Kitabı oku: «Praxishandbuch Medien-, IT- und Urheberrecht», sayfa 14
2.2.2.1 Verfassungsrechtliche Einordnung
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Zwar kennt das GG neben der in diesem Zusammenhang weniger relevanten Filmfreiheit nur Rundfunk und Presse. Verfassungsrechtlich unterfallen jedoch auch telemediale Abrufdienste nach herrschender Meinung[103] dem weiten verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriff.[104] Es werden Text-, Ton- oder Bilddateien mittels elektromagnetischer Schwingungen verbreitet. Eine nicht näher begrenzte Anzahl von Personen kann diese Dateien abrufen. Es fehlt an einer Möglichkeit auf den dargebotenen Inhalt Einfluss zu nehmen. Der Nutzer rezipiert eine redaktionell aufbereitete, planmäßige Darbietung mit publizistischer Relevanz. Dieses weite Verständnis des Rundfunkbegriffs eröffnet einen breiten Anwendungsbereich der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und entspricht damit dem Postulat des BVerfG nach Offenheit für Neuerungen.[105] „Abruf-Applikationen“ sind somit bei verfassungsrechtlicher Betrachtung als Rundfunk zu klassifizieren. Dass eine solche Subsumtion angesichts der zunehmenden Digitalisierung und Konvergenz mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, zeigt sich bereits daran, dass Presse, Rundfunk sowie alle neuen medialen Angebote die meisten Nutzer nicht mehr auf getrennten Wegen erreichen. Aufgrund neuer Endgeräte wie Hybrid-Fernseher, Apple-TV, Amazon Fire TV, Tablets oder Smartphones, können sämtliche Angebote auf sämtlichen Verbreitungswegen empfangen werden.[106] Aufgrund dieser Endgerätekonvergenz, die die Unterscheidbarkeit der medialen Angebotsgattungen weitgehend entfallen lässt,[107] ist eine rechtssichere Einordnung in die herkömmlichen Kategorien des Grundgesetzes nicht immer möglich.[108] Auch der Nutzer differenziert regelmäßig nicht zwischen den unterschiedlichen Gattungen, sondern erwartet einen möglichst schnellen und unkomplizierten Zugang zu den für ihn relevanten Inhalten.[109] Diesen, seit Entstehung des Grundgesetzes erheblich veränderten Gegebenheiten, könnte mit einem gattungsübergreifenden Grundrecht der Medienfreiheit Rechnung getragen werden.[110] Einer solchen Konstruktion stünde auch das europäische Recht nicht entgegen, welches weder in Art. 10 Abs. 1 EMRK noch in Art. 11 Abs. 2 Grundrechtecharta nach medialen Gattungen differenziert.[111] Der bisherige Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG mit seiner Differenzierung zwischen Rundfunk-, Presse- und der insoweit weniger relevanten Filmfreiheit könnte dafür im Sinne eines klassischen Freiheitsrechts weiterentwickelt werden.[112] Dies erscheint weitaus praktikabler als die zusätzliche Schaffung einer eigenständigen Internetdienstefreiheit auf Grundlage und in Ausgestaltung des Art. 5 GG. Wollte man dann den Rundfunkbegriff auf diejenigen Verteil- und Abrufdienste anwenden, die eine hinreichende Suggestivkraft, Aktualität und Breitenwirkung aufweisen und alle übrigen elektronisch verbreiteten Kommunikationsinhalte der Internetdienstefreiheit unterwerfen,[113] böte dies gegenüber der geltenden Rechtslage keine erkennbaren Vorteil. Schließlich werden verfassungsrechtlich als Rundfunk eingeordnete Internetdienste auch heute nicht mehr den scharfen Regulierungsanforderungen des klassischen Rundfunks unterworfen.[114] Es sprechen daher gute Gründe dafür die Medienfreiheiten des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG nicht kleinteilig zu erweitern, sondern vielmehr für die neuen Medien im Ganzen zu öffnen.[115]
2.2.2.2 Einfachgesetzliche Einordnung
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Der Gesetzgeber kann einzelne Bereiche innerhalb des weiten verfassungsrechtlichen Rundfunkbegriffs abweichend enger regeln. Dies kann geschehen, um Erscheinungsformen, die zwar den verfassungsrechtlichen Schutz des weiten Rundfunkbegriffs genießen, aber z.B. nicht oder nicht in gleichem Maße meinungsrelevant sind, weniger streng zu regulieren. Um ein solches „liberaler“ reguliertes Angebot handelt es sich bei den Telemedien. § 1 Abs. 1 TMG (Bundesgesetzgeber) und § 2 Abs. 1 S. 3 RStV (Landesgesetzgeber) definieren ein Telemedium dementsprechend in negativer Abgrenzung zum Rundfunk faustformelartig und gleich lautend als einen elektronischen Informations- und Kommunikationsdienst, der weder Telekommunikation noch Rundfunk ist. Beim Rundfunk reduzieren sich die Möglichkeiten des Rezipienten auf das Ein- oder