Kitabı oku: «Sonnseitig. Schattseitig.», sayfa 2

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VII

Köszönöm

Und jetzt, zehn Jahre später, sitze ich im Konzerthaus und höre den János Kahn spielen, als wüsste er von all dem. Ich möchte ihn umarmen dafür. Ich sehe nur seine Umrisse, meine Augen schwimmen. Er ist bei Schuberts letztem „Moment Musical“, dem Allegretto, angekommen. Dunkel und weich schlägt die Linke die todtraurigen Akkorde an, die Rechte huscht sacht über die Tasten, als würde sie einem heulenden Frauenzimmer tröstend übers Haar gleiten.

Köszönöm, János Kahn. Danke, Franzl Schubert.

Landaufenthalt
I

Heuballen

Dr. Roland Stückler, aufrechten Gangs, wenn auch der Stütze eines Wanderstocks bedürftig, trat aus dem Dunkel des Waldes. Im jähen Sonnenlicht breitete sich vor ihm eine stark ansteigende Wiese aus, darüber hin verloren sich sommergrüne Weinzeilen ins Blau hinein. Frohgemut über Stock und Stein wandernd (wie er für sich selbst sein mühsames Hochstapfen zu bezeichnen pflegte), hielt er auf die beiden Traktoren zu, die sich am oberen Rand des Wiesenstücks bewegten. Sein aufgekratzter Sportsgeist reute ihn bald; er hätte den Umweg über die schmale Straße nehmen können, die sich weit weniger schweißtreibend als die von ihm gewählte Direttissima in sanften Kurven weinbergwärts wand. Stehenbleiben. Luftholen. Unangenehm nässend machte sich der Schweiß an gewissen Stellen seines Altmännerkörpers bemerkbar. Keine Wehleidigkeiten! Wiewohl schon im Ruhestand, war er immer noch fit, immer noch ein hochgeschätzter Chirurg, also frisch drauflos! Erhobenen Kopfes schritt er weiter aus.

Was es heutzutage nicht alles gibt! Der eine Traktor dort oben sog mit einem gierigen, grünen Rachen Gras in sich hinein, das hinten wie fest gepresster Riesenkot ausgeworfen wurde. Der zweite Traktor nahm den gepressten Ballen auf ein Gestänge, schlang einen überbreiten, weißlichen Nylonverband herum und begann den zentnerschweren Rundballen einzuwickeln, bis er mumiengleich wieder vom Gestänge gerollt und auf der Wiese abgelegt wurde. Neugierig geworden, stieg Dr. Stückler, der sich erst vor zwei Tagen im südsteirischen Weinland eingemietet hatte, über die hingemähten halb trockenen Streifen Grases. Er reckte die Nase vor und sog dieses herzhafte Aroma ein, das er zwischen dem einer frisch gemähten Wiese und dem von sonnengetrocknetem Heu genüsslich einordnete. Mit halb geschlossenen Augen erinnerte er sich an die Heumahden von anno dazumal: von Ochsen gezogene Heuwagen, Heugabeln, Bauernmädchen – und die Angst vor dem drohenden Gewitter.

Zum Teufel! Sein Hemd war nassgeschwitzt, bei jedem Windstoß lief es ihm unangenehm kühl über den Rücken. Dieser steile Hang! Er hatte sich übernommen. Sein Herz klopfte unregelmäßig. Wie hilfesuchend hob er seinen Arm und grüßte die beiden Traktorfahrer. Oder Fahrerinnen? Tatsächlich: Frauen auf diesen bedrohlichen Landmaschinen! Jetzt hielten sie an. Grüßten sie nicht freundlich zurück? Er ruderte mit beiden Armen, setzte sein leutseligstes Gesicht auf – sicher hatten sie ihn erkannt! Das Landvolk hatte ihm, dem „Herrn Primar“, immer Respekt gezollt, und er hatte sich das gerne gefallen lassen.

„Er ist’s“, sagte Verena, „dass der sich traut und hier auftaucht!“

Sie war vom ersten Traktor, dem mit der Heupresse, heruntergeklettert. Ein sekundenschneller Blickwechsel mit der Frau auf dem zweiten Traktor.

