Kitabı oku: «Ueber den TOD hinaus», sayfa 2

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«Sprach er mit Ihnen über seine Fälle?»

«Nein, nein. Das hätte ich sowieso nicht verstanden. Wenn er, Bernhard und Peter miteinander diskutierten, klang es wie eine Fremdsprache. In all den Jahren wurde ich nur zwei Mal mit seinem Beruf konfrontiert. Da war diese Freundin, ich glaube, dass er sie vom Studium kannte …»

«Du meinst sicher Brigitte.»

«Eine blonde, ziemlich gutaussehende Frau in eurem Alter.»

«Ja, das ist Brigitte.»

«Zuerst dachte ich, es sei seine neue Freundin. Wissen Sie, Herr Kommissär, die jungen Menschen wechseln oft ihre Partner. Zu oft für meinen Geschmack. Das war früher anders, damals …»

«Diese Brigitte war also nicht seine neue Freundin, richtig?», versuchte Ferrari beim Thema zu bleiben.

«Genau. Es sei eine Klientin, sagte er. Nur, warum kam sie zu uns nach Hause? Das fand ich seltsam, aber sie war nur ein einziges Mal hier.»

«Bei uns in der Kanzlei hielt sie sich öfters auf. Es ging um eine Erbschaftsangelegenheit, konkret um ein Reisebüro, das Brigitte und ihre beiden Brüder von den Eltern geerbt hatten. Der werte Kollege, der Brigitte am Anfang vertrat, war ein absoluter Loser, er liess sich total von der Gegenpartei einlullen. Die beiden Brüder machten ihm weis, dass die Firma nichts wert sei. Daraufhin engagierte Brigitte Lukas, der fuhr beim gegnerischen Anwalt wie ein Tornado ein.»

«Lukas erzählte mir nicht, wie der Fall ausging. Er erzählte nie viel.»

«Und der zweite?»

«Das war eine sehr unangenehme Sache. Vor einigen Tagen tauchten zwei unbekannte Männer auf. Natürlich liess ich sie nicht einfach herein, das soll man ja nicht tun. Der eine wurde richtig wütend und drohte, die Türe einzuschlagen. Zum Glück kam dann Lukas. Er verschwand mit ihnen in seiner Wohnung. Die stritten sich so laut, dass ich sie bis hier oben hörte.»

«Um was ging es bei dem Streit?»

«Keine Ahnung. Lukas sagte nur, es gehe um einen Fall, bei dem er zu hoch gepokert hätte.»

«Haben Sie die beiden gesehen?»

«Nein, ich sprach mit ihnen nur durch die Sprechanlage.»

«Das waren bestimmt Blaser und sein Geschäftsführer.»

«War das ein Kunde von Lukas?»

«Sein wichtigster und auch sein hinterhältigster.»

«Jetzt bin ich ganz auf mich allein gestellt. Zuerst Anton, jetzt Lukas. Ich weiss nicht, wie ich das alleine schaffe.»

«Bernhard und ich sind für dich da, Eva. Du kannst immer auf uns zählen.»

«Ihr seid gute Jungs. Wissen Sie, Frau Kupfer, die drei sind zusammen aufgewachsen. Anton sagte immer, sie sind unzertrennlich wie die drei Musketiere. Wir wohnten alle in der gleichen Strasse. Ich könnte Ihnen Müsterchen erzählen, was die drei alles so angestellt haben … Bernhard musste am meisten den Kopf hinhalten.»

«Und warum?»

«Sein Vater war Wachtmeister. Hatten sie wieder einmal Mist gebaut, bestrafte er seinen Sohn stellvertretend für alle. Ich kann mich noch gut an das Gokart erinnern.»

«Ich auch», lachte Peter. «In der Nähe unseres Wohnorts befand sich eine Tankstelle. Der Pächter war fanatischer Gokart-Fahrer. An einem schönen Sommerabend kletterten wir über den Hag, holten den Reserveschlüssel fürs Tor, der über der Eingangstür zum Laden hing, und liehen uns ein Gokart aus.»

«Sie fuhren im Quartier herum.»

«Bis uns in einer Einbahnstrasse ein Polizeiauto entgegenkam. Dann war der Spass vorbei.»

«Bernhard versteckte sich bei uns. Als sein Vater ihn abholen wollte, stellte sich Anton vor den Jungen. Sie müssen wissen, mein Mann war früher Turner in der Nationalmannschaft. Es kam zum Streit zwischen den Männern und …»

«Bernhards Vater flog durchs halbe Treppenhaus.»

«Der Wachtmeister drohte meinem Mann mit einer Anzeige wegen Körperverletzung, aber dazu ist es zum Glück nie gekommen. Ja, mein Anton war ein kräftiger Bursche.»

