Kitabı oku: «Zeit zählt», sayfa 7
Was für den Moment der Verrentung zutrifft, gilt auch allgemeiner. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt kennzeichnen Ereignisse und sozialer Wandel die Erfahrung der verschiedenen Kohorten. Langfristige Trends, lokale Schwankungen, idiosynkratische Veränderungen: All dies kennzeichnet Kohorten unauslöschlich – mit charakteristischen Berufsbiografien, mit bestimmten Fähigkeiten und Erfahrungen, mit finanziellen Mitteln, mit beruflichen und beschäftigungsspezifischen Vorteilen und Nachteilen –, und all diese Kennzeichen werden durch die simple Historizität von Individuen in die Zukunft überführt.
Die Gesamtsumme dieser Kennzeichen, dieser eingeschriebenen historischen Erfahrung, stellt jederzeit eine Menge von Möglichkeiten und Einschränkungen dar, in deren Rahmen die verschiedenen Akteure in der Gegenwart handeln müssen. Einschneidende Ereignisse in dem betrachteten Zeitraum – die »größeren Kräfte« der meisten Modelle der Arbeitswelt – sind diesem System historischer Strukturen nicht äußerlich. Sie setzen sich selbst als Teil von ihm ins Werk. So können etwa Arbeitgeberinnen mit neuen technischen Konzeptionen oder bürokratischen Vorstellungen bestimmte Arten von hochqualifizierten Arbeitnehmern nicht einstellen, wenn es diese Arbeitnehmerinnen nicht gibt. Das heißt: Die eingeschriebene Historizität von Individuen zwingt die Arbeitgeber jederzeit dazu, mit ihren Einschränkungen zu leben. Sie werden womöglich kurzfristig mit nicht optimalen Arbeitskräften auskommen müssen. Und langfristig werden sie womöglich in unterschiedlicher Weise auf diese Einschränkungen reagieren müssen. Vielleicht müssen sie den Arbeitsprozess verändern, um das bestehende Angebot an Arbeit und Qualifikationen zu nutzen. Vielleicht müssen sie eine Arbeitsmigration erzwingen oder erleichtern oder ihre Produktion in neue Arbeitsmärkte verlegen. Vielleicht müssen sie Institutionen unterstützen, die Menschen in bestimmten Fähigkeiten ausbilden. Irgendwie aber müssen sie reagieren. Ihre Geschichte machen sie nicht ausschließlich selbst, genauso wenig wie sie sie allein durch ihre Auseinandersetzung mit den sozialen Bewegungen der arbeitenden Klassen machen. Die eingeschriebene Masse an Historizität ist faktisch ihre größte einzelne Beschränkung.7
Bis hier scheint meine Argumentation – um es mal ganz nüchtern zu formulieren – womöglich einfach darauf hinauszulaufen, dass die historische Demografie zu wichtig ist, um sie den Demografen zu überlassen. Ich möchte aber zumindest die Anfänge zweier weiterer Argumente andeuten, die damit verwandt sind, das eine im Sinne direkter Abstammung, das andere im Sinne einer ehelichen Verbindung, die mit einer gewaltigen und imposanten Mitgift einhergeht.
Der argumentative Sprössling zielt darauf, über die Reflexion der Historizität von Individuen hinauszugehen und über die Historizität von intermediären Gruppen nachzudenken. Ich habe im Zusammenhang mit Gruppen wie der gesamten Bevölkerung und der erwerbstätigen Bevölkerung von substanzieller Historizität gesprochen. Dies sind große, inklusive Gruppen, aus denen man im Allgemeinen auf eine relativ überschaubare und gleichbleibende Weise ausscheidet – durch Tod im ersten Fall und durch Pensionierung oder eine andere Form des Ausscheidens aus der Erwerbsbevölkerung im zweiten. Wenn wir meinen Begriff von Historizität jedoch im Zusammenhang etwa mit einzelnen Berufen ins Feld führen, begeben wir uns auf völliges Neuland. Sich die Historizität eines einzelnen Berufs im Lauf der Zeit vorzustellen ist offensichtlich der erste Schritt in jeder allgemeinen Theorie der Geschichte von Berufen, doch fällt dies extrem schwer. Eine solche Konzeption muss sämtliche Fäden individueller substanzieller Historizität umfassen, die durch die normalen demografischen Prozesse des Berufseinstieges, der internen Mobilität und des Berufsausstieges in den Beruf hineingewoben und aus ihm herausgetrennt werden. Gleichzeitig muss ein solches Konzept auch die eher traditionelle »Geschichte« der Berufe umfassen – die sukzessive Veränderung von beruflichen Tätigkeiten und Arbeitsorganisationen im Lauf der Zeit. Und sie muss die kontextuelle Geschichte der sich oft radikal verändernden Stellung eines Berufs im Rahmen der Arbeitsteilung umfassen, also jene ökologische Ebene, die im Mittelpunkt meiner ersten berufssoziologischen Arbeit stand.8Es ist diese Wiedereinführung der individuellen Historizität von Individuen in die Analyse von Berufen auf Makro- und auf ökologischer Ebene – Analysen, über die wir zum großen Teil bereits verfügen –, die mein argumentativer Sprössling unterstreicht.
