Kitabı oku: «Das Leben ist ein Ponyhof», sayfa 2
„Na“, will sie wissen, „was macht dein Kind?“
„Naja, ganz so ist es ja nicht. Jessy ist immer noch meine Katze. Und nicht mein Kind. Und manchmal kann sie einfach tierisch nerven.“ Ich erzähle von der Attacke am Schreibtisch.
„Ich weiß ja, dass sie nur spielen will. Aber ich habe nun mal kein dickes Katzenfell. Manchmal würde ich sie echt am liebsten verwursten!“
Meine Mutter lacht.
„Komm, tu doch nicht so. Wenn du die nicht hättest, würdest du aber ganz schön alt aussehen, so allein in diesem Riesenhaus in deinem Käsenest da oben!“
Und im Stillen muss ich ihr Recht geben.
Als Pfarrerin in den ersten Amtsjahren konnte ich mir meinen Einsatzort leider nicht aussuchen und landete ganz im Norden von Bayern. Und meine wenigen Möbel, die eine Zwei-Zimmer-Wohnung in München-Englschalking gut gefüllt hatten, wirkten auf den 135 Quadratmetern des Pfarrhauses genauso verloren, wie ich mich fühlte.
Die einzige Konstante war Jessy. Mein Seelenzwilling im Katzenfell. Gemeinsam haben wir unser neues Revier erobert. Und während ich langsam von der Theologiestudentin zur gestandenen Pfarrerin mutierte, wurde aus dem zahmen Stubentiger eine halbwilde Freigängerin, die jetzt lebendige Beute mit nach Hause bringt, obwohl sie vorher nur Stoffmäuse gejagt hatte.
Außerdem wurde sie für jedermann am Ort zur Pfarrkatze. Sonntags folgt sie mir bis zur Kirchentür. Dort wartet sie, bis der Gottesdienst vorbei ist, und nimmt anschließend die Huldigungen meiner Gemeindeglieder gnädig entgegen, die ihr ab und zu eine Kleinigkeit zustecken, zum Beispiel eine Kieler Sprotte oder ein Katzenleckerli.
Einmal jedoch ist es ihr gelungen, hinter mir in die Kirche zu schlüpfen. Diese Predigt war im wahrsten Sinne des Wortes für die Katz. Kein Mensch kann sich auf eine Predigt konzentrieren, während eine braune Tigerkatze mit geschäftiger Miene im Altarraum hin und her läuft und neugierig jeden Winkel erkundet.
Als liebsten Schlafplatz hat sie sich inzwischen meinen Talarkoffer erkiest, der innen wie außen liebevoll eingehaart wird. Auf Schwarz machen sich rotbraune Katzenhaare ganz wunderbar. Ich besitze zwar inzwischen drei Fusselrollen, die auch eifrig zum Einsatz kommen, aber die Katzenhaare sind einfach überall: In der Wohnung, auf meinen Kleidern, auf dem Talar, in meiner Beerdigungsagende, sogar am Aufgang zur Kanzel, weil sie sich da immer mit besonderer Hingabe reibt.
Im Konfirmandenunterricht will ich am Dienstag das Thema Schöpfung behandeln. Jessy liegt immer noch anmutig zusammengerollt auf dem Laserdrucker. Ein Bild völliger Entspannung. Ich lächle und fahre den Laptop wieder hoch.
„Den Seinen gibt’s der Herr im Schlaf“, steht in den Psalmen.
Heiter und gelassen, trotz brennender Hände, mache ich mich an meinen Unterrichtsentwurf. Ich werde die Konfirmanden wohl von ihren Haustieren erzählen lassen. Und leite dann über zum Lob des Schöpfers bei Franz von Assisi.
Inzwischen ist es Zeit für das Abendessen. Schwester Katze hat das Nickerchen auf dem Laserdrucker beendet. Sobald ich mich in der Küche zu schaffen mache, steht sie auf der Matte. Jedes Mal.
