Kitabı oku: «Der einsame Weg», sayfa 2
Fünfte Szene
Johanna, Sala, Doktor Reumann, Felix, Frau Wegrat. – Professor Wegrat tritt auf.
WEGRAT. Guten Abend. – Wie, Felix, du bist wieder da? Das ist aber eine Überraschung!
FELIX. Guten Abend, Papa. Ich habe mir auf zwei Tage Urlaub genommen.
WEGRAT. Urlaub ... Urlaub? Ist's wirklich einer? Oder ist's nicht etwa wieder so ein kleiner Geniestreich?
FELIX leicht, nicht verletzt. Ich pflege doch nicht die Unwahrheit zu reden, Vater.
WEGRAT auch scherzend. Ich wollte dich nicht beleidigen, Felix. Auch wenn du fahnenflüchtig geworden wärst, die Sehnsucht nach der Mutter dürfte als genügende Entschuldigung gelten.
FRAU WEGRAT. Die Sehnsucht nach den Eltern!
WEGRAT. Natürlich – nach uns allen. Aber da du jetzt etwas leidend bist, bist du die Hauptperson. – Nun, wie geht's, Gabriele? Besser, nicht wahr? Leise, beinahe schüchtern. Meine Liebe ... Streichelt ihr Stirn und Haare. Liebe ... Die Luft ist so lind.
SALA. Es ist ein wundervoller Herbst.
DOKTOR REUMANN. Sie kommen jetzt erst aus der Akademie, Herr Professor?
WEGRAT. Ja. Ich bin ja jetzt auch Direktor, da gibt's eine ganze Menge zu tun – und nicht immer Amüsantes und Dankbares. Aber wie man behauptet, bin ich dazu geschaffen. Es wird wohl so sein. Lächelnd. Wie irgendwer einmal über mich sagte: Kunstbeamter.
SALA. Seien Sie nur nicht ungerecht gegen sich, Herr Professor.
FRAU WEGRAT. Wahrscheinlich bist du auch wieder den ganzen langen Weg zu Fuß gegangen?
WEGRAT. Ich habe sogar einen kleinen Umweg gemacht – über die Türkenschanze. Ich liebe diesen Weg so sehr. An Abenden wie heute liegt die ganze Stadt unten wie in silbernen Hauch gebadet. – Übrigens hab' ich dir Grüße zu bringen, Gabriele. Ich bin Irene Herms begegnet.
FRAU WEGRAT. Sie ist in Wien?
WEGRAT. Vorübergehend. Sie will dich dieser Tage besuchen.
SALA. Ist sie noch in Hamburg engagiert?
WEGRAT. