auch in anderen Bereichen des Gesundheitswesens haben sich kartellrechtliche Fragestellungen ergeben, insbesondere im Arzneimittelbereich, dort vor allem im Hinblick auf den Parallelhandel.[135] In neuerer Zeit standen vermehrt auch sogenannte Pay-for-delay-Vereinbarungen im Fokus. Dabei bezahlt der Hersteller eines Originalpräparats einen Generikahersteller, damit dieser die Markteinführung eines Generikums einschränkt oder verzögert.[136]