«Es war eine schöne Zeit. Die Schönste.»

«Stimmt. Manchmal sehne ich mich danach zurück, obwohl wir uns nichts leisten konnten. Wir mussten jeden Franken umdrehen, bevor wir ihn ausgaben, und Ende Monat blieb nichts übrig. Mit guter Planung und Geschick reichte es gerade, bis Anton den neuen Lohn bekam. Trotzdem war es schön. Wissen Sie, Frau Kupfer, der Zusammenhalt war grösser. Wir halfen uns gegenseitig, keiner wurde im Stich gelassen. Die Armut verband uns. Jetzt kann ich ohne Sorgen leben, das ist natürlich auch schön. Doch das Gemeinschaftliche fehlt, es ist kälter geworden. Verstehen Sie, was ich meine?»

«Sehr gut. Haben Sie keinen Kontakt mehr zu Ihren Freunden von früher?»

«Nur noch zu Greta, sie lebte mit ihrem Mann in der Wohnung über uns. Jetzt sind sie geschieden, sie hielt es nicht mehr mit ihm aus. Wir telefonieren einmal im Monat, zu Besuch kommt sie sehr selten … Greta fühlt sich hier nicht wohl, wiederholt ständig, dass Lukas es geschafft hat. Diese Situation ist für uns beide unangenehm. Ich schäme mich dann immer, weil ich jetzt in dieser schönen Wohnung lebe.»

«Das brauchen Sie nicht.»

«Ich weiss. Wissen Sie, wer Lukas das angetan hat?»

«Noch nicht.»

«Er war so ein guter Junge. Seit diese zwei Männer aufgetaucht sind, war ich beunruhigt. Sehr sogar. Ich bat Lukas, vorsichtig zu sein, doch er lachte nur … Jetzt ist er tot. Ich möchte so gerne um ihn weinen. Versprechen Sie mir, dass Sie den Mörder von Lukas finden und ihn bestrafen?»

«Ich verspreche es Ihnen. Er wird seine verdiente Strafe erhalten.»

Nadine und der Kommissär verabschiedeten sich und setzten sich in der Bäckerei Jetzer an einen freien Tisch. Peter Zwyssig blieb bei der alten Dame. Er wollte noch in Ruhe besprechen, wie er sie in den nächsten Tagen unterstützen konnte. Sehnsüchtig blickte Ferrari zur Auslage mit dem feinen Gebäck. Es duftete verführerisch.

«Möchtest du ein Croissant?»

«Lieber nicht. Ich muss einige Kilos abspecken.»

«Das höre ich seit mindestens zehn Jahren, nur wirklich abgenommen hast du nie. Mh, die Schwarzwäldertorte sieht gut aus.»

«Ich bleibe beim Cappuccino.»

«Ich bewundere deine Konsequenz. Wir müssen diesen Blaser vorladen … Hallo! Ich rede mit dir.»

«Das Erdbeertörtchen ist nicht so gross und es besteht praktisch nur aus Früchten. Ich glaube, so eines liegt drin.»

«Was habe ich soeben gesagt?»

«Dass ich abnehmen soll. Ich bemühe mich ja, aber überall stehen Süssigkeiten herum. Seit ihr wisst, dass ich Diät halten will, schleppt ihr das Zeug tonnenweise an. Manchmal glaube ich, ihr tut das mit voller Absicht.»

«Drehst du jetzt vollkommen am Rad?»

«Ich kann doch von meinen Kolleginnen und Kollegen erwarten, dass sie meine Bemühungen unterstützen … Ich nehme die Schwarzwäldertorte.»

«Es ist erst kurz vor elf.»

«Na und? Vor halb eins essen wir nicht zu Mittag und ich nehme dann nur einen Salat … Hervorragend. Willst du probieren?»

«Nein.»

«Wir müssen diesen Blaser vorladen.»

«Jetzt reichts!»

«Was ist denn jetzt schon wieder? Ich sitze hier ganz friedlich und geniesse mein kleines Stück Schwarzwälder und du motzt herum. Wenn wir schon dabei sind: Es war voreilig, Frau Brunner zu versprechen, dass wir den Täter finden. Mein Gefühl sagt mir, dieser Fall wird schwierig.»

«Du sagst es. Vor allem, wenn der ermittelnde Beamte an nichts anderes denkt, als sich mit Süssigkeiten vollzustopfen. Bald passt du nahtlos zu Olivias Schwestern.»

«Das nimmst du zurück.»

«Auch noch empfindlich. Möchtest du noch ein zweites Stück? Ich lade dich ein.»

«Nein danke. Ich lade dich ein.»

«Wie grosszügig.»

