Kitabı oku: «Die Modern Work Tour», sayfa 3
Meet Steven von No Moss – Australien
Steven HK Ma ist Geschäftsführer der Beratungsagentur No Moss in Sydney – und es gab eine Zeit, da hatte er mit schlaflosen Nächten zu kämpfen. Denn einige seiner rund 30 Mitarbeitenden hatten ihn, so empfand er es zumindest, ziemlich hart auf die Probe gestellt: Sie waren mit einem ungewöhnlichen Anliegen auf ihn zugekommen, das andere UnternehmerInnen wohl zu einem ungläubigen Lachanfall oder resigniertem Kopfschütteln verleitet hätte. Seine Mitarbeitenden erzählten ihm, dass sie anstelle der bisherigen Finanzprodukte in Zukunft lieber Spiele-Apps entwickeln wollten. Statt das Ganze als Schnapsidee abzutun und den Mitarbeitenden noch mal vor Augen zu führen, was die Unternehmensziele sind, dachte Steven ernsthaft darüber nach. Denn dieser Vorstoß – so gibt er im Interview zu – ist letztlich genau das, was er von seinen Mitarbeitenden erwartet: „We talk a lot about purpose and what drives us to really do things regarding our purpose.“ Bei No Moss wird also viel über die Sinnhaftigkeit gesprochen und darüber, was konkret dafür getan werden kann.
Radikale Veränderungen – und das mit Sinn!
Steven war schon vor einiger Zeit klar geworden, dass seine Mitarbeitenden ihr Potenzial nicht richtig freisetzen können, wenn sie immer nur seine Ziele verfolgen und seine Vorstellungen umsetzen. Daher hat er beschlossen, seine Rolle als CEO abzulegen. Stattdessen nahm er eine neue Rolle ein, die ihn weniger managen, dafür aber mehr führen lässt. Er entwickelte für sich und sein Unternehmen die Rolle des „CPO“, des Chief Purpose Officers. Seine Aufgaben in dieser Rolle beschreibt er so: „I see my role in helping people explore their purpose, articulate their purpose and give them an environment to take action towards their purpose.“ Stevens Mitarbeitende sollen also ihren Sinn finden. Sie sollen sich Themen und Aufgaben widmen, für die sie eine persönliche Passion haben oder eine Berufung verspüren. Menschen dabei zu helfen, ihren Sinn zu erkunden, ihn zu fassen und voranzutreiben, sieht er als wichtigste Aufgabe seiner Rolle. Er findet vor allem, dass er eine dienende Haltung einnehmen muss, um den Menschen die Suche nach ihrer Sinnhaftigkeit zu ermöglichen. Im Interview formuliert er das wie folgt: „To serve the people and their ecosystem to find purpose.“
Nun scheint aber die gesamte Diskussion um diesen „Purpose“ häufig doch sehr willkürlich geführt zu werden. Deswegen fragen wir nach, was denn Purpose für Steven eigentlich bedeutet. Er hat eine interessante Antwort für uns: „For a definition we started with big, unfinishable and unachievable dreams but we have learned that these dreams can be simplified.“ Große, nicht zu erfüllende und nicht zu erreichende Träume? Das klingt nicht besonders motivierend, denken wir und sind skeptisch. „Es sind Vorstellungen, die uns antreiben und deswegen nie ganz verwirklicht werden können“, sagt Steven und erklärt weiter: „Nicht im Sinne, dass sie nie zu erreichen sind. Wie zum Beispiel in meiner Rolle als CPO: Hier liegt mein Sinn darin, Arbeit wieder menschlicher zu machen. Das kann ich auf ganz unterschiedliche Weise tun. Ich kann Aufgaben dafür ableiten oder kleinere Unterziele finden. Diese Arbeit wird aber nie wirklich enden, weil immer wieder neue Ideen entstehen werden, wie Arbeit für einen bestimmten Menschen noch sinnvoller gestaltet werden kann.“ Deswegen unterscheidet Steven verschiedene Ebenen von Purpose. „Deep purpose, big or large purpose, small purpose, defined or undefined purpose“, zählt er lächelnd auf.
