Kitabı oku: «Blu Ize»
Table of Contents
Appetizer Band 1
KOVD Online
Titelseite
Impressum
Zwischenspiel
I
II
III
IV
V
VI
Der Autor
Meine literarische Zuflucht
APPETIZER
Band 1
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DYSTOPIE
Impressum
Alle Rechte vorbehalten.
Copyright © dieser Ausgabe 2020 by KOVD Verlag, Herne
Artwork und Buchschmuck: Sascha Lubenow
Illustration: Lupus
Nachdruck und weitere Verwendung
nur mit schriftlicher Genehmigung.
ISBN: 978-3-96969-563-0
Zwischenspiel
Hier bin ich wieder. Der Typ, der – ganz ähnlich wie Sie – Vorworte ums Verrecken nicht ausstehen kann. Wer meine Bücher »DIE WEISSEN MÄNNER« oder »MADENJÄGER 1+2« (»Mr. Munchkin« & »Red Meadows«) kennt, weiß, dass ich so etwas nicht einfach nur dahersage. Nein, da bin ich konsequent. Daher gibt es auch hier keins dieser verhassten Preludien, die eh kein Mensch liest. Das, was Sie hier soeben lesen, ist dagegen eine notwendige Erläuterung, ein kleiner Wegweiser im Labyrinth von UMC-World.
Mit diesem kleinen Buch halten Sie zwar den Auftaktband der neuen Reihe »APPETIZER« des KOVD Verlags in Händen, doch die kleine Novelle »Blu Ize« stellt alles andere als einen Anfang dar. Hier sind wir schon mitten im Geschehen. Wer noch keinen Schimmer von UMC haben sollte (was keineswegs ehrenrührig aber höchst bedauerlich ist), sollte wissen, dass wir uns in einer nicht mehr fernen Zukunft befinden. Megakonzerne haben die Kontrolle über die einzelnen Staaten übernommen. Einer der mächtigsten Global Player ist die UMC, die mit unzähligen Tochtergesellschaften alles herstellt, was das Herz begehrt. Angefangen von Raum Cruisern, über Kleidung und Lebensmittel bis hin zu Unterhaltungselektronik der verrücktesten Art.
Den größten Umsatz generiert UMC mit humanoiden und animalischen Replikanten, sowie virtuellen Spielen. Nichts ist einfacher zu kontrollieren, als ein Kunde, der sich in künstlichen Welten verliert.
Ein seltsamer Virus hat jedoch einen Großteil der KI-gesteuerten Wesen und Geräte befallen. Vielerorts kommt es zu tödlichen Zwischenfällen. UMC setzt natürlich alles daran, diese Unfälle geheim zu halten. Auf unerklärliche Weise scheint der Virus zudem auch wieder verschwunden zu sein. Ein Trugschluss, wie sich schnell herausstellt. Ein unbekannter Feind streckt seine Fühler aus, um nicht nur die UMC, sondern die gesamte Menschheit zu vernichten.
Zwischen diese Fronten gerät Sonderermittler Jaron Hatamura (Lesern meiner Novelle »Die Dunwich-Pforte« wird der Name bekannt sein). Er ist Mitglied der Unit-R, die sich vor allem mit Ausfällen bei Replikanten beschäftigt. Diesmal erlebt er allerdings ein grausiges Massaker unter zugedröhnten Musikfans.
Willkommen in der Welt von Cyberlypse und Cypsees!
Das Ende ist nah, doch es steht erst noch an der Schwelle. Wir spielen einen kleinen apokalyptischen Gig. Auf zum Zwischenspiel. Rock ’n’ Roll UMC!
Die folgende Erzählung spielt ein paar Monate vor der »Dunwich-Pforte«. Es ist nicht unbedingt notwendig, die Novelle zu kennen, wie so oft ergeben sich aber im positiven Fall bestimmt ein paar Aha-Erlebnisse.
Weitere Infos zu UMC finden sich unter:
http://www.arthur-gordon-wolf.de/index.php/umc
(Arthur Gordon Wolf im August 2020)
Gers Wohnung lag in einem der nördlichen Außenbezirke der Stadt, dort, wo die Trennlinie zwischen Zivilisation und Wildnis keine scharfen Konturen mehr aufwies. Alles ging nahtlos ineinander über.