«Es ist mir ein Vergnügen. Wir müssen abklären, wo dieser Blaser steckt. Den nehmen wir uns zuerst vor.»

«Vor oder nach dem Mittagessen?»

«Sehr witzig. Ich zeige dir meine Willensstärke, ich verzichte aufs Mittagessen.»

«Oh! Wie beeindruckend. Gut, fahren wir ins Kommissariat zurück und laden Blaser vor.»

Ferrari keuchte hinter Nadine her. Puh! Ich muss wirklich einige Kilos abspecken. Ich komme in ein Alter, in dem es immer schwieriger wird. Die Hemden spannen und die Hosen kriege ich nur noch unter dem Bauch zu. Zehn Kilo müssen mindestens runter. Das muss mir niemand sagen, weder Nadine noch meine Lebenspartnerin Monika und schon gar nicht unsere Tochter Nikki – vermutlich ist das der Einfluss ihres neuen Freundes, diesem Idioten von Ernährungsberater. Seufzend liess sich der Kommissär auf den Recarositz fallen.

«Man kann auch sanft einsteigen, ohne dass das ganze Auto wackelt.»

«Man könnte auch ein Auto fahren, bei dem die Sitze nicht knapp über der Strasse liegen.»

«Ich denke darüber nach. Vielleicht sollte ich eine Hebebühne einbauen lassen, mit der ich dich aus dem Auto hieven kann.»

«Nicht nötig. Ich kann noch ganz gut ohne fremde Hilfe aussteigen. Und übrigens, ich kann gar nicht abnehmen.»

«Wieso nicht?»

«Nehmen wir das Beispiel von vorhin: Du hättest mir die Schwarzwäldertorte ausreden müssen.»

«Aha.»

«Und was machst du? Du fragst mich allen Ernstes, ob ich noch ein zweites Stück will. Das hilft mir überhaupt nicht und …»

Nadine drückte aufs Gaspedal und liess die Reifen so richtig quietschen. Ein Lächeln umspielte ihren Mund, während jegliche Farbe aus Ferraris Gesicht gewichen war. Oje! Hoffentlich bleibt die Schwarzwäldertorte, wo sie ist …

Im Kommissariat herrschte Betrieb wie auf dem Rummelplatz. Das Einsatzkommando hatte rund zwanzig Umweltaktivisten verhaftet, nachdem sie sich lauthals singend zu einer Menschenkette formiert und so den ganzen Bankverein bis zum Aeschenplatz lahmgelegt hatten. Der Verkehr brach in Nullkommanichts zusammen: hupende Autofahrer, wild gestikulierende Tramchauffeure und hilflose Beamte. Big Georg blieb nichts anderes übrig, als einzuschreiten. Amüsiert beobachtete Ferrari das bunte Treiben im Waaghof. Die Aktivisten buhten und johlten, so laut sie konnten, sobald Georg versuchte, in einen Dialog zu treten. Und mitten im Chaos stand Staatsanwalt Jakob Borer.

«Das bekommen sie so schnell nicht auf die Reihe.»

«Wenn das nur gut geht. Georg sieht aus, als ob er demnächst die Geduld verliert.»

«Stimmt. Auch Borers Miene verrät nichts Gutes.»

«Wir gehen am besten in unser Büro, Nadine.»

«Nein, warte. Ich will sehen, wie sich das Ganze entwickelt.»

Eine Frau Mitte dreissig war offenbar die Anführerin. Sie befahl ihren Mitstreitern, sich im Raum zu verteilen, einige setzten sich auf den Boden, andere blieben stehen. Die Beamten blickten unruhig zu Georg. Sie warteten auf seine Anweisungen, doch der Chef der Fahndung zögerte. Nun schritt Borer ein. Schnurstracks ging der Staatsanwalt auf die Frau zu und sprach wild gestikulierend auf sie ein. Als sie sich abdrehte, hielt sie der Staatsanwalt zurück. Ruckartig riss sie sich los und versetzte Borer einen Faustschlag an die Schläfe. Wie ein gefällter Baum fiel der Staatsanwalt zu Boden. Innert einer Sekunde wurde es still, niemand rührte sich. Ferrari reagierte am schnellsten und eilte Borer zu Hilfe. Benommen rieb sich der Staatsanwalt über die Schläfe. Allem Anschein nach war er leicht verletzt.

«Dominik, Fabian, bringt den Staatsanwalt hier raus, am besten in sein Büro. Sofort. Und ihr», er wandte sich an die Aktivisten, «benehmt euch wie normale Leute. Es ist Schluss mit …»

«Sie haben uns gar nichts zu befehlen», widersprach die Anführerin trotzig und stimmte ein Lied an.