Ausschalten eines Angebots. Auf den Zeitpunkt des Empfangs kann der Nutzer keinen Einfluss nehmen, weshalb das Merkmal der Linearität erfüllt ist. Für redaktionell gestaltete Online-Angebote ist indes eine („nicht-lineare“) On-Demand-Nutzung charakteristisch. Hier werden Text-, Ton- und Bilddarbietungen auf einer Datenbank zum Abruf bereitgehalten, damit der Nutzer sie zu einem selbst bestimmten Zeitpunkt abrufen kann. Bei diesen Abrufdiensten handelt es sich, da sie nicht im oben genannten Sinne an die Allgemeinheit gerichtet sind, nicht um Rundfunk i.S.d. Rundfunkstaatsvertrags, sondern um Telemedien. Es stellt sich indes die Frage, ob das regulatorische Sonderregime des Rundfunks angesichts der zunehmenden Vermischung von linearen und nicht-linearen Angeboten, deren Inhalte sich häufig überschneiden, noch gerechtfertigt ist.[116] Sofern man von der Notwendigkeit ausgeht, ein dem konvergenten Zeitalter angepasstes Grundrecht der Medienfreiheit zu schaffen, müsste folgerichtig auch die einfachgesetzliche Medienordnung gattungsübergreifend im Sinne eines „level playing field“[117] angepasst werden. Die Abschaffung einer abgestuften Regulierung wäre hiermit nicht verbunden. Allerdings sollte der Umfang der Regulierung nicht – wie bislang – von der Zugehörigkeit zu bestimmten Mediengattungen abhängig gemacht werden. Vielmehr sollte insoweit an die Meinungsrelevanz bzw. das Gefährdungspotenzial der dargebotenen Inhalte angeknüpft werden.[118] Unter diesen Voraussetzungen wäre auch eine Regulierung des Internets denkbar und angesichts des teils erheblichen meinungsbildenden Einflusses sogar dringend geboten.[119] Nur durch ein inhaltliches Differenzierungskriterium, welches sich von den herkömmlichen Medienkategorien löst, kann der außerordentlichen Dynamik dieses Regulierungsgegenstandes Rechnung getragen werden.
2.2.2.3 Reformwille bei Streaming TV im Internet – Anzeigepflicht anstatt Lizenz
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Das Reformerfordernis des Rundfunkbegriffs wurde 2017 insbesondere im Zusammenhang mit dem Streaming-TV im Rahmen von DKB-Livestreams zur Übertragung der Handballweltmeisterschaft und des Gameangebots PietSmiet TV auf Twitch.TV diskutiert, wo bis zur Androhung der Untersagung der Dienste mangels Rundfunklizenz durch die Landesanstalt für Medien NRW gemeinsames Onlinespielen sowie Weltmeisterschaftsspiele live ausgestrahlt und kommentiert wurden.[120] In diesem Zusammenhang wird in der Literatur zu Recht die starre Fixierung des Rundfunkbegriffs an die Linearität der Ausstrahlung und deshalb ein Reformbedarf des Rundfunkstaatsvertrages angemahnt.[121] Zu weitgehend dürfte es wohl aber sein, das Lizenzerfordernis für Web-TV insgesamt unter Hinweis auf das Zensurverbot für verfassungswidrig zu erklären, weil die Sondersituation der Rundfunkregulierung mit dem Wegfall der Frequenzknappheit entfallen sei, so dass die positive Ausgestaltung des Rundfunks aus Gründen der Vielfaltssicherung nicht mehr erfolgen müsse.[122] Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverfassungsgericht diese Sondersituation trotz eines Wegfalls der Frequenzknappheit noch berücksichtigt.[123] Ungeachtet dessen ist die Kritik in der Sache begründet und eine Reform des Rundfunkstaatsvertrages für Streaming-TV dringend angezeigt. So könnte der Gesetzgeber im Anschluss an die schon bestehende Sonderregelung für den Internethörfunk, der nach § 20a RStV allein in einer Anzeigepflicht besteht, den Rundfunkstaatsvertrag um eine Anzeigepflicht für Streaming-TV ergänzen. Hier müsste der Gesetzgeber schon auf der Ausgestaltungsseite von Art. 5 Abs. 1 GG etwa mit Blick auf Größe, konzentrationsrechtliche Fragen, Reichweite und Meinungsrelevanz und wirtschaftliche Bedeutung differenzieren.[124] Im Ergebnis würde im Rahmen der Reform des Rundfunkbergriffs, die Gegenstand des 22. Rundfunkänderungsstaatsvertrages sein könnte, für Internetfernsehangebote das Lizenzerfordernis aufgehoben. Dieser durch die Verfahrensvereinfachung gegenüber dem „Youtubern“ gewährte Vertrauensvorschuss scheint mit Blick auf die im Internet nicht mehr relevante Frequenzknappheit und die geänderte Lebenswirklichkeit des „Jedermann-Rundfunks“ angemessen, wenn den Landesmedienanstalten mit Blick auf die Durchsetzung der Schranken der Meinungsfreiheit ein angemessenes Sanktionsinstrumentarium zur Verfügung gestellt wird, das gerade wegen des Jugendschutzes oder den Vorschriften zur Werberegulierung dringend erforderlich ist.
3. Meinungsfreiheit
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In Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG ist vor der Klammer der medienbezogenen Grundrechte die individuelle Meinungsfreiheit im Sinne eines subjektiven Rechts erwähnt. Sie wird als unmittelbarster „Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit in der Gesellschaft“ und „in (einem) gewissen Sinn (als) die Grundlage jeder Freiheit überhaupt“[125] verstanden. Der Meinungsfreiheit kommt also eine grundlegende Funktion im Rahmen der Rundfunkfreiheit zu.[126] Sie liegt allen Kommunikationsfreiheiten zugrunde und steht gem. Art. 19 Abs. 3 GG neben natürlichen auch juristischen Personen zu, weil die Ausübung der Meinungsfreiheit für Medienunternehmen als juristische Personen des Privatrechts nicht nur elementar, sondern aufgrund ihrer Natur gerade auch auf Unternehmen zugeschnitten ist.[127] Pendant der Meinungsfreiheit ist die ebenfalls in Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Informationsfreiheit, welche sich jedoch nur auf allgemein zugängliche Quellen erstreckt. Allgemein zugänglich sind Informationsquellen, die technisch dazu geeignet und bestimmt sind, nicht einem Einzelnen, sondern der Allgemeinheit Informationen zu verschaffen.[128] Eine Informationsquelle kann auch ein Ereignis selbst sein, so dass es also nicht auf die technische Weiterverbreitung ankommt. Geschützt ist ferner die Unterrichtung aus Quellen im Ausland, wobei sich der Grundrechtsträger selbst im Inland befinden muss.[129]
3.1 Schutzbereich
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Vom Schutzbereich der Meinungsfreiheit sind sowohl die Bildung als auch die Äußerung einer bestimmten Auffassung gedeckt. Auf den Wert einer Meinung kommt es nicht an.[130] In diesem Zusammenhang stellen sich in der Praxis Probleme bei der Abgrenzung zwischen Werturteilen und Tatsachenbehauptungen.[131] Die Meinungsfreiheit erfasst das Äußern und Verbreiten von Werturteilen. Dies sind stellungnehmende, dafürhaltende, meinende Äußerungen ohne Berücksichtigung von Wert, Richtigkeit oder Vernünftigkeit,[132] die auch scharf und überspitzt sein können.[133] Tatsachenbehauptungen – mit Ausnahme bewusst unwahrer Behauptungen – werden von der Meinungsäußerungsfreiheit dann geschützt, wenn sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen sind.[134]
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Das BVerfG räumt der Meinungsfreiheit, „als Grundlage jeder Freiheit überhaupt“[135] einen äußerst hohen Stellenwert ein. Im Verhältnis zu den Persönlichkeitsrechten, die über die Schrankenbestimmung des Art. 5 Abs. 2 GG geschützt sind, spricht im geistigen Meinungskampf „die Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede.“[136]
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Der Satz, wonach Karlsruhe der Meinungsfreiheit im Zweifel den Vorrang vor den Persönlichkeitsrechten einräumt, ist an der Entscheidung des EuGH zu Google/Spain[137] zu messen, die den durch das BVerfG für das Verhältnis von Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrechtsverletzung stets vertretenen Grundsatz „Im Zweifel für die Meinungsfreiheit“ für die Informationsfreiheit im Internet umgekehrt hat. Wegen der Ubiquität des Internets räumt der EuGH den Persönlichkeitsrechten nach der EU-Grundrechtecharta allgemein den Vorrang vor der Informationsfreiheit ein.[138] Da die Informationsfreiheit die Kehrseite des Rechts auf Meinungsfreiheit darstellt, spricht alles dafür, dass der EuGH jedenfalls im Internet den Persönlichkeitsrechten auch einen allgemeinen Vorrang vor der Meinungsfreiheit einräumt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, inwieweit das besonderes weitreichende Meinungsfreiheitsverständnis des BVerfG durch den Europäischen Gerichtshof eine einschränkende Korrektur erfahren hat.
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Exemplarisch für eine neue Dimension im Spannungsverhältnis zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht ist der Fall Böhmermann/Erdogan, in dem es um Schmähkritik geht. Hinzuweisen ist hier auf die Beschlüsse des BVerfG aus den Jahren 2016 und 2017, wonach der Begriff der Schmähkritik wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts eng zu verstehen ist. Die Hürden sind hier besonders hoch anzusetzen, weil bei Annahme einer Schmähung keine Abwägung mehr zwischen dem Persönlichkeitsrecht und der Meinungsfreiheit stattfindet, so dass bereits die Einordnung als Schmähkritik besonders sorgfältig und grundrechtssensibel vorzunehmen ist.[139] Im Kern geht es im Fall Böhmermann um einen Beitrag des Moderators in der Sendung Neo Magazin Royal und pointiert formuliert um das Verhältnis zwischen Satirefreiheit und Würde eines Staatspräsidenten, dem despotische Züge zugeschrieben werden. Der türkische Staatspräsident hatte vor einer Böhmermann-Sendung im Anschluss an einen satirischen Beitrag des TV-Magazins Extra 3 den deutschen Botschafter einbestellt und ein Ausstrahlungsverbot der Sendung gefordert. Böhmermann nahm hierauf Bezug und kündigte an ein „Schmähgedicht“ vorzutragen, anhand dessen er die Grenze zwischen zulässiger Satire und unzulässiger Schmähkritik veranschaulichen wolle. In diesem Gedicht beleidigte der Moderator den türkischen Staatspräsidenten drastisch und offen, unter anderem mit Witzen über Sodomieverhalten. Strafrechtlich sah die Staatsanwaltschaft hierin keine Beleidigung, weder gegenüber Erdoǧan als Privatperson (§ 185 StGB) noch als Staatsoberhaupt (§ 103 StGB) und stellte das Verfahren ein, im Wesentlichen weil es an einer ernst gemeinten Herabwürdigung fehle; jedenfalls seien die Aussagen durch die Meinungs- und Kunstfreiheit gerechtfertigt.[140] Die zivilrechtliche Unterlassungsklage führte demgegenüber in erster Instanz zu einem Verbot zur Äußerung des Gedichts in wesentlichen Teilen. Auch wenn die Beschreibungen des Sexuallebens von Erdogan keinen realen Bezug hätten und nicht ernst gemeint seien, müsse der Betroffene sie nicht hinnehmen.[141] Die Entscheidung ist zutreffend, weil es dem Moderator im Rahmen einer Gesamtabwägung auch im Ergebnis erkennbar um eine tiefgreifende Ehrverletzung ohne Sachbezug zum Verhalten des Politikers geht. Demgegenüber hat das LG Hamburg im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens die „politisch unkorrekte“ Bezeichnung einer AfD-Politikerin als „Nazi-Schlampe“ unbeanstandet gelassen, nachdem diese auf einem Parteitag gefordert hatte, „die Political Correctness gehöre auf den Müllhaufen der Geschichte“. Diese Entscheidung über einen Witz zu Political Correctness ist wegen des Sachbezuges zur Äußerung der Politikerin, der im Falle Erdogan gerade nicht erkennbar ist, ebenfalls richtig.[142]
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Problematisch wird zunehmend auch das Verhältnis der Meinungs- und Kunstfreiheit (Art. 5 GG) zur Religionsfreiheit (Art. 4 GG). Im Zusammenhang mit der Affäre um einen Geheimnisverrat im Vatikan („Vatileaks“) im Jahr 2012 veröffentlichte das Satiremagazin Titanic auf der Titelseite ein bearbeitetes Foto des damaligen Papstes Benedikt XVI, das ihn mit einer Soutane, die auf Schritthöhe mit Urin eingenässt ist, zeigt. Die Titelüberschrift dazu lautete “Die undichte Stelle ist gefunden“. Das LG Hamburg untersagte im Eilrechtsschutz die weitere Veröffentlichung des Titelbildes,[143] im späteren Verlauf wurde der Antrag zurückgenommen. Letztlich wird auch in diesem Zusammenhang auf das Kriterium der Schmähkritik abzustellen sein. Verboten ist eine Äußerung oder Abbildung dann, wenn es nicht mehr in erster Linie um den Meinungsaustausch oder die künstlerische Auseinandersetzung geht, sondern darum, den Betroffenen verächtlich zu machen und in seiner Würde herabzusetzen.[144]
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Ob eine Tatsachenbehauptung oder ein Werturteil vorliegt, richtet sich im konkreten Fall danach, ob die Aussage einem Wahrheitsbeweis zugeführt werden kann.[145] Da beide Äußerungsformen oft miteinander verbunden werden und erst gemeinsam den Sinn einer Äußerung ausmachen, ist die beschriebene Abgrenzung zwischen Tatsachenbehauptungen und Werturteilen in der Praxis schwierig. Für die Zuordnung hilft es, dass der Begriff der Meinung weit verstanden wird.[146] In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie die insbesondere in den sozialen Medien zunehmenden Phänomene „Hatespeech“ als beleidigende, schmähende Meinungsbekundungen und das Verbreiten von „Fakenews“, also bewusst lancierte Falschmeldungen, einzuordnen sind. Während Hatespeech oftmals einen der Beleidigungstatbestände der §§ 185 ff. StGB erfüllt, sind Fakenews nicht zwingend strafbar, zumindest soweit nicht im Sinne einer Verleumdung (§ 187 StGB) bewusst unwahre Tatsachen über einen anderen verbreitet werden. Insbesondere Fakenews sind aber durchaus geeignet, die Meinungsfreiheit zu verletzen.[147] Die Dienste auf denen teils von privaten Nutzern, teils von professionellen Verlegern Inhalte verbreitet werden, sind häufig Medium und Faktor der Meinungsbildung[148] und somit wegen der Vergleichbarkeit zum Rundfunk als Medien einzuordnen.[149] Wenn unter dem Vorwand, von der Äußerungsfreiheit Gebrauch machen zu wollen, Falschnachrichten verbreitet werden, die im Ergebnis womöglich Einfluss auf die Meinungsbildung bei demokratischen Wahlen nehmen, wird das Grundrecht letztlich ausgehöhlt.[150] Eine Regulierung wie bei den herkömmlichen Medien findet aber bisher nicht statt.[151] Einen dahingehenden Ansatz könnte ein dreistufiger Regelungsmechanismus bieten. In einem ersten Schritt sind Plattformbetreiber wie Facebook in der Pflicht, Falschnachrichten zu identifizieren und zeitnah auf deren Meldung durch Nutzer zu reagieren. Auf einer zweiten Stufe müsste ein Gremium aller betroffenen Diensteanbieter einen Verhaltenskodex beschließen, zu dessen Einhaltung sich alle beteiligten Unternehmen verpflichten. Auf einer dritten Stufe stünde schließlich eine regulierte Selbstregulierung nach Vorbild des Jugendschutzes.[152] Hier würde, legitimiert durch einen Staatsvertrag der Länder, eine vom Staat (begrenzt) beaufsichtigte Selbstkontrolleinrichtung die Aufgabe übernehmen, die Plattformen zu beaufsichtigen und in Anspruch zu nehmen.[153]
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Von der Meinungs- und Informationsfreiheit ist nicht nur das Recht umfasst, eine Meinung zu äußern und zu verbreiten und sich zu informieren (positive Meinungsfreiheit), sondern im Rahmen der sog. negativen Meinungsfreiheit auch das Recht, eine Meinung nicht äußern zu müssen.[154] Geschützt ist schließlich das Kommunikationsgeheimnis, welches grundrechtlich durch das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gem. Art. 10 GG gewährleistet ist.[155]
3.2 Schranken
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Alle Informationsgrundrechte des Art. 5 Abs. 1 GG und damit auch die Meinungsfreiheit unterliegen der Trias der in Art. 5 Abs. 2 GG genannten Schranken: Allgemeine Gesetze, Jugendschutz, Recht der persönlichen Ehre.[156]
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Nach der sog. Kombinationstheorie[157] spricht man von einem allgemeinen Gesetz, wenn sich eine die Meinungsfreiheit einschränkende Vorschrift nicht gegen die geäußerte Meinung als solche richtet (Sonderrechtslehre),[158] sondern dem Schutz eines anderen Rechtsguts dient. Dieses muss im konkreten Fall gegenüber der Meinungsfreiheit Vorrang genießen (Abwägungslehre). Die konkrete Abwägung ist im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung vorzunehmen. Kommt es etwa im Rahmen einer medialen Äußerung zu einer Beleidigung, so ist der Straftatbestand des § 185 StGB ein allgemeines Gesetz, da sich sein Schutz nicht gegen bestimmte Meinungen und auch nicht gegen eine Meinung als solche richtet. Der Beleidigungstatbestand dient vielmehr abstrakt der Wahrung der Ehre des von der Meinungsäußerung Betroffenen, dessen berechtigter Achtungsanspruch im Einzelfall schwerer wiegen kann, als die Meinungsfreiheit.[159]
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Auf Schrankenebene treffen häufig Rundfunkfreiheit und allgemeines Persönlichkeitsrecht, das sich etwa im allgemeinen Gesetz des § 22 KUG konkretisiert, aufeinander. Diese Norm regelt das Recht am eigenen Bild.[160] „Bildnisse dürfen (danach) nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.“ (…) Nach der Ausnahmeregelung des § 23 Abs. 1 KUG dürfen ohne die nach § 22 KUG erforderliche Einwilligung Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte verbreitet und zur Schau gestellt werden. Die Befugnis erstreckt sich nach § 23 Abs. 2 „jedoch nicht auf eine Verbreitung und Schaustellung, durch die ein berechtigtes Interesse des Abgebildeten oder, falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen verletzt wird.“ Grundsätzlich überwiegt hierbei das über die Rundfunkfreiheit geschützte Informationsinteresse der Bürger an einer aktuellen Berichterstattung gegenüber dem Persönlichkeitsschutz.[161] Die Meinungsfreiheit kann zudem mit dem allgemeinen Urheberrecht, insbesondere dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung gem. § 19a UrhG oder dem Vervielfältigungsrecht gem. § 16 UrhG, kollidieren. Zu beachten ist hierbei, dass das Urheberrecht nicht dazu instrumentalisiert werden darf, missliebige Meinungsäußerungen zu unterbinden. Zu unterscheiden ist zwischen einer rein wirtschaftlich motivierten Meinungsäußerung und einem Beitrag zu einer öffentlichen Debatte. So kann sich aus einer entsprechenden Einzelfallabwägung (Urheberrecht und Art. 5 GG bzw. Art. 10 Abs. 1 MRK des Medienanbieters bzw. des Nutzers) ggf. die Erlaubnis einer Veröffentlichung ergeben.[162] Konkret hat hierzu der EGMR entschieden, dass die Staaten bei der Regelung der Meinungsfreiheit im wirtschaftlichen Bereich einen weiten Ermessensspielraum haben, der sich regelmäßig dann verengt, wenn es zumindest auch um eine Beteiligung an einer Diskussion über Fragen allgemeinen Interesses geht. Im zu entscheidenden Fall, bei dem sich die Publikation darauf beschränkte, Fotos von Modenschauen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, sah der EGMR dieses Kriterium als nicht erfüllt an.[163] Anders seien demgegenüber Beiträgen zur politischen Diskussion zu bewerten, für deren Einschränkung Art. 10 Abs. 1 EMRK kaum Spielraum lasse.[164]
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Eine weitere Schranke der Kommunikationsgrundrechte ist der Schutz der Jugend. Dieser ist insbesondere im Jugendschutzgesetz (JuSchG) sowie im Staatsvertrag über den Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien (Jugendmedienschutzstaatsvertrag, JMStV) verankert.[165] Das Recht der persönlichen Ehre[166] wird einfachgesetzlich etwa durch das zivilrechtliche Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) und von den Beleidigungsdelikten der §§ 185 ff. StGB geschützt.[167]
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Auch Grundrechte, die mit den Kommunikationsfreiheiten kollidieren, können diese beschränken. Diese Schranken sind dann unabhängig von Art. 5 Abs. 2 GG unmittelbar aus der Verfassung zu entnehmen.[168] Besonders eingeschränkt wird Art. 5 Abs. 1 GG durch Art. 17a Abs. 1 GG im Hinblick auf Meinungsäußerungen im Wehr- und Ersatzdienst[169] sowie im Rahmen von Art. 18 GG (Grundrechtsverwirkung).[170]