Kitabı oku: «Bergrichters Erdenwallen», sayfa 3

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„Ja, ja, die Fabrik wächst, sie wird noch die Perlmooser überflügeln!“

„Reden Sie keinen Unsinn, Pfahler! Immer hübsch solid bei der Stange bleiben! Aber man wird daran denken müssen, dem Paare, wenn es zur Heirat kommt, ein Häuschen, so eine kleine Villa zu bauen. Dazu habe ich aber keinen geeigneten Grund. Wissen Sie einen feilen Baugrund?“

In rasender Eile zählte Pfahler die Namen käuflicher Grundstücke auf.

„Das ischt nichts für mich. Es soll eher etwas sein, das an meine Liegenschaften stößt und anrondiert werden kann. Mein Sohn soll nicht zu weit ins Komptoir haben.“

„Darf es Wiesengrund sein? Freilich arg sonnig dann, bis die Pflanzbäume einmal Schatten geben!“

„Nu, man kann ja größere Bäume kaufen!“

„Hm! Wie wäre es am Anger, der stößt an Ihre Gründe an, die Entfernung zum Büreau ischt minimal und viel dürfte der Angerer kaum verlangen. Soviel ich weiß, schwebt eine Klage gegen ihn in einer Schuldsache; er wird froh sein, Bargeld zu bekommen.“

„Nein, nein! Ich möchte dem Mann nichts abdrücken!“

„Wie weit dürfte ich gehen in der Vermittelung?“

„Ich weiß nicht, ob ich dieser Sache näher treten soll!“

„Wieviel Decimalen brauchen Sie?“

„Unter etlichen Tagwerken wird es nicht gehen! Wer weiß, ob der Mann so viel Grund abgiebt!“

„Aber ich bitte, Herr Ratschiller! Es ischt ja schlechter Wiesengrund, der Angerer wird froh sein, wenn er ihn zu halbwegs anständigem Preise losbringen kann.“

„Nun gut, ich nehme, so viel Grund er abgiebt. Den Preis soll er nennen. Aber wie gesagt, es muß nicht sein, denn aufgeboten ischt das Paar noch nicht. Ich weiß also nicht, ob es zum Villenbau kommt. Übrigens ein Prozent Provision und ein Trinkgeld, Sie wissen ja, wie immer!“

„Danke bestens, werde den Auftrag prompt besorgen. Der Grund gehört schon Ihnen! 'pfehl mich bestens, habe die Ehre, wünsche wohl zu speisen, gehorsamster Diener!“

Leicht grüßend verließ der Fabrikherr den Kommissionär, um sich nach Hause zu begeben.

IV

Bezirksrichter Ehrenstraßer hielt in seiner Kanzlei den der Zeugin abgenommenen Vorladungszettel in der Hand, warf einen Blick in den offen ausgelegten Akt, bedeutete dem Aktuar, das Protokoll zu führen, und fragte. „Sie sind also die vorgeladene Zeugin Walburga Deng, Witib des vulgo Lusner?“

Die Zeugin nickte.

„Sie haben laut und vernehmlich zu antworten!“

„Ja, gnä' Herr!“

„Es genügt ja oder nein, alles übrige ischt überflüssig!“

„Ja!“

„Was können Sie zum Falle Kirchhammer vorbringen?“

„Ich möcht' decht sagen, es ischt schon so, wie es die Aignerin behauptet. Der Kirchhammer Bauer ischt wohl nicht recht richtig im Schädel, aber stark in der Lieb' zu der Aignerin war er decht.“

„Der Bauer bestreitet das!“

„Soll er nur, sell ischt recht kammod, wo er zahlen soll für sein Kind! Wird eahm nicht viel nutzen, dem Saggra!“

„Was haben Sie wahrgenommen über den Verkehr des Bauers mit der Söldnerin Aigner?“

„Wird nicht langen, ischt er dreimal im Tag zu ihr kommen charmieren, der Loder!“

„Haben Sie derlei Besuchgänge selber beobachtet?“

„Freilich und wie!“

„Sie wohnen also in nächster Nähe und haben den Bauer öfters kommen und gehen sehen?“

„Ja, gewiß auch noch!“

„Wie weit ischt Ihr Wohnort vom Kirchhammerhof entfernt?“

„Ja, so genau kann ich sell nicht sagen. Aber gesehen hab' ich woltern alleweil viel!“

„Was zum Beispiel?“

„Grad aufs bussen war er aus, der Saggra!“

„Haben Sie das in der Wohnung der Aignerin oder von der Entfernung aus beobachtet?“

„Wie Sie wollen, Herr Stadt- und Landrichter!“

„Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß Sie als Zeugin nichts als die reine Wahrheit zu sagen haben. Ich mache Sie auf die Heiligkeit des Eides und die Bestrafung des Meineides aufmerksam. Alles, was Sie jetzt hier aussagen, haben Sie zum Schlusse zu beschwören!“

„Ein Jurament, ganz recht! Den schwersten Eid kann ich schwören, wann Sie nur wollen!“

„Wie lange ischt es her, daß Sie Ihre Beobachtung und Wahrnehmung gemacht haben wollen?“

„Wird etwa in der Zeit gewesen sein, wie der Loder verliebt war. Später hat die Lieb' woltern nachlassen.“

„Die Aignerin ischt nebst ihrer Mutter wegen Betrug, Kindsunterschiebung, angeklagt. Wann haben Sie mit der noch auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten das letzte Mal verkehrt?“

„Herr, sell weiß ich nimmer!“

„Ischt es so lange schon her?“

„Ah, beleib!“

„Also gestern?“

„Etliche drei Tag' kann's schon gewesen sein.“

„Was hat die Aignerin zu Ihnen gesagt?“

„Unschuldig will sie sein und ich glaub's! Ich hab' ja mit eigenen Augen gesehen, wie der Bauer sie drangsaliert hat mit seiner Lieb'!“

„Also mit eigenen Augen haben Sie das gesehen? Sie scheinen gute Augen zu haben und recht weit zu sehen. Ihr Witibgütl ischt von der Sölderhütte der Aignerin eine gute Viertelstunde entfernt. So weit ischt ein Verkehr in der angedeuteten Art kaum mit freiem Auge zu beobachten. Haben Sie in der Aignerhütte selbst gelegentlich eines Besuches den Bauer angetroffen?“

„Nein, nie!“

„Wie weit ischt Ihre Wohnung von der Aignerhütte entfernt?“

„Wird decht bei grobem Wetter 1½ Stund' sein!“

Ein scharfer, durchdringender Blick musterte die Zeugin. Der Richter hat bereits Verdacht geschöpft, doch will er gründlich und gewissenhaft vorgehen. Gelassen fragt er weiter: „Wie lange sind Sie schon Witwe?“

„Ich? Ja mein', sell kann ich nimmer raiten!“

„Wie hat Ihr Mann mit seinem Hausnamen geheißen?“

„Wie ich selm!“

„Hm! Wo wohnen Sie gewöhnlich?“

„In —“ Die Zeugin schwieg plötzlich.

„Das genügt!“ Nun wandte sich der Richter zum Protokollführer und fragte ihn, wie weit er mit dem Nachschreiben gekommen sei.

„Nur noch wenige Minuten, Herr Bezirksrichter!“ antwortete der Gefragte.

„Schön! Sie, Zeugin! Gelt, schlechte Zeiten haben wir halt allweil?“

„Freilich, Herr! Heutzutag' muß man um jeden Kreuzer froh sein und für jede Gelegenheit, wo's was zu verdienen giebt!“

„Freilich, freilich! Na, fünf Gulden war die Sach' schon wert?“

Die Zeugin horchte auf und sprach hastig: „So, meint Ihr? Ischt mir schon recht, wenn ich noch amol einen Fünfer krieg'!“

Der Schreiber überreichte das Protokoll, das Ehrenstraßer schnell ablas, und zwar absichtlich und ausnahmsweise schnell, denn es gilt in der nächsten Minute den Beweis für seinen Verdacht zu fassen. Sonst wird freilich dem Verhörten oder zu vernehmenden Zeugen das Protokoll langsam und laut vorgelesen.

Ehrenstraßer legte das Protokoll auf die Seite des Tisches, wo die Zeugin stand, gab ihr die mit Tinte gefüllte Feder und sagte. „So, Weibets! Jetzt schreibst da unten deinen Namen hin, groß und recht deutlich!“

Der Richter, wie der ahnungsvolle Protokollführer achteten genau auf diese Unterschrift.

Langsam kritzelte die Zeugin: „Kathi Hinterstoißer.“

„So, Weibets! Das hätten wir! Vorgeladen ischt die Waldburga Deng, Witib des vulgo Lusner, und du bischt die Taglöhnerin Kathi Hinterstoißer von Bergheim!“

„Jeß marandjosef! Hat Er mich wirklich dertappt!“

„Freilich! Wirst wohl herin bleiben jetzt im Bezirksgericht! Aber derweil erzählst uns, wie es die Aignerin gemacht hat mit dem Vorladungszettel, gel!“

„Ich hab' eh (ohnehin) nicht recht wollen; ich hab' gleich g'sagt, der Richter kommt darauf!“

„Also verzähl' nur.“

„Ja, gewest ischt 's a so: Den Zettel mit der Vorladung hat decht wohl die Lusnerwitib 'kriegt und selle weiß so viel wie gar nixen. Die Aignerin war bei ihr und hat ihr zug'redet, sie soll sagen, wie's der Bauer 'trieben hat. Die Lusnerwitib hat aber nicht wollen. Aftn (hernach) hat ihr die Aignerin den Ladzettel ab'bettelt und ich hab' ihn aftn 'kriegt und einen Fünfer dazu. Und so bin ich halt herkommen für die Lusnerin.“

„Das ischt auch ganz schön von dir! Hab' mir's auch gleich gedacht, daß die Zeugin nicht ganz echt ischt.“

Nach diesen Worten schellte Ehrenstraßer dem Amtsdiener, der die „Zeugin“ zunächst ins Loch brachte, wo sie der Verurteilung wegen Irreführung harren kann. Und in derselben Stunde wurde der Verhaftbefehl gegen die Söldnerin Aigner der Gendarmerie zugestellt.

Kurz darauf meldete der Amtsdiener eine Bauersfrau, die inständig um eine Unterredung bitte, und sogleich vorgelassen sein möchte.

„Na, lassen Sie die Frau herein!“ befahl der Bezirksrichter.

Knicksend erschien eine bejahrte Bäuerin in ersichtlicher Verlegenheit, blickte sich scheu um und trippelte dann zum Tisch des Richters, wo sie nochmals knickste und dann anhub:

„Herr kaiserlicher Okta!“

Ehrenstraßer horchte auf.

„Ich thät schön bitten, Herr Okta!“

Jetzt verstand der Richter das seltsame Wort und erwiderte:

„Liebe Frau, Sie sind am unrechten Ort! Ich bin der Bezirksrichter, nicht der Notar!“3

„Ich bitt', das ischt gleich! Helfen kann mir nur der Herr da!“

„So, dann verzähl' nur, Bäuerin!“

„Ja, ich thät halt schön bitten, wenn der Herr kaiserliche Okta meinem Bauern gebieten thät, er soll nicht gar so stürmisch sein, weil mich das für die Zeit ruinieren muß. Die schwere Feldarbeit vertragt sich nicht damit!“

Dem Richter dämmerte eine Ahnung auf und zugleich empfand er einen Lachreiz, dessen er nur mühsam Herr wurde. Will er doch die naive Bäuerin, die voll Vertrauen zu ihm gekommen, nicht durch einen Heiterkeitsausbruch verletzen, so sehr auch der Appell an den Richter um Eindämmung der Liebesgefühle eines bäuerlichen Ehemannes zum Lachen reizt. Ehrenstraßer würgte denn hervor. „Es ischt recht, Bäuerin! Geh' nur wieder heim und sag' dem Bauer, er soll nicht so stürmisch sein, das paßt sich nicht für sein Alter!“

„Sell möcht' ich ihm lieber schriftlich bringen oder noch besser, das Gericht schickt ihm einen Beselch (Befehl), aftn (hernach) glaubt er's besser und folgt auch 'm Gericht!“

Jetzt konnte Ehrenstraßer das Lachen nimmer verbeißen und bedeutete durch eine Handbewegung der Bäuerin, daß sie sich aus der Kanzlei entfernen solle.

Gehorsam trippelte das Weiblein hinaus, nahm aber im Zeugenzimmer Platz und wartete dort.

Der scherzhaften, naiven Scene folgte wie im Aprilwetter sogleich der Ernst, indem sich einer der Gendarmen zum Rapport meldete.

Der Richter fragte den in voller Wehr militärisch angetretenen Gendarm Sittl: „Was bringen Sie?“

„Ich bitte gehorsamst um nochmalige Beschreibung des Instrumentes, mit welchem die Truhe beim Amareller erbrochen worden sein dürfte.“

Wie froh ist der Richter jetzt, die damalige Untersuchung so genau genommen und scharf zu Protokoll gegeben zu haben, denn nun kann er dem Sicherheitsorgan die Beschreibung jenes Instrumentes auf das Genaueste vorlesen. Ehrenstraßer that dies und knüpfte daran die Frage, ob Sittl ein derartiges oder ähnliches Instrument vorgefunden habe.

„Zu Befehl, ja, Herr Bezirksrichter!“

„Bei wem?“

„Im Hause des Bauern Weirather, des Nachbars vom Amareller!“

Überrascht rief der Richter. „Nicht möglich! Weirather ischt mir selbst als völlig unbescholtener, allgemein geachteter Mann, in guten Verhältnissen lebend, bekannt. Ein Diebstahl ischt ihm absolut nicht zuzutrauen.“

„Ich weiß auch davon, Herr Bezirksrichter!“

„Wie kamen Sie in sein Haus?“

„Ich wollte kontrollieren, es soll ein Landstreicher bei Weirather übernachtet haben. Bei dieser Gelegenheit bemerkte ich einige auf dem Wandklapptisch liegende Werkzeuge und darunter einen großen Schraubenzieher. Ich dachte, dieses Instrument könnte ähnlich demjenigen sein, mit welchem die Truhe erbrochen worden ischt.“

Ehrenstraßer ward nachdenklich; die Situation erfordert Vorsicht und Klugheit, ein Mißgriff muß vermieden werden. Nach einer Weile fragte der Richter. „Haben Sie sich in den Besitz des Schraubenziehers setzen können?“

„Nein! Ich wollte zuerst bei Ihnen anfragen.“

„Gut! Suchen Sie das Instrument zu bekommen, aber es muß ohne das geringste Aufsehen geschehen. Der Mann darf keine Ahnung von der Absicht und dem Zweck haben. Sie dürfen mit keinem Blick sich verraten. Vielleicht können Sie bei einem nächsten Patrouillengang eintreten und den Schraubenzieher in Abwesenheit des Besitzers ungesehen einstecken.“

„Das wird wohl nicht möglich sein, denn Weirather lebt ohne Dienstboten und ischt immer zu Hause.“

„Wie ischt mir denn? Der Mann soll sehr geizig sein? Hm! Machen Sie die Sache auf folgende Art. Sie sprechen vor bei Weirather, bitten ihn um irgend ein Stück Werkzeug, um eine Schraube an Ihrem Dienstgewehr fester anzuziehen. Vielleicht gelingt es Ihnen, das Instrument unbemerkt einzustecken. Dann kommen Sie damit sofort wieder zu mir in die Kanzlei. Achten Sie auch darauf, ob der Weirather etwa Plattfüße hat!“

„Zu Befehl!“ Der Gendarm blieb noch stehen.

„Haben Sie noch eine Bemerkung vorzubringen?“

„Ja! Ich weiß aber nicht, ob es zur Sache gehört. In nächster Nähe des Weirathgutes fand ich zusammengeknüllt einen Zettel, aus welchem ich nicht klug werden kann.

„Geben Sie her!“

Sittl überreichte einen schmierigen, zerknitterten Zettel, den Ehrenstraßer sorgsam glättete und dann betrachtete. Der Zettel war in folgender Weise bekritzelt:


Im ersten Augenblick dachte der Richter an eine Geheimschrift, die vielleicht ein Verbrecher verloren habe. Das Ding sieht sich höchst rätselhaft an und ist jedenfalls einer Beachtung wert. „Haben Sie Wahrnehmungen über Durchzug von Landstreichern gemacht?“

„Ich habe nur von einem Vaganten gehört und bin demselben nachgegangen. Er dürfte unseren Bezirk aber bereits wieder verlassen haben.“

„Hm! Gehen Sie mit dem Zettel zu Weirather und fragen Sie den Mann, ob vielleicht er ihn verloren oder weggeworfen hat. Wenn dem so sein sollte, so suchen Sie die Erklärung der Zeichen zu erhalten. Man kann nicht wissen, was hinter der Sache steckt.“

Der Gendarm nahm den geheimnisvollen Zettel wieder zu sich und verließ mit stramm militärischem Gruß das Amtslokal.

V

Franz Ratschiller kam aus den Überraschungen nicht mehr heraus; einmal erfuhr er, daß Papa für ihn um Emmys Hand bei Ehrenstraßer angehalten und dessen Zusage bekommen habe; Kommissionär Pfahler trug ihm die Neuigkeit vom Ankauf des Angerergrundes für einen Villenbau zu, auf welchem das „Nest“ für das junge Paar gebaut werden solle. Franzen wirbelte der Kopf und auch die Füße kamen ins Wirbeln, denn Franz lief zu Ehrenstraßer, um sich vom Schwiegerpapa in spe und im besondern von Emmy die beglückende Kunde betätigen zu lassen.

Eine dritte Überraschung enthielt die Mitteilung des alten Ratschiller, daß morgen das Verlobungsdiner stattfinden solle, zu welchem Bezirksrichters, Doktors u. s. w. geladen seien.

Papa Ratschiller forderte von Franz keinerlei Büreauarbeit, ja er entband den Sohn ausdrücklich von allen dienstlichen Verpflichtungen unter der Beifügung, daß ein verliebter Verlobter nur Unheil im Geschäft anrichten könnte. Es solle Franz daher nur nach Herzenslust schwärmen und von der Braut träumen. Das ließ sich der junge Mann natürlich nicht zweimal sagen und enteilte in höchster Glückseligkeit.

In seinem Komptoir zog der Fabrikherr freilich das Gesicht in Falten, er sah nichts weniger denn heiter und sorgenlos aus, als er im Katasterauszug immer wieder zu rechnen begann. Ratschiller sen. war in einer Nacht jäh erwacht aus schwerem Traum, in welchem ihn ein entsetzlicher Gedanke gepeinigt hatte, der Gedanke, daß Mergelmangel in den angekauften Grundstücken und Berghalden eingetreten, die Cementfabrik ohne Steine sei und daher den Betrieb einstellen müsse. Der blanke Ruin und Bankerott. In jener Nacht saß der Fabrikherr wie erstarrt in seinem Bett und vermochte sich nicht klar darüber zu werden, was nun Traum oder Wahrheit sei. Mitten in der Nacht in das Komptoir zu gehen und im Katasterauszug nachzurechnen, ist nicht möglich, würde die Gattin auch zu sehr erschrecken. So verbrachte der alte Herr in einem schrecklichen Zustande der Angst den Rest der Nacht im Bett und quälte sich mit Konkursgedanken. Am frühen Morgen, unter Verzicht auf das übliche Frühstück, begab sich Ratschiller ins Komptoir und holte die Schriftstücke und Pläne aus der Kasse, um den Besitz an Grund und Boden, die Zahlen betreffs der Steinbrüche einer gründlichen Prüfung zu unterziehen. Die erstmals vorgenommene Addition ergab ein völlig befriedigendes Resultat, und der Fabrikant atmete erleichtert auf. Dann aber nagte der schreckliche Zweifel wieder im Kopf, die Besitzzahlen wurden erneut zusammengezählt und merkwürdigerweise kam nun heraus, daß die Fabrik in absehbarer Zeit Mangel an Gestein zum Verarbeiten haben müsse. Das wiederholte sich des Öfteren mit pro und contra und schließlich wußte Ratschiller, der sonst so ruhig und klar denkende Mann selbst nicht mehr, wie es um seinen Grundbesitz steht. Wen soll er darüber befragen? Der Fabrikleiter bleibt, weil nicht informiert, außer Betracht. Auskunft über die Katasterzahlen könnte der Evidenzhaltungsgeometer geben, aber kein Fabrikherr wird solchen Zweifel einem Unbeteiligten mitteilen, denn ein Gerede wäre nicht zu vermeiden, und hört die Konkurrenz davon auch nur ein einziges Wörtchen, so sind die geschäftlichen Folgen gar nicht übersehbar und von einschneidender Wirkung.

Ratschiller versuchte es, den Grundbesitz graphisch darzustellen, Berg um Berg, die zur Ausbeutung angekauft sind, zeichnete er auf einen Bogen Papier und strich davon durch, was im Abbau sich befindet. Es verbleibt ein stattlicher Rest an Grundbesitz, der auf Jahrzehnte hinaus zum Abbau reichen wird. Und da kam der gräßliche Zweifel wieder in der Frage: „Wie aber, wenn die angekauften Berge nicht das nötige Gestein enthalten? Wie, wenn die chemische Analyse ergeben würde, daß nur der minderwertige Romancement erzeugt werden könnte?“ In gigantischen Ziffern sah der Fabrikherr den Ruin vor dem geistigen Auge. Und solche Gedanken quälen ihn jetzt, da er im Begriffe steht, die große Luftseilbahn in Scene zu setzen. Das nötige Grundstück ist erworben, die Behörden haben die Konzession zur Anlage erteilt, welcher nach den Probefahrten die Erlaubnis zur Betriebseröffnung folgen wird. Mit Bleichert & Co. ist alles vereinbart, die Drahtmenge &c. unterwegs, der Ingenieur zur Seilbahnerbauung muß jeden Tag eintreffen, die Pläne sind fertig ausgearbeitet.

Ratschiller ist's, als will ihm der Kopf zerspringen. Wie und wo den Ausweg finden, wie den geradezu lähmenden Zweifel losbringen?

Am Telephon lärmte die Klingel. Ratschiller trat an den Apparat, der das „Allerheiligste“ mit dem Büreau der Fabrikleitung verbindet, und fragte nach dem Begehr Hundertpfunds.

Wie Musik klingt es Ratschiller aus dem Hörrohr in sein Ohr. „Herr Chef! Soeben im Eibberg erstmalig mit Janit gesprengt, ein kolossales Mergellager liegt offen von einer ganz unerwarteten Mächtigkeit. Gratuliere!“

„Danke!“ vermochte der Chef noch zu stammeln; das Hörrohr auf den Haken zu hängen war er nicht mehr fähig. Vor den Augen ward es schwarz, Hände und Kniee zitterten, der alte Mann war einer Ohnmacht nahe. Er schleppte sich zu seinem Stuhl, ließ sich hineinfallen und weinte.

Thränen wirken immer lindernd. Nach einem Halbstündchen war Ratschiller wohl, die alte Elasticität kehrte wieder, froh und heiter packte er die Schriften und Pläne in den Schrank und begab sich in die Privatwohnung hinauf.

Am Telephon knatterte es, doch konnte wegen Ausschaltung des Hörrohres die Klingel nicht funktionieren, der Fabrikleiter also keine weitere Meldung erstatten. Das Knattern ward in den übrigen Zimmern nicht gehört.

Tags darauf fanden sich die Geladenen zum Verlobungsdiner ein im glänzend geschmückten Speisesaale der Familie Ratschiller. Die Wohlhabenheit des Fabrikherrn kündete das feine Mobiliar wie der reiche Tafelschmuck in Silber und Gold. Alles war festlich gekleidet und in bester Laune. Die Verlobten strahlten vor Glückseligkeit, die Väter drückten sich die Hände, Frau Ehrenstraßer überschüttete die Gesellschaft mit einem welschen Wortschwall, und sagte es jedem, der ihr in den Weg kam, daß sie die glücklichste Frau von ganz Tirol sei. Franzens Schwestern beglückwünschten Emmy unaufhörlich und mengten Toilettefragen dazwischen, Frau Ratschiller als Hausdame kümmerte sich mehr um regelrechtes Servieren und kommandierte das Dienstbotenpersonal in vornehm-ruhiger Art. Wichtig hatten es Herr und Frau Doktor von Bauerntanz, indem der dicke Gemahl dem Bräutigam, der nur mit halbem Ohr zuhörte, die wichtige Lebensregel auseinandersetzte, daß man vor lauter Liebe niemals auf einen ordentlichen Tarok vergessen dürfe. Frau von Bauerntanz brillierte in ihrer blonden Schönheit und in einem Seidenkleid, das früher ihr Hochzeitskleid gewesen, und kokettierte kräftig mit Herrn Hundertpfund, welcher mit größter Bereitwilligkeit auf die Augensprache einging, und der schmucken, üppigen Frau den Hof machte. Der Fabrikleiter war aber auch ein begehrenswerter, bezaubernder Mann, der es verstand, mit Damen umzugehen, sich unwiderstehlich zu zeigen. Wie glänzen doch seine schwarzen Augen, wie sympathisch ist seine Haltung, anziehend, lockend, so ganz anders als die Provinzlergestalten in der Herrenwelt des Städtchens, nicht schwerfällig, sondern schlank und elegant, ausdrucksvoll jeder Blick, jede Miene und Geste, schmale Hände in modernen, feinen Handschuhen, sonor und weich und wohlklingend die Stimme, verheißungsvoll. Frau von Bauerntanz wollte nach ihrer ursprünglichen Absicht mit diesem Idealmanne nur kokettieren, den Kitzel eines Spieles auf sich wirken lassen, den feschen Mann in sich verliebt machen, um ihn selbstverständlich dann in der Kniestellung auszulachen, denn sie fühlt sich als hochanständige Frau.

Man nahm Platz an der herrlichen Tafel. Braut und Bräutigam zärtlich nebeneinander, dann immer ein Herr zwischen den Damen. Den Bezirksarzt traf das Los, die Richterin zur Nachbarin zu bekommen, und er fügte sich würdevoll ins Unvermeidliche, wobei er gleichzeitig die dürftigen Sprachkenntnisse des Südens hervorkramte. Seine Gattin kam neben Hundertpfund zu sitzen und hatte schon vor dem Champagner ein leuchtend Rot in den feingeschnittenen Öhrchen.

Die Festrede hielt Papa Ratschiller in kerniger, kurzer Weise, zu deren Schluß der Sekt in den Gläsern schäumte und allseitig das übliche Hoch auf das Brautpaar erklang. Nun sind die Schleusen der Beredsamkeit geöffnet, der reichlich, schier verschwenderisch gegebene Champagner that ein Übriges, die Etikette lockerte sich zur zwanglosen Unterhaltung und zu freieren Sitten.

Übermütig lustig ward Frau von Bauerntanz, die in gierigen Zügen diese so seltenen Lebensfreuden genoß, und es willig duldete, daß ihr Tischnachbar ein Rendezvous forderte. Kichernd nickte sie Hundertpfund zu und animierte ihn zum weiteren Erzählen von Pikanterien aus der Großstadt. Als das Diner zu Ende ging, war die Doktorin es, die den bezaubernden Nachbar animierte, den Verkehr im Hause durch eine Staatsvisite aufzunehmen, und Hundertpfund warf ihr einen seiner feurigen Blicke zu, der die hübsche Frau erglühen machte bis zu den Haarwurzeln hinauf. Im lustigen, weinfrohen Getriebe blieb das Spiel der beiden völlig unbeachtet, die andern waren mit sich selbst und den Flaschen beschäftigt.

Spät endete das Fest, und auch das Abschiednehmen und Bedanken fand einen Schluß. Plaudernd entfernten sich die Gäste. Franz begleitete Emmy nach Hause. Ratschiller sen. fühlte sich nicht recht wohl, er fand Luft und Cigarrendampf erstickend, und begab sich zur Ruhe, nachdem er der Gattin jegliche Sorge ausgeredet hatte.

Ruhe! Ja, wenn die Träume nicht wären. Wieder diese entsetzlichen Traumbilder vom Steinmangel und Konkurs. Ratschiller verbrachte diese Nacht so schlecht wie die früheren.

3.In den Alpenländern deutscher Zunge bis hinein nach Niederbayern sagt das Bauernvolk „Okta“ für Notar.
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30 kasım 2018
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