Kitabı oku: «Könige zum Anfassen», sayfa 3

Yazı tipi:

Kugelräuber

Weihnachtszeit: die Zeit der freudigen Erwartung, der langen, dunklen Abende, der Kerzen und Lichter, der Wärme des Kaminfeuers, der Düfte von Bratäpfeln und Weihnachtsgebäck und die Zeit, in der Frau das Heim schmückt. Seit Urzeiten werden in unserer Familie weihnachtliche Schmuckstückchen gesammelt, sorgsam gehegt und an die nachfolgenden Generationen weitergegeben, um alljährlich das Haus in einem rot-goldenen Farbenrausch erstrahlen zu lassen.

Unter Kings aufmerksamen Blicken schleppe ich kistenweise Dekoration ins Wohnzimmer. Ganz vorsichtig nehme ich jedes Teil in die Hand und genieße die Erinnerungen, die ich aus meinen Kinderzeiten damit verbinde. Behutsam lege ich die dunkelroten, matt glänzenden Glaskugeln auf den Beistelltisch, den ich mit einer dicken Decke als Polsterung versehen habe. Sie liegen mir ganz besonders am Herzen, schmückten sie doch schon den Weihnachtsbaum meiner Großeltern. Auch an unserem sind sie alljährlich ein besonderer Blickfang.

King liegt in seinem Hundebett und schläft. Im Moment gibt es für ihn nichts Interessantes, denn Weihnachtsdekoration kann man nicht fressen und zum Spielen darf Hund sie nicht nutzen. Kaum bin ich fertig mit dem Auspacken, schellt es an der Haustür. King saust bellend los, um Haus und Hof zu verteidigen, wirft dabei die rustikalen Holz-Tannenbäumchen und -Sterne um, bringt Engel und Organza in Unordnung und führt dann vor der Haustür einen Freudentanz mit Lautuntermalung auf. Das macht er nur, wenn sein Schwesterchen Kelly mit Leinenhalter Max, einem langjährigen Freund, davor steht.

»Wir stören doch nicht?«, fragt Max, hat die Diele bereits erobert und seinen Mantel an die Garderobe gehängt. Kelly und King veranstalten geschwisterliche Rangeleien im Wohnzimmer. »Raus mit euch, aber dalli!« »Entspann dich, die beruhigen sich gleich wieder! Ich pass schon auf, dass sie deine Weihnachtsdeko nicht ruinieren. Kochst du uns einen Kaffee? Ich muss dir unbedingt erzählen, was Kelly …!« Mehr höre ich in der Küche nicht, denn meine Kaffeemaschine, die inzwischen in die Jahre gekommen ist, veranstaltet einen Höllenlärm. »Ich kann nichts verstehen, Max, ich komm gleich wieder!«

»Stell dir mal vor!« Max konnte offensichtlich meine Rückkehr nicht abwarten und lehnt mit dem Rücken an der Kühlschranktür. »Heute Morgen habe ich frische Brötchen zum Frühstück geholt, ein großes für mich und als Gratiszugabe ein ganz kleines für Kelly. Ich legte beide in den Brotkorb und wollte dann Kaffee kochen. Aus den Augenwinkeln sah ich Kelly in ihrer typischen Maulraub-Körperhaltung aus der Küche verschwinden: runder Rücken, Schleichgang, hängender Kopf, beide Backen voll und zur Tarnung ein drolliger Gesichtsausdruck, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Aus Leibeskräften brüllte ich »aus« und zum Vorschein kam ein erbeutetes Brötchen. Und jetzt rate mal, welches sie genommen hatte! Richtig, meins natürlich! Das habe ich ihr selbstverständlich sofort weggenommen und entsorgt. Eingeweichte Brötchen sind nicht so mein Ding. Also blieb mir zum Frühstück nur Kellys Minibrötchen. Ich war so wütend, dass ich lautstark mit ihr geschimpft habe. Sag jetzt ja nicht, ich solle mich nicht so anstellen, ein kleines Brötchen sei figurfreundlich und tue mir ganz gut!«

Ich kann mir das Grinsen kaum noch verkneifen und fülle mit tief gesenktem Kopf Milch und Zucker ein.

»Du brauchst gar nicht so krampfhaft nach unten zu gucken! Ich sehe wohl, dass du dich amüsierst. Du machst genau so ein Gesicht wie Kelly heute Morgen.«

Jetzt gibt es kein Halten mehr, ich pruste los und habe Mühe, das Tablett mit den Kaffeetassen ruhig zu halten. Eine Winzigkeit später fällt mir das gar nicht mehr schwer. Im Gegenteil, ich erstarre förmlich zur Salzsäule, als ich den leeren Beistelltisch sehe. Die Decke liegt auf dem Fußboden und meine geliebten Kugeln sind verschwunden.


Oh, diese Airedales! Als könnten sie kein Wässerchen trüben, liegen beide in der Weihnachtsdekoration zwischen Organza, Tannenbäumen, Sternen und Engelchen. Meine Kugel-Erbstücke haben sie als Bällchen einkassiert. Anklagend zeige ich auf die gehorteten Schönheiten und schimpfe, entgegen der Ratschläge namhafter Hundekenner, obwohl ich sie nicht auf frischer Tat ertappt habe und die Kugeln unversehrt sind. Max dagegen schimpft nicht, auch nicht, als ich ihn wütend und auffordernd anschaue. Im Gegenteil, er verbeißt sich mit Mühe das Lachen. Aber das kann er gar nicht vor mir verbergen. Jetzt sieht er nämlich selbst aus wie Kelly mit Zitronen-Tarngesicht.

Weiblicher Moralapostel

Gartenarbeit ist anstrengend und schweißtreibend. Will ich im nächsten Frühling ein Meer von Krokussen, Tulpen und Narzissen im Garten bewundern, dann muss ich im Herbst etwas dafür tun. Also los! Handschuhe an, Gartengeräte hervorholen, Zwiebeln je nach Art und Farbe in Eimerchen füllen und King und Schwester Kelly, die heute einen Hundesitter benötigt, mit in den Garten nehmen.

Bei fast jeder Blumenzwiebel bietet King seine Hilfe an, obwohl er seit seiner Welpenzeit schon weiß, dass Buddeln im Garten verboten ist. Immer wieder fragt er auf sehr charmante Weise nach, ob das Verbot auch heute noch Gültigkeit hat. Durch vorsichtiges Ausstrecken seiner Pfote und behutsame, nur oberflächliche Mini-Grabungen erinnert King mich an seine besonders ausgeprägten Schnell-Ausschachtungs-Fähigkeiten mit Tiefgang. So niedlich seine Angebote auch anzuschauen sind, muss ich sie dennoch konsequent ablehnen, ansonsten ist mein Garten mit Kratern übersät, in denen ich fässerweise Blumenzwiebeln unterbringen könnte.

Kelly schaut aufmerksam zu, wie ich Zwiebel für Zwiebel in die Erde pflanze und dabei nur ein einziges Wort sage, das aber lautstark und unmissverständlich, sobald sich Kings erhobene Pfote in Richtung Erde bewegt: »Nein!« Kelly ist ganz Dame, sie buddelt nicht, hat es nie versucht. Bei jedem Nein schaut sie erst mich an, dann King, dann wieder mich. Endlich, nur noch eine Blumenzwiebel muss gepflanzt werden und ich kann mit meiner Nein-Sagerei aufhören. Wenn ich die Gartengeräte wieder an Ort und Stelle geräumt habe, gönne ich mir eine Tasse Tee!

Als ich mit Sack und Pack in der Garage bin, höre ich Kelly im Garten bellen. Kelly bellt selten, wie es sich für Airedales gehört. Wenn sie allerdings bellt, dann hat sie dafür einen guten Grund. Der Grund liegt auf dem Rasen. King hat ein Löchlein gegraben und eine Zwiebel aus der Gefangenschaft befreit. Geduldig, mit gesenktem Kopf und nach hinten gezogenen Ohren hört er sich meine Gardinenpredigt an. Kelly steht neben ihm und lässt ihn nicht aus den Augen. Ihr streichle ich über den Kopf: »Das hast du fein gemacht, mein Mädchen, pass nur gut auf deinen Bruder auf, damit er nicht ständig solchen Unsinn macht!« Meine Laune ist nicht die beste, als ich die Hacke wieder hervorhole und die Zwiebel erneut einpflanze. Diesmal bleibt im Garten alles still, als ich im Hausinneren verschwinde. Endlich hat mein Airedale-Sturkopf es wohl verstanden, dass er auch keine kleinen Löcher graben und sich schon gar nicht an meinen Blumenzwiebeln vergreifen darf!

Das Teewasser kocht, als Kelly wieder Laut gibt. Diesmal liegen mehrere Zwiebeln auf dem Rasen und dementsprechend hoch ist auch die Anzahl der Löcher. Jetzt reicht es mir und ich hole beide Hunde ins Haus, erzähle etwas von Kulturbanausen und Schwester-Vorbildern, denen Hund nacheifern könnte. Beide Airedales hören mit schief gelegten Köpfen aufmerksam zu, ich fürchte allerdings, sie haben nicht wirklich verstanden, was ich ihnen begreiflich machen will.

Kurz bevor Max Kelly wieder abholt, lasse ich die Geschwister noch einmal für eine kleine Tobe-Einheit an die Luft. Während die Zwei ausgelassen spielen, kann ich schon die Vorbereitungen für das Essen in Angriff nehmen. Aus dem Garten erschallt wütendes Bellen, kaum dass ich die Kühlschranktür geöffnet habe. Das kann doch nicht wahr sein, King muss schon wieder tätig geworden sein. Aber der Rasen ist völlig zwiebelfrei. Fast hätte ich dem armen Kerl wegen meines falschen Verdachtes ein Leckerchen gegönnt, da entdecke ich den zwiebellosen Krater, den er gut versteckt im hinteren Teil des Beetes ausgeschachtet hat.

Als Max Kelly mit zu sich nach Hause nehmen möchte, lehne ich sein Ansinnen entrüstet ab. »Die brauche ich noch! Die bekommst du frühestens zurück, wenn sie mich erfolgreich dabei unterstützt hat, ihrem Bruder beizubringen, dass Ausgrabungen jeglicher Art in Gartenbeeten verboten sind und ein strenges Ausfuhrverbot für Blumenzwiebeln besteht. Denn in diesen sensiblen Kulturen ist trotz königlicher Revieransprüche alles meins!«

Jagdsaison


Zartbesaiteter Jäger

Mein King, ein Jäger? Nein! Allerhöchstens Blätter, Schmetterlinge und vielleicht einmal ein Vogel sind für ihn von Interesse. In unserer ländlichen Umgebung hat er Reh und Co. zwar schon häufig von Ferne gesehen, auch interessiert die Witterung, aber nie die Verfolgung aufgenommen. Sogar den Härtetest durch einen Jagdpächter überstand er mit Bravour. Bei einem Morgenspaziergang hatten wir ihn getroffen, den gestrengen Waidmann, wohl auf der Suche nach wildernden Hunden, denen in letzter Zeit einige Rehe zum Opfer gefallen waren. Nachdem er King im Freilauf entdeckt, seinen Geländewagen geparkt und mich darum gebeten hatte, einen Test mit meinem Hund durchführen zu dürfen, holte er den Lauf eines Rehs aus dem Kofferraum und hielt ihn King zur Geruchsprobe vor. Der beschnüffelte ihn nur kurz und drehte dann wie angeekelt den Kopf zur Seite. »Da haben Sie aber Glück, dieser Hund ist kein Jäger«, lautete das Urteil des Fachmanns. Beruhigend zu wissen!

Wer Airedales kennt, der weiß, dass trotzdem Aufmerksamkeit angebracht ist, und bei unseren Spaziergängen ruht immer mindestens ein Auge auf meinem Terrier. Heute nicht! Heute hat sich ein spitzer Stein in meinen Schuh verirrt. Das schreit geradezu nach einer Soforthilfe-Maßnahme. Es ist gar nicht einfach, auf einem Bein zu balancieren, den Schuh auszuziehen, den Quälgeist herauszuschütteln und den schuhlosen Fuß dabei keinesfalls auf den Boden zu setzen. Vor allen Dingen benötigt man dafür beide Hände und beide Augen.

Als ich aufschaue, sehe ich King losschießen. Während ich beschäftigt war, hat er offensichtlich die Umgebung sorgfältig in Augenschein genommen und dabei ein Reh in erreichbarer Nähe entdeckt. Jetzt bietet sich endlich die Gelegenheit, den mit reichlich Leckerchen-Unterstützung gut trainierten Notfall-Rückruf einzusetzen. Doch mein energisch-kurzes »Hier!« bleibt ohne Wirkung. Statt auf meinen Ruf zu reagieren, steigert King seine Geschwindigkeit. Lautlos fliegt er förmlich über die Wiese, ein Anblick, den ich sonst immer genieße, der mich jetzt aber entsetzt. Noch flüchtet das Reh nicht, sondern schaut wie gebannt seinem Jäger entgegen. Plötzlich aber löst sich seine Erstarrung. Es wendet sich um und rast Richtung Wald, der ihm eine bessere Deckung und eine erfolgreichere Fluchtmöglichkeit verspricht als das offene Wiesengelände. King ist jetzt so weit herangekommen, dass er den hellen, durchdringenden Hetzlaut hören lässt als Zeichen seiner Erregung und Jagdlust. Durch die Hetze freigesetzte Glückshormone peitschen seinen Körper zu Höchstleistungen und machen ihn offensichtlich taub, sodass alle weiteren Rückruf-Befehle ungehört verhallen. Mein Adrenalinspiegel, inzwischen ebenfalls mächtig angestiegen, sorgt dafür, dass ich keuchend hinter den Tieren herrenne. Den schützenden Wald kann das Reh nicht mehr erreichen, die Entfernung zwischen ihm und seinem Verfolger ist dafür zu gering. Also flüchtet es in ein dichtes, dorniges Gestrüpp, King ihm dicht auf den Fersen.

Dann plötzlich kehrt Stille ein, eine bedrohliche Stille, die meiner Fantasievorstellung von einem erlegten Reh genügend Raum bietet. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreiche ich das Gestrüpp. Ich bin immer noch außer Atem. Mit bloßen Händen reiße ich die Brombeer- und Himbeer-Ranken auseinander, nehme den Nahkampf mit wehrhaften Schlehenbüschen auf, erreiche mit zahlreichen Blessuren eine freie Fläche inmitten der Sträucher und will meinen Augen nicht trauen. Das heftig atmende Reh liegt auf der Seite und bietet King die Kehle zum tödlichen Biss, während mein Airedale ihm liebevoll den Kopf leckt.

Natürlich bin ich erleichtert, weil King offenbar ein zartbesaiteter Jäger ist, der ein Reh zwar gerne hetzt, es aber nicht verletzt, sondern ihm Wellness à la Airedale zukommen lässt. Beruhigend ist diese Feststellung allerdings nicht, denn ich weiß, er wird in Zukunft jede Gelegenheit nutzen, sich die Freude an der Jagd zu gönnen. Also bekommt der nächste Kurs »Anti-Jagd-Training« Teilnehmerzuwachs! Dem Jagdpächter, man möge es mir nachsehen, werde ich seinen guten Glauben an King, den »Nicht-Jäger«, aber auf keinen Fall nehmen.

Wirklich wild

Drückend lastet die Schwüle seit Tagen über der Landschaft. Kein Lüftchen regt sich und jede Bewegung wird zur Qual. Ich habe mich mit King in den frühen Abendstunden in den Wald verzogen und schlendere über einen schattigen, fast zugewucherten Pfad. Hier ist die Hitze etwas besser zu ertragen als im offenen Gelände. King, dessen Temperament eigentlich nicht zu bremsen ist, schleicht ermattet neben mir her. Manchmal schaut er zu mir hoch, der lebende Vorwurf, als wolle er sagen: »Statt mich hier herumzuscheuchen, hättest du mich lieber im Garten in meinem Erdloch unter den Sträuchern lassen sollen. Ich muss bei solchem Wetter nicht spazieren gehen, ich nicht! Und wenn du hundertmal sagst, ich müsse Auslauf haben und sei sonst nicht ausgelastet. Alles Quatsch! Das Einzige, was ich brauche, sind ein kühler Fleck und ab und zu einen Kampf mit dem Rasensprenger!«

Inzwischen tut es mir schon leid, dass ich das arme Tier derartig quäle. Jetzt bleibt King sogar ein ganzes Stück hinter mir zurück. Er hechelt zum Erbarmen, seine Zunge, so lang er sie auch herausstreckt, scheint mit ihrer Kühlungsaufgabe völlig überfordert zu sein und seine Rute hängt kraftlos herunter, kurzum: Mein stolzer Rüde bietet ein Bild des Jammers. Jemand, der noch nie einen Airedale sein Eigen nannte, kann sich kaum vorstellen, was für Unmengen an Mitleid ein solches Erscheinungsbild erzeugen kann. Inzwischen überlege ich schon krampfhaft, wie ich den Weg am besten abkürze, und gehe mit mir ins Gericht, weil ich dem armen Tier noch nicht einmal Wasser mitgenommen habe. Ich hätte allerdings auch nichts gegen einen kühlen Schluck, aber mein eigenes Befinden wird mir immer gleichgültiger in Anbetracht des arg gebeutelten Hundes. Schließlich muss ich hier nicht im Pelzmantel herumlaufen!

»Komm, mein Junge, wir gehen jetzt ganz schnell nach Hause! Komm schon, King, das ist ja gar nicht mehr weit, auf geht᾿s!« Ganz verwundert und voller Freude bemerke ich, dass King mich offensichtlich verstanden hat. Er stellt seine Ohren auf, die Körperspannung kehrt wie von Zauberhand zurück und die Rute wird wieder fröhlich getragen. In Sekundenbruchteilen startet er voll durch, auf mich zu, knapp an mir vorbei und dann im rechten Winkel in den Wald, der an dieser Stelle sehr dicht ist.

Fassungslos bleibe ich wie angewurzelt auf dem Weg stehen. Dieser blitzschnelle Wandel von der leidenden Kreatur zum gewandten Jäger überrascht mich vollends, und ehe ich mich gefasst und »Hier!« gerufen habe, ist King längst außer Sicht. Sein heller Hetzlaut lässt keinen Zweifel mehr aufkommen: Hitze verleidet ihm die Freude an der Jagd keinesfalls. Ein Abrufen ist jetzt unsinnig, das weiß ich, und während ich noch krampfhaft überlege, was zu tun ist, ertönt plötzlich ein lauter Schrei, gefolgt von winselnden Tönen, wie ich sie noch nie bei King vernommen habe. Endlich finde ich meine Stimme wieder und rufe ihn zu mir. Quälend langsam verstreicht die Zeit, bis mein Hund in Sicht kommt. Er humpelt auf drei Beinen, den Rücken gekrümmt, das Fell zerzaust und voller Zweige und Kletten. Am Ende seiner Kräfte fällt er mir mit einem lauten Seufzer zu Füßen. Äußere Verletzungen sind nicht zu erkennen und so treten wir, nachdem sich Kings Atem langsam normalisiert hat, den beschwerlichen Heimweg an: ein Hund auf drei Beinen und eine verschwitzte Frau, die verzweifelt versucht, ihn beim Laufen zu unterstützen.

Die Fahrt zur nächsten Tierklinik ist natürlich unvermeidlich. Den diensthabenden Tierarzt setze ich ausführlich über den Vorfall ins Bild. Er untersucht King gründlich, röntgt und gibt ihm eine schmerzstillende Spritze. Dann teilt er mir mit: »Ihr Hund hat eine schwere Rippenprellung davongetragen.« Das Grinsen kann er sich kaum verkneifen, als er abschließend feststellt: »Ob es ein Wildschwein oder ein Reh war, das den Hund so zugerichtet hat, kann ich natürlich nicht sagen, eins weiß ich aber genau, Nahkampferfahrung hat es! Die wird Ihrem passionierten Jäger noch einige Zeit fühlbar in Erinnerung bleiben. Es kann sogar sein, dass damit das Ende seiner Jagdleidenschaft gekommen ist. Er hat schmerzhaft gelernt, dass Wild wirklich wild ist.« Wie bedauerlich, dass King diesem Kämpfer nicht schon vor unserem teuren Anti-Jagd-Kurs begegnet ist!

Das EMFO

King ist ein Airedale mit beachtlichem Gardemaß, ein sportlich muskulöser, manchmal raubeiniger Rüde mit einer beinahe unbegreiflichen Vorliebe für ein zartes, winzig kleines Webpelztierchen.

Nein, es ist nicht so, als würden größenangepasstere Spielzeuge ihn nicht reizen. Er schleppt begeistert übergroße Äste, schwere Bringhölzer und zerrt gerne seine Riesendecke durch Haus und Garten, eine echte Herausforderung, da er ständig mit den Füßen drauf- und sich somit selbst im Weg steht. Aber seine große Liebe gilt einer Spielzeugmaus, die ihn schon seit Welpenzeiten begleitet. Mausi ist das einzige Spielzeug, das er nicht ruiniert. Stets wird es behutsam ins Maul genommen, vorsichtig ins Hundebett transportiert, zärtlich beschnüffelt und abgeleckt. Muss ich Mausi ab und zu einer Grundreinigung in der Waschmaschine unterziehen, sucht King seinen Liebling im gesamten Haus und ich würde mich nicht darüber wundern, wenn er eines Tages Stellung vor der Waschmaschine bezöge, weil er Mausi dort wenigstens im Auge behalten kann! Zufrieden ist er erst, wenn die Kleine wieder verfügbar ist. Hat sie dann durch sein verstärktes Kontaktliegen den widerlichen Waschpulverfrischegeruch verloren und den vertrauten Mausi-King-Duft wieder angenommen, ist er glücklich.

Unser heutiger Mittagsgang führt am Waldrand entlang. Der lange, schneereiche Winter hat das Gras braun gefärbt. Überall sind die weitverzweigten Netze der oberirdischen Mäusewechsel zu entdecken, auf denen die Tiere sich den Winter über, durch die Schneedecke geschützt, ungefährdet bewegen konnten. King interessiert sich besonders für die Mauselöcher, die jetzt gut sichtbar sind und in die unterirdischen Höhlensysteme der kleinen Nager führen. Von Zeit zu Zeit steckt er die Nase tief hinein und saugt geräuschvoll eine große Portion Mausparfüm ein. Ab und zu wagt er sogar einen Mäusesprung, sehr geschickt ausgeführt, aber bisher ohne Jagderfolg. Darüber bin ich nicht böse, fallen mir doch bei Mäusemahlzeit nicht die positiven Seiten der Rohfütterung, sondern nur Bandwürmer ein.

Wieder bleibt King regungslos und konzentriert vor einem Mauseloch stehen, die rechte Vorderpfote erhoben, die Muskeln gespannt und zum Sprung bereit. Und diesmal führt der zum Erfolg, zu einem durchschlagenden, mit dem ich niemals gerechnet hätte. In hohem Bogen spuckt er blitzschnell die erbeutete Maus wieder aus und macht sie so zum EMFO, einem einzigartigen Maus-Flug-Objekt. Völlig konsterniert schaut er dem kleinen Tierchen nach, das nach seiner relativ sanften Landung unbeschadet sofort unter einem Haufen trockener Blätter verschwindet.


Diese Mausi ist nicht nach Kings Geschmack. Sie sieht zwar seinem Liebling zum Verwechseln ähnlich, lässt sich aber nicht geduldig herumtragen, pflegen und verwöhnen. Sie strampelt, zappelt und hat nadelspitze Zähnchen. Ein kleines Andenken daran wird wohl noch ein paar Tage lang Kings Zunge zieren. Dieses Löchlein wird aber mit Sicherheit das einzige bleiben, das auf einen Mäusebiss zurückzuführen ist. Die nächsten von King erbeuteten Nager werden keine Gelegenheit bekommen, eines zu hinterlassen. Bevor sie überhaupt daran denken, dass sie Zähne haben, wird mein Terrier sie hemmungslos kurzerhand mit Haut und Haaren verschlucken. Morgen bevorrate ich mich sicherheitshalber schon einmal mit Entwurmungstabletten.

Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.

₺445,86

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
22 aralık 2023
Hacim:
164 s. 24 illüstrasyon
ISBN:
9783946424055
Yayıncı:
Telif hakkı:
Автор
İndirme biçimi:
Metin
Средний рейтинг 0 на основе 0 оценок