Seiner Meinung nach braucht es neben einer sicheren Umgebung, um über den eigenen Sinn zu sprechen, auch die Routine, das regelmäßig zu tun: „One important thing is to practice in order to explore and explain what the purpose is.“ Er tut das beispielsweise in den – wie er sie nennt – „Purpose Talks“. Das sind regelmäßig stattfindende Workshop- und Meeting-Formate, in denen die Mitarbeitenden ihre Projekte und Arbeitsbereiche mit Bezug auf ihren Sinn in dieser Tätigkeit vorstellen und diskutieren. Ideen werden ausgetauscht, um die Umsetzung in einem Diskurs mit allen anderen im Unternehmen zu verfeinern und auszutesten. In einem solchen „Purpose Talk“ wurde Steven dann Folgendes klar: Wenn er seine Rolle als CPO ernst nehmen und konsequent leben will, muss er auch seinen Mitarbeitenden mit der überraschenden Idee, Spiele-Apps zu entwickeln, eine Chance geben. Schlaflose Nächte hin oder her: „To work on a purpose means to reconceptualize and reframe work and your views again and again.“ Also erhielten die Mitarbeitenden tatsächlich die notwendige Unterstützung durch eine aktive Begleitung im Prozess sowie regelmäßige Reflexionsschleifen und Rückmeldungen von KollegInnen in weiteren „Purpose Talks“. Und die Resultate können sich durchaus sehen lassen: Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden bei No Moss stieg. Zudem kann sich das Unternehmen auch über den Aufbau eines neuen und ertragsfähigen Teilbereichs freuen. Durch die Initiative der Mitarbeitenden konnte das Portfolio bei No Moss erfolgreich erweitert werden.
Sightseeing am Opernhaus von Sydney an der Ostküste Australiens.
Steven wiederum ist, wie er sagt, in seiner Führungsrolle gewachsen und hat angefangen zu begreifen, was es wirklich heißt, zu führen: „The greatest thing about leadership is to see how people grow.“ Sein schönstes Erlebnis ist es, wenn die Menschen einen Überraschungsmoment beziehungsweise einen Aha-Effekt erleben, weil sie sich vorher noch nie Gedanken über diese oder jene Frage gemacht haben. Dabei hatte er zum Zeitpunkt unseres Interviews noch nie etwas von New Work und Frithjof Bergmann gehört. Dennoch hat er aus der eigenen Intention heraus ein wesentliches Prinzip von Moderner Arbeit, das auch der New-Work-Begründer Bergmann in den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt, verinnerlicht und umgesetzt: als Wegbegleiter bei der Sinnsuche seiner Mitarbeitenden zu fungieren. Damit hat er es geschafft, mit No Moss ein Unternehmen aufzubauen, in dem der Sinn der Mitarbeitenden den Sinn des Unternehmens formt – und nicht umgekehrt.
Und das macht vieles leichter: Denn dort, wo Mitarbeitende Projekte verfolgen, in denen sie einen persönlichen Sinn sehen, wächst die Motivation und die Leidenschaft beim Arbeiten. Es fällt leichter, an der Sache dranzubleiben und mit Rückschlägen umzugehen. Auch steigt die Bereitschaft, zu lernen. Denn von innen heraus möchte man das Thema oder Projekt vorantreiben und erfolgreich machen. Was dagegen sinkt, ist das Interesse der Mitarbeitenden, das Unternehmen zu wechseln – und dabei wertvolles Wissen mitzunehmen. Wissen, das dem Unternehmen letztlich fehlt und wieder aufgebaut werden muss. Wenn aber der persönliche Purpose nicht zum Unternehmen passt oder die Mitarbeitenden eigentlich etwas ganz anderes wollen, wird das durch die „Purpose Talks“ auch sehr schnell deutlich, sagt Steven. Der Unterschied liegt darin, dass der Sinn einen antreibt. Wenn das klar ist, kann man sich auch einfacher und zufriedener voneinander trennen.
Steven brauchte allerdings viel Mut und die Bereitschaft, sein Ego und sein bisheriges Verständnis von Führung zu reflektieren und zu hinterfragen. Auch das ist ein zentrales Element von Moderner Arbeit, das grundsätzlich für alle Führungskräfte gelten sollte: Einen Schritt zurückzutreten und den Mitarbeitenden die Möglichkeit zu geben, mehr für sich einzustehen und somit auch mehr Verantwortung zu übernehmen. Es geht zum Beispiel darum, sich zu fragen: Lehne ich eine Idee ab, weil ich sie aus Sicht des Unternehmens tatsächlich für schädlich halte? Oder gefällt es mir nicht, dass jemand anderes eine potenziell interessantere oder sogar bessere Idee hat?