«Benjamin, schnapp dir ein paar Kollegen und bringt die Aktivisten in den freien Zellen unter. Wenn sie Widerstand leisten, legt ihnen Handfesseln an. Die Frau da kommt zu mir ins Büro.»

Ferraris Ansage zeigte Wirkung. Die Aktivisten verstummten, verunsichert schauten sie zu ihrer Anführerin.

«Bis jetzt lautete die Anweisung Deeskalation. Das ist jetzt vorbei. Sie haben ohne ersichtlichen Grund einen Staatsanwalt geschlagen, was noch ein Nachspiel haben wird. Entweder folgen Sie jetzt meinen Befehlen, oder …»

«Oder?», wiederholte die Frau angriffslustig.

«Oder wir lösen den Widerstand mit Gewalt auf», übernahm Nadine. «Wenn Sie glauben, Sie können sich ungestraft alles erlauben, dann täuschen Sie sich. Beni, leg ihr Handfesseln an und bring sie ins Büro vom Chef … Was ist? Sie sind ja ganz still. Wollen Sie mich nicht auch k.o. schlagen? Nur zu.»

Der Beamte nutzte den Moment der Verwirrung und legte der Frau die Handschellen an.

«So, und jetzt Abmarsch», befahl Nadine.

Als die Frau sich wehrte, schob sie der Beamte unsanft zum Fahrstuhl.

«Widerstand ist zwecklos. Sie verschlimmern nur Ihre Situation.»

«Das werden Sie bereuen, das schwöre ich Ihnen. Ihr alle werdet es bitter bereuen. Freunde, bleibt standhaft. Die wollen uns nur einschüchtern.»

«Sieht nicht so aus, als ob Ihr Aufruf Erfolg hat.»

Und wirklich, mit gesenkten Köpfen liessen sich die Aktivisten abführen. Nadine und Ferrari fuhren mit der Anführerin in die obere Etage. Im Büro angekommen, nahm ihr Nadine die Handschellen ab.

«Setzen Sie sich an den Tisch. Möchten Sie etwas trinken?»

«Glauben Sie ja nicht, Sie könnten mich so kaufen.»

«Das heisst nein. Francesco?»

«Einen Kaffee, bitte.»

Während Nadine in den Flur hinaustrat, setzte sich der Kommissär ebenfalls an den Tisch. Plötzlich musste er lachen.

«Es ist gar nicht lustig.»

«Da bin ich voll und ganz Ihrer Meinung. Ich rücke lieber ein wenig von Ihnen ab. Ihr Faustschlag ist nicht zu verachten.»

«Hier, bitte sehr: Zwei Mal Kaffee.»

«Ich will keinen.»

«Dann lassen Sie ihn stehen. Warum lachst du?», fragte Nadine.

«Ich sehe immer noch Borer vor mir, wie er mit einem einzigen Schlag k.o. geht.»

«Ich will meinen Anwalt sprechen.»

«Selbstverständlich. Nur wird er Ihnen nicht helfen können. Es waren etwa dreissig Polizisten anwesend, als Sie gegen den Ersten Staatsanwalt Jakob Borer tätlich wurden.»

«Er belästigte mich.»

«Ach ja? Das ist wohl masslos übertrieben. Er suchte den Dialog, wollte weiteren Schaden vermeiden. Als Sie sich wegdrehten, hielt er Sie zurück. Nicht mehr und nicht weniger. Kein Gericht der Welt wird das als Belästigung einstufen.»

«Ich verklage Sie und Ihre Kollegin. Sie drohten mir.»

«Sie sind nicht die Erste und auch nicht die Letzte, die uns verklagen will. Tun Sie sich keinen Zwang an. Das gehört bei uns zum Alltag. Vielleicht sollten wir diese Unterhaltung formell weiterführen: Ich bin Kommissär Francesco Ferrari und das ist meine Kollegin Nadine Kupfer. Wie heissen Sie?»

«Petra Ludwig.»

«Frau Ludwig, Sie haben das Recht zu schweigen. Alles, was Sie sagen, kann und wird vor Gericht …»

«Sparen Sie sich Ihr Gesäusel. Ich kenne meine Rechte.»

«Gut, dann informieren wir jetzt Ihren Anwalt. Wie heisst er?»

«Bernhard Locher.»

«Von der Kanzlei Brunner, Locher, Zwyssig?»

«Ja.»

«Ich rufe ihn an», Nadine ging in ihr Büro hinüber.

«Das hätten Sie nicht gedacht, dass ich einen Staranwalt kenne.»

Ferrari schaute sie nachdenklich an.