Mein zweites verwandtes Argument – das »angeheiratete« – ist weniger leicht zu fassen. Es geht um Folgendes: Sobald wir den Begriff der Einschreibung (encoding) dazu genutzt haben, zu erkennen, wie große Mengen vergangener Geschichte in die Gegenwart gebracht werden – nämlich als Aktivposten und Verbindlichkeiten und Einschränkungen in der Gegenwart, die in Erscheinung treten, wenn wir uns der Historizität von massenhaften Individuen erinnern –, müssen wir im Anschluss einen weiteren Schritt machen, um zu sehen, wie sich die strukturelle Neuordnung im gegenwärtigen Moment vollzieht. Wir müssen also nachvollziehen, wie die Kodierung von einem Moment zum nächsten voranschreitet und dabei potenziell die gesamte soziale Struktur neu ordnet.
Hier verbirgt sich eine entscheidende Prämisse. Die Idee der Einschreibung ist deshalb so nützlich, weil sie uns aus der Falle der vermeintlichen Tatsache befreit, dass die Vergangenheit wirklich und wahrhaftig vergangen ist, der Tatsache, dass es aus der historischen Distanz keine Wirkung geben kann. Die Begriffe der Historizität und der Einschreibung befreien uns aus dieser Falle, indem sie uns daran erinnern, dass bestimmte Teile der Vergangenheit permanent (wieder) in die gegenwärtige synchrone Sozialstruktur eingeschrieben werden, in dem Sinne, dass sie dadurch Historizität erwerben – den Anschein zeitlicher Dauer. In dieser momenthaften Abfolge von Gegenwarten steht jedoch alles an der Sozialstruktur auf dem Spiel, und alles kann sich ändern – selbst die »großen Strukturen«. Gleichzeitig erzeugt etwas an dem Prozess und der Natur des Einschreibens die Illusion, dass es »große historische Strukturen« gibt, die sich irgendwie über lange Zeiträume erstrecken und die zusätzliche Illusion einer langen, beständigen Historizität bestimmter Arten von sozialen Strukturen erzeugen – etwa unserer alten Bekannten »moderner Kapitalismus« und »Produktionsverhältnisse«. Wir müssen ergründen, wie dieser illusionierende Prozess funktioniert. Zweifellos umfasst er nicht nur eine unmittelbare synchrone Determination »kausaler« Art, sondern auch eine begriffliche Umstrukturierung der Art, die man für gewöhnlich »kulturell« nennt. Das ist die Mitgift meines angeheirateten Arguments. Wenn wir erkennen, dass die Einschreibung mit einer synchronen Phase der Umgestaltung der Dinge verbunden ist, öffnen wir den Prozess des Einschreibens für die kognitive und, allgemeiner gesprochen, kulturelle Neustrukturierung.9
Zusammengefasst habe ich also ein Hauptargument und zwei Ableger. Das Hauptargument besagt, dass die historische Demografie in der Tat zu wichtig ist, um sie den Demografen zu überlassen, weil niemand von uns die Folgen der Historizität von Individuen ignorieren kann. Die beständigen Massen biologischer Individuen sind eine der größten »sozialen« Kräfte, die es gibt. Das erste daraus abgeleitete Argument besagt, dass es noch schwieriger wird, die Historizität ernst zu nehmen, wenn wir intermediäre soziale Gruppen wie Berufe, soziale Bewegungen usw. in den Blick nehmen. Der zweite argumentative Ableger besagt, dass es uns unweigerlich dazu bringen wird, sowohl über kulturelle als auch über verhaltensbezogene Determination zu reflektieren, wenn wir der Frage nachgehen, wie die Historizität von Individuen und sozialen Gruppen effektiv von Moment zu Moment eingeschrieben wird. Mit diesen drei Argumenten habe ich die theoretischen und empirischen Hauptlinien des prozessualen Ansatzes dargestellt.