Modern-Work-Prinzip: Sinn ermöglichen
Für die Busfahrerin besteht der Sinn ihrer Arbeit darin, Menschen sicher zu transportieren. Offenkundig schreibt sie der Sicherheit eine wesentliche Bedeutung in ihrer Tätigkeit zu. Wenn der Sinn die Handlungen formt, führt das auch dazu, dass die Busfahrerin rücksichtsvoller fährt, um ihre Fahrgäste und andere VerkehrsteilnehmerInnen nicht zu gefährden. Oder sie denkt – wie in unserem Fall – auch über die Busfahrt hinaus an das Wohlergehen ihrer Passagiere. Dabei ist der Sinn nie ganz vollendet und treibt uns immer wieder an, danach zu handeln und zu arbeiten. Somit kann Sinn nicht nur zur Zielerreichung motivieren, sondern auch eine gedankliche Auseinandersetzung über das eigene Leben anregen.
Für Moderne Arbeitskontexte bedeutet das, regelmäßig in eine Auseinandersetzung über die Sinnhaftigkeit zu gehen. Dafür hilft es, Formate für das Erkunden und Entdecken von Sinn wie die „Purpose Talks“ bei No Moss zu entwickeln. Die zentrale Ausgangsfrage, um nach dem Sinn oder der Bedeutung der eigenen Tätigkeit zu fragen, ist das WARUM. Zu wissen, WARUM man etwas tut, hilft dabei, das eigene Verhalten, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche besser zu verstehen. In seinem überaus bekannten und bemerkenswerten Ted-Talk greift Simon Sinek dieses Prinzip in seinem „Golden Circle“ auf. Ihm ist aufgefallen, dass sich erfolgreiche UnternehmerInnen und Führungskräfte von anderen darin unterscheiden, wie sie über ihre Arbeit denken, sich dabei verhalten und ihren Sinn kommunizieren. Das WARUM steht dabei stets im Mittelpunkt und beeinflusst das Mindset.
Unter MINDSET werden die Haltung und Sichtweise eines Menschen verstanden, die die eigene Denkart und Handlungsweisen prägen.
Das Prinzip „Sinn ermöglichen“ ist eng mit dem Bergmann’schen Konzept von New Work verknüpft. Sinn zu ermöglichen bedeutet, nach dem „wirklich, wirklich Wollen“ zu fragen und herauszufinden, wie dieser Wunsch das Leben bereichern kann. Um New Work in eine tatsächlich zeitgemäße und damit Moderne Arbeit zu überführen (schließlich stammt der New-Work-Ansatz aus den 1970ern), erscheint es uns auch wichtig, konkrete Handlungen abzuleiten, wie es uns besonders in Australien immer wieder vor Augen geführt wird. Wir halten es für entscheidend, zwischen dem Kern und der Hülle von New Work zu unterscheiden. Damit New Work nicht zu einem Containerbegriff verkommt, unter dem jede Initiative in der Arbeitswelt gefasst werden kann, braucht es eine inhaltliche Abgrenzung. „Für viele ist New Work etwas, was die Arbeit ein bisschen reizvoller macht. Und das ist absolut nicht genug“, beschwert sich Frithjof Bergmann in einem unserer gemeinsamen Gespräche. Eine Idee dazu haben wir bereits bei unserer Workation auf Bali, bevor wir nach Australien fliegen. Deshalb kommen wir auch auf das Bild der Avocado als fruchtig-beerigen Vorschlag, um über New Work nachzudenken. Fast jeder kennt den Moment, wenn man die Avocado aufschneidet und die beiden Hälften auseinanderklappen. Sichtbar werden das quietschgrüne Fruchtfleisch und der runde, festen Kern – umhüllt von der dünnen Schale der Avocado.
New Work
HÜLLE ODER KERN?