«Ich habe viel, sogar sehr viel Verständnis dafür, dass Sie sich für unsere Umwelt einsetzen. Mehr noch, ich schätze Ihr Engagement. Umweltschutz geht uns alle an. Wir haben viel zu lange weggeschaut. Wenn wir nicht bald handeln, ist es zu spät. Jeder muss und kann einen Beitrag leisten, weniger fliegen, weniger Auto fahren, weniger Fleisch essen und einiges mehr. Gemeinsam können wir die Welt verändern.»

«Schön gesagt, aber ich falle auf Ihren Trick nicht herein.»

«Sind Sie immer so misstrauisch? Wie gesagt, ich verstehe und schätze Ihren Einsatz für die Umwelt. Ich habe jedoch keinerlei Verständnis für Leute, die glauben, im Namen des Umweltschutzes alle Gesetze brechen zu können.»

«Nur so können wir Aufmerksamkeit erreichen.»

«Das glaube ich nicht, es geht auch anders. Zurück zu Ihrem Anwalt: Nein, es beeindruckt mich keineswegs, dass er ein Staranwalt ist. Ich kannte ihn bis heute früh nicht einmal. Wenn er ein Star ist, dann wohl eher für Wirtschaftsprozesse. Sie müssen mit einem Strafprozess rechnen.»

«Er ist auf dem Weg», informierte Nadine knapp. «Weiss sie es?»

«Nein. Wir unterhielten uns über Umweltschutz.»

«Was weiss ich nicht?», hakte Petra Ludwig nach.

«Wir ermitteln in Mordfällen. Heute morgen wurde die Leiche von Lukas Brunner gefunden.»

«Das … Das ist ein Scherz.»

«Leider nein.»

«Lukas, Bernhard und Peter, sie sind Jugendfreunde und unterstützten mich immer. Ich konnte auf sie zählen, egal, was war. Peter Zwyssig … Er ist mein Lebenspartner.»

«Möchten Sie jetzt einen Kaffee?»

«Ich nehme den da.»

«Der ist inzwischen kalt. Ich hole Ihnen einen frischen.»

Für einen Augenblick sassen sie sich schweigend gegenüber.

«Ich muss zu Eva. Das ist so schrecklich. Zuerst ihr Mann, jetzt Lukas.»

«Was können Sie uns über Lukas sagen?»

«Er ist … war ein guter Freund. Wir diskutierten oft miteinander. Er teilte zwar meine Ansichten nicht, aber wir respektierten einander. Und in den letzten Monaten begann sogar ein hartgesottener Umweltverschmutzer wie er, umzudenken.»

«War er mit Ihren Methoden einverstanden?»

«In keiner Weise. Mit einem Zwinkern sagte er mir oft, ich würde eines Tages im Gefängnis landen. Das habe ich ja jetzt geschafft … Ich fühle mich mies.»

«Wieso?»

«Meine Aktion unten im Flur kommt mir auf einmal so daneben vor. Ich schäme mich dafür. Ich bin gegen jede Gewalt. Als mich dieser Staatsanwalt berührte, die Vorstellung, eingesperrt zu werden, löste Panik aus. Ich weiss, das ist natürlich keine Entschuldigung.»

«Hier kommt ein frischer Kaffee – und Ihr Verteidiger.»

Bernhard Locher nahm Petra Ludwig in den Arm.

«Schon gut, Petra.»

«Ich … Ich kann es nicht glauben. Lukas ist tot.»

«Ja, furchtbar. Ich erfuhr es vor einer Stunde und bin sofort zu Eva gefahren.»

«Ich muss zu ihr, ihr beistehen.»

«Eine gute Idee … Oh, sorry! Ich habe mich gar nicht vorgestellt, Bernhard Locher. Sie sind bestimmt Kommissär Ferrari.»

«Freut mich. Bitte setzen Sie sich.»

«Als mich Frau Kupfer anrief, dachte ich, es gehe um Lukas’ Ermordung. Was werfen Sie Petra vor?»

«Körperverletzung und Widerstand gegen die Polizei.»

«Stimmt das, Petra?»

«Ja. Der Staatsanwalt hielt mich fest und das löste etwas in mir aus: Angst, Panik. Ich riss mich los und schlug zu.»

«Eine unverhältnismässige Reaktion. Jakob Borer wollte nur mit ihr sprechen.»

«Du … Du hast Jakob Borer niedergeschlagen?»

«Ich habe mich nur gewehrt.»

«Sie kennen ihn?»

«Nicht persönlich, doch sein Ruf eilt ihm voraus, wie man so schön sagt. Der Erste Staatsanwalt verfolgt seine Fälle mit Hartnäckigkeit. Er ist unerbittlich. Ein befreundeter Kollege ist mehrmals auf ihn getroffen. Ich sage besser nicht, was er von ihm hält. Wie sehen Sie die Sachlage?»

