Kitabı oku: «Ein MORDs-Team - Der komplette Fall Marietta King», sayfa 20

Yazı tipi:

Bei Randy zu Hause

Ein Donnerstagnachmittag

Olivia schaltete an der Ampel herunter und warf Vince einen Seitenblick zu. »Sag mal, du wirkst so nervös? Bist du wegen deinem neuen Laptop schon aufgeregt, oder was ist los?« Sie lachte.

Er stieß sie mit dem Ellbogen an und zog eine Grimasse. »Hey, wer ist bei dir im Auto und bei deiner Fahrweise nicht nervös?«

»Ach was, ich hab mein Baby voll im Griff«, protestierte sie und gab Gas, als die Ampel auf Grün schaltete. Doch dann hatte sie keine Zeit mehr zum Grübeln, die Fahrer auf der Straße heute schienen allesamt schon in den vorzeitlichen Winterschlaf gefallen zu sein. Sie musste ständig die Spur wechseln, um nicht hinter den Trantüten einzuschlafen. Dabei hatte sich das trübe Wetter wieder gefangen, es war ein richtig schöner, sonniger Herbsttag. Genussvoll kurbelte sie das Fenster herunter, ließ die salzige Seeluft herein und drehte das Radio etwas lauter. Sie sang lauthals mit, als Magic von Coldplay im Radio kam. »Call it magic.« Es war ja eigentlich gar nicht ihr liebster Song, aber er erinnerte sie an Chris.

Vince stimmte ein und schaute gedankenverloren zum Fenster hinaus. »I don't want anybody else but you.”

Lachend sangen sie gemeinsam jedes Lied mit, bis sie bei Randys Haus eintrafen.

Seine Tante öffnete ihnen und begrüßte sie freundlich. Sie war eine sehr sympathische Frau. Die dunklen Locken hatte sie zu einem Pferdeschwanz gebunden, dazu trug sie Leggings und ein langes T-Shirt, was sie richtig jung wirken ließ.

»Wie geht es Ihnen, haben Sie den Schreck über den Einbruch schon überwunden?«, fragte Olivia.

Barbara Gladstone runzelte die Stirn. »Es ist ein bedrückendes Gefühl, dass jemand hier im Haus war und in unseren Sachen gewühlt hat.«

Olivia nickte. »Das kann ich sehr gut verstehen.«

Randys Tante deutete zur Treppe. »Geht ruhig rauf, Randy ist in seinem Zimmer.«

Da auf ihr zweimaliges Klopfen keiner reagierte, öffnete Olivia die Tür vorsichtig einen Spalt. Randy sprang auf und riss sich die Micky-Maus-Ohren vom Kopf. »Sorry, ich hab euch nicht gehört.«

Vince war begeistert von dem wesentlich hochwertigeren Gerät, das Randy als Ersatz besorgt hatte. Es war schneller und hatte mehr RAM und Speicher. Und die alte Festplatte hatte auch nichts abgekriegt, so dass alle Daten gerettet werden konnten. Randy hatte ihm bereits alles installiert.

»Das ist super, danke«, freute sich Vince und klopfte Randy auf die Schulter. »Du bist echt ein Ass. Ich schulde dir was.«

Hey, wie süß, Randy wurde fast ein bisschen rot über das Lob. Olivia grinste in sich hinein.

Er war aber auch genial. Wie er alle Daten für sie erfasste und eine immer größer werdende Datenbank über den Mord an Marietta King und das Leben der 84er anlegte. Puzzlestück für Puzzlestück zeichnete sich ein immer klarer werdendes Bild des damaligen Vorfalls ab, auch wenn das Warum nach wie vor wie ein riesiges Fragezeichen vor ihnen schwebte. Es waren noch Berge von Akten zu erfassen. Olivia wartete gespannt, was sich ihnen noch offenbaren würde. Zu gerne hätte sie gewusst, was und vor allem wer hinter dem Mord an Marietta steckte. Und dem Kind.

Sie ließ sich in Randys einzigen Sessel fallen und die Blicke schweifen. Er hatte alles schon wieder aufgeräumt – wenn man diese Elektronikberge und das Kabelzeugs ordentlich nennen konnte. Aber es hatte alles System, er wusste immer sofort, wo er hingreifen musste.

Ihr Blick fiel auf einen mit dickem Filzstift handgeschriebenen Spruch, den er aufgehängt hatte:

»Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.« (Weissagung der Cree)

Das Blatt war schon leicht vergilbt, als wäre es schon älter.