Da sich keine Chee-B-B Taxen in diese Gegend wagten, war Pokey die letzten sechs Blocks gezwungenermaßen zu Fuß gelaufen. Je weiter er sich dem Stadtrand näherte, umso dreckiger und verfallener wurde die Umgebung. Viele der einstmals prachtvollen Häuser standen nun leer oder wurden nur noch von einigen wenigen ›Unbelehrbaren‹ bewohnt. Risse an den Fassaden und dunkle fensterlose Löcher kündeten vom unabwendbaren Verfall.
Die wenigen Menschen, denen Pokey auf seinem Weg begegnete, schienen sich der düsteren Gegend angepasst zu haben. Er sah fast nur ausgezehrte Gestalten in abgetragener, halb zerrissener Kleidung, die gebeugt ihren unbekannten Zielen entgegen wankten. Scheintote Zombies. Wenn man sich jedoch die Mühe machte, (oder den Mut besaß), in ihre Gesichter zu blicken, so konnte man dort nicht selten ein böses gieriges Glühen in den Augen entdecken. Hass und Gier waren offenbar die einzigen Emotionen, die diese ausgemergelten Körper noch zusammen hielten. Pokey verspürte jedoch keine Angst. Er war fast einsneunzig groß und wog knapp hundert Kilo. Das meiste davon waren Muskeln. Trotz seines recht ungesunden Lebenswandels war es ihm irgendwie gelungen, seinen Körper topfit zu halten. Pokey war ein Spieler, wie sein Spitzname verriet; gleichzeitig bedeutete Pokey aber auch Knast. Der Name traf bei ihm daher gleich doppelt ins Schwarze. Einige seiner Spielereien waren schief gelaufen und so hatte er zwei Jahren in St. Vicious absitzen müssen. Wegen Betruges und schwerer Körperverletzung.
»Shit happens«, lautete sein Lebensmotto und er nahm die Dinge, wie sie kamen. Bedauern und Grübeln gehörten dabei nicht zu seiner Philosophie. Man musste halt das Beste aus allem machen. Was geschehen war, war geschehen. »Basta!«, und wer aus den Fehlern der Vergangenheit nichts lernte, war ein Idiot. Ansonsten existierte für ihn nur eine Dimension: das Hier und Jetzt. Und wie es aussah, liefen die Dinge momentan gar nicht schlecht für ihn.
Gers Unterschlupf befand sich im Dachgeschoss eines dreistöckigen Hauses, das sicher schon zur Zeit der Verbrennungsmotoren als »Altbau« bezeichnet worden war. Erker mit hohen Fenstern und mehrere spitze Türme verliehen dem Gebäude eine beinahe schon unwirkliche Aura. Wie aus einem verdammten Virtual Reality Spiel, dachte Pokey. ›Cold Blood Manor‹
Alle Fenster im Erdgeschoss und der ersten Etage waren mit Brettern vernagelt. Wilde Graffiti Tags zierten die Fassade. Die Sprayer hatten ihre Symbole und Messages so oft übereinander gesprüht, dass sich kaum noch einzelne Bilder oder Worte entziffern ließen. Das marode Fundament hatte sich in einem grellen Farbstrudel aufgelöst, so, als ob das gesamte Haus in einem wahnsinnigen Drogenrausch dahin dämmerte. Als Pokey zum Eingang schlurfte, wurde er dennoch von einem Schriftzug abgelenkt.
›THANNAG-SHI RULEZ!‹ war dort mit neongrüner Farbe aufgesprüht worden, gleich über ein rotes ›CCs 4 EVER!‹.
CCs stand für Cyber Cranks, Aussteiger, Punks, Lebenskünstler, zu denen sich auch Ger und Pokey zählten. Bei THANNAG-SHI handelte es sich dagegen um einen mysteriösen Namen, der vor einigen Monaten plötzlich überall in der Stadt aufgetaucht war. Niemand wusste, wer oder was sich dahinter verbarg. Eine Gang? Eine Band? Oder wieder nur irgendein genial verrückter Werbefeldzug von UMC und Konsorten? An einigen Orten in der City hatte er auch noch düstere Zusätze wie ›DIE ALTE SCHLANGE IM HAUSE DES YITHLAN‹, ›KÖNIGIN DES NEUEN REICHS‹ oder ›RUFERIN DER TOTEN‹ gefunden. Total abgedrehtes Zeug. Wenn es sich um eine PR-Aktion handelte, war sie jedenfalls geschickt eingefädelt worden.
Pokey hielt sich nicht erst mit Schellen auf. Er verpasste der Eingangstür stattdessen einen groben Fußtritt, der sie krachend gegen die Innenwand des Flures schlagen ließ. Vor einigen Jahrzehnten hatte es hier zumindest einen Key-Sensor und eine Video-Cam gegeben; seitdem aber der Großteil der Mieter das Weite gesucht hatte, waren auch die einfachsten Sicherheitsvorkehrungen verschwunden. Nun konnte jeder, dem der Sinn danach stand, das Haus betreten. Pokey musste grinsen. Diesbezüglich herrschte hier wirklich kein großer Andrang.
Der Flur war ein hoher schmaler Schacht, dessen Beleuchtung sich etwa zusammen mit den Überwachungskameras verabschiedet hatte. Nur das letzte Drittel wurde vom angrenzenden Treppenhaus in einen nebligen Lichtschleier gehüllt.
Mit ausgestreckten Armen tastete sich Pokey vorwärts. Als sein Schuh gegen ein Hindernis stieß, verlor er kurzzeitig das Gleichgewicht, konnte sich aber an einer Wand wieder abfangen.
»Verfluchte Zombiekacke!«
Er hatte in etwas Weiches getreten. Das unangenehme Gefühl war von einem Rascheln begleitet worden. Erstmals empfand er das Dämmerlicht als eine Gnade. Er wollte nicht wirklich sehen, was dort vor ihm auf dem Boden lag. Der einsetzende Gestank von Verwesung ließ ihn nur noch schneller zur Treppe hinüber eilen. Wahrscheinlich nur ein dämlicher Müllsack, dachte er. Für einen menschlichen Körper war das Ding zu leicht und zu klein gewesen und Tiere hatten sich schon seit langem aus allen städtischen Bereichen zurückgezogen. Selbst Ratten und Mäuse. Aber es gab halt immer Leute, die selbst einen derart abstoßenden Flur als Teilzeitunterkunft nutzten und sich im wahrsten Sinne des Wortes einen Dreck um Hygiene scherten.
Immer wieder seine Sohle von unsichtbarem Schleim befreiend und mit offenem Mund atmend, hastete Pokey weiter.
Das Haus hatte nie einen Aufzug besessen und so musste er notgedrungen die 112 Stufen bis hinauf zum Dach aus eigener Kraft erklimmen. Pokey trug es mit Fassung. Er wäre nämlich ohnehin niemals in einen Lift gestiegen. Durch einige der Leitungen floss zwar noch immer Elektrizität, doch er traute der Technik nicht. Überhaupt keiner Technik, um genau zu sein. Aufzüge waren allerdings sein ganz besonderes ›Steckenpferd‹. Es gab nur wenige Dinge, die ihm Angst machten; Dunkelheit, Ungeziefer oder einer Horde schreiender Angreifer begegnete er mit einem Lächeln. Über Krankheit und Tod zerbrach er sich nicht den Kopf. Das, was ihm jedoch den kalten Schweiß auf die Stirn brachte und seine Hände unkontrolliert zittern ließ, waren kleine viel zu enge Räume. Kleine abgeschlossene viel zu enge Räume. Die wüsten Stories, die man sich überall über eingeschlossene Menschen in Aufzügen erzählte, trugen wenig dazu bei, seine Phobie abzuschwächen. Geschichten von Menschen, die erst Wochen später nach einem Stromausfall gefunden wurden. Von kleinen Gruppen, die wie Kannibalen gewütet hatten und von Einzelpersonen, die in ihren schwebenden Särgen langsam dem Wahnsinn verfallen waren.
Das hohe ausladende Treppenhaus wirkte dagegen beinahe wie der Aufgang in einem öffentlichen Park. Licht durchflutet, mit breiten Stufen und einem aus verschlungenen Pflanzenornamenten gestalteten Geländer. Diesem Detail schien der Architekt ähnlich viel Aufmerksamkeit gewidmet zu haben, wie den eigentlichen Wohnungen.
Auch wenn die Stufen nun mit Staub und Müll verdreckt waren und überall an den Wänden grelle Graffitis prangten, so konnte man doch den Luxus und die Anmut erahnen, die früher einmal hier geherrscht hatten.
Auf dem Weg nach oben begegnete ihm keine Menschenseele. Kein Wunder, dachte er. Wie ihm Ger erzählt hatte, wohnte außer seinem Freund nur noch eine alte schwerhörige Frau im zweiten Stock. Und die Dame hatte seit mehreren Jahren keinen Schritt mehr vor die Wohnungstür gesetzt.
Noch bevor Pokey den dritten Stock erreicht hatte, hörte er das dumpfe Dröhnen. Tiefe Bässe, die sein Hemd aber auch die Haut darunter in Schwingungen versetzte. Er schüttelte grinsend den Kopf. Ger hatte die Boxen mal wieder auf hirnzerfetzend aufgedreht.
Mit jeder Stufe nahm die Lautstärke zu. Erste Wortfetzen zwängten sich jetzt kreischend zwischen dem wummernden Dröhnen hervor.
»Axtsommer«, »dein blutiges Herz«, »Finsternis – für immer«, »ich spalte dein Lächeln«, »deinen Schwanenhals«, »das Geheul der Reißnägel«, »Axtsommer«. Typischer Cyberlypse. Der Begriff setzte sich aus den Worten »Cyberspace« und »Apokalypse« zusammen und war ein fast abstrakter Musikstil. Holo-Bilder wurden mit beinahe schmerzhaften, oft arrhythmischen Klängen untermalt, die bis weit in den unhörbaren Infraschallbereich gingen. Texte als solche existierten nicht; oft schrien die Sänger einfach nur assoziative Satzfragmente in ihre Mikros. Livemitschnitte waren in der Szene heiß begehrt, da ein und derselbe Song verschiedenste Inhalte besitzen konnte. Ein wenig erinnerte die Musik an klassischen Death Metal, Cyberlypse verstand sich jedoch als wesentlich düsterer und nihilistischer als sein zahmer Vorgänger. Allen Textfragmenten war gemeinsam, dass sie von Tod, Sinnlosigkeit, Verdammnis und Dämonen handelten.
Ungerührt tauchte Pokey in den Klang-Hurrikan ein und bezwang auch die etwas schmalere Steige hinauf zum Dachgeschoss. An der Eingangstür wurde der Besucher von einem verknitterten Holo-Poster begrüßt. Das Bild zeigte einen halb verwesten Totenschädel mit weit aufgerissenem Mund. Hautfetzen und kleinere Haarbüschel ließen den Kopf weitaus abstoßender wirken, als ein kahler Schädel. In einer der leeren Augenhöhlen wand sich eine fette Made, während aus dem löchrigen Kiefer eine undefinierbare grünliche Substanz tropfte. Durch die Knicke wurde der 3D-Effekt zwar deutlich abgemildert, doch auch so wäre der Zombie locker dazu in der Lage gewesen, jedes Damenkränzchen in ein Tollhaus kreischender Furien zu verwandeln.
Unter dem Kopf, halb von grünem Schleim umrahmt, stand: CYPSEE TERRITORY – FUCK OFF!
Pokey ließ sich allerdings weder von dem Bild, noch von der freundlichen Warnung abschrecken; stattdessen tätschelte er dem Untoten zärtlich den virtuellen Kopf und ging noch einen Schritt näher.
»Du entschuldigst, Fester?«
Er hatte den Zombie nach einer Figur aus einer antiken 2D-Horror-Serie benannt.
Er holte kurz aus und schlug Fester mit der Faust genau zwischen die Augen. Zweimal. Dreimal. Das Pochen war sehr laut, doch die Musik, die aus jeder Mauerritze zu dringen schien, saugte die Schläge förmlich auf.
Pokey seufzte. Immer das gleiche Spiel. Gers Wohnung besaß keine Schelle; das ehemalige Motion-Voice-Interface hatte sein Kumpel schon vor Ewigkeiten abmontiert, weil er es ohnehin nie gehört hätte. Leider aber war die Tür mit Titanplatten verstärkt und mehreren Schlössern gesichert. Wollte man einen gebrochenen Knöchel vermeiden, schied ein einfaches dagegen treten wie unten am Eingang als Option jedenfalls aus. Demnach blieb nur, Festers widerliche Visage so heftig wie möglich mit Faustschlägen zu traktieren. Immer und immer wieder. Pokey zeigte dabei wenige Hemmungen; der größte Schaden war ohnehin schon angerichtet.
Für einen kurzen Moment verstummten die unsichtbaren Boxen. Pokey zählte genau vier donnernde Schläge auf Fester, bevor alles wieder von einem Trommelfell explodierenden Cyberlypse-Wahnsinn überschwemmt wurde. Er trommelte dennoch weiter, bis sein Handgelenk zu schmerzen begann.
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