„Jessy, das ist Menschenfutter. Kein Katzenfutter. Dein Napf ist noch halbvoll.“
„Mau.“
„Ach, du arme, arme Mieze! Den ganzen Tag noch nichts gefressen. Dein böses Frauchen lässt dich bei lebendigem Leibe verhungern. Was für eine Gemeinheit.“
„Mau.“
„Also gut. Aber nur aus reiner Gnade!“
Ich werfe ihr also ein Stück Hühnchen hin, das – chrrr … – sofort dankbar verschlungen wird.
Es ist dunkel geworden. Ich schließe die Terrassentür und lasse die Jalousien herunter. Überflüssig zu erwähnen, dass Lady Gaga trotz später Stunde alsbald wieder an der Tür kratzt und raus will. Und dann wieder rein. Und wieder raus. So wird es gehen bis zum Jüngsten Tag. Katzen sind immer auf der falschen Seite der Tür.
Ich mache es mir gemütlich, zünde eine Kerze an, lege die Brandenburgischen Konzerte von Bach auf und setze mich mit einem guten Buch und einem Glas Rotwein aufs Sofa. Morgen ist Gottesdienst, gut, den Tag besinnlich ausklingen zu lassen.
Schrapp, schrapp, schrapp.
Ich stehe auf, das offene Buch in der Hand, und öffne lesend die Terrassentür. Katze rein. Gefühlt zum 97. Mal am heutigen Tag. Sie springt aufs Sofa, putzt sich und kratzt sich dann lange und hingebungsvoll hinterm Ohr. Dann setzt sie sich ganz aufrecht hin und legt den Schwanz in einem ordentlichen Kringel um sich herum. Sie schaut mir direkt in die Augen und blinzelt ganz langsam. Ich lege das Buch zur Seite, schaue ihr meinerseits tief in die Augen und blinzle zurück. Das Blinzeln ist das Lächeln der Katze. Ich bin immer wieder aufs Neue erstaunt, wie viel Intensität im Blick einer Katze liegt. Einem Menschen freundlich und direkt in die Augen schauen, das macht, soweit ich weiß, kein anderes Tier.
So langsam erreiche ich Bettschwere. Ich bestücke eine Lebend-Mausefalle, die ich extra für solche Anlässe gekauft habe, mit zwei Rosinen aus meinem Müsli und stelle sie neben das Sideboard. Morgen werde ich die Wühlmaus auf freien Fuß setzen. Heute Nacht ist sie sicher, vorausgesetzt, sie geht in die Falle. Jessy beobachtet diese Aktion höchst interessiert. Dass Mäuse in diese Fallen gehen, weiß sie. Wie man so eine Falle öffnet und an den Inhalt kommt, zum Glück nicht.
Der Prophet Jesaja prophezeit ja, dass eines Tages im Reich Gottes die Löwen bei den Lämmern liegen und Kalb und Bärenjunges friedlich nebeneinander weiden werden. Wie das wohl für Katz und Maus ausgehen wird? Vielleicht gibt’s im Neuen Jerusalem Plantagen, auf denen vegetarische Mäuse angebaut werden? Karottenmäuse oder Kohlrabimäuse?
Ich spreche mein Abendgebet und gehe ins Bett. Und ja, ich gebe es zu: Ich bete nicht nur jeden Abend für die Nöte dieser Welt, sondern auch darum, dass Gott mir meinen Stubentiger noch möglichst lange erhält. Denn ohne ihn sähe ich wirklich ganz schön alt aus in diesem Käsenest und allein in diesem riesigen Pfarrhaus.
Ich knipse das Licht aus. Dann schlage ich meine Bettdecke sorgfältig um meine Füße, bevor ich sanft ins Reich der Träume gleite.