»Hey, cool, woher hast du das denn? Der Spruch hängt doch neu hier, oder?«

Randy grinste sie verschwörerisch an. »Bin ich kürzlich in ein paar alten Unterlagen aus den 80ern drauf gestoßen. Muss damals ganz schön populär gewesen sein, aber trifft es doch heute noch genauso.« Er zwinkerte Olivia zu.

Olivia grinste. Wahrscheinlich hatte Randy den Zettel im Tarnowski-Haus gefunden, wollte vor Vince aber nicht mehr sagen, um ihn nicht mit in die Sache hineinzuziehen. Er engagierte sich sehr für die Umwelt, der Spruch passte zu ihm. Bevor Vince womöglich genauer nachfragte, woher der Wisch kam, wechselte sie das Thema. »Was ist eigentlich mit deiner App?«

»Habe ich so weit alles wieder restauriert und bin auch wieder dran, die letzten Probleme, die ich bei der Auslesung des Quellcodes noch habe, aus dem Weg zu räumen. Ich denke, noch ein paar Tage, dann können wir einen Probelauf starten.«

Vince schaute ihn groß an. »Du entwickelst selbst eine App? Wow, das ist ja cool!«

»Ach, das ist nichts«, wehrte Randy ab.

Olivia grinste. »Stell dein Licht nicht unter den Scheffel, Nerdie – du bist ein echtes Ass.« Sie zwinkerte ihm zu.

Randy flüchtete sich zu seinem Schrank und steckte den Kopf hinein. Dieses Mal schwenkte er um. »Ich habe heute das brandneue Assassin's Creed gekriegt, hast du das schon gezockt, Vince?«

Und schon ging das wieder los. Dieses Mal zogen sie nach Europa. Paris, zu Zeiten der Französischen Revolution. Als die beiden sie fragten, ob sie mitspielen wollte, wehrte Olivia ab und stand auf. Sie waren so vertieft, dass sie ihren Abschied nicht mal richtig wahrnahmen. Grinsend machte sie sich auf den Weg.

Jungs.

*

Barrington Cove, Stadtarchiv

Ein Freitag

Mason schlug die Tür von Olivias schlammgrünem Dodge hinter sich zu. Er wischte sich symbolisch den Schweiß von der Stirn. »Wieder eine Fahrt mit dir überlebt.«

Olivia überging die Bemerkung und schloss die Fahrertür ab. »Wenn du meckerst, Collister, läufst du das nächste Mal.«

»Mannomann, ich bin froh, wenn ich endlich wieder Skateboardfahren kann«, murrte er und ließ seinen Fuß kreisen.

Olivia schaute ihn erschrocken an. »Sag mal, spinnst du?«

»Hey, das ist dumm gelaufen, aber ich werde bestimmt jetzt nicht aufhören, Skateboard zu fahren.« Das würde er sich nicht auch noch nehmen lassen. Er würde eben besser aufpassen. Lange dauerte es sicherlich nicht mehr, bis sein Bein wieder einsatzfähig war. Gerade war wieder so geiles Herbstwetter – er könnte zu seinem geheimen Platz am Strand düsen, sich die Sonne aufs Hirn brennen lassen … Seufzend sog er die salzige Seeluft ein, die vom Meer her wehte. So sehr ihn die Aufklärung lockte, der Besuch hier im Stadtarchiv erschien ihm schon eine recht trockene Angelegenheit zu werden.

Die breiten Steinstufen zum großen Glasbau waren von dichten Sträuchern umsäumt. Unwillkürlich fiel Masons Blick darauf, dahinter konnte sich gut jemand verbergen.

Olivia unterbrach seine Gedanken. »Also, wir schreiben für das Schulmagazin einen Bericht über die 80er in unserer Stadt und beziehen da auch die Einwohnerentwicklung, Geburten, Todesfälle und Statistiken mit ein, alles klar?«

Er grinste sie von der Seite an. »Das weiß ich, wir hatten das Thema bereits, Miss Vergesslich. Ich mag ja gegen ein Auto gedonnert sein, aber mein Hirn hat nicht darunter gelitten.«

Sie stieß ihm den Ellbogen in die Seite und kicherte.

Wirkte die coole Olivia nervös?

Doch an der Theke zum Lesesaal war sie wieder die Professionalität in Person, als sie ihr Anliegen vortrug. Mason zollte ihr bei jedem Wort mehr Respekt.