1Diesen Text habe ich 2003 als Presidential Lecture vor der Social Science History Association vorgetragen. Er erschien anschließend mit kleineren Änderungen in Social Science History (29/1, S. 1–13) unter dem Titel »The Historicality of Individuals«. Ich habe ihn hier noch einmal leicht überarbeitet, ohne ihm jedoch seinen Charakter als mündlichem Vortrag zu nehmen.
2Eine Alternative zu einer solchen Sequenzialität untersuche ich in Abbott, »Lyrische Soziologie«, in diesem Band, S. 191–251. Eine umfangreichere Analyse der Idee des Ergebnisses findet sich in ders., »Idea of Outcome«.
3Anmerkung der Herausgeber: Abbott spielt hier auf John Maynard Keynes’ berühmten Ausspruch »In the long run, we’re all dead« an, mit dem dieser 1923 gegen den sogenannten Goldstandard polemisierte.
4Berelson/Lazarsfeld/McPhee, Voting, S. 315 f. Lazarsfelds eigene Sozialtheorien erörtere ich in Abbott, »Idea of Outcome«.
5Die Beispiele in diesem Absatz (und das Einschreibungsargument im Allgemeinen) habe ich wesentlich ausführlicher entwickelt in Abbott, »Sociology of Work«.
6Dafür argumentiere ich in Abbott, »Idea of Outcome«, sowie »Inequality as Process«.
7Vgl. Brint/Karabel, Diverted Dream, zu einer Diskussion der Veränderungen, die Community Colleges durch die Bedürfnisse von Arbeitgebern aufgezwungen werden.
8Vgl. Abbott, System of Professions. Das theoretische Argument dieses Absatzes wird näher ausgeführt in einem Aufsatz zur Theorie der Mobilität; vgl. ders., »Mobility«.
9Meine Argumentation ist damit etwas dynamischer als die Norman Ryders, dessen klassischer Aufsatz über Kohorten und sozialen Wandel vor allem den Einfluss kodierter Differenzen auf die Leben in Kohorten in den Mittelpunkt stellt (»zeitliche Differenzierung zwischen Kohorten in den verschiedenen Parametern, die dazu genutzt werden können, um diese aggregierten Geschichten zu charakterisieren«, Ryder, »Cohort as a Concept«, S. 861). Die strukturellen Konsequenzen, die Ryder in den Blick nimmt, sind grundsätzlich stabil oder statisch dynamisch: zum Beispiel der statische Konflikt zwischen Generationen oder eine einfache Artikulation des sozialen Wandels durch Kohortenfluktuation. Er sieht allerdings die dynamischeren Implikationen von Kohorten, die hier betont werden. Seine Bemerkung »obwohl der Stimulus zur Innovation höchstwahrscheinlich von den Arbeitgebern ausgeht, hängt die Machbarkeit neuer Richtungen zum Teil davon ab, wie gut sie vom Bildungssystem antizipiert worden sind« (ebd., S. 848) ist ein deutliches Indiz für die Würdigung der makrostrukturellen Implikationen vergangener Kohortenerfahrungen, verstanden als gegenwärtige historische Realität.
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Über die allgemeine lineare Realität hinausgehen
Drei alternative Ontologien
Zwischen soziologischer Theorie und soziologischer Forschung klafft ein Abgrund, der immer größer wird.10 Während das allgemeine lineare Modell und andere neue Techniken die empirische Arbeit veränderten, wurde die Theorie durch eine Neulektüre der Klassiker transformiert. Diese gegenläufigen Entwicklungen haben zu Animositäten auf beiden Seiten geführt, denn manch einer hat versucht, die Sozialstatistik auf den Status eines beschreibenden Verfahrens zu reduzieren, und umgekehrt bezichtigen andere die Theoretikerinnen, lediglich vage Alternativen zu verbreiten. Diese Debatte wurde über die Jahre von Interaktionistinnen, Makrotheoretikern und vielen anderen aufgegriffen; allerdings nahm die Kontroverse ihr jetziges Ausmaß erst an, als die anspruchsvolle und einst sehr arbeitsaufwendige Mathematik der linearen und charakteristischen Gleichungen computerisiert wurde. Seither dominiert die quantitative Forschung die zentralen Fachzeitschriften, während die Autorinnen theoretischer und qualitativer Arbeit ihre eigenen Periodika gegründet und/oder sich entschieden haben, zunehmend Monografien zu veröffentlichen.11
Mein Anliegen in diesem Aufsatz besteht darin, eine intellektuelle Quelle für den Dissens zwischen Theoretikern und Empirikerinnen zu bestimmen. Ich möchte zeigen, dass die Standardmethoden eine »allgemeine lineare Realität« (ALR) implizieren, also eine Reihe von Grundannahmen darüber, wie und warum sich soziale Ereignisse zutragen. Allerdings verhindern diese Annahmen gleichwohl die Analyse vieler Probleme, die für Theoretikerinnen und Empiriker gleichermaßen interessant sind. Ich werde diese Grundannahmen im Folgenden zunächst erläutern, um dann darüber hinaus alternative Verfahren darzustellen, die sie abschwächen. Mit einer kurzen Erörterung von drei alternativen Reihen methodologischer Grundvoraussetzungen über die soziale Realität beschließe ich diesen Aufsatz. Es geht mir mit dieser Analyse keinesfalls darum, müßige Kontroversen neu anzufachen, denn ich halte das allgemeine lineare Modell (ALM) für ein eindrucksvolles und effektives Verfahren. Und doch möchte ich darauf aufmerksam machen, dass das Modell inzwischen unsere faktische Auffassung der sozialen Realität beeinflusst und uns für wichtige Phänomene blind macht, die nur durch eine Diversifizierung unserer formalen Techniken wiederentdeckt werden können.12
Allgemeine lineare Realität
Der Ausdruck »allgemeine lineare Realität« bezeichnet eine Denkweise, wie Gesellschaft funktioniert. Diese Denkweise entsteht deshalb, weil man lineare Modelle als Repräsentationen der tatsächlichen sozialen Welt behandelt. Ein solcher repräsentationaler Gebrauch lässt sich mit einem vorsichtigeren Einsatz linearer Modelle kontrastieren. Bei diesem nun geht der oder die Analysierende davon aus, dass irgendein substanzieller kausaler Prozess logisch Muster von Beziehungen zwischen Variablen impliziert, Muster, die dann mithilfe jenes Modells getestet werden können, um herauszufinden, ob der tatsächliche Sachverhalt mit dem vorgeschlagenen substanziellen Mechanismus übereinstimmt. Diese beiden Gebrauchsformen werde ich als den repräsentationalen bzw. den implizierenden Gebrauch bezeichnen. Die Diskussion im Abschnitt »Grundannahmen« wird genau umreißen, welche theoretischen Annahmen dem repräsentationalen Gebrauch zugrunde liegen. Um die Analyse beginnen zu können, müssen wir jedoch zunächst die Mathematik des Modells skizzieren.
Das allgemeine lineare Modell macht eine bestimmte Variable bis zu einem Fehlerterm von einer Reihe von Antezedenzvariablen abhängig:
Kleinbuchstaben stehen hier für Vektoren, Großbuchstaben für Matrizen. Die Zeilendimension von y, u und X zeigt die Anzahl der beobachteten Fälle (m), die Spaltendimension von X und die Zeilendimension von b zeigen die Anzahl (n) der Antezedenzvariablen an. Die Konstante können wir verlustfrei ignorieren.
Formal gesehen ist das Modell eine lineare Transformation von Rn zu R1. Die Transformation selbst enthält keine Annahmen über die Kausalität oder Richtung; jede Spalte von X lässt sich mit y austauschen, wenn die entsprechende Ersetzung in b vorgenommen wird. Wenn man die Transformation jedoch dazu nutzt, soziale Kausalität darzustellen, dann setzt dies voraus, dass y »nach« allem in X eintritt. Bei einer Querschnittanwendung postuliert das Modell eine »kausale Zeit«, die an die Stelle der tatsächlichen Zeit tritt.13
Dass die Spannweite der linearen Transformation lediglich über eine Dimension verfügt, ist eine Beschränkung, die aus Schätzungsproblemen folgt. Man kann sich leicht ein ALM allgemeiner Form vorstellen:
Hier bettet der Index die Variablen in der tatsächlichen Zeit ein. Jeder aufeinanderfolgende Wert jeder Variable gibt eine einzigartige Mischung aller Antezedenzvariablen wieder. B wird zu einer Quadratmatrix der Dimension n, und die ganze Transformation erfolgt nun von Rn zu Rn. Dieses allgemeinere ALM liegt den meisten Panelstudien zugrunde, wenngleich sich die meisten relevanten Koeffizienten nur schätzen lassen, wenn man aus theoretischen Gründen einen Bruchteil der Abhängigkeit eliminiert, die dieses Modell postuliert. Dieses Modell betrachtet die Situation ungefähr so wie einen Schwarm Fische (die Fälle), der in einem regelmäßigen Muster (der Transformation) durch einen mehrdimensionalen See (den Variablen- oder Attributraum) schwimmt.
Um nun ein solches Modell zur Darstellung der sozialen Realität zu verwenden, muss man die Prozesse des sozialen Lebens auf der Algebra linearer Transformationen abtragen. Diese Verbindung trifft Annahmen über das soziale Leben: nicht die statistischen Annahmen, die erforderlich sind, um die Gleichungen zu schätzen, sondern philosophische Annahmen darüber, wie die soziale Welt funktioniert.14 Eine solche repräsentationale Verwendung setzt voraus, dass die soziale Welt aus festen Entitäten (den Analyseeinheiten) besteht, die über Attribute (die Variablen) verfügen. Diese Attribute interagieren in der kausalen oder der tatsächlichen Zeit und produzieren Ergebnisse, die ihrerseits als Attribute der festen Entitäten messbar sind. Die Variableneigenschaften haben in einer gegebenen Studie nur eine kausale Bedeutung (ein Muster an Auswirkungen), obwohl natürlich in unterschiedlichen Studien gleiche Attribute Unterschiedliches bedeuten können. Die kausale Bedeutung eines Attributs kann nicht von der Position der Entität im Attributraum (ihrem Kontext) abhängen, da die lineare Transformation im gesamten Raum dieselbe ist. Aus vergleichbaren Gründen kann der vergangene Pfad einer Entität durch den Attributraum (ihre Geschichte) keinen Einfluss auf ihren künftigen Pfad haben, so wenig wie sich die kausale Bedeutung eines Attributs von einer Entität zur nächsten ändern kann. Alle müssen derselben Transformation folgen.
Es gibt natürlich Möglichkeiten, einige dieser Annahmen im Rahmen der Standardverfahren abzuschwächen, allerdings ist das durchweg mit erheblichen Einbußen an Interpretierbarkeit verbunden. Auffällig ist jedoch, wie massiv diese Annahmen denen der zentralen theoretischen Traditionen der Soziologie widersprechen. Der symbolische Interaktionismus lehnt die Annahme fester Entitäten ab; für ihn hängt die Bedeutung eines gegebenen Vorkommnisses oder einer gegebenen Okkurrenz von deren Position ab – innerhalb einer Interaktion, der Biografie eines Akteurs, einer Folge von Ereignissen. Die marxistische wie die weberianische Tradition bestreiten ausdrücklich, dass eine gegebene Eigenschaft eines sozialen Akteurs eine und nur eine Reihe von kausalen Implikationen hat. In Marx’ dialektischer Kausalität produzieren Ereignisse ein gegenteiliges wie ein direktes Ergebnis, während Attribute für Weber und die diversen hermeneutischen Schulen unendlich differenziert und mehrdeutig sind. Marx, Weber und die von ihnen inspirierten Arbeiten in der historischen Soziologie nähern sich der sozialen Kausalität durchweg in Form von Geschichten und nicht in Form von variablen Attributen. Gewiss, Marx und Weber erörtern variable Attribute in einigen ihrer rein begrifflichen Schriften, ihre gegenwärtig einflussreichsten Werke aber sind komplexe Erzählungen, in denen Attribute auf einzigartige Weise interagieren – als Beispiele seien die Protestantische Ethik, die Wirtschaftsgeschichte, der Achtzehnte Brumaire und sogar ein guter Teil des Kapitals genannt.
Der Gegensatz zwischen diesen Annahmen und denen der ALR lässt vermuten, dass Theoretiker die empirische Sozialforschung womöglich aufgrund des philosophischen Ansatzes ablehnen, der in dem repräsentationalen Gebrauch des ALM impliziert ist. Im weiteren Verlauf dieses Aufsatzes werde ich die Annahmen, die diesem Gebrauch zugrunde liegen, genau betrachten und dazu Beispiele aus den Arbeiten einiger der anerkanntesten Vertreterinnen des ALM heranziehen. Ich werde die Natur jeder Annahme, die Versuche, sie innerhalb der Standardverfahren abzuschwächen, sowie die Typen vorhandener oder möglicher alternativer Verfahren erörtern. Obgleich ich mich durchgängig auf die Probleme mit der ALR und auf die Möglichkeiten ihrer Alternativen konzentriere, bedeutet das keinesfalls, dass ich ihre bedeutenden Erfolge schmälern will, und damit meine ich besonders jene Studien, die ich als Beispiele anführe. Allerdings hoffe ich durch meine Analyse der theoretischen Grenzen des ALM, neue Entwicklungslinien in der empirischen Soziologie aufzeigen zu können.
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