Kitabı oku: «Liebe ohne Hiebe»

Yazı tipi:

Liebe ohne Hiebe
Der Weg zu harmonischen Familienbeziehungen

Annette Böhm und Ekkehard von Braunmühl

Vor dem Anfang
Ein Interview als Vorwort

Ihr habt euch die Aufgabe gestellt, in diesem Buch auf ein paar alte Fragen neue Antworten zu geben. Was sind das für Fragen?

Es sind die alltäglichen Fragen der Lebenskunst: Wie schaffe ich es, in schwierigen Situationen die Ruhe zu bewahren, den Überblick zu behalten, nichts zu tun, was ich später bereue? Oder: Wie kann ich sicher sein, als Mutter oder Vater für meine Kinder wirklich das Beste zu tun, ohne mich aufzuopfern und ausbeuten zu lassen? Oder: Wie kann ich aus meinen Beziehungen, besonders den engen, wichtigen, jede Art von Grobheit und Gewalt zuverlässig fernhalten?

Beantwortet ihr auch die Frage, wie das bei Eltern-Kind-Beziehungen geht? Gerade hier sind ja seelische und körperliche Gewaltakte nicht selten an der Tagesordnung.

Wir wissen natürlich, daß es viele gewaltbereite Eltern gibt. Wir wollen sie aber nicht verurteilen oder auch nur beschuldigen und anklagen. Diejenigen, die mit voller Überzeugung ihre Kinder unterdrücken, kleinhalten oder kleinkriegen wollen, lassen wir links liegen. Stattdessen …

Die lesen euer Buch ohnehin nicht!

Ist das so sicher? Wir halten sie jedenfalls nicht für böswillig. Wir vermeiden bloß, mit ihnen zu argumentieren, weil wir einen besseren Weg gefunden haben, dieses Thema anzugehen. Der Ausgangspunkt ist eine Frage, die viele Eltern heute bewegt. Sie möchten gern auch in der Erziehung auf körperliche Gewalt und seelisch verletzende Maßnahmen verzichten, stellen aber fest, daß ihnen das nicht immer gelingt. In bestimmten Situationen reißt ihnen der Geduldsfaden, gehen ihnen die Nerven durch, rutscht ihnen die Hand aus.

Dagegen ist kein Kraut gewachsen!

Kein Kraut, das stimmt. Wir haben aber ein paar Ideen gefunden, mit deren Hilfe man gar nicht erst in solche Situationen kommt. Und diese Ideen sind auch dann nützlich, wenn man bereits eingefahrene Machtbeziehungen wieder in Liebesbeziehungen zurückverwandeln will. Es ist nämlich nie zu spät.

Wenn man weiß, wie das geht!

Natürlich. Deshalb haben wir das Buch geschrieben. Und deshalb laden wir auch Menschen zur Lektüre ein, die jetzt noch fest überzeugt sind, daß »es« nicht ohne Gewalt und Grobheiten geht. Denn diese Menschen machen sich das Leben unnötig schwer. Wir greifen sie nicht an und wollen sie nicht bekehren, aber wenn sie neugierig genug sind, bekommen sie durch unser Buch vielleicht Lust, zusätzlich zu ihrer Denkweise auch einmal mit neuen Gedanken und Möglichkeiten zu spielen. Das Leben kann viel schöner sein, als die gewaltbereiten Menschen es zu träumen wagen.

Behandelt ihr nur die Frage nach einem schönen Privatleben oder denkt ihr auch in größeren Zusammenhängen? Wir leben ja in einer kritischen Zeit.

Es sind die gleichen Prinzipien, mit denen ich dafür sorgen kann, daß ich im seelischen Gleichgewicht bleibe, in guten, stabilen, liebevollen Beziehungen leben kann und außerdem noch vernünftig an die großen Menschheitsfragen herangehe. Die Ideen unseres Buches sind also für alle Menschen interessant, denen der eigene Seelenfrieden, der Frieden zwischen Menschen und der Frieden zwischen Mensch und Natur sympathischer ist als der Kampf aller gegen alle, sei es im Privatleben, in der Politik, in der Wirtschaft, im Umgang mit der Umwelt, in allen Bereichen des Lebens.

Zeigt ihr auch einen Weg, wie man gesellschaftlichen Problemen wie Jugendgewalt, Drogenmißbrauch, Kriminalität, Parteienzank, Orientierungsverlust und so weiter wirksamer als bisher Vorbeugen und begegnen kann?

Ja. Die Ideen dieses Buches sind in allen Bereichen des menschlichen Lebens von Nutzen, wenn man sie nutzt.

Warum hat euer Buch als Einleitung ein »Vorspiel«?

Wir denken, das könnte nützlich sein, um erst einmal Abstand vom Alltag zu gewinnen. Wir geben ja keine flink konsumierbaren, oberflächlichen Tips. Das Vorspiel soll dazu beitragen, daß sich eine entspannte Atmosphäre einstellen kann, daß die spielerische Phantasie aktiviert wird. Es nimmt den Bierernst, mit dem wichtige Themen sonst oft besprochen werden, ein bißchen auf die Schippe. So wie wir beide miteinander reden und manchmal sogar herumalbern, wird – hoffentlich – von Anfang an glaubhaft, daß wir niemandem zu nahe treten und keine unangenehmen Wahrheiten verkünden, sondern daß wir nur gute Nachrichten im Angebot haben, eben zusätzliche Möglichkeiten, mit denen gedanklich zu spielen sich lohnt. Deshalb haben wir in Form und Stil versucht, Lockerheit und Abwechslung in das Buch zu bringen. Das Lesen soll auch Spaß machen.

Glaubt ihr, daß euch das gelungen ist?

So eine beknackte Frage! Wie sollen wir das wissen? Sicher ist nur, daß wir selbst die gute Laune nicht verloren haben. Aber wir versprechen euch: Wenn wir etwas zustande gebracht haben, an dem nichts mehr verbessert werden könnte, sagen wir euch als ersten Bescheid.

Die Firma dankt.

Das Interview führten: A. B. & EvB.

Vorspiel: Ein Individuum
Märchen mit Happy-End

Es war einmal ein Individuum, das hatte drei Kinder. Aber eines Tages, da war’n es nur noch zwei. Das älteste Kind war an einem Blutgerinnsel gestorben. Die Ärztinnen und Ärzte erklärten dem Individuum, das Kind habe ihnen auf Befragen von einer kraftvollen Ohrfeige erzählt, die es sich redlich verdient habe. Das Kind war nicht nur ungehorsam gewesen, sondern hatte das erziehungsberechtigte Individuum obendrein mit einem unflätigen Schimpfwort belegt. Eine kleine, pummelige Krankenschwesternschülerin mit blondem Haar murmelte zwar schüchtern etwas von »Todesstrafe«, aber die ausgewachsenen, altgedienten Ärztinnen und Ärzte sprachen von einem »tragischen Unglücksfall« und zeigten dem Individuum ihr Mitgefühl angesichts seines schmerzlichen Verlustes.

Das Individuum aber war untröstlich. Es hatte seine drei Kinder gar inniglich geliebt, zumal das ersteund älteste, das es Jahr für Jahr und Tag für Tag aufopferungsvoll umhegt und umsorgt hatte, auf daß es ein guter Charakter und brauchbarer Bürger und nützliches Mitglied der Gesellschaft werde. Nun aber hatte das Schicksal zugeschlagen und dem Individuum die Frucht seiner Mühsal entrissen ins eisige Grab. Groß war die Trauer des Individuums und stark seine Reue; denn wirklich und wahrhaftig bedauerte es aus tiefstem Herzen, daß es aus geringem Anlaß seine Hand geliehen hatte der Gewalt des Schicksals. Fortsetzung folgt.

 Wir hatten ein Happy-End versprochen.

 Das kommt in der Fortsetzung. Wenn der Kerl auch noch seine beiden anderen Kinder toterzogen hat, ist er sämtliche Elternsorgen los und wird von allen Leuten auch noch bemitleidet. Ist das kein Happy-End?

 Komisch, ich dachte, die Märchenfee hätte mit dem Individuum eine Frau gemeint.

 Jedem das ihre, sagte die Storch und verschluckte den Kröte.

 Mir gefällt diese Fortsetzung trotzdem nicht. Drei tote Kinder! Was sollen da die Leute denken?

 Die Gedanken sind frei.

 Und die Leute sind auch frei. Wenn wir so weitermachen, schmeißen sie das Buch in die Ecke, und die ganze Arbeit war umsonst.

 Verdammt, das war gemein! Wir behandeln hier die Gewalt gegen Kinder, nicht die Gewalt gegen Bücher!

 Dann schreib doch deinen Mist alleine!

 Typisch, immer gehst du gleich in die Luft. Dabei weißt du genau, daß ich mich nicht erpressen lasse.

 Falls es dich interessiert, ich bin wirklich in die Luft gegangen. Von hier oben sieht das lustig aus, was wir da unten treiben.

 Wo steckst du?

 Ich schwebe an der Decke und sehe zwei Figuren, die sich ihr Harmonie-Buch um die Ohren hauen. Schöne Aussichten sind das.

 Und? Siehst du vielleicht auch eine Idee, die uns weiterhilft?

 Wenn du einverstanden bist, könnte sich die Märchenfee eine Fortsetzung ausdenken, mit der wir beide einverstanden sind.

 Und wie soll das gehen?

 Mit Köpfchen natürlich.

 Aber die Märchenfee muß unbedingt dort auf der Lampe hocken. Ich bin Erster!

 Na gut, dann rück mal ’n Stückchen.

Schweißgebadet erwachte das Individuum aus diesem gar schröcklichen Alptraum. Es lauschte in die Nacht mit wolfsgroßen Ohren, damit es besser hören konnte, und wirklich war die karge Stube durchwirkt vom leisen Atmen nicht eines oder zweier, sondern, hurra, dreier Mini-Individuen in unbeschädigter Schläfrigkeit. Keinerlei Grabesstille drang an die Ohren des Individuums, das dankbaren Herzens wieder sanft entschlummerte mit dem festen Vorsatz, fürderhin seine Sprößlinge noch unverbrüchlicher in Milde und Güte zu regieren, stets gelassen zu bleiben und weise zu handeln und die Kleinen fürwahr nicht totzuschlagen. Nicht einmal in gerechtem Zorne; denn ihr müßt wissen, das Individuum hatte sich tags zuvor zu ziemlicher Erregung hinreißen lassen und gewißlich darob diesen Alptraum erlitten, als nämlich das Älteste im Ungestüm kindlichen Trotzes ein Wort in den Mund nahm, genauer gezählt zwei Worte, und von dort hinausbeförderte in den Luftraum der kargen Stube, unerhörte Worte, gleichwohl dem Individuum hörbar und beiden Geschwistern zum schändlichen Vorbild, täuschend ähnlich klingend wie »Altes Arschloch!«

 Es heißt: »in gerechtem Zorn«, ohne »e«.

 Falsch! Mit »e« geht auch. Draußen vom Walde komm ich her…

 Im Wald, da sind die Räuber!

 Im Walde sind die Räuber…

 Halli hallo, die Räu-ber!

 Hallo Lena. Schön, daß du da bist. Aber mein Sternchen besetzen, das geht nicht.

 Sternchen find ich sowieso blöd.

 Könnten wir nicht ein paar Kringel für die Kinder lockermachen?

 Immer dieses Durcheinander. Kein Mensch weiß mehr, wer wer die ist.

 Gib mir mal den Kuli. Ich bin die Lena.

 Ich will auch einen Kringel! Worum geht es eigentlich?

 In Ordnung. Hier: ° Schöne Grüße an Sylvia von Florian

 Können wir jetzt weitermachen?

 Mit den Räubern?

 Nein, mit dem Zorne. Im Duden steht, daß beides geht.

 Ich wußte gleich, daß Märchenfeen keine Fehler machen.

 So ein Blödsinn. Wir können doch unseren Leserinnen und Lesern nicht weismachen, daß das Märchen wirklich von einer Fee stammt.

 Manche Leute glauben so ziemlich alles, was gedruckt ist.

 Da siehst du mal, wieviel Verantwortung wir tragen als Buchautorinnen und Buchautoren.

 Wie das klingt: »Autorinnen und Autoren«.

 Ich bin lieber antiautoritär!

 Ruhe! Wir schreiben ein ernsthaftes Buch. Ist das jetzt geklärt mit dem gerechten Zorne?

 Alles klar. Ich wußte schon immer, daß wir die schwierigsten Probleme ganz einfach lösen können.

 Wir sind eben genial. Und überhaupt sind wir ein tolles Team. Und wir schreiben ein tolles Buch.

 Genau! Wieviel haben wir denn schon?

 Also ehrlich gesagt, ganz fertig sind wir noch nicht.

 Hältst du mich für blöd?

 Entschuldige. Wir haben schon fast vier Seiten geschrieben.

 Hast du Tomaten auf den Augen? Guck mal runter, wir sind auf Seite 11!

 4 oder 11, die Hauptsache ist, daß es Spaß macht.

 Das ist wahr. Spaß und Spiel lieb ich viel!

 Diese tierisch-ernsten Krampfbücher mit ihren Anliegen und Botschaften und Bekehrungsversuchen, die machen doch nur Streß und verbreiten schlechte Laune.

 Und wer liest schon gerne Bücher, die mit erhobenem Zeigefinger geschrieben worden sind?

 Immer werden einem da Vorschriften gemacht, was man zu tun und zu lassen hat. Und kein bißchen Freiheit und Spielspaß!

 Schrecklich. Am schlimmsten finde ich, wenn einem so ein Buch dann als »Pflichtlektüre« aufgedrückt wird.

 Igittigitt! Unser Buch wird eine Lustlektüre. Jubel, Trubel, Heiterkeit!

 Und Friede, Freude, Eierkuchen. Mmm, lecker.

 Weißt du noch, beim Picknick damals, wie sich die Ameisen über unsere Marmelade hergemacht haben? Da hast du die Eierkuchen mit Honig und Kümmel gegessen.

 Raffiniert!

 Das eigentlich weniger …

 Nein, Liebling, ich meinte, daß es raffiniert war, wie du die Ameisen eingeführt hast. Es wurde auch höchste Zeit.

 Machst du dir wieder Sorgen um unsere armen Leserlein? Hältst du die wirklich für so blöde, den Trick mit dem Individuum nicht zu durchschauen?

 Also bitte, wieso ist einer blöde, wenn er nicht bemerkt, daß unser märchenhaft alpträumendes Individuum eine Ameise ist?

 Weil es keinen Spaß machen würde. Was wäre denn Besonderes an diesem Individuum in seiner kargen Stube, wenn es nicht in Wirklichkeit eine Ameise in seinem Ameisenhaufen wäre, klitzeklein und schweißgebadet?

 In »ihrem« Haufen, bitte. Es heißt »die« Ameise.

 Wir wollten mit diesem Problem doch elegant umgehen. Welche große Geistin stört sich am Derdiedas?

 Nun, aus feministischer Sicht ist die Gewalt der Sprache ein nicht zu unterschätzender Faktor bei der Herausbildung und Aufrechterhaltung patriarchalischer Bewußtseinsstrukturen.

 Wer sagst du das! Aber als große Geistin lasse ich jetzt mein Bewußtsein in eine andere Abteilung schweifen und stelle fest, daß es in unserem Buch um zentrale Fragen der Ameisenexistenz geht, die weitaus wichtiger sind als die Sprachprobleme irgendwelcher Menschenwesinnen.

 Du nervst.

 Wirklich? Dann entschuldige bitte.

 Schon gut.

 Vielleicht sollten wir jetzt wieder die Märchenfee holen.

 Au ja. Ich wette, unsere Kundschaft ist schon riesig gespannt, wie das Märchen weitergeht.

 Unsinn! Unsere Kundschaft kann gar nicht wissen, daß das Märchen noch weitergeht. Die Märchenfee hat das »Fortsetzung folgt« vergessen.

 Dann haben wir einen Fehler gemacht.

 Die Märchenfee!

 Egal. Wir sind die Autorinnen und Autoren. Wir tragen die Verantwortung.

 Dieses ewige »Autorinnen und Autoren« geht mir mächtig auf den Geist. Wir sind doch nur zu zweit!

 Aber die Ärztinnen und Ärzte von dem Ameiserich, das waren viele. Was meinst du, wie es in einem Ameisenkrankenhaufen aussieht. Da wimmelt und wuselt es nur so von Kranken und Krankinnen…

 Und Ameisen und Ameisinnen! Irgendwie denke ich, daß du etwas vom Thema abgekommen bist.

 Immer ich! Dabei waren wir uns einig, daß wir das Buch so schnell wie möglich fertigschreiben, damit wir uns die Villa auf Teneriffa kaufen können. Und je mehr Inninnen wir hinschreiben, desto eher ist das Buch voll.

 Im Tessin!

 Wie bitte?

 Wir haben uns auf eine Villa im Tessin geeinigt.

 Auf Teneriffa!

 Im Tessin!

 Auf Teneriffa!

 Das wäre ein Ding, wenn das jetzt immer so weiterginge.

 Bis zum Schluß?

 Ja sicher, wäre das nicht irre?

 Ich weiß nicht. Glaubst du, daß dann genug Leute das Buch kaufen würden, damit wir uns die Villa im Tessin leisten können?

 Auf Teneriffa, verdammt noch mal!

 Wer schreit, hat unrecht.

 Reingefallen! Ich wollte nur Zeit gewinnen, damit sich genug Spannung aufbauen kann.

 Was für Spannung?

 Na, Spannung darauf, wie das Märchen weitergeht. Hast du den Überblick verloren?

 Also ich wette, daß sich kein Mensch an dieses blöde Märchen überhaupt erinnert!

 Doch, jetzt schon. Merkst du, wie wir zaubern können als Autorinnen und Autoren?

 In erster Linie merke ich, daß ich das nicht mehr komisch finden kann. Hier gibt es keine Autorinnen!

 Nicht mehr komisch? Dann schieß mich tot!

 Gute Idee. Wir könnten aber auch unsere feministische Abteilung beschließen lassen, fürderhin auf alle Innereien zu verzichten und für den Rest des Buches die Männersprache zu benutzen.

 Weil ja Feministinnen – Männer mitgemeint – sich einig sind, daß unser Thema Männer in besonderer Weise angeht, so daß sie sich ruhig bevorzugt angesprochen fühlen dürfen. Beschlossen?

 Beschlossen.

 Meinst du, wir haben jetzt die vielen Geisterlein in den vielen Kämmerlein der Millionen Gehirnlein unserer Leserschaft genug durcheinandergewirbelt?

 »Gehirnlein« ist eine Frechheit. Außerdem haben wir nichts gewirbelt, jedenfalls nicht in den Köpfen anderer Leute. Das machen die schon selber.

 Oder auch nicht.

 Eben!

 Was ist jetzt mit dem Märchen? Hörst du es nicht überall klingeln? Massenhaft Leute wollen, daß wir endlich zur Sache kommen.

 Ja, wenn das so ist. Aber erwähne bitte meine gequälte Miene, sonst merken das die Leute nicht. Ich hab nämlich überhaupt keine Lust.

 Denk an unsere Villa!

 Auf Teneriffa?

 Hör jetzt mit dem Blödsinn auf! Wir müssen uns das Honorar verdienen.

 Vergiß die Steuern nicht. Bei Bestsellern langen die unheimlich hin.

 Als Anwältin der Leserschaft spreche ich jetzt ein Machtwort und verlange energisch den sofortigen Beginn der ernsthaften Arbeit!

 Sag mal, merkst du nicht, daß du dich lächerlich machst? Du willst im Ernst einen Ameisenvater, der sich über ein Schimpfwort aufgeregt hat, zu einer Ameisenberatungsstelle schicken? Bei dir piept’s wohl!

 Wenn ich mich richtig erinnere, war das deine Idee.

 Um so schlimmer. Wie stehe ich denn jetzt da?

 Wir können ja noch mal von vorne anfangen.

 Blödsinn. Die Leute haben das Buch jetzt schon in der Hand und lesen diesen Käse. Wie könnten wir denn alle die Millionen Bücher wieder einsammeln? Das ist doch eine hirnverbrannte Vorstellung.

 Also wenn der Quatsch, den wir hier verzapfen, wirklich echt von jemandem gelesen würde …

 Aber das ist doch so, Liebling.

 Die Leute würden uns killen!

 Das glaube ich nicht. Bis dahin sind wir längst schon über alle Berge.

 Du meinst, im Tessin?

 Jetzt hast du angefangen!

 Stimmt. Und du mußt auch anfangen. Was sagen wir denn dem Ameisenkerl?

 Ich weiß überhaupt nicht mehr, was da los war. Wo sind eigentlich die Kinder abgeblieben?

 Die haben wohl keine Lust mehr, bei uns mitzumachen.

 Ich fürchte, ohne ihre verrückten Ideen sind wir aufgeschmissen. Wie sollen wir denn das Märchen vom Indifidium zu Ende kriegen?

 »Indifidium« geht nicht. Ich habe das schon heimlich geändert.

 Aber das klingt so schön und sieht auch lustig aus!

 Es geht eben nicht. Alles hat seine Grenzen.

 Wieso? Wenn wir uns noch nicht einmal trauen, uns über die Rechtschreibregeln hinwegzusetzen, wie können wir dann beweisen, daß die Phantasie grenzenlos ist?

 In deiner Phantasie kannst du spinnen, soviel du willst. Aber das hier ist ein seriöses Buch. Also reiß dich zusammen!

 So macht das überhaupt keinen Spaß …

 Du bist vielleicht ein Lebenskünstler! Sagst du nicht immer, du könntest jederzeit in dein Spaßkämmerlein gehen, ganz egal was passiert?

 Das stimmt. Danke, daß du mich erinnert hast.

 Und?

 Ich sehe mir gerade die Erde aus dem Weltraum an. Ich fliege auf sie zu, erkenne immer mehr Einzelheiten. Da gibt es Gegenden, Wälder und so, mit lauter Ameisenkolonien. Die Ameisen sitzen in ihren Haufen herum und lesen in klitzekleinen Büchern von den Sorgen der Menschen und lachen sich schief. Kannst du dir vorstellen, wie das aussieht, wenn eine Ameise sich schieflacht? So im Schaukelstuhl sitzend, mit übereinandergeschlagenen Beinen?

 Schau doch mal nach, wie es in der kargen Stube aussieht. Wir müssen irgendwie ein Happy-End für dieses Märchen finden. Oh, da sind die Kinder wieder. Vorsicht, leise, Buch hört mit! (Tuschel, flüster)

 So ein Quatsch. Bücherlesende Ameisen!

 Wenn Ameisenkinder »Altes Arschloch« sagen können, können Ameiseneltern auch Bücher lesen.

 Dann haben die auch Fernsehen!

 Dreißig Programme! Die Ameisenhaufen sind alle verkabelt!

 In Ordnung, in Ordnung. Wir brauchen aber immer noch ein Happy-End.

 Ist doch ganz einfach. Erst kommt eine richtige Kindestötung. Damit jeder merkt, daß es um etwas Wichtiges geht. Danach war’s dann nur ein Traum, wegen dem Spaß.

 Wegen des Spaßes! Rettet dem Genitiv!

 Verzeihung. Das dreikindrige Individuum hat jetzt aber trotzdem einen Grund, einen anderen Umgangsstil in seiner Familie einzuführen. Es will sichergehen, daß sein Traum nicht doch noch Wirklichkeit wird.

 Mit anderen Worten: Das Individuum interessiert sich ernsthaft für den Weg zu harmonischen Familienbeziehungen. (Rauschender Beifall)

 Von seinen letzten neunundzwanzig Mark achtzig kauft sich das Individuum ein Buch…

 Es kann das Buch auch aus der Leihbücherei geholt haben.

 Buh! Buh! Buh!

 Egal. In unserem Märchen bezahlt das Individuum das Buch.

 Aber nicht irgendein Buch!

 Natürlich nicht. Das wäre ja kein Happy-End. Das Individuum kauft sich das wunderprächtigste Buch von der Welt.

 Und dann liest das Individuum das Buch und lebt zufrieden und glücklich bis ans Ende seiner Tage.

 Das muß ein tolles Buch sein. Wer hat es geschrieben?

 Noch niemand. Unser Märchen spielt in der Zukunft.

 Oh, ich ahne Fürchterliches.

 Keine Sorge, das machen wir mit links, wie ich uns kenne.

 Sonst hast du beim Bücherschreiben immer gestöhnt.

 Das ist ja auch anstrengend, wenn man glaubt, irgendwelchen akademischen Schlafmützen die Augen öffnen zu müssen.

 Ein paar sind doch aufgewacht.

 Dafür pennen die andern um so fester. Aber was soll’s? Die Hauptsache ist, daß du jetzt dabei bist. Mit dir zusammen macht das Bücherschreiben Spaß. Wir beantworten einfach die wichtigsten praktischen Fragen der richtigen Menschen, und schon ist alles geritzt.

 So einfach ist das?

 Ja, sicher! Wir müssen nur unsere Rollen richtig spielen. Du bist die Anwältin der Lesersorgen, du stehst mit allen vier Beinen auf dem Boden der Realität, wie sie heute nun mal ist. Du bist die Praktikerin, die darauf achtet, daß unser Buch für die Leute auch wirklich nützlich ist. Was kann da noch schiefgehen?

 Ich finde, du solltest nicht den Eindruck erwecken, als würdest du in dem Buch die anstehenden Probleme auf die leichte Schulter nehmen.

 Jetzt mach mal ’nen Punkt. Ich arbeite nicht seit dreißig Jahren als Forscher und Berater an diesen Problemen herum, weil ich sie leichtnehme! Bei dem Schwachsinn und Stumpfsinn und Trübsinn in den Beziehungskisten kann ein bißchen Leichtsinn nur nützlich sein. Wir haben so viele gute Nachrichten und keine einzige schlechte, wir können uns alles leisten.

 Ich weiß nicht. Wenn die Leute die Geduld verlieren und nicht länger warten wollen, bis unsere guten Nachrichten endlich kommen?

 Mir scheint, du wartest. Die Leser lesen. Das ist unsere Geschäftsgrundlage. Wir sollten unsere Kundschaft nicht für dumm halten. Wer unser Buch liest, ist schon allein deswegen ein schlaues Kerlchen. Und wer überhaupt etwas versteht, versteht auch Spaß. Stimmt‘s, Kinder?

 Idiot! Die sind doch gar nicht da.

 Dann warten wir eben, bis sie wiederkommen. Vielleicht sind sie in den Wald gegangen und suchen einen Ameisenhügel. Dann könnten sie womöglich einer Ameise ihr Buch klauen, und wir müßten das nur abschreiben. Auf diese Weise hätte das Märchen auch für uns ein Happy-End.

 Du weißt genau, daß die Kinder bloß Weihnachtsgeschenke kaufen.

 Schade. – Allerdings, wenn ich es mir richtig überlege, könnten wir mit einem Ameisenbuch gar nichts anfangen. Es wäre so winzig, kaum größer als ein Staubkorn. Wie sollten wir die Schrift entziffern können?

 Dann dichten wir das Märchen um, und die Kinder können das Buch in irgendeiner Steppe einem Elefanten stibitzen …

 Toll! Oder im Meer einem Wal…

 Das geht nicht. Lenas Haare vertragen kein Salzwasser. Und Florian hat bestimmt seine Badehose vergessen.

 Also, kriegen wir jetzt das Buch oder nicht?

 Welches Buch?

 Bitte! Wir müssen endlich weiterkommen. Sonst kommen wir nie zu unserer Villa im …

 Auf …

 Im!

 Auf im mit Gebrüll!

 Hallo, Lena!

 Guck mal, die beiden Sternchen bedeuten, daß wir das beide gleichzeitig gesagt haben. Ist die Idee nicht phantastisch? So haben wir das Stereo-Lesen erfunden und außerdem noch eine ganze Zeile gespart. Papier ist kostbar. (Mäßiger Beifall)

 Weißt du was? Für unser Happy-End könnte die Märchenfee die allerbeste Lösung finden. Ich sehe ganz deutlich einen Ameisenhaufen mit allen möglichen kargen Stuben, und überall sitzen die Leute herum und lesen.

 Das hatten wir doch schon!

 Warte nur ab. Der Witz ist, daß jedes lesende Individuum ein anderes Buch liest, sein eigenes, das nur für sie und nur für ihn geschrieben wurde. Ist das nicht märchenhaft?

 Immer willst du nur, daß ich alles toll finde, was dir einfällt!

 Na sicher. Ist das etwa keine schöne Vorstellung? Alle Leute, die was wissen wollen, kriegen ihr eigenes Buch, in dem genau das drinsteht, was sie interessiert.

 Wenn du meinst. Nur hängen mir die Ameisen allmählich zum Halse raus.

 Wirklich? Zeig mal!

 Bäh.

 Ja stimmt, da krabbeln welche.

 Hör auf mit dem Scheiß!!! Es kribbelt mir schon richtig im Mund. Und im Hals!

 Ja, ja, die Phantasie, da weiß man niemals nie.

 Ist schon wieder in Ordnung.

 Schade. Wo sind die Ameisen hin?

 Die krabbeln jetzt hier vorne auf einem Bildschirm herum.

 Das ist gemein. Hast du heimlich schlaue Bücher gelesen?

 Du wolltest wohl, daß ich einen hysterischen Anfall bekomme. Da mußt du früher aufstehen!

 Ich habe eine Idee. Wenn du erklärst, welchen Trick du angewendet hast, brauchen wir das später im Buch nicht mehr zu machen.

 Meinetwegen. Wenn ich unter einem starken Gefühl unnötig leiden würde, kann ich mir dadurch helfen, daß ich mich selbst ganz klein auf eine Theaterbühne, eine Filmleinwand oder einen Bildschirm phantasiere und diese Person aus der Entfernung beobachte, wie sie sich mit dem Gefühl herumplagt. Notfalls verdreifache ich mich und schaue mir zu, wie ich mir zuschaue. Mit etwas Übung kann man so in fast jeder Lebenslage cool bleiben, wenn man will und dran denkt. Vorhin habe ich uns beide am Schreibtisch sitzen sehen, auf einem Bildschirm vor mir, und lauter Ameisen krabbelten der kleinen Annette auf der Zunge herum und winkten mit winzigen Büchlein.

 Komm, ich nehme jetzt einen ganzen Haufen mit hungrigen roten Waldameisen und schütte sie dir über den Kopf. Die winken nicht, die beißen!

 Nee, mein Gutster, nicht mit mir. Das entzückende Weib da vorne hat dir eben eine geknallt. Und außerdem schmecke ich den Ameisen nicht. Die stürzen sich gerade alle auf dich, krabbeln dir zu Tausenden in Mund und Nase, Ohren, Augen, die Beine rauf…

 Guten Appetit! Der Ekki in meinem Monitor sitzt jetzt da als abgenagtes Gerippe, und seine Liebesfreundin versinkt in Trauer ob ihrer schändlichen Tat.

 Nix da! Die klimpert fröhlich auf seinen Knochen herum. Ich laß mir doch von dir nichts anhexen. Warum hast du das überhaupt probiert?

 Ich war etwas sauer, als du plötzlich sagtest, die Ameisen würden dir zum Hals raushängen.

 Ich habe an unsere Leser gedacht. Die lesen das Buch, weil sie sich möglicherweise mit komplizierten Konflikten herumschlagen. Frau Erna F. aus K. zum Beispiel…

 Entschuldige bitte! Für die ist es wirklich zu früh.

 Wieso zu früh?

 Wir hatten ausgemacht, daß diese Einzelbeispiele erst später kommen.

 Die Erna F. aus K. kommt genau dann, wenn ich sie hole! Die sitzt nämlich nicht in einem Ameisenhaufen, wo jeder sein eigenes Privatbuch hat, sondern sie liest unser Buch. Und das muß ihre Fragen beantworten und gleichzeitig die Fragen von ein paar anderen Leuten.

 Entschuldige bitte, von Millionen anderen Leuten!

 Meinetwegen! Ich garantiere dir, diese Leute kotzt es an, wenn wir hier unseren Spaß haben, dabei aber ihre echten Sorgen und Nöte überhaupt nicht ernst nehmen.

 Entschuldige bitte, wir sind noch bei den Vorbereitungen, beim Kennenlernen, bei geistigen Lockerungsübungen …

 Verdammt, warum entschuldigst du dich andauernd?!

 Verzeihung, ich bin wohl auf dem Rückzug. Mit welchem Konflikt schlägt sich Frau Erna denn herum?

 Willst du jetzt doch ein Beispiel hören?

 Ich brenne darauf.

 Es sind verschiedene. Ich meinte vorhin, nur als Beispiel, daß sie ihre Tochter ab und zu ziemlich fest schlägt. Hinterher tut ihr das jedesmal leid, sie versucht sich bei der Tochter zu entschuldigen und so, aber sie hat eben die jahrelange Erfahrung, daß es immer wieder passiert. Sie schwört Stein und Bein, daß sie sich jedesmal wirklich fest vornimmt, dem Kind nicht mehr weh zu tun. Sie will das Kind nicht schlagen, das ist ganz eindeutig. Aber in bestimmten Situationen tut sie es doch, und hinterher ist sie nicht mehr auf ihre Tochter wütend, aber auf sich selber. Sie sagt, wenn sie darüber nachdenkt, daß sie ihr Kind einerseits abgöttisch liebt, andererseits doch ab und zu so ausrastet, das bringt sie regelrecht zur Verzweiflung.

 Klar. Wenn ich mir was vornehme und schaffe es dann nicht, bin ich auch unzufrieden.

 Die Frau ist nicht unzufrieden, die Frau ist verzweifelt!

 Hat sie dich womöglich angesteckt?

 Ich bin sauer, weil du immer so locker daherredest und gar kein Verständnis dafür zeigst, wie dreckig es manchen Leuten geht, die nicht so toll mit allem klarkommen wie du.

 Ja, was? Will Frau Erna F. aus K. jetzt Mitleid von uns, oder will sie nützliche Ideen?

 Natürlich will sie beides!

 Also gut. Wenn sie jetzt hier bei uns säße, würde ich ihr bestimmt mein Verständnis und Mitgefühl ausdrücken. Aber in echt ist sie doch gar nicht rund um die Uhr verzweifelt. Im Augenblick zum Beispiel liest sie ganz ruhig und neugierig unser Buch. Sie ist also nicht in einer mitleiderregenden, sondern in einer beneidenswerten Lage.

 Ich weiß nicht recht, ob sie das auch so sieht.

 Was willst du? Sie kriegt genau die Ideen, die ihr zu fehlen scheinen, um tatsächlich das zu tun und zu lassen, was sie tun und lassen will.

 Eben nicht! Sie hat von Ameisen gelesen und von Villen – trau dich nur! –, jedenfalls haben wir stundenlang herumgeredet, und Frau F. aus K. fühlt sich von uns verarscht. Wenn wir schon eine Kunstfigur aus dem Hut zaubern …

 Bist du belämmert? Das kannst du doch nicht verraten!

 Wieso? Es sind ja echte Fälle und echte Menschen, die Frau Erna F. aus K. für unser Buch vertritt. Und echte Leser, nebenbei. Die haben unser Herumgerede auch langsam satt.

 Ich rede hier nicht herum, sondern tue meinen Job. Im Augenblick ist es unsere Aufgabe, in das Buch einzuführen, also möglichst viele richtige und möglichst wenig falsche Erwartungen zu wecken. Unser Buch ist wie ein Reiseführer oder eine Wanderkarte …

 Das hat sooo’n Bart. Die Landkarte ist nicht die Landschaft. Ein Kochrezept macht nicht satt. Was soll das?

 Nun ja, wenn deine Frau Erna in der Landschaft herumstolpert, weil sie keine vernünftige Landkarte hat oder überhaupt unvorbereitet losgezockelt ist, dann hat sie es schwer, die richtigen Wege zu finden.

 Aber jetzt will sie sich orientieren!

 Das ist ja auch sehr schlau von ihr.

 Und von uns wäre es schlau, wenn wir endlich zu der »Gemeinsamen Erklärung« kämen, mit der wir die Leser darüber orientieren wollten, was von unserem Buch zu erwarten ist.

 Was heißt »wollten«? Wir wollen es, und wir machen es. Frau Erna hat ein Recht darauf, daß ihr Buch eine anständige Einleitung bekommt. Ich schlage vor, daß wir jetzt endlich anfangen, sie auszuhecken.

 Ha! Dies »endlich« deute ich mir um in meinem Sinne, Knabe! Wie fangen wir an?

 Als erstes beglückwünschen wir die Millionen Leser, daß sie dieses wunderprächtige Buch entdeckt haben.

 Ich würde damit beginnen, daß wir keine theoretischen Diskussionen über den Gewaltbegriff und die Auswirkungen von Gewalt führen. Wir zeigen den Leuten ganz praktisch, wie sie auf Gewalt verzichten können, wenn sie das wollen.

 An erster Stelle muß der Spaß stehen, das Spielerische, die Vielfalt der Möglichkeiten, die Freiheit des Geistes. Die Gedankenfreiheit, Phantasie und so, ist ja das beste Mittel gegen die Hilflosigkeit, die dann oft Gewalt als einzigen oder letzten Ausweg erscheinen läßt – sofern man dieses Mittel richtig einzusetzen versteht.

 Okay, aber dann gehört doch an die allererste Stelle, daß wir haargenau erklären, wie man es anstellt, in brenzligen Situationen nicht den Kopf zu verlieren. Wenn du nicht weißt, wie du den Überblick behältst, nützt dir die geistige Freiheit wenig.

 Nichts nützt sie dir. Ohne Seelenfrieden keine Geistesfreiheit.

 Sag ich doch! Also müssen wir das Thema Gefühle, Erregungen, Streß und so behandeln.

 Klar. Im Buch steht dieses Thema sowieso an erster Stelle. Aber wir besprechen jetzt unsere »Gemeinsame Erklärung«. Wenn wir für die noch mehr Punkte finden, die an den Anfang sollen, dann werden uns, fürchte ich, die ersten Stellen allmählich knapp.

 Gelobt sei deine Weisheit. Vielleicht kriegen wir eine vernünftige Reihenfolge hin, wenn wir erst einmal alle Punkte gesammelt haben, die in die Erklärung gehören.

 Gelobt sei deine Weisheit.

 Oh, herzlichen Dank. Das gibt mir den Mut, auf den Titel des Buches zu sprechen zu kommen. Mit »Hiebe« meinen wir ja nicht nur Klapse und Prügel, sondern alle möglichen Grobheiten. Und das Stichwort »Harmonie« müßte auch fallen.

 Gute Idee. Also laß fallen, Kumpel!

 Hauptsächlich sollten wir nicht den Eindruck erwecken, als wären wir »harmoniesüchtig« oder »konfliktscheu«.

 Oder als würden wir die Menschen, die Hiebe austeilen oder andere Formen der Gewalt anwenden, verteufeln!

 Genau. Aber wie erklären wir das so vorneweg, ohne lauter Mißverständnisse zu riskieren?

 Das geht wohl nicht. Wir zeigen ja einen Weg mit vielen kleineren und größeren Schritten. Auf jeden Fall ist es nicht mit einem einzigen Hüpfer getan.

 Was heißt »Hüpfer«! Wir sollten betonen, daß wir das Buch nicht schreiben, um Leute zum Hüpfen zu bringen oder zu irgend etwas sonst, sondern um Fragen zu beantworten. Wir müssen ein für allemal klarstellen, daß wir nichts von den Leuten wollen.

 Das ist wichtig. Wir sind keine Weltverbesserer, Gurus, Missionare, Moralisten oder so …

 Keine Eiferer, ergänzte sie eifrig mit fanatisch funkelndem Blick …

 Bravo! So ist es, jubelte er, wir müssen unsere Leser von Anfang an davon überzeugen, daß wir sie von nichts überzeugen wollen. Wir wollen sie nicht bekehren, wir haben keine Heilslehre oder irgendwelchen Psycho-Schmus auf Lager …

 Sondern wir sind seriöse Geschäftemacher, die gute Ideen verkaufen, basta.

 Wir haben die besten Ideen gesammelt und zum Teil selbst erfunden, und jetzt verkaufen wir die und machen fette Beute. Ein faires Geschäft.

 Die Arbeit scheint dir wieder Spaß zu machen.

 Logo. Wenn wir’s schaffen, diesen Punkt in unserer Erklärung richtig gut zu formulieren, dann haben wir eine sichere Grundlage. Die Leute wollen auf alte Fragen neue Antworten, und wir kombinieren die besten Erkenntnisse, Modelle, Ideen und Methoden aus Gehirnforschung, Erwachsenenbildung, Managementtraining, Spitzensport und so weiter mit unseren eigenen Erfindungen. So wird das eine leichte Übung.

 Wir dürfen unser Licht aber auch nicht unter den Scheffel stellen. Immerhin müssen wir ein ziemlich kompliziertes Puzzle zusammensetzen, dessen Schönheit und Wert erst erkennbar wird, wenn es vollständig ist. Also am Schluß des Buches. Wir haben ja keine kurzatmigen Ratschläge im Angebot, sondern neue Sicht- und Denkweisen, mit denen man nicht auf einen Schlag vertraut werden kann.

 Das ist der Sinn der »Gemeinsamen Erklärung«, daß wir auf solche Dinge aufmerksam machen. Vielleicht wäre es sogar besser, wir würden nicht sagen, daß wir »auf alte Fragen« antworten. Es geht zwar um alte Probleme, etwa der persönlichen Lebensqualität, der Harmonie mit sich selbst, der Beziehungen zwischen den Menschen, aber im Grunde gehen wir ja mit neuen Fragen an diese Probleme heran. Außerdem gibt es auch neue Probleme, von Jugendgewalt über Werteverlust bis zur Umweltzerstörung, die unter ganz anderen Voraussetzungen geprüft werden müssen als bisher. Schon deshalb läßt sich erst am Ende des Buches beurteilen, was man mit diesen Ideen, diesen einzelnen Werkzeugen, dem ganzen Werkzeugkasten praktisch und konkret alles anfangen kann.

 Gut, daß wir erst ins Unreine reden. Welche Punkte sind sonst noch wichtig?

 Zum Beispiel das »Wohl der Beziehung«. Wir nehmen nicht Partei für Kinder oder sonstige »Opfer« oder »Täter« in Familienbeziehungen, sondern höchstens für diese Beziehungen selbst. Für ihre optimale Qualität – nicht nur in guten, sondern gerade auch in schlechten Tagen. Dann geht es allen beteiligten Individuen gleichermaßen gut.

 Das gehört zu dem Punkt: »Nur gute Nachrichten und keine einzige schlechte«. Wir erheben keine Vorwürfe, wollen keine Schuldgefühle und kein Unrechtsbewußtsein wecken, sondern zeigen zusätzliche Möglichkeiten auf für Leute, die eben gern harmonische Beziehungen hätten und das bisher nur noch nicht hingekriegt haben.

 Erwähnen müssen wir auch, daß es uns ausschließlich um die Gegenwart und die Zukunft geht. Viele Menschen denken ja noch, sie seien in ihrer Kindheit »geprägt« worden wie eine Münze, so daß sie gar nicht anders denken und handeln könnten, als sie das jeweils tun. Wir reden also nicht davon, was alles möglich wäre, wenn nur in der Kindheit alles anders gewesen wäre, sondern wir reden davon, wie das funktioniert, daß man seine Ziele von heute und morgen erreicht, ohne unbedingt in der Vergangenheit herumwühlen zu müssen.

 Vielleicht sollten wir schon sagen, daß wir deshalb nicht von Prägungen sprechen, sondern von Gewohnheiten. Wenn Eltern mit Gewohnheiten, die sich bei ihnen herausgebildet haben, nicht mehr glücklich und zufrieden sind …

 … Und wenn sie so klug sind, unser Buch zu lesen …

 … dann haben sie einen guten Grund, unsere Werkzeuge auszuprobieren.

 Aber nicht nur Eltern! Ich fände es wichtig, in der »Gemeinsamen Erklärung« wenigstens zu erwähnen, daß unser Werkzeugkasten für alle Menschen nützlich ist, denen die eine oder andere Gewohnheit nicht mehr gefällt. Wir meinen ja auch mit »Familienbeziehungen« nicht nur die Kleinfamilie und alleinsorgende Elternteile mit Kindern, sondern alle nahen Beziehungen auch unter Erwachsenen, die vom ursprünglichen Wunsch her auf Harmonie angelegt sind. Warum soll ausgerechnet unter Menschen, die eine besonders enge Gemeinschaft bilden, nicht ein mindestens so harmonisches »Betriebsklima« herrschen, wie es in der Arbeitswelt so häufig angepriesen wird?

 Man muß halt wissen, wie das funktioniert. Und da sollten wir noch eine Gruppe ansprechen, die wir bisher ziemlich vernachlässigt haben. Ich meine die Menschen, die sich angewöhnt haben, ihre Probleme recht einseitig auf die schwere Schulter zu nehmen. Die glauben einfach nicht, daß die Dinge so »mit links« zu erledigen sind, wie wir das hier gelegentlich behaupten.

 Das stimmt. Für die ist unsere lockere Schreibe nicht gerade einladend. Da wäre es schon gut, wenn wir für die »Gemeinsame Erklärung« etwas fänden, das ihrer Betrachtungsweise entgegenkommt. Schließlich wird sie später im Buch extra gewürdigt, und sie erfahren, wie das funktioniert, daß es auch ihnen leichtfällt, sich das Leben zu erleichtern, falls sie das wollen.

 Das hast du nett gesagt. Ich finde, der Punkte sind genug gesammelt.

 Ich möchte noch reinbringen, daß wir nur für die Praxis schreiben. Wir streiten nicht mit allen möglichen Theorien herum, um irgendwelche Dogmatiker von irgendwas zu überzeugen. Die lassen wir links liegen und stellen nur die unserer Erfahrung nach besten Ideen so dar, daß sie jeder verstehen und nutzen kann.

 Jeder, der noch mindestens eine Tasse im Schrank hat!

 Das halte ich für überflüssig. Die anderen lesen sowieso keine Bücher. Es wäre verrückt, wenn wir versuchen würden, wirklich alle Menschen zu berücksichtigen.

 Es wäre einfach unbescheiden. Sonst noch Punkte?

 Für eine kurze Erklärung haben wir schon reichlich viele. Wir müssen die auch noch sortieren und richtig durchformulieren.

 Warum eigentlich?

 Wie: »Warum«?

 Ich finde, wir haben es gar nicht nötig, jetzt noch eine richtige »Gemeinsame Erklärung« zu schreiben. Ich schlage vor, daß wir uns das schenken. Oder daß wir’s den Leuten schenken. So wie es ist, ist es doch viel lebendiger.

 Bist du bescheuert?!?

 Wieso? Ich bin klug und weise und leserfreundlich. Du kannst dich auf den Kopf stellen, aber ich finde, wir haben jetzt genug darüber gesagt, was von unserem Buch zu erwarten ist. Eine »Gemeinsame Erklärung« ist deshalb überflüssig und langweilig.

 Ich protestiere schärfstens gegen diesen Bruch unserer Abmachung. Den Quatsch, den wir ins Unreine geredet haben, können wir den Leuten unmöglich zumuten. Von seriösen Autoren wird erwartet, daß sie eine Erklärung, die sie angekündigt haben, auch abgeben. – Hallo Kinder, helft mir mal, eure Mutter zur Vernunft zu bringen. Ihr wollt doch bald umziehen. Und außerdem braucht ihr dringend neue Socken!

 Die Hauptsache ist, daß ihr bald fertig werdet.

 Ich habe Hunger!

 Natürlich müssen wir eine »Gemeinsame Erklärung« abgeben. Du hast ganz recht, ich sehe es ein.

 Versprochen?

 Versprochen. Kommst du allein wieder auf die Beine?

 Alles klar. Ungewöhnliche Situationen erfordern ungewöhnliche Maßnahmen. Ich freue mich, daß du nicht auf stur geschaltet hast.

 Nach dem Essen machen wir das blitzschnell.

Gemeinsame Erklärung. Hiermit geben wir bekannt und zu wissen, daß wir uns entschieden haben, der Leserschaft unnötige Mühe zu ersparen. Wir nehmen an, daß niemand, der bis hierher gelesen hat, noch an einer ordentlichen Zusammenfassung interessiert ist. Es wäre also phantasielos und albern, diesen Streit fortzusetzen. Friede!