»Wollen Sie denn die kompletten Achtziger Jahre einsehen?«, fragte die alte Dame hinter dem Tresen, wahrscheinlich eine Rentnerin, die hier als Freiwillige arbeitete. Sie sah jedoch beim Gedanken daran wenig begeistert aus, bestimmt hatte sie auch keinen Bock, mit ihnen stundenlang die gesamten Jahre durchzuwälzen.

»Ich denke, das wird zu viel. Ich würde sagen, wir nehmen repräsentativ einfach mal einen Jahrgang …«, Mason rieb sich scheinbar grübelnd das Kinn, »sagen wir das Jahr 1983, was denkst du, Oliv? Und dann sehen wir weiter.«

Olivia nickte zustimmend, so, als fände sie seine Idee spontan gut.

Die Alte wies ihnen sichtbar erleichtert einen Platz am langen Tisch zu und wackelte mit wiegenden Hüften – wahrscheinlich hatte sie Arthritis – los, um ihnen die Unterlagen von 1983 zu holen. Ihre grauen Löckchen schimmerten lila im Neonlicht.

Angestrengt blätterten sie in den dicken Büchern. Die trockene, staubige Luft machte müde. Mason gähnte. Ihm schwirrte schon nach kurzer Zeit der Kopf vor lauter Begriffen – es gab Statistiken zu A wie Abendschule und Abwasserreinigung über P wie Personenkraftwagen nach Emissionsgruppen bis Z wie Zusammengefasste Geburtenziffern.

Er ließ seine Blicke schweifen. Durch das gläserne Oberlicht fiel ein Sonnenstrahl und ließ die Staubflocken tanzen. Wie schön wäre es jetzt draußen – am Strand ließen die Ersten ihre Drachen steigen für den morgigen Wettbewerb, es war buntes Leben. Und sie beide erstickten hier in sinnlosen Akten. Er wurde ungeduldig, wollte endlich Ergebnisse erzielen.

»Verdammt, das ist überhaupt nicht das, was wir suchen«, raunte er Olivia hinter vorgehaltener Hand zu.

»Ist mir auch schon aufgefallen, du Schnellmerker«, wisperte sie zurück.

Die Grauhaarige kam wieder bei ihnen vorbei. »Brauchen Sie denn noch etwas?«

Olivia warf ihm einen vielsagenden »Tu-du-was«-Blick zu, deutete auf eines der dicken Bücher und zückte ihre Kamera. »Darf ich ein paar Bilder daraus schießen?«

Die Mitarbeiterin nickte unsicher. »Ich denke schon.«

Olivia bedankte sich und ließ ihren Auslöser klicken. »Sie können sie dann gleich wiederhaben.«

Mason schaltete sich ein. »Gibt es denn auch Statistiken und detaillierte Listen über die Todesfälle und Geburten in Barrington Cove?«

In Gedanken fluchte er. Irgendwie hätten sie sich doch etwas besser vorbereiten sollen, wie hier die Ablagesysteme und Aufbewahrungen funktionierten.

Die Mitarbeiterin legte nachdenklich den Finger auf die runzeligen Lippen. »Sie meinen, mit Namen?«

»Ja, genau!« Sein strahlendes Lächeln schien seine Wirkung nicht zu verfehlen, dennoch schüttelte die Alte bedauernd so heftig den Kopf, dass die silberlila Löckchen tanzten. »Tut mir leid, die Akten sind natürlich vertraulich.«

Olivia legte ihre Kamera beiseite und warf ein »Können Sie uns denn generell etwas darüber sagen, wie und wo hier die Daten unserer Stadt verwaltet werden?« in den Raum.

»Ich weiß nur, was es hier gibt«, sagte die Alte bedauernd, »aber ich glaube, Geburten- und Todesregister werden beim Standesamt hinterlegt.«

Verdammter Mist! Denk nach, Mason!

»Dankeschön, das ist nett von Ihnen. Leben Sie denn schon lange hier in Barrington Cove?« Er ging in einen lockeren Plauderton über, während Olivia sinnlos irgendwelche Seiten knipste, die sie wahrscheinlich sofort wieder von dem Speicherchip löschen würde.

»Mein ganzes Leben lang«, lachte die Alte und zeigte dabei ihr Gebiss in voller Breite.

Das muss ja schon ziemlich lange sein, schoss es ihm durch den Kopf und er unterdrückte ein Grinsen. »Im Zuge unserer Recherchen sind wir auch auf alte Mordfälle gestoßen«, erzählte er.