Wenn der Fokus auf unseren Purpose und den Purpose der anderen gesetzt wird, kann die Bedeutsamkeit beim Arbeiten gesteigert werden, was wiederum zu besseren Entscheidungen und Handlungsweisen führt. Sinn ermöglichen bedeutet also im ersten Schritt herauszufinden, was wir wirklich, wirklich wollen, um das im zweiten Schritt dann auch wirklich, wirklich zu tun.
Was wir an Erfahrungen mitnehmen
Wir wissen nicht genau, ob es die Entfernung von daheim ist oder dieser ganz bestimmte Geist, den wir hier in Australien verspüren. Vielleicht ist es aber auch das Wissen darum, dass es ab jetzt Stück für Stück zurück nach Deutschland gehen wird. Wir fragen uns, wie wir unser Leben leben wollen: „Wie wollen wir in Zukunft arbeiten und worin besteht eigentlich unser Sinn beim Arbeiten?“ Australien, als der am weitesten entfernte Punkt unserer Modern Work Tour, erscheint uns ganz richtig dafür, in die Vogelperspektive zu gehen. Manchmal muss man eben erst weit weg, um mit Abstand den Kern sehen zu können. Also: „Was haben wir und was fehlt uns? Womit wollen wir beginnen und wovon sollten wir uns schnellstmöglich verabschieden? Was wollen wir wirklich?“
Wir haben den Eindruck, dass wir besonders in unserer Welt nicht mehr darum herumkommen, eine persönliche Definition von einem guten und sinnvollen Leben zu entwickeln. Das kann uns helfen, eine Art „Leitplanke“ zu haben, um sich einen Weg durch eine Welt zu bahnen, in der so viele verschiedene Lebensformen möglich und vorstellbar sind. In dieser beweglichen Unüberschaubarkeit fangen wir gerade erst an, neue Lebensentwürfe kennenzulernen und auszuprobieren. Flexibilität scheint uns dabei nicht nur für das Berufsleben, sondern auch für das Leben im Allgemeinen eine erstrebenswerte Fähigkeit zu sein. Natürlich hilft es, bei dieser Auseinandersetzung auf Reisen zu sein und ständig neue Ideen oder Einfälle zu entdecken. Es gibt so viele Möglichkeiten, unser Leben zu gestalten und auszuleben. Wir sollten uns einfach nur mehr Zeit nehmen, auch darüber nachzudenken. Für uns ist die Moderne Walz ein solcher Neuentwurf, um uns selbst einen Freiraum für unseren Sinn zu geben.
Dass es für eine Führungskraft nicht einfach ist, Mitarbeitenden solche Freiräume zu lassen, lag für Steven von No Moss auf der Hand. Deshalb hat er ein anderes Arbeits-Lebens-Modell für sich und seine Umgebung kreiert: „Working, struggling, finding a purpose – it is hard!“, bringt er es auf den Punkt. Aber für sich hat er einen persönlichen Purpose gefunden: seinen ganz eigenen Sinn beim Arbeiten – das, was es für ihn lohnenswert macht, täglich aufzustehen und gern zur Arbeit zu gehen. Dieser Sinn lautet: „Make work more human!“ – Arbeit menschlicher zu machen.
REFLEXION
FRAGEN ZUM PRINZIP: SINN ERMÖGLICHEN
•Welchen Sinn siehst du in deiner eigenen Arbeit?
•Welche Sinnermöglichung wünschst du dir für deine Zukunft und was ist dein wichtigster Schritt auf dem Weg dahin?
•Siehst du Möglichkeiten, andere Menschen in deinem Umfeld auf ihrem Weg des wirklich, wirklich Wollens zu begleiten?
•Vom wirklich, wirklich Wollen zum wirklich, wirklich Tun: Schreibe dir mindestens drei Punkte auf, die du angehen möchtest. Wie willst du diese Punkte umzusetzen?
•Was kannst du aus den aufgezeigten Beispielen in diesem Kapitel für deine eigene Arbeit ableiten?
MODERN-WORK-PRINZIP 2
Mensch im Mittelpunkt
Sarajevo
Bosnien-Herzegowina
Vlorë – Albanien
Skopje – Mazedonien
Sveti Stefan – Montenegro
Split – Kroatien
Der Balkan ist der Auftakt unserer Modern Work Tour, weshalb wir uns hier Zeit lassen, um viele verschiedene Länder kennenzulernen. In Sarajevo sind wir von der Motivation der jungen Menschen vor Ort angeregt. In Albanien gefällt uns vor allem die Gastfreundschaft und das leckere Essen. Der Balkan ist auf jeden Fall eine Reise wert – sowohl zum Arbeiten als auch zum Entspannen.