Eine Hundehütte für Bello
Heike Wendler
Seit fast fünfundzwanzig Jahren versuche ich nun schon, Grundschüler im Werkunterricht für die Dinge zu begeistern, die man mit seinen eigenen Händen geschaffen hat. Doch während sie früher ihre selbstgebastelten Schätze noch voller Stolz nach Hause trugen, bemerke ich seit einigen Jahren ein Nachlassen der Begeisterung. Alles, was nicht blinkt, kreischt oder wenigstens mit einem Stromkabel betrieben werden muss, findet kaum noch Anklang. Woran das liegt, wurde mir klar, als mich zu Beginn des neuen Schuljahres mein frischgebackener Zweitklässler Ferdinand mit dem Spruch überraschte:
„Mein Papa sagt, ich soll studieren, dann muss ich mir die Hände nicht dreckig machen und kann außerdem mehr Geld verdienen!“
Tagelang bekam ich diesen blöden Spruch nicht mehr aus dem Kopf. Er verdarb mir fast die Vorfreude auf meinen Unterricht. Vermutlich, resümierte ich in meinem Ärger, hatte er daheim auch das Kochen und Knopfannähen digitalisiert oder zumindest delegiert. Eine App fürs Handy oder das Tablet zum Bestellen von Pizza gibt es ja schon, wie mich mein Mann neulich aufklärte. Vielleicht kommt demnächst bei aufgeplatzten Nähten schnell mal eine Nadel aus dem Handy geschossen und bringt den Schlamassel wieder in Ordnung?
Ich ärgerte mich also, und Bernhard, mein Mann, hatte alle Mühe, mich wieder von meiner Palme herunterzukriegen.
„Du wirst die Kinder schon motivieren! Glaub mir, es wird so sein wie jedes Jahr! Da beschwerst du dich am Anfang des Schuljahres, dass die Kinder nichts als Flausen und ihre Computerspiele im Kopf haben, und dann zauberst du eine deiner genialen Ideen aus dem Hut – und voilà – sie sind begeistert, und dein Unterricht wird ein voller Erfolg! So war es schon immer, und das wird sich auch nicht ändern!“, versuchte er mich aufzubauen.
Seit fast dreiundzwanzig Jahren sind wir nun schon verheiratet, eigene Kinder sind uns leider versagt geblieben.
„Ich werde mir also wieder etwas einfallen lassen müssen!“, stellte ich sachlich fest, und Bernhard nickte.
„Natürlich, Marianne, so wie jedes Jahr! Glaub mir, du schaffst das schon!“
Auch wenn es mir noch ein Rätsel war, wie ich diese Bande bewegungsunwilliger kleiner Spielegenies für meinen Werkunterricht begeistern sollte, hatte ich schon eine Idee.
„Was haltet ihr davon, wenn wir ein Vogelhäuschen bauen und es draußen im Schulgarten aufhängen? Dort könnten wir dann über den Winter die Vögel füttern und mit etwas Glück im Frühjahr beobachten, wie dort eine Vogelfamilie nistet!“
Mein Plan schien genial, tierlieb waren sie alle, egal wie groß ihre Klappe war. Doch ein Blick in die Runde ließ mich zweifeln. Achtzehn kleine Schnuten verzogen sich wie auf Kommando gleichzeitig und signalisierten mir damit ihren Unwillen.
„Nee, das ist echt langweilig!“, kommentierte Ferdinand meinen Vorschlag.
„Ja, ein Vogelhaus ist blöd, das hat mein Opa mit mir schon in den Frühjahrsferien gebaut und ehrlich, ich hab da noch nie einen Vogel drin gesehen!“, wandte Franziska, eine aufgeweckte Rothaarige mit lustigen Sommersprossen, ein, die normalerweise schnell zu begeistern war. „Und mein Opa ist ein echter Profi!“, stellte sie sicherheitshalber klar.
Das betretene Schweigen in der Klasse gab mir die Gelegenheit nachzudenken. Okay, dachte ich, das Vogelhaus war durchgefallen, ich brauchte einen neuen Plan, und zwar ganz schnell!
„Vielleicht fanden die Vögel das Haus nicht hübsch genug?“, meldete sich etwas verspätet Konstantin zu Wort. „Ich meine, habt ihr euch mal umgesehen?“ Er schaute fragend in die Runde, registrierte ich anerkennend. Ein ziemlich cleverer Bursche, und was das Reden anging, ein echtes Naturtalent.
„Es steht praktisch in jedem Vorgarten ein Vogelhäuschen! Und an jedem zweiten Baum hängt eins. Wahrscheinlich, weil alle Opas auf die gleiche Idee kommen. Da haben die Vögel praktisch die Wahl, wo sie einziehen wollen! Und wer da mit seinem Haus optisch nicht mithalten kann, tja, der hat Pech und kriegt keine Vogelfamilie ab. Ich meine, wir ziehen doch auch lieber in schöne Häuser als in hässliche, oder?“
Triumphierend sah sich Konstantin um und erntete zustimmendes Kopfnicken, während ich mir ein Grinsen verkniff. Der kindlichen Logik war nicht beizukommen, so viel stand fest.
Als ich am Abend Bernhard von dem Ergebnis unserer Vogelhausdiskussion berichtete, brach er in schallendes Gelächter aus.
„Siehst du, Marianne, das hast du nun davon!“, lachte er. „Du und deine pädagogischen Ansätze! Früher hätte die Lehrerin einfach beschlossen, dass ein Vogelhaus gebaut wird und damit basta! Und heute fragst du – und wunderst dich, dass sie nicht wollen!“
Ich schnappte nach Luft, beschloss aber, im Sinne unseres ehelichen Friedens auf ein Streitgespräch zu verzichten. Stattdessen merkte ich nur leicht verkniffen an, dass man früher eben nicht mit heute vergleichen kann.
„Früher gab es auch kein Internet!“, setzte ich sogar noch einen oben drauf, wohlwissend, dass nicht nur meine Zweitklässler ganz versessen auf Computerspiele waren.
In der nächsten Werkstunde schlug ich meinen Schülern etwas Neues vor. Ich war erst am Morgen darauf gekommen, als ich gedankenversunken über den Schulweg geschlendert und fast mit Bello, dem inzwischen ausgewachsenen Schäferhund unseres Hausmeisters, Herrn Messerschmidt, kollidierte.
„Was haltet ihr davon, wenn wir für Bello eine Hundehütte bauen?“, fragte ich und hoffte inständig, dass meine langjährig erprobte Strategie, die Kinder in die Entscheidung mit einzubeziehen, um ihre Motivation anzuheizen, sich auch dieses Mal bewähren würde. Gespannt beobachtete ich die kleinen Gesichter, nein, Ablehnung sah anders aus. Gut, himmelhochjauchzende Begeisterung auch, aber abgeneigt waren sie eindeutig nicht.
„Hat er denn keine?“, fragte Magdalena schüchtern. Die kleine Dunkelhaarige fiel meist wegen ihrer Schweigsamkeit auf und sagte nur selten etwas.
Ich schüttelte bedauernd den Kopf. „Nein, leider nicht mehr. Am Anfang hatte er gar keine, weil Herr Messerschmidt den Bello als Welpen eher zufällig aufgenommen hat. Der Hund hat ursprünglich bei Herrn Messerschmidts Schwester gelebt, doch dann hat die ein Baby bekommen. Damals habe ich mit meiner Klasse für den Welpen Bello eine Hundehütte gebaut. Aber die ist inzwischen ziemlich baufällig, außerdem zu klein. Bello benutzt sie schon seit einer ganzen Weile nicht mehr!“
Magdalena gab sich mit meiner Erklärung zufrieden, Konstantin jedoch wollte es nun ganz genau wissen.
„Wir haben daheim auch einen Hund!“, erklärte er uns. „Er ist fünf und genauso lange bei uns. Und meine Mama hat vor drei Jahren meinen Bruder bekommen. Aber weggeben würden wir unseren Troll nie!“
Ja, super, dachte ich, nun hatte ich diese Diskussion auch noch am Hals! Ich lächelte und hoffte, dass mir ganz schnell etwas einfallen würde, um meine lieben Kleinen wieder in die richtige Richtung zu lenken. Und ganz unverhofft kam mir Ferdinand zu Hilfe.
„Ja, das ist aber auch was Anderes!“, stellte der nämlich klar. „Euer Troll ist ja auch ein kleiner Yorkshire Terrier! Aber Bello ist ein richtiger großer Schäferhund!“
Die meisten in der Klasse kicherten, während Konstantin nun seinen Mund hielt und sich das Thema erledigt hatte. Ich stellte also das Projekt vor und malte meine Vorstellung von der perfekten Hundehütte an die Tafel.
„Aber wir müssen sie von außen unbedingt hübsch dekorieren!“, erinnerte Isabella, eine meiner eifrigsten Schülerinnen, „erinnert euch daran, was Konstantin über die Vogelhäuschen gesagt hat! Wenn es Bello nicht gefällt, dann zieht er nicht ein!“
Ich verkniff mir die Bemerkung, dass es dem Hund vermutlich herzlich egal ist, wie seine Hundehütte von außen angemalt ist, außerdem hat er – anders als die Vögel offensichtlich – keinerlei Auswahl. Wenn er sie nicht benutzen wollte, würde er ohne leben müssen. Doch das behielt ich natürlich für mich, denn inzwischen entbrannte ein richtiger Wettstreit um die extravaganteste Farbgestaltung der Außenwände. Immerhin, meine Schüler waren mit einem Schlag begeistert dabei – Bello brauchte ein richtiges Zuhause, das reichte ihnen als Motivation.
Am liebsten hätten sie sofort mit der aktiven Phase der Hundehüttenbauarbeiten losgelegt, aber das ging natürlich nicht.
„Wir müssen zunächst die Hütte entwerfen, dann müssen wir uns überlegen, wie viel Baumaterial wir benötigen und wo wir es herbekommen!“, erklärte ich die Vorgehensweise. Lernen, zum Beispiel planbares Handeln, sollten sie ja auch noch dabei.
„Mein Papa arbeitet in einem Baumarkt, der hilft uns bestimmt!“, erklärte mir Sebastian eifrig. Der kleine Blondschopf hielt sich sonst gern zurück, wenn es darum ging, Extraaufgaben zu übernehmen, aber mit einem Papa, der – wie sich nun herausstellte – sogar Leiter eines Baumarktes war, zudem des größten in der Region, war er nun der Star der Klasse.
„Ich rufe ihn heute Abend gleich an!“, versprach ich den Kindern. „Lasst uns jetzt lieber überlegen, wie die Hundehütte aussehen soll. Sonst weiß ich doch gar nicht, was ich da heute Abend eigentlich absprechen soll!“
Das wirkte, und wie! Tausend Vorschläge wurden gemacht, und die Stunde war viel zu schnell um. Bis zur nächsten hatte ich mein Vorhaben, mit Sebastians Vater zu sprechen, schon in die Tat umgesetzt und konnte meinen aufgeregten Schülern berichten, dass er uns natürlich gern unterstützen wollte.
„Ich vermute“, hob ich an und deutete mit meinem Kopf in Sebastians Richtung, „du hattest deinem Papa schon erzählt, was wir vorhaben?“
Er nickte aufgeregt, sodass ich nicht umhin kam, ihn ausgiebig zu loben.
„Auf jeden Fall wird Sebastians Papa uns das nötige Holz zur Verfügung stellen und es auch schon auf die richtigen Maße zuschneiden lassen. Wir müssen dann nur noch die Hütte bauen und natürlich anmalen!“
Besonders Letzteres rief die Mädchen wieder auf den Plan, die sich mit diversen kreativen Ideen praktisch überschlugen.
„Ich schlage vor, ihr notiert alles, malt es vielleicht sogar schon mal auf, damit ihr es nicht vergesst, und wir bauen zunächst die Hundehütte!“, beendete ich das Thema, bevor sie sich noch vollends in die Haare bekamen. Denn leider hatten sie völlig unterschiedliche Vorstellungen davon, wie eine Hundehütte von außen auszusehen hatte. Die eine wollte sie einfach mit grafischen Motiven verzieren, die nächste eine Geschichte erzählen und wieder eine andere glaubte, die Lieblingsfarbe von Bello zu kennen. Alles zusammen raubte ihren männlichen Mitstreitern jedenfalls den letzten Nerv, und ich hatte Mühe, ernst zu bleiben.
Damit Bello nicht bis zum Ende des Schuljahres auf seine neue Hundehütte warten musste, hatten die Kinder mich breitgeschlagen, den Bau an einem Stück durchzuziehen, und zwar an einem schönen Samstagnachmittag.
„Sonst muss Bello doch den Winter über frieren!“, war ihr Hauptargument. Sie waren schlichtweg nicht zu bremsen.
„Sei doch froh, dass sie so begeistert sind!“, ermutigte mich auch mein Mann.
Also ließ ich mich darauf ein, immerhin hatte ich – und darauf war ich echt stolz – es mal wieder geschafft, verwöhnte und technikfixierte Zweitklässler zu handwerklicher Arbeit zu motivieren.
Wir trafen uns praktischerweise auf dem Gelände der Schule, und auch wenn ich es bedauerte, dass unser Hausmeister just bei unserer Ankunft mit Bello weggefahren war, so war ich nach einer Weile wirklich froh darüber, dass wir dadurch ungestört und die Kinder durch die Anwesenheit des Hundes nicht abgelenkt waren. Denn, da wir die Hundehütte ja heute fertigstellen wollten, hatte so ziemlich jedes Kind auch ein Leckerli für Bello dabei. Wir begannen also mit dem Bau, und es dauerte nicht lange, bis es das erste Gezanke gab.
„Frau Bergmann, ich will auch einen Nagel einschlagen!“, beschwerte sich Isabella. „Nur die Jungs arbeiten mit den Werkzeugen! Wir sollen dann hinterher alles ausmalen! Das ist unfair! Ich kann auch einen Nagel einschlagen, und ich treffe auch ganz sicher nicht meinen Finger!“
Ich fand eine salomonische Lösung, indem ich den Kindern erklärte, dass jeder mal dran war mit dem Hämmern.
„Zumindest die, die es möchten!“, betonte ich. „Und zwar einer nach dem anderen, dann gibt es auch keinen Streit, habt ihr verstanden?“
Einmütiges Gemurmel bestätigte, dass sie zumindest zugehört hatten.
„Sebastian, überprüfe doch noch mal die Maße des Eingangs, ich denke, das sieht ein bisschen klein aus!“, forderte ich den kleinen Baumeister auf.
Da ich von Franziska, die bereits dabei war, ein neues Design für den Außenanstrich zu entwickeln, abgelenkt wurde, verließ ich mich auf den Jungen. Ein kapitaler Fehler, wie sich bei der nächsten Inspektion herausstellte.
„Das sieht aber ein bisschen klein aus für Bello!“, stellte ich fest und zeigte auf den bereits fertig ausgebauten Eingang der Hundehütte. „Glaubt ihr wirklich, dass der Bello da durchpasst?“
Nun hatte ich das Tier im Vorfeld natürlich nicht vermessen, aber mein Augenmaß täuscht mich selten, und ich wurde das hässliche Gefühl nicht los, dass der Eingang idealerweise doppelt so groß hätte sein müssen. Doch meine Schüler protestierten prompt, vor allem Sebastian, der den Fehler nicht eingestehen wollte.
„Frau Bergmann!“, plusterte er sich vor mir auf. „Wenn der Eingang zu groß ist, dann zieht es doch rein und Bello friert den ganzen Winter. Außerdem kann dann alles Mögliche mit hineinspringen!“
Ja, das mit dem Springen war das nächste Problem, ich hatte es nur noch nicht angesprochen. Aus einem mir nicht einleuchtenden Grund hatten sie den Eingang der Hundehütte nicht ebenerdig angelegt, obwohl unsere Zeichnung das durchaus so vorsah. Er prangte direkt in der Mitte des vorderen Brettes. Akkurat in der Mitte, um es genau zu sagen. Nur leider wurde das Loch auch dadurch nicht größer, dass es höher angebracht war, im Gegenteil. Bei genauerer Betrachtung erkannte ich, dass es eigentlich noch viel kleiner war, als es der erste Anschein vermuten ließ.
„Das passt schon!“, versicherte mir nun auch Konstantin, der mir stolz erklärte, dass der höherliegende Eingang seine Idee war. „Dann kann da nichts reinschwappen, wenn es mal regnet!“
Eigentlich ganz logisch, es sah trotzdem sehr seltsam aus. Ich ging ein paar Schritte zurück und stellte fest, dass der seltsame Anblick nicht allein durch den versetzten Eingang ausgelöst wurde. Die Mädchen, allen voran Franziska, malten mit Begeisterung die Außenwände an. In Pink und Weiß verzierten sie, wie ich unschwer erkennen konnte, alle Seiten mit kleinen, süßen Katzen! Ich war echt sprachlos angesichts dieser weiteren Planabweichung.
„Wenn die Jungs den Bauplan ändern dürfen, dann ändern wir eben das Design!“, erklärte mir Franziska ernsthaft. „Das Braun sah irgendwie langweilig aus. Wer will schon in einem braunen Haus wohnen? Das hier ist jetzt echt chic! Bello ist ein Hund, und er mag es bestimmt, wenn draußen auf seiner Hütte hübsche Katzen drauf sind. Dann denkt er, dass er sie jagen kann! Ich bin sicher, ihm gefällt das total!“
„Aber Bello ist ein Hund, und keine Katze, außerdem ist Pink was für Mädchen, und Bello ist ein Junge!“, wagte Konstantin einen Einwand.
„Du hast ja keine Ahnung!“, wurde er jedoch sofort von Magdalena zur Räson gebracht.
„Misch dich bloß nicht in unsere Farbgestaltung ein!“, zischte Isabella ihm zu. Und Konstantin war gut beraten, sich zu verziehen.
Ich schnappte nach Luft – und ließ sie weiter malen. Bello, so meine Annahme, war es ganz bestimmt völlig egal, welche Farbe seine Hundehütte von außen hatte. Auch wenn das Pink in Verbindung mit dem Weiß schon sehr auffällig war. Verfehlen, so meine Überlegung, konnte sie eigentlich nun niemand mehr. Der zu klein geratene Eingang machte mir jedenfalls mehr Sorgen, und das blümerante Gefühl in meinem Magen, auf das ich mich eigentlich immer hatte verlassen können, wurde stärker. Nein, gestand ich mir ein, ehe die Situation noch völlig aus dem Ruder lief, musste ich einschreiten. Allein das wurde durch die Tatsache verhindert, dass wir unsere Holzvorräte bereits aufgebraucht hatten. Klar, alles war exakt vermessen und vom stolzen Baumarktleiter-Papa auch so geliefert worden. Also musste ich mich wohl oder übel darauf verlassen, dass es irgendwie passte und Bello notfalls den Bauch einziehen würde.
Es war schon dämmerig, als Herr Messerschmidt mit Bello zurückkam. Und natürlich war unsere Hundehütte längst fertig, selbst die Farbe war fast trocken. Die Kinder hüpften ganz aufgeregt durcheinander, und der arme Bello wusste gar nicht, wie ihm geschah. Alle stürzten sich auf ihn. Zum Glück ist er wirklich eine Seele von Hund und nicht schreckhaft. Viele kleine Kinderhände grabschten gleichzeitig nach ihm und steckten ihm immer wieder mitgebrachte Leckerlis ins Maul. Dann wurde er liebevoll Richtung Hundehütte gelockt.
Dort bestätigte sich dann mal wieder mein Bauchgefühl: Der Eingang war zu klein, und zwar gewaltig. Durch die nach oben versetzte Öffnung schaffte es Bello zwar, einen Blick hineinzuwerfen, nur Springen, noch dazu in ein für ihn enges, dunkles Loch, war zu viel, er ließ sich nicht einmal überreden, es zu probieren. Die allgemeine Enttäuschung war riesengroß, zumal er sich auch nicht für den Außenanstrich interessierte.
„Na, der Schuss ging wohl nach hinten los!“, stellte Herr Messerschmidt mit aufrichtigem Bedauern in der Stimme fest. „Vielleicht könnt ihr den Eingang ja noch größer machen? Das Brett einfach ganz rausnehmen, dann ist es vorn eben offen. Überlegt es euch, okay?“
Er wollte nett sein und den Kindern Mut machen, denn die guckten wirklich reichlich deprimiert. Selbst zum Streiten waren sie nicht mehr aufgelegt, was mir doch zu denken gab.
„Wir überdenken die Konstruktion, und dann fangen wir einfach noch mal von vorn an!“, erklärte ich ihnen, bevor wir uns verabschiedeten. „Wir haben noch reichlich Unterrichtsstunden vor uns, und ich bin sicher, wenn wir alles richtig abmessen, uns dann exakt an die Maße halten sowie auf Improvisationen aller Art verzichten, wird Bello am Ende des Jahres die schönste Hundehütte der Welt haben!“
Ich lobte alle noch einmal für ihren Einsatz und hoffte, dass der Misserfolg ihren Eifer nicht vollständig abwürgte.
Es war Sonntagnachmittag, als mich Herr Messerschmidt per Telefon aus meiner Routine riss.
„Los, kommen Sie her, schnell!“, verlangte er. So aufgeregt hatte ich ihn noch nie erlebt. Schnell sprang ich ins Auto und fuhr zur Schule, wo er mich schon mit seiner Digitalkamera bewaffnet am Eingangstor empfing.
„Das müssen Sie sich ansehen!“, lachte er und zog mich in den Garten.
Bello sah ich schon von Weitem vor seiner neuen, pink-weiß-bemalten Hütte stehen. Doch er versuchte nicht, hineinzukommen. Stattdessen schien ihn sehr zu interessieren, was sich im Inneren der Hütte befand.
„Kommen Sie, da herüber!“, forderte mich Herr Messerschmidt auf und zog mich zu einer Stelle, von der aus wir ins Innere blicken konnten.
Neben mir hörte ich die Kamera klicken.
„Das müssen Sie morgen unbedingt Ihren Schülern zeigen, das glauben die sonst nie!“
Und ja, da konnte ich ihm nur Recht geben – denn mitten in der zu klein geratenen Hundehütte hatte es sich eine weiße Katze bequem gemacht, die keinen Zweifel daran aufkommen ließ, wer der neue Herr im Hause war. Und Bello? Der schien seinen neuen Mitbewohner sofort zu akzeptieren. Denn auch wenn ich kein Hundeexperte bin, so war sein freudiges Schwanzwedeln selbst für mich unübersehbar.
„Ja“, sagte ich, „da werden meine Schüler sich sicher freuen, dass ihr Haus nicht lange leer stand. Und Bello, der bekommt bis zum Ende des Schuljahres auch noch sein Haus, versprochen!“
Herr Messerschmidt und ich beobachteten die beiden neuen Nachbarn noch eine Weile, sie kamen wirklich gut miteinander aus. Und so ist es auch geblieben. Seit jenem schicksalsträchtigen Sonntag im Herbst hat Herr Messerschmidt nicht nur einen Schäferhund, sondern auch noch eine Katze. Meine Schüler haben sie in ungewöhnlichem Einvernehmen Mausi genannt. Und Mausi lebt in ihrem eigenen pink-weiß-verzierten, wetterfesten Katzenhaus – dem einzigen weit und breit.
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