Die Alte nickte. »Ach ja, unser Bürgermeister Tyler versucht ja heutzutage, unsere Stadt sauberzuhalten und die Kriminellen hinter Schloss und Riegel zu bringen. Unsere Stadt ist doch schon viel sicherer geworden.« Sie schaute verklärt.

Na ja, seine Zweifel zu diesem Thema tat er der Alten lieber nicht kund. Bürgermeister Tyler machte zwar einen auf Saubermann und Stadtreinhaltung, aber schaffte er es wirklich, alle Diebe, Mörder und sonstigen Verbrecher wegzusperren – oder wurden die Statistiken nur geschönt und Orte wie der Crest Point verschwiegen?

»Ich habe gelesen, dass damals, ich glaube, es war 1984, ja sogar ein Mädchen mitten in der alten Highschool umgebracht wurde!«, sagte Mason, mit Empörung in der Stimme.

Ein Schatten glitt über das Gesicht der alten Dame. »Ja, daran kann ich mich noch erinnern, der Fall wurde groß in der Presse breitgetreten. Meine Tochter war nur ein paar Jahre älter als sie. Wie hieß sie denn noch gleich, die Kleine …?«

Olivia blätterte in ihrem vollgekritzelten Notizblock und tat, als suche sie nach dem Namen. »Marietta King hieß sie«, sagte sie schließlich.

»Marietta, richtig. Ja, der alte King hatte damals alle Hebel in Bewegung gesetzt, aber der Mörder wurde nie gefunden. Mein Mann kannte ihn, er kam wohl nie über den Tod der Tochter hinweg.«

Der alte King! Was wussten sie eigentlich über Mariettas Eltern? Auch Olivia kritzelte etwas auf ihren Block und warf ihm einen bedeutungsschwangeren Blick zu. Merken! Wir müssen was über die Eltern rausfinden, las er daraus.

Mason beschloss, alles auf eine Karte zu setzen. Er dämpfte seine Stimme. »War diese Marietta King nicht auch die, die schon ein Kind hatte?«

»Nein, davon weiß ich nichts.« Die Alte zögerte, sah aus, als wollte sie etwas sagen, dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Nein!«, sagte sie nochmals. »Da müssen Sie was verwechseln, junger Mann.«

Wie es aussah, bekamen sie hier nicht viel mehr raus. Mason legte die Hand auf die Seite des Buchs, das vor ihm lag. Einwohnerbilanzen: Lebendgeborene, Gestorbene, Überschuss der Geborenen bzw. Gestorbenen … irgendwie klang das makaber. Er schlug das Buch zu. Das »Lebendgeborene« löste eine Assoziation in seinem Kopf aus, er konnte sie nur noch nicht greifen. Er schob den Gedanken weg und wandte sich an die Alte. »Herzlichen Dank nochmals für Ihre Zeit. Wir machen uns dann wieder auf den Weg.«

»Keine Ursache.« Wieder präsentierte sie ihr Gebiss.

»Sie sagten, auf dem Standesamt gibt es die Listen?«, hakte Olivia nochmals nach.

»Ja, Standesamt. Oder im Krankenhaus finden Sie die Geburten und Todesfälle von dort natürlich auch«, fügte sie im Gehen hinzu.

Mason hätte sich am liebsten vor den Kopf geschlagen. Das war's! Jetzt wusste er auch, was bei den Lebendgeburten gerade so an seinem Unterbewusstsein genagt hatte. Das Krankenhaus! Dort wurden Geburten registriert. Innerlich begann er zu grinsen. Randys Tante!

Kaum, dass sie vor der Tür waren, wählte er die Nummer seines Freundes.

*

Barrington Cove, Uferpromenade – Kite-Festival

Ein Samstagnachmittag

Als hätte die Sonne gewusst, dass heute ein Festtag war, leuchtete sie aus stahlblauem Himmel. Farbenfroh hoben sich die Drachen dagegen ab. Die Wettbewerber hatten sich so einiges an Farben und Formen einfallen lassen. Es gab riesige chinesische Drachen, geometrische Formen, Nemos, Delfine, Pferde, riesige Adler und zahllose andere Formen in allen Farben – man wusste gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte. Ein Favorit für den Sieger des ausgefallensten Designs war sicherlich ein pinkfarbener Chevrolet mit einem Papp-Elvis drin – als Schwanz dienten Mikrophon-Attrappen.

Nur der Wind war etwas schwach, die Teilnehmer mussten teilweise die Drachen mit Laufen unterstützen.