Auch landschaftlich hat der Balkan viel zu bieten – und wir sind begeistert, als wir unsere „Flybee“ erstmals fliegen lassen.
Als wir Anfang Mai 2018 am Hamburger Hauptbahnhof in den Zug steigen und es uns mit den eingelösten Bahnbonuspunkten in der 1. Klasse im ICE nach München gemütlich machen, werden wir fast ein wenig nostalgisch: „Wie lange werden wir unterwegs sein? Wann sehen wir Familie und Freunde wieder? Wann kommen wir zurück nach Deutschland?“ Wir haben uns bewusst kein fixes Enddatum für die Modern Work Tour gesetzt – zu sehr lockt die Freiheit. Zu groß ist der Reiz, einmal nicht zu wissen, wie lange wir unterwegs sind und wohin es uns verschlägt. Unsere KlientInnen und KundInnen wissen Bescheid, alle haben sich darauf eingelassen, in der nächsten Zeit komplett digital mit uns weiterzuarbeiten. Sie werden zu einer Art ReisegefährtInnen, denn auch sie nehmen an unserem Arbeitsabenteuer teil.
Unser Vorsatz, langsam in die Moderne Walz zu starten und nicht direkt mit einem Langstreckenflug ans andere Ende der Welt zu reisen, bedeutet für uns auch, zu schauen, welche spannenden Arbeitsumgebungen in Europa zu finden sind. Dabei zieht es uns gen Osten und wir lassen bewusst bekannte Hotspots wie London, Amsterdam oder Stockholm (vorerst) aus. Wir wollen in den Balkan! Denn wir haben bereits einiges darüber gehört: tolles Essen, freundliche Menschen, IT-Experten, die nach Westeuropa oder in die USA wollen.
Ab München geht es mit dem Flixbus CO2-neutral weiter. Bis auf eine Zugfahrt durch das sommerliche Bulgarien werden wir alle Länder im Balkan mit dem Bus bereisen. Je weiter wir in den Osten gelangen, desto älter werden die (Flix-)Busse: Am Anfang geht es noch mit WLAN nach Slowenien, später von Mazedonien nach Bulgarien klappern und ruckeln die Sitze schon heftiger, während die Busfahrer ungerührt an ihren Zigaretten ziehen und beschwingt zum lautem Balkan-Pop mit den Köpfen wippen. Eine Busfahrt, die ist lustig; eine Busfahrt, die ist schön. Man lernt die Landschaft der jeweiligen Länder besser kennen. Oh ja, der Balkan kann hier ordentlich etwas bieten. Außerdem erlaubt das Busfahren uns, mit Zeit und Ruhe zu reisen. Wir haben keinen Stress und keinen Zeitdruck. Insgesamt werden wir gut zwei Monate durch den Osten Europas tippeln.
Im Balkan reisen wir nach Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Albanien, Mazedonien und Bulgarien. Wir fühlen uns überall äußerst willkommen und werden sehr gastfreundlich empfangen. Egal, ob von dem Profiboxer in Podgorica, der unbekanntesten Hauptstadt Europas (Montenegro); beim Willkommens-Grappa mit der Airbnb-Vermieterin in Zagreb (Kroatien), während einer Fahrradtour durch das skurril-protzig gestalteten Skopje (Mazedonien) oder beim Public Viewing der Fussball-WM im wunderbar wuseligen Tirana (Albanien). Da sich unsere National-Elf nicht gerade mit Ruhm bekleckert, erfahren wir besonders in Albanien viel Schalk, aber auch Mitleid und Trost.
Vor der Abfahrt haben wir uns vorgenommen, unserer Neugierde nachzugehen und zu versuchen, den Menschen immer offen zu begegnen. Wir wollen unsere Schubladen im Kopf möglichst geschlossen halten. Und wenn wir sie doch mal öffnen, dann alle gleichzeitig, sodass es keine Pflicht der Zuordnung gibt. Wir lieben es, neue Menschen kennenzulernen. Das ist wohl einer der wichtigsten Gründe, warum wir Coaches und Berater beziehungsweise Beraterin geworden sind: Menschen ein Stück ihres Lebens bewusst zu begleiten, mit ihnen zu arbeiten und letztendlich immer auch gemeinsam zu wachsen.
Sarajevo in Bosnien-Herzegowina ist ein besonderer Höhepunkt der Modern Work Tour. Eine Stadt mit (Vor-)Geschichte. Eine Stadt, die noch häufig mit Bürgerkrieg und Leid in Verbindung gebracht wird: Von 1992 bis 1995 wird die Hauptstadt belagert, in 1425 Tagen verlieren über 10 000 Sarajlije (Einwohner Sarajevos) ihr Leben. Bis heute ist das Stadtbild von den damaligen Kampfhandlungen gezeichnet. Von der Dachterrasse unserer Airbnb können wir die einstige „Allee der Heckenschützen“ sehen: Von dort aus wurde die Studentin Suada Dilberović als erstes Opfer des Krieges erschossen.
Aber deswegen sind wir nicht in Sarajevo. Wir wollen eigene Bilder zu dieser Stadt kreieren. Neue Erfahrungen in unseren Köpfen entstehen zu lassen und bestehende Narrative zu hinterfragen, wird uns auf unserer Reise gedanklich immer wieder begleiten. Besonders stark kreisen diese Gedanken an Orten, zu denen es starke kollektive Zuschreibungen gibt, wie beispielsweise China („Da ist doch alles gefälscht!“), Ruanda („Ihr wollt in das Genozidland?“), Nigeria („Fahrt da nicht hin, das ist viel zu gefährlich!“) oder eben Bosnien-Herzegowina („Geht da nicht wandern, da liegen noch Landminen rum!“). Wir werden auf der gesamten Reise das Privileg, unsere eigenen Erfahrungen machen zu dürfen, schätzen lernen. Es ist ein Luxus, der unsere Sichtweisen für unser ganzes Leben prägen wird.
Die Stadt Sarajevo liegt in einem Kessel. Egal, wo wir stehen, sehen wir die kleinen Berge drumherum. Das beschert uns einerseits ein wohliges Gefühl. Andererseits wird uns klarer, wie schrecklich es damals während der Belagerung gewesen sein muss. Dabei verliert man manchmal aus dem Gedächtnis, dass Sarajevo eigentlich als Vielvölkerstadt gilt, wie die Sarajlije stolz berichten. Auch wir nehmen die Stadt so wahr – als einen Ort der multikulturellen, -nationalen und -religiösen Zusammengehörigkeit: Hier leben Menschen aller großen Weltreligionen friedlich miteinander zusammen. Ehen und Familienzusammenschlüsse zwischen Serben, Kroaten, Muslimen, Juden, Christen … sind hier einfach so möglich. Es wird auch gemeinsam gearbeitet, denn Firmenbelegschaften oder Geschäftsführungen können ebenfalls gemischt sein. „Bunt ist toll!“, stellen wir mal wieder fest und freuen uns, in den kommenden Tagen und Wochen diesen besonderen Geist der Stadt besser kennenzulernen.
In unserer Session mit Emina erfahren wir, was es heißt, sich auf „People-first-Entscheidungen“ im Unternehmen zu fokussieren.
Den Wunsch der Sarajlije, an einem so geschichtsträchtigen Ort nun auch die Gegenwart zu leben, spüren wir vor allem bei unserem Besuch im Co-Working-Space Hub387. Dort treffen wir Semir, den Co-Founder von Habeetat und Belma von Bookvar. Wir erfahren, dass sie sich bewusst dazu entschieden haben, in der Stadt zu bleiben und Sarajevo zu einem Zukunftsort zu machen. Sie berichten, dass viele, die zum Studieren ins Ausland gegangen oder geflohen sind, nun zurückkehren. Sie alle wollen vor Ort einen Unterschied machen und positiven Einfluss auf das Leben und das Arbeiten in der Heimat nehmen. Häufig stehen die Gemeinschaft und die Menschen dabei im Fokus ihrer Entscheidungen, was wir als ein Prinzip von Moderner Arbeit verstehen.
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