«Wir werden Frau Ludwig bis zum Prozess einsperren, weil Fluchtgefahr besteht. Mit etwas Glück findet dieser in einigen Monaten statt.»

«Ich will hier raus. Tu etwas, Bernhard.»

«Ich befürchte, dass du einen oder zwei Tage hierbleiben musst. Ich hole dich so rasch wie möglich raus.»

«Herr Locher, würden Sie uns einige Fragen zu Lukas Brunner beantworten?»

«Selbstverständlich, Frau Kupfer.»

«Was können Sie uns über ihn sagen?»

«Etwa das Gleiche wie Peter. Ich traf ihn bei Eva und er informierte mich, dass er Ingo Blaser verdächtigt. Dem schliesse ich mich voll und ganz an. Ich möchte aber noch einen anderen Namen erwähnen: Brigitte Oser, das ist eine Studienfreundin von uns. Sie wurde von ihrem Anwalt und ihren zwei Brüdern über den Tisch gezogen.»

«Eine Erbschaftsangelegenheit.»

«Ah, Sie wissen bereits davon.»

«Wir kennen keine Details. Was ist genau passiert?»

«Lukas übernahm den Fall und gewann mit Bravour. Brigitte war ihm sehr dankbar, im Gegensatz zu ihren Brüdern. Sie drohten ihm.»

«Davon hat Herr Zwyssig nichts gesagt.»

«Vermutlich weiss er es nicht. Er war zu diesem Zeitpunkt in den Ferien. Lukas mass dieser Drohung keine Bedeutung zu. Ich auch nicht, aber jetzt sehe ich das natürlich anders. Auch der Anwalt der Brüder, dieser Stettler, ist eine dubiose Figur. Dem traue ich alles zu.»

«Aus welchem Grunde sollte er Lukas Brunner ermorden?»

«Lukas zeigte ihn bei der Anwaltskammer an. Daraufhin verlor er seine Zulassung.»

«Interessant. Wie stand es mit seinem Privatleben?»

«Das existierte praktisch nicht, Lukas lebte für seine Arbeit. Wie verbleiben wir jetzt?»

«Wie gesagt, Frau Ludwig wird in eine Einzelzelle verfrachtet, bei Wasser und Brot. Dort hat sie genügend Zeit, um über ihre Schandtaten nachzudenken.»

«Francesco will damit sagen, dass Sie gehen können. Sie müssen sich jedoch zur Verfügung halten, falls unsere Kollegen noch Fragen haben.»

«Danke! Und entschuldigen Sie mein Benehmen.

Mir sind die Nerven durchgegangen.»

«Ich hätte Sie sowieso nicht festnehmen können.»

«Wieso?»

«Weil Francesco voll auf Ihrer Linie liegt. Er ist tief im Herzen ein militanter Weltverbesserer.»

«Hm!»

«Grossartig, Ferrari! Wirklich, einsame Spitze. Während das Walross und seine unfähigen Lakaien zuschauen, wie ich bewusstlos geschlagen werde, greifen Sie beherzt ein. Sie sind ein Mann der Tat, ein Mann ganz nach meinem Geschmack.»

«Es freut mich, dass es Ihnen wieder gut geht, Herr Staatsanwalt.»

«Der Schädel brummt noch etwas, sonst bin ich wieder topfit. Wer ist diese aggressive und äusserst gefährliche Frau?»

«Sie heisst Petra Ludwig.»

«Den Namen merke ich mir. Ich werde Staatsanwalt Maurer bitten, die Anklage zu vertreten.»

«Ist das nicht einer Ihrer Zöglinge?»

«Das klingt etwas despektierlich, Frau Kupfer. Maurer ist ein aufstrebender, junger und sehr talentierter Mann. Er machte den besten Abschluss seines Jahrgangs.»

«Ein Wadenbeisser.»

«Ich verbitte mir solche Bemerkungen. Maurer ist ein Mann der Tat wie unser Kommissär. Wo waren Sie während des Vorfalls?»

«Ich nahm den K.o.-Schlag mit dem Handy auf.»

«Das … Sie werden das nicht verwenden, auch nicht im privaten Kreis. Verstanden?»

«Vielleicht stelle ich es sogar auf meine Homepage. Was meinst du dazu, Francesco?»

«Das wäre gemein, aber du würdest einige Millionen Klicks damit erreichen.»

«Was ja auch das Ziel ist.»

«Sie werden gar nichts dergleichen tun! Habe ich mich klar ausgedrückt? Das ist ein Befehl. Falls Sie meiner Anordnung keine Folge leisten, werde ich Ihre Homepage vom Netz nehmen lassen und gegen Sie prozessieren.»

«Sie wissen doch selbst, dass sich ein solches Filmchen im Nu verbreitet.»

«Unterstehen Sie sich … Ah, jetzt haben Sie mich erwischt. Das stimmt gar nicht, Sie haben den tragischen Vorfall gar nicht gefilmt. Beinahe wäre ich darauf hereingefallen. Nun gut, wurde von der Delinquentin ein Verhörprotokoll aufgenommen?»

«Selbstverständlich. Sie gibt die Tat zu, keine Frage. Es sei allerding Notwehr gewesen, weil Sie sie sexuell belästigt hätten.»

«Ha! Mit so einem Käse musste ich rechnen. Damit kommt sie niemals durch. Greift einen Staatsanwalt vor versammelter Belegschaft an und tischt einen derartigen Blödsinn auf. Sexuelle Belästigung vor fünfzig Zeugen, dass ich nicht lache. Die wird Maurer so richtig auseinandernehmen. Und mit dem fetten Walross unterhalte ich mich auch noch.»

«Georg hielt sich nur an die Devise Deeskalation.»

«Spätestens, als ich am Boden lag, hätte er einschreiten müssen. Er ist nicht mehr auf der Höhe des Geschehens. Ganz im Gegenteil, er vergräbt sich hinter seinem Schreibtisch und wälzt Einsatzpläne. Es ist höchste Zeit, dass er durch einen fähigen Mann ersetzt wird. Einen, der souverän reagiert und solch heikle Situationen meistert.»

«Georg ist ein fähiger Mann.»

«Oh ja. Er sieht zu, wie ich zusammengeschlagen werde, und rührt sich nicht. Was hinterlässt das für einen Eindruck bei seinen Leuten? Alle warteten auf seinen Befehl, aber da kam nichts. In kritischen Situationen genügt es nicht, zu erstarren und abzuwarten, bis die Krise vorbei ist. Da ist Krisenmanagement angesagt. Ohne Ihr Eingreifen wäre es womöglich in der angeheizten Stimmung zu einer Schlägerei zwischen den Querulanten und der Polizei gekommen. Dadurch, dass Sie die Anführerin aus dem Verkehr zogen, nahmen sie den Chaoten die Speerspitze. So, jetzt werde ich mir diese Ludwig vorknüpfen.»

«Das geht nicht.»

«Ich will mich nur mit ihr unterhalten, Frau Kupfer, selbstverständlich nicht allein. Sie soll sich bewusst werden, was es heisst, einen Staatsanwalt tätlich anzugreifen. Danach lasse ich sie zwei Tage in der Zelle schmoren. Da hat sie genügend Zeit, um über ihr Fehlverhalten nachzudenken.»

«Francesco liess sie laufen.»

«Liess sie laufen? Wie meinen Sie das?»

«Genau so, wie ich es sage. Es bestand kein Grund, sie festzuhalten. Ihr Anwalt war dabei.»

«Sie … Sie sitzt nicht mehr in der Zelle bei den anderen Chaoten?»

«Nein. Francesco sei Dank.»

«Sind Sie verrückt? Die Rädelsführerin lassen Sie laufen, während die Mitläufer sitzen?! … Ah, jetzt wäre ich bereits wieder darauf hineingefallen. Sie machen heute lustige Witze.»

«Es bestand kein Anlass, sie weiter in Haft zu behalten. Sie gab ihr Fehlverhalten ja zu.»

«Sagen Sie, dass das nicht wahr ist.»

«Ich war dagegen, aber Francesco ist schliesslich der Chef.»

«Sie!» Borer tippte dem zurückweichenden Ferrari auf die Brust. «Das war Absicht. Sie haben sich hinter meinem Rücken mit der Delinquentin verbrüdert, ein Komplott geschmiedet. Vermutlich amüsierten Sie sich köstlich über meine Ohnmacht.»

«Es ist wahrlich keine Meisterleistung, von einer zierlichen Frau mit einem Schlag von den Füssen geholt zu werden.»

«Sie!» Er ballte die Faust und hielt sie dem Kommissär unter die Nase. «Ich hätte die grösste Lust, Ihnen eine zu ballern … Sie werden auf der Stelle diese Ludwig verhaften.»

«Das bringt Ihnen nur Ärger ein.»

«Das lassen Sie ruhig meine Sorge sein.»

«Wie Sie wünschen. Nadine, informier bitte Stephan, dass er Frau Ludwig abholen soll.»

«Na also, geht doch. Ich werde diese Person fertigmachen. Die wird zwei Tage durch die Hölle gehen. Und von Ihnen will ich während diesen Tagen nichts sehen. Ist das klar?»

«Wir müssen sowieso einen Mord aufklären. Sinnigerweise kennt Frau Ludwig den Toten.»

«Kommen Sie ja nicht auf die Idee, sie unter irgendeinem Vorwand aus der Zelle zu holen. Sie soll für ihre Tat büssen.»

«Ist erledigt. Stephan schickt eine Streife vorbei.»

«Danke, Frau Kupfer. Auf Sie ist Verlass, im Gegensatz zu einem anderen Herrn.»

«Dieser Aufstand, und nur weil sie an Ihrem Ego kratzte.»

«Wie war das?»

«Es ist Ihnen peinlich, dass Sie vor versammelter Belegschaft ausgeknockt wurden. Ist ja auch verständlich. Jetzt heisst im ganzen Korps, das Weichei Borer hält nicht einmal einen Schlag von einer Frau aus.»

«Das … Das ist doch …»

«Die Wahrheit. Sie musste nicht einmal fest zuschlagen. Ein Wischer genügte und Sie flogen übers Parkett.»

«Sie … Wenn ich nur das Geringste höre, und ich erfahre alles, was über mich getuschelt wird, ergreife ich disziplinarische Massnahmen. Haben wir uns verstanden?»

«Hunde, die bellen, gehen schnell k.o.!»

Mit hochrotem Kopf schlug Borer die Tür hinter sich zu.

«Das wäre geklärt oder auch nicht. Was meint Stephan zu der Verhaftung von Frau Ludwig?»

«Wer ist Stephan?»

«Sehr gut. In einem muss ich Borer zustimmen, Georg war nicht auf der Höhe des Geschehens. Er wirkte total überfordert. Es wäre seine Pflicht gewesen, die Sache zu regeln.»

«Ja, stimmt. Er war irgendwie abwesend. Redest du mit ihm?»

«Später. Er weiss es bestimmt selbst. Wie gehen wir im Mordfall Lukas Brunner weiter vor?»

«Ich schlage vor, wir besuchen Ingo Blaser. Von diesem Stettler und den Oser-Brüdern muss ich zuerst noch die Adressen herausfinden.»

«Wo finden wir Blaser?»

«Am Höhenweg.»

«Das sind zehn Minuten zu Fuss.»

«Mindestens zwanzig bei deiner Kondition.»

«Hm.»

Oben am Erdbeergraben blieb Ferrari einen Moment stehen und schaute auf den Zolli hinunter. Ich bin kein Fan von eingesperrten Tieren, das widerspricht der Natur. Zum Glück erkannten die Verantwortlichen des Zoos die Zeichen der Zeit: Die Gehege wurden zu Landschaften umgestaltet und ermöglichen nun einen interessanten Einblick in die Lebensweise der Tiere. Im Sinne des neuen Konzepts entstanden etwa die Etoscha-Anlage und das Gamgoas-Haus. Hier leben die artgerecht gehaltenen Tiere mit anderen Arten zusammen. Zurzeit wird das 1909 erbaute Antilopenhaus saniert, ebenso das Vogelhaus, das mit einem Neubau ergänzt wird. Vor zwei Jahren lehnte die Mehrheit der Basler Stimmbevölkerung den Bau des Ozeaniums ab. Der Abstimmung ging ein langjähriger Prozess voraus, umso verständlicher, dass die Initianten über das Nein an der Urne sehr enttäuscht waren. Neben dem Aufklärungseffekt würden nun auch jährlich mehrere hunderttausend Franken verloren gehen, die der Naturschutzfranken auf den Tickets für Meeresschutzprojekte vor Ort generiert hätte. Die Gegner und mit ihnen Ferrari sahen das anders. Sie argumentierten, dass eine Stadt ohne Meer kein Ozeanium brauche, und es für Basel sinnvollere Attraktionen gebe.

«Für Kinder ist der Zolli schon schön.»

«Ich mag es nicht, wenn Tiere eingesperrt sind.»

«Sie leben hier nicht schlecht und die Kinder können sie in echt anschauen.»

«Müssen sie das? Tiersendungen reichen doch völlig aus.»

«Ich gebe dir zum Teil recht. Das Affenhaus finde ich schlimm, die stolzen Gorillas und Orang-Utans hinter Glas beelenden mich jedes Mal.»

«Früher wars noch schlimmer. Monika ging mit Nikki meistens allein hin.»

«Weil du keine Tiere in Gefangenschaft sehen kannst, irgendwie verstehe ich dich. So, die Pause ist vorbei. Meinst du, wir erreichen den Höhenweg noch vor Einbruch der Dunkelheit?»

Ferrari stapfte wortlos voran. Jetzt reichts. Ich werde ihr und Monika beweisen, dass ich topfit bin, zwei, drei Kilos zu viel hin oder her. Der Kommissär legte einen Zahn zu, konnte die Pace jedoch nicht lange halten und fiel zurück. Zehn Minuten später standen sie vor der Firma Servisol, Nadine konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

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