Randy grinste. Mason war heute ganz in seinem Element. Seine Augen leuchteten voller Begeisterung und schweiften zwischen den Drachen, die am Himmel segelten, und den Mädels, die bei dem schönen Wetter mit kurzen Röcken am Strand flanierten, hin und her.

Doch er fand es selbst ja auch cool, vor allem die Fotos, die er mit seinem neuen 3D-Handy schoss. Die Drachen kamen dreidimensional gleich noch mal viel besser zur Geltung. Begeistert zappte er durch die Bilder.

»Los, komm, lass uns ein Eis essen«, unterbrach Mason und zog ihn mit.

Das warme Wetter und das Kite-Festival hatten auch die Eisverkäufer wieder an den Strand berufen. Lachend schob Randy sein Handy in die Hosentasche und folgte ihm.

Auf dem großen Festplatz von Barrington Cove kündigte eine Country-Band gerade ihren letzten Song an, dann wollte Bürgermeister Tyler seine Eröffnungsrede für den Drachen-Wettkampf halten.

Genussvoll leckte Mason an seinem Mangoeis. »Willst du dir das Gelaber anhören?« Seinem Gesichtsausdruck war deutlich anzusehen, dass er darauf keinen Bock hatte.

Randy schüttelte den Kopf. Generell war ja sein Politikinteresse wesentlich ausgeprägter als das von Mason, doch dieses hochgestochene Gesülze brauchte er bestimmt nicht. »Damit ich höre, wie toll und sicher unsere Stadt ist, mit Statistiken, die ich nicht selbst gefälscht habe? Nein, danke!« Der Bürgermeister war eine echte Schwallbacke. Der typische Politiker, der gerne mal auf der »Yes, we can«-Welle mitritt und immer davon faselte, was er alles für machbar hielt und verwirklichen wollte. Seine Stadt, Barrington Cove, für die er alles gab. Wie er immer gegen die Kriminalität kämpfen wollte. Na ja, sollte er mal. Es wurde Zeit, dass dieser Thompkins für eine Weile von der Bildfläche verschwand.

»Lass uns lieber an den Strand gehen und den Drachen zusehen.«

Das Meer wurde von der mäßigen Brise bewegt, sanft plätscherte die Dünung auf den in der Sonne weiß leuchtenden Sand. Auf dem Meer kreuzten einige Segelboote. Ob Danielle wohl auf einem von ihnen war?

Eine ganze Weile schauten sie dem bunten Treiben am Strand zu, unterhielten sich mit allen möglichen Leuten aller Altersklassen, doch niemand schien etwas über den Einbruch zu wissen, die meisten waren überrascht.

Randy war froh, als der Wettbewerb begann. Dieser erzwungene Smalltalk ging ihm wirklich auf den Geist.

Der Wettbewerb war spannend, die Stimmung aufgeheizt. Schließlich siegte tatsächlich der pinkfarbene Cadillac mit Elvis, wie er erwartet hatte.

Gewonnen hatte ein dreizehnjähriger Junge, dessen Wangen vor Aufregung hochrot glühten. Er starrte seinen Vater hilfesuchend an, der wohl maßgeblich beteiligt war und ebenso aufgeregt schien. Der Gewinner wurde vom Bürgermeister mit großem Trara und salbungsvollen Worten gefeiert.

Allmählich dämmerte es. Die Boote verschwanden auf dem Meer, die Drachenflieger packten ihre Schätze ein, überall lagen Schnüre und Verpackungen. Mit der untergehenden Sonne wurde es auch gleich kühler.

Sein Smartphone summte. Olivia schrieb eine SMS, dass sie da waren und wo sie blieben, es käme schon Musik. Sie hatte Vince mitgebracht.

Randy lächelte. »Lass uns mal zum Festplatz gehen. Danielle müsste ja auch bald kommen. Vielleicht haben wir drüben auch mehr Erfolg.«

Um zur Bühne zu kommen, mussten sie eine Absperrung passieren. Die Ausweiskontrolle verpasste ihnen rote Bänder am Arm – für Minderjährige –, die Erwachsenen bekamen grüne. Das war wieder typisch für ihren Bürgermeister – dafür sorgen, dass ja keiner Alkohol ausgeschenkt bekam, der noch keine 21 war. Die aktuelle Band auf der Bühne – Einheimische aus Barrington Cove, die sich ziemlich erfindungslos »BC Rock« nannten – spielte ziemlich gute Mucke, schön rockig. Unwillkürlich wippte Randy mit, der Bass vibrierte in seinen Eingeweiden.

»Bin mal gespannt, ob wir hier was über Thompkins herausfinden«, raunte er Mason zu, als sie sich durch die Menge drängten. Genau in dem Moment fiel sein Blick auf dessen Freundin, die kleine Blonde. Unwillkürlich zuckte Randy zusammen. »Wenn man vom Teufel spricht …« Er legte Mason die Hand auf die Schulter. »Nicht umdrehen. Hinter dir kommt gerade Thompkins' Schnecke an. Sie läuft direkt auf uns zu«, sagte er halblaut gegen den Lärm und wandte den Blick zur Band, als würde er die Blonde nicht sehen. Dabei versuchte er, aus dem Augenwinkel den Riesen zu sichten, doch er war definitiv nicht dabei, ihn hätte man, da er die meisten hier überragte, deutlich gesehen. Na, der konnte ja dann auch nicht so lange auf sich warten lassen.

Fast schien es, als hätte die Blonde sie gesucht, denn zielsicher steuerte sie auf die beiden zu. »Hi.« Kokett strich sie sich eine Strähne aus dem Gesicht. Ein Schwall Parfüm wehte zu ihm.

»Wo hast du denn deinen Stecher gelassen?«, fragte Mason grob, statt einer Begrüßung.

Sie reckte das Kinn vor. »Wir sind nicht mehr zusammen!«

Ach, nee? Randy fixierte sie, doch es war schwer, in ihrem Gesicht zu lesen. Kurz hatte er den Eindruck, dass ihre Unterlippe zitterte. Hatte Thompkins sie abserviert?

Auch Mason musterte sie, ohne eine Miene zu verziehen, wobei sich Randy nicht sicher war, ob seine Augen nicht an dem ganz schön großzügigen Ausschnitt haften blieben.

»Und, was willst du?«, fragte Mason schließlich. Das klang ziemlich verächtlich.

»Er hasst euch«, platzte sie heraus.

Mit einer coolen Handbewegung tat Mason das ab. »Da erzählst du uns nichts Neues.«

»Aber ihr müsst aufpassen, echt! Der …« Sie riss die Augen auf, dass sie wie große, hellblaue Murmeln mit schwarzem Kern aussahen. Sie wirkte ehrlich entsetzt, »… bringt euch noch um!«

Ein schleimiges Getier namens Angst kroch an Randys Rücken hoch, zog eine kribbelnde Spur hinter sich her. Er unterdrückte ein Schaudern und räusperte sich, doch Mason kam ihm zuvor.

»Und was interessiert's dich?« Die coole Maske spielte er wirklich gut, das musste Randy ihm lassen. Dabei gefiel ihm das Gehörte sicher genauso wenig.

Die Blonde schien ebenso beeindruckt, denn sie legte den Kopf in den Nacken, da Mason trotz ihrer Hochhackigen noch ein Stück größer als sie war. Dann verengte sie ihre Augen zu Schlitzen und schaute ihm ins Gesicht. Fuhr mit den pinkfarben lackierten Nägeln über seine Jacke. Das Kratzen auf dem Stoff, das selbst den Geräuschpegel des Festes übertönte, jagte erneut einen Schauer durch Randy.

Dieses Mal blinkerten ihre Augenlider kokett. »Nun ja, das wäre doch schade um euch, nicht wahr?«, sagte sie mit einer Stimme, die wahrscheinlich rauchig klingen sollte.

Flirtete sie gerade mit Mason?

Bevor Randy weiter darüber nachdenken konnte, schob Mason sie ein Stück beiseite, packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. »Warte hier, ich bin gleich wieder da«, sagte er über die Schulter, schob Randy weiter und raunte ihm dann ins Ohr: »Kein Plan, was die vorhat, aber ich werde es rausfinden. Und auch, was Thompkins so die letzten Tage getrieben hat.«

»Pass bloß auf, Mann, vielleicht ist das alles auch nur eine Falle!«, wisperte Randy zurück.

Mason holte hörbar Luft, dann sagte er leise, jedoch mit fester Stimme: »Auch das werde ich dann herausfinden.«

Abrupt drehte er sich um. Den Rücken ganz durchgedrückt, ging er zu ihr zurück und legte den Arm um ihre Schultern. Mit einem ganz unguten Gefühl im Bauch blickte Randy ihm nach.

*

Danielle schaute zum Fenster der Limousine hinaus, den vorbeifliegenden Lichtern zu. Das selbstverliebte Geschwafel von Kevin zog an ihrem Ohr vorbei. Hauptsache, er behielt endlich seine Hände bei sich. Was war er nur für ein Schwachmat? Den ganzen Tag hatte er eine Schleimspur übers Deck gezogen. Und jetzt baggerte er sie schon die ganze Zeit an. Energisch schob sie seine Hand beiseite, die sich schon wieder auf ihren Oberschenkel legte. Aus dem Augenwinkel warf sie einen Blick auf Brandon, der ihr im Fond der Limousine gegenübersaß. Es schien ihn überhaupt nicht zu interessieren, dass seine Schwester hier massiv angegraben wurde, er war völlig weggetreten und schien andererseits total hibbelig zu sein. Er fuhr sich mit der Hand durch den dichten Blondschopf, dass sich eine Strähne aus seiner sonst wohlgeordneten Frisur nach oben stellte, was ihm ein verwegenes Aussehen gab. Was wohl mit ihm los war? In dem Moment öffnete er die Bar, schenkte sich einen Fingerbreit Whiskey ein und stürzte ihn wortlos in einem Zug hinunter.

Auf Kevins albernes »Prost« reagierte er gar nicht.

Danielles Glieder wurden taub. Trank er etwa, wie ihre Mutter? Sie blinzelte, bevor sie ihr Gesicht wieder zum Fenster drehte. Die Lichter verschwammen vor ihren Augen. Ihr Bruder war ihr so fremd geworden in den letzten Jahren. Sie dachte zurück, doch eigentlich war ihr an ihm nie dieser typische scharfe Geruch aufgefallen, der ihrer Mutter trotz Parfüm immer anhaftete. War er bloß nervös? Aber warum? Hatte er ein Date auf dem Fest? Es schien jedoch mehr Anspannung zu sein.

An der Uferpromenade herrschte dichter Verkehr. Viele wollten wohl zum Kite-Festival. Auf einmal drehte Brandon sich um und klopfte gegen das Fenster zum Chauffeur. José, der sie heute fuhr, ließ die Scheibe herunter.

»Halten Sie an, ich steige hier aus!«

Erstaunt hob Danielle den Kopf. »Hey, ich dachte, du gehst mit aufs Fest?«

Brandon warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Mit euch?« Er wartete nicht, bis José ausgestiegen war, sondern öffnete selbst den Wagenschlag. »Nein danke, Kleines.« Sein Lachen hallte durch die Luft, bevor es von der zuschlagenden Wagentür verschluckt wurde. Für einen Augenblick war sie starr. Gespenstisch zuckten die Lichter des Casinos ins Wageninnere. Sie blinzelte. Vor Kevin würde sie sich keine Blöße geben. Möglichst würdevoll sagte sie zu José: »Sie können weiterfahren.«

Mit ihm wurde sie einfach nicht so warm wie mit George, bei dem sie sich immer so geborgen fühlte. Als José die Scheibe wieder nach oben fahren wollte, sagte sie schnell: »Nein, schon gut, lassen Sie nur.«

Das fehlte noch, dass sie hier mit Kevin im Halbdunkel alleine saß.

Er griff auch sofort nach ihrer Hand.

Sie zog ihre Hand zurück. Einen Vorteil hatte es ja, dass sie jetzt alleine waren. »Ich habe einen Freund«, log sie.

Kevin sah verletzt aus. »Deine Eltern haben mir den ganzen Tag zu verstehen gegeben, dass sie eine Verbindung zwischen uns beiden sehr begrüßen würden.«

Du liebe Güte, wie geschwollen der auch redete!

Sie bemühte sich um einen verächtlichen Gesichtsausdruck. »Du willst doch nicht sagen, dass du dich darum kümmerst und das tust, was unsere Eltern wollen, oder?« Sie warf in einer verächtlichen Geste die Haare zurück. »Ich lebe auf jeden Fall mein eigenes Leben.« Versnobt tun konnte sie auch, da war er nicht der Einzige.

Er beeilte sich zu versichern, dass er natürlich das tat, was er wollte – was für ein Arschkriecher.

Doch dann beugte er sich zu ihr, so nah, dass sie seinen warmen Atem auf ihrem Hals spüren konnte. »Ich finde dich aber auch von alleine ziemlich heiß!«

Ihr wurde beinahe übel und sie rückte noch mehr an die Wagentür, so dass sie fast mit dieser verschmolz.

»Wie gesagt, ich bin bereits vergeben.« Sie setzte ihr hochmütigstes Gesicht auf, was ihr wohl ziemlich gut gelang, wenn sie Olivias Aussage von neulich Glauben schenken durfte. Es schien auch bei Kevin zu wirken, denn er rückte ab.

Sie war froh, als die Fahrt vorbei war und José sie endlich am Festival-Platz absetzte. Es dauerte ihr viel zu lange, bis sie endlich die Kontrollen passiert und sich durch die Menschenmenge zu ihrem Treffpunkt gequetscht hatte.

Beim Anblick von Olivia und Randy wurde ihr plötzlich ganz warm ums Herz. Sie flog fast auf sie zu und fiel Randy um den Hals. »Hilf mir«, zischte sie ihm ins Ohr. »Keine Fragen!« Sie gab ihm einen Kuss und drehte sich zu Kevin um.

»Kevin, das ist Randy, mein Freund«, sagte sie hoheitsvoll.

»Das ist dein Freund?« Kevins Mund stand offen.

Danielle versuchte, Randy aus Kevins Augen zu mustern. Er hatte sich heute von Kopf bis Fuß durchgestylt. Seine schwarzen Haare waren kunstvoll verwuschelt, wie immer. Er trug nicht wie sonst einen leicht ausgeleierten Hoody, sondern eine schwarze kurze Lederjacke (war die neu?), mit einem anliegenden blaumelierten Shirt darunter und eine schwarze Jeans dazu. Sogar Parfüm hatte er aufgelegt, das hatte sie noch nie an ihm bemerkt.

Erst jetzt fiel ihr der Typ neben Randy auf. Er hatte etwas längere dunkle Haare, seine Augen wirkten fast schwarz, als er sie anstarrte.

»Ich wusste gar nicht, dass Randy eine Freundin hat«, sagte er schließlich, seine Stimme war etwas heiser. »Hi, ich bin Vince.«

Ah, der Kumpel von Olivia?

»Äh, ja, das ist Danielle«, stellte Randy sie vor, seine Wangen waren feuerrot. Fast hatte Danielle ein schlechtes Gewissen. Ihr Blick erfasste Kevin.

Aber nur fast.

Um den Typ loszuwerden, war jedes Mittel recht. Sie schmiegte sich in Randys Armbeuge und klimperte ihn verliebt an. Dann, als würde sie sich ihrer guten Manieren besinnen, wandte sie sich wieder an Kevin: »Ach, und das ist Olivia, eine Freundin.«

Bei Olivias Gesichtsausdruck, mit dem sie den College-Boy Kevin musterte, hätte Danielle beinahe laut herausgelacht. Solche Typen hasste sie todsicher. Sie nickte nur knapp.

Fast bekam Danielle Mitleid mit Kevin. Was sollte er nun den ganzen Abend treiben? Ein Stück weiter vorne stand eine Gruppe Mädels aus ihrer Klasse zusammen und tuschelte, mit dem Blick auf sie.

»Ich bin gleich wieder da, Schatz«, flötete sie und küsste Randy auf die Wange.

»Alles klar … Baby«, antwortete er verlegen.

Nur mühsam unterdrückte sie ein Kichern. Sie hakte sich bei Kevin ein und zog ihn zu ihren Klassenkameradinnen. »Komm, ich stelle dir mal ein paar Leute von hier vor.«

Sie fühlte sich wie im falschen Film, während sie die überschwänglichen Kommentare der Mädels über ihr angeblich so gutes Aussehen mit einem süßlichen Lächeln annahm. Ihr ging auf, dass sie fast Partnerlook mit Randy trug, wie passend. Aber bestimmt hatte sie das nicht angezogen, um den Mädels zu imponieren. Was war das nur für eine Welt? Als sie sah, wie interessiert Bridget Kevin musterte, schob sie ihn zu ihr und stellte die beiden einander vor. Die Zwei würden doch super zusammenpassen, für beide zählte Geld und Prestige – und dann lange nichts. Nach viel zu vielen Minuten, die sich zäh wie Lakritzstangen zogen, eiste sie sich endlich wieder von der Gruppe los. Kevin schien gar nicht undankbar über seine Alternative zu sein, er unterhielt sich bereits angeregt mit Bridget und sonnte sich in ihrer Aufmerksamkeit, die er von Danielle definitiv nicht bekommen hatte.

Yaş sınırı:
0+
Hacim:
1361 s. 2 illüstrasyon
ISBN:
9783958344013
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