„Er ist’s – gewesen“, sagte Julia, die von ihrem Traktorsitz aus das Einwickelgerät betätigte. Mit äußerster Konzentration bewegte sie den joystickartigen Steuerungshebel. Die Gestängegabel, die gerade dabei war, einen gepressten Heuballen zum Einwickeln hochzuwuchten, drehte sich talwärts und rollte ihre massige Last wieder zu Boden.

„Passt genau“, sagte Verena.

Das Letzte, was Dr. Stückler wahrnahm, waren drei hochgereckte Finger, Pappeln gegen den Sommerhimmel und ein heugrünes Ungetüm, das rasend schnell auf ihn zurollte.

II

Die Nacht ist so hell

„Sigi, die Nacht ist so hell“, flüsterte Julia drängend und stieß den rhythmisch schnarchenden Mann neben ihr leicht in die Rippen. Der drehte sich schlaftrunken zu ihr hin und zog sie an sich. Aus den Augenwinkeln sah er den Mond im Fenster stehen und dessen Lichtreflexe in Julias Haar.

Julia stemmte ihre Fäuste gegen die Brust ihres Mannes: „Die Nacht ist so hell! Es friert! Die Blumen! Wir müssen sie zudecken. Und die Fuchsien, die gehören unter Dach!“

Sigi wurde von einer kalten Wut erfasst. Nichts mit Liebe machen. Raus aus dem warmen Bett. Decken suchen und über Blumentöpfe breiten, Blumenkübel in den Keller schleppen, die hohen Oleander mühsam durch die zu kleine Tür manövrieren, nichts umwerfen, nichts abbrechen! Julia mit ihrer Blumenkübelmanie! Sie hätte eben Mitte Oktober einräumen sollen! Noch besser wäre, sie hätte die Blumenstöcke längst entsorgt, zum Kompost geworfen, wie die Nachbarn ihre preisgekrönte Balkonblumenpracht. Nein, Julia musste beweisen, dass der Sonnleitnerhof inmitten der Weinberge eine Nische südlichen Klimas war und ihre Kübelblumen bis Mitte November hinübergerettet werden konnten. Ihn störte jedes einzelne Exemplar dieser dickwandigen, schweren Tonkübel. Angeblich mediterrane Töpferkunst! Wozu? Sie hatten keine Sommergäste, denen man damit imponieren könnte. Aber sie, die Julia, sie hätte ein Buch schreiben können über ihre alten, apfelblütigen Pelargonienarten, über ihre „Brennende Liab“, südseitig vor der hölzernen Hauswand lodernd, über die vielen Fuchsienbäumchen mit knorrigen Stämmen unter einem Regen von zweifärbigen Blüten, in allen Rot- und Rosatönen, in Weiß, Lila und Dunkelviolett.

Also jetzt. Mitten in der Nacht! Sigi war mehr verbittert als wütend. Er liebte Julia seit seiner Bubenzeit. Julia liebte lediglich ihre Blumen. So simpel war das. Seine Zuneigung, sein Liebesverlangen, ja auch die schwere Arbeit auf dem Hof nahm sie in Kauf dafür, dass sie ihre überspannte Kübelpflanzenleidenschaft ausleben konnte! Solche Sachen dachte Sigi nur, wenn er in einer novemberkalten Mondnacht aus dem Schlaf gerissen wurde. Tagsüber war ihm seine Frau eine tüchtige Partnerin, die mit Traktoren und Milchkühen ebenso gut umgehen konnte wie mit dem Computer, was ihm erlaubte, seinen Job als Chef der örtlichen Raiffeisenbank zu behalten. Den Weingarten hatten sie verpachtet. Dass Julia anpacken konnte, wusste er. Sie stand schon angezogen neben dem Bett; sie würde ihre Blumen vor dem Erfrieren retten, auch wenn sie es allein schaffen müsste, zähneklappernd und mit schmerzendem Rücken.

Dann los! Ein Pullover übergezogen, darüber die Windjacke. Es würde trotz der Minusgrade eine schweißtreibende Arbeit werden.

Als die Fuchsienstöcke in den Keller gewuchtet waren, warf Julia ihren Fundus alter Flanelltücher schützend über die Pelargonien. Ein schneidend kalter Wind trieb welkes Laub über den Hof. Julia deutete zur Stallmauer, wo sich eine Passionsblume bis unters Gebälk hochrankte. Immer noch voller Blüten mit überdimensionalen Staubgefäßen, den Marterwerkzeugen Christi nachgebildet. „Leiden-Christi-Blume“ sagen die Bauern. Julia war über den Hof gelaufen und löste vorsichtig die Ranken. Sigi folgte ihr widerwillig. Jedes Jahr dieselbe Plackerei mit dem schweren Topf, der mit seiner Kugelform und den scharfen Rillen äußerst unhandlich war! Keuchend hoben die beiden das Gefäß hoch und hievten es kellerwärts. Da! Das Paradestück aus Kreta zerkrachte mit einem dumpfen Platzer am Boden.

Zu Tode erschrocken, mondweiß im Gesicht, stand Julia da und zitterte. Kein Wort des Ärgers, kein Wutausbruch. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie an Sigi vorbei. Irr! Wegen dem alten Kübel! Dass dieses Monstrum dahin war, war Sigi ganz recht. Entschlossen nahm er Julias Arm. Steif, den Blick am gegenüberliegenden Waldrand festgebannt, ließ sie sich ins Haus ziehen.

„Der Sechser“, flüsterte sie, „der Sechserbock.“

War sie übergeschnappt? Wegen eines Blumentopfs!

Während Sigi seine Julia besorgt im Bett verstaute, sah er im Ausschnitt des Fensters äsende Rehe vor den am Waldrand aufgereihten, in mattem Plastik weißlich schimmernden Heuballen. Ein Bock war auch dabei. Es war so hell, dass Sigi die drei Sprossen an jeder Stange deutlich erkennen konnte. Er war kein Jäger. Dennoch hätte er in diesem Moment gerne eine Büchse in der Hand gehabt, um die Tiere mit einem Schuss aufzuschrecken. So ein Bock konnte mit seinen Krickerln viel Schaden anrichten, wenn er einen Heuballen aufschlitzte, um an Futter zu kommen. Der Ballen begann dann zu gären und war unbrauchbar. Sigi seufzte, nahm statt eines Gewehrs Besen und Schaufel vom Haken, kehrte bibbernd vor Kälte die Tonscherben im Hof zusammen und trug die Passionsblume, deren starke Wurzeln die Erde wie Krallen zusammenhielten, zur Kellertür.

Prüfend ging sein Blick wieder zum Waldrand. War das ein Tier oder ein Mensch? Ein Schatten glitt vom Wald her hinter die aufgereihten Ballen. Die Rehe hielten inne und witterten. Jäh hetzten sie in großen Sprüngen talwärts.

III

Afra

Sie trug ihre weißen Haare seit jeher zu Zöpfen geflochten und aufgesteckt. Die erste, die diese Frisur nach Jahrzehnten wieder salonfähig gemacht hatte, war eine ukrainische Ministerpräsidentin gewesen. Für Afra war das belanglos. In bodenlangen Röcken und festem Schuhwerk war sie tagtäglich unterwegs. Zu Fuß. Kam auf einer dieser schmalen Gemeindestraßen zwischen Weinbergen, Wiesenstücken und Wald ein Auto gefahren, wedelte sie mit ihrem langen, schwarzen Schirm. Kaum einer fuhr, ohne anzuhalten, vorbei. War es einer vom Dorf, der sie mitgenommen hatte, griff er nach ihrem Aussteigen routiniert nach dem Fichtenspray, um den unvermeidlichen Geruch nach Bockmist und Kräutern zu verdrängen. War es ein Fremder, dem es darum gegangen war, an einer alten Frau eine gute Tat zu vollbringen, versuchte er bald, grob oder verlegen, sie sich wieder vom Hals zu schaffen. Afra saß wie festgewachsen am Beifahrersitz: Mit geradem Rücken und erhobenem Haupt, den Korb auf dem Schoß umklammernd, ließ sie sich in die Bezirksstadt fahren. Vor einer Gründerzeitvilla deutete sie auf ihren Korb: Der Fahrer möge sie aussteigen lassen und auf sie warten, bis sie ihre Kräuter und ihren Ziegenkäse verkauft habe. Doch jeder dieser Samariter brauste erleichtert davon, sobald er die Frau losgeworden war. Ihre dubiose Ausdünstung blieb noch lange im Auto hängen.

Jeder im Dorf kannte Afras windschiefe Keusche. Kaum einer gab zu, dort gewesen zu sein. Angeblich, weil der Gestank ihrer drei Ziegen – ein Bock war immer darunter – nur schwer aus Kleidern und Haaren herauszubringen war. Stieg man den unwegsamen Pfad am Rand des Sonnleitnerischen Weingartens abwärts bis an den Waldrand, tauchte das moosbewachsene Dach unvermutet zwischen den Stämmen auf. Man munkelte, die Alte halte ihre Hühner in dem einzigen Raum, wo sie kochte, aß, schlief und ihre Kräuter trocknete. Die Kammer quelle über von Stößen zusammengebettelter, dahinmodernder Zeitungen. Kam einer ins Gespräch mit ihr, merkte er, wie belesen sie war. Seit das Wissen um die Heilwirkung von Kräutern wieder in Mode gekommen war, begann man ihre Kenntnisse zu schätzen. In der Stadt. Die Frauen des Dorfes kamen nur heimlich – und immer seltener – in die Waldkeusche. Immer dann, wenn sie in einer ausweglosen Situation von Afras Gebräu Rettung erhofften. Verscherzen wollte es sich keiner mit der absonderlichen Alten. Auf geradezu magische Art wusste sie alles, was in den Höfen und Häusern des Dorfes vorging. Einzig Julia hatte immer ein freundliches Wort und ein Glas Wein für Afra übrig, wenn diese, außer Atem vom steilen Weg, auf der Bank vor dem Sonnleitnerhof verschnaufte. Im Winter bat Julia ihren Mann, den Steig zu Afras Keusche vom Schnee freizuschaufeln, Brennholz hinunterzuschaffen und manchmal einen Sack Mais für die Hühner vors Haus zu stellen.

IV

Jahrtag

Es war noch nicht richtig hell, als Julia übernächtig und viel zu schnell ihren Wagen Richtung Autobahn lenkte. Wie aus dem Boden herausgewachsen tauchte Afra am Straßenrand auf. Julia bremste scharf ab.

„Du zitterst ja“, sagte Afra.

„Ihr habt mich erschreckt“, murmelte Julia, „steigt ein!“ Seit ihrer Kinderzeit benutzte sie, wie sie es von ihrer Mutter gehört hatte, der Alten gegenüber das altertümliche „Ihr“ und „Enk“, mit dem man früher jede Respektsperson angeredet hatte.

„Hast schlecht g’schlafen“, sagte Afra nachsichtig, „die Nacht war so hell.“

„Ja, ist wahr.“ Julias Stimme klang nervös. „Und wo wollt Ihr hin?“

„Nach Graz, ins Sozialamt. Wegen einer Gebührenbefreiung.

Julia musste lächeln. Die Alte würde auch diese bekommen, letztlich tat man immer, was sie wollte, um sie und ihre ziegenduftgeschwängerte Aura loszuwerden.

„Die Verena wohnt eh in der Näh.“

„Jetzt glaub ich’s bald selber schon, dass Ihr hexen könnt. Wie wisst Ihr, wo ich hinwill?“ Afra schaute aus dem Fenster.

„Und – wie geht’s Enk sonst?“, bemühte sich Julia den taktlosen Sager über das Hexen wiedergutzumachen. „Immer g’sund? Geht’s Enk eh guat?“

„Mir schon, aber dir net, Julerl.“

Afra nahm ihren Blick vom Fenster und ließ ihn mitleidig über Julia gleiten.

„Heut ist Jahrtag“, sagte Afra. Julia nickte beklommen. „Fünf Jahr, seit der Luis tot ist. Fünf Jahr und du kannst ihn net vergessen. Ein G’frett is des, ein G’frett. Hast ihn gern gehabt, wie du den Sigi nie gern haben kannst. Armer Teufel, der Sigi.“

Julia klammerte sich mit den Händen am Lenkrad fest, starrte beklommen geradeaus.

„Und die Verena“, setzte Afra nach, „die wird sich’s nie verzeihen, dass sie mir ihren kranken Bruder aus die Händ’ genommen hat. Ich hätt’ ihn g’sund gemacht. War nicht ihre Schuld. Angezeigt bin ich worden. Vom Herrn Primar! Angezeigt wegen Kurpfuscherei.“

Julia spürte, wie ihr die Tränen in die Augen schossen. Beim nächsten Feldweg bog sie ein, hielt an.

„Die sind auch net blöd im Spital, ich hab’s damals derfragt, dass alle gegen das Operieren waren. Nur er, der Aff, der g’schleckte, er hat ihn aufschneiden müssen, den Luis. Wegen dem Geld“, setzte Afra im monotonen Singsang nach. „Umgebracht hat er ihn, der Stückler, der Herr Primar. Den ganzen Bauch hat der ihm versaut und vergiftet. Beim Operieren. Verrecken hat er ihn lassen, deinen Luis.“

Afra schwieg und wartete, bis das Zucken der Schultern neben ihr abgeebbt war.

„Und jetzt? Jetzt ist er selber tot, der geldgierige Dokta, der alte Stückler, der Bauchaufschneider“, setzte sie gleichmütig fort.

Julia nickte. Dann riss es sie hoch.

„Was?!“

„Kann passieren, dass so ein Heuballen ins Rollen kommt und einen erwischt und derdruckt. Kann passieren. Überhaupt, wenn der das verdient hat, der Mörder!“ Julia erstarrte.

„Freilich, dass dann so a Leich mitpresst wird mit dem Heu, bis der leutselige Herr Dokta selber a Heuballen ist, und dass er dann noch wie a Mumie in Plastik eingewickelt wird, das passiert net an jeden.“

Julia griff sich an den Hals, Grauen und Panik pressten ihr die Luft ab.

Die Alte setzte nach: „Die Afra ist überall, sagen die Dorfleut, net wahr. Sie sieht alles, sag’n die Leut. Vor mir brauchst keine Angst net haben, du net. Die Verena auch net. Aber wegräumen müssts ihn. Den Heuballen. Gestern hat der Sechserbock mit seine’ Krickerln den Ballen aufg’rissen. Verstehst? Der fangt an zum Faulen, zum Stinken. Der wird sich bald aufg’löst haben, unter der Plastikhüll. Sag das der Verena. Für was ist sie Ingenieurin bei einer Baufirma. Die wird schon an Weg finden. Die Verena. Immer noch a Bauernmadl, a tüchtig’s. Die fahrt an Lkw oder a Baumaschin genauso wie an Traktor“, Afra machte eine bedeutungsvolle Pause, „– oder wie a Heupress. Net wahr? Is ja liab von ihr, dass sie dir immer noch hilft bei der Bauernarbeit, die Frau Ingenieur, obwohl sie net deine Schwägerin worden ist.“

Julia machte den Mund auf; sie brachte kein Wort heraus. Afra hatte schon nach der Autotür gegriffen: „Dankschön fürs Mitnehmen. Ich hab nix zu tun in der Stadt, das mit dem Sozialamt hab ich schon geregelt. Wollt dir nur sagen, dass höchste Zeit ist, dass der Heuballen wegkommt. Pfiat di, Julerl.“

V

Auszeit

„Es ist mir sowas von egal, wo sich dein Vater vergnügt! Von mir aus in irgendeinem Puff in Bangkok oder in Santo Domingo. Hauptsache, er ist weit weg und spielt nicht dauernd hier den großen Zampano!“

„Elke, Schatz, reg dich ab. Wir brauchen sein Renommee. Für unser Projekt. Er kann nicht einfach verschwunden sein!“ „Er wird dir immer die Show stehlen wollen, solang er lebt.“ „Schatz, ich versteh deine Ressentiments. Aber erstens handelt es sich um meinen Vater, und dem verdank ich einiges. Und zweitens: Es ist doch seltsam, dass er eben keinen Flug irgendwohin gebucht hat, sondern einen Landaufenthalt.“

„Woher willst du das wissen?“

Elke Stückler sah ihren Mann nun doch mit einem gewissen Interesse an der Sache an.

„Also bitte, jetzt ist er schon mehr als einen Monat unauffindbar. Ich habe Nachforschungen anstellen lassen.“

„Lächerlich! Er ist ein erwachsener Mensch.“

„Ich bin auf ein Kellerstöckl im südsteirischen Weinland gestoßen, genauer in – Moment, wie hieß das? – in Oberlupitscheni. Da hatte er sich eingemietet. Er hatte ja von einer Auszeit gesprochen, erinnerst du dich?“

„Was? Das hätt’ ich ihm nicht zugetraut. Dein Vater kann ja ohne Publikum nicht sein. Nun ja, vielleicht sonnt er sich in der Bewunderung der Landbevölkerung.“

„Aber niemand hat ihn gesehen. Das Kellerstöckl steht ziemlich einsam, mitten in den Weingärten. Die Besitzer wohnen in Graz. Verstehst du jetzt, ich muss eine Anzeige machen. Ich kann ja nicht dort einbrechen – und überhaupt! Es könnte ihm ja was passiert sein.“

Elke Stückler blieb ungerührt: „Also, wenn ihn der Schlag getroffen hat, würden sich für dich einige Probleme lösen.“

„Oh Gott, Elke! Du bist so pietätlos wie blöd. Weißt du nicht, dass du nur einen Verstorbenen beerben kannst, der aktenkundig tot ist? Kapiert? Wenn wir nicht wissen, ob und wo er umgekommen ist, können wir jahrelang warten, bis er für tot erklärt wird.“

„Also dann. Abgängigkeitsanzeige. Womöglich liegt er halb verwest im Kellerstöckl.“

„Elke, er ist mein Vater, halte dich zurück!“

VI

Wellness

Ostermontag. Alles, was ein „Frühling im Weinland“-Prospekt verspricht, ist da. Sonnengelb wuchert der Löwenzahn im Weingarten. Gelbgrün brechen die Triebspitzen aus dunklen Reben. Büschel tiefgelber Märzenbecher vor dem Sonnleitnerhof.

Goldgelb der Muskateller im Glas, das Julia vor Verena hinstellt.

Sie solle mitkommen, sagt Verena, ein Ausflug ins Oststeirische, ins Vulkanland. Ebenfalls eine hübsche Weingegend. Sehenswert. Julia hat keine Zeit. Aber auch keine Chance, sich Verenas drängender guter Laune zu entziehen. Nach einer Stunde Fahrt hält Verena vor einem imposanten Neubau. Viel Glas und Holz, direkt auf die Spitze eines uralten Vulkankegels draufgesetzt.

„Komm, wir steigen aus!“

„Was ist das?“

„Eine Wellnessoase. Kuschelhotel, Thermalbad, Therapien, Arzt, alles da.“

„Und?“

„Unsere Firma hat das gebaut. Alles vom Feinsten. Meine Chefs haben gut verdient dabei.“

„Und du?“

„Ich? Ich wollte mit diesem Projekt nichts zu tun haben. Ging aber nicht. Ich bin die Statikerin, unersetzlich sozusagen.“ Verena lacht mit hintergründiger Lustigkeit und schiebt die zögernde Julia bis vor den luxuriösen Eingangsbereich.

Julias Blick wird von einem eleganten Messingschild festgesogen: „Therapiezentrum Dr. med. Roland Stückler jun.“ „Ein Familienunternehmen“, sagt Verena. „Steht auf einer guten Grundlage, verstehst du?“

Julia sieht sie entgeistert an.

„Das Fundament ist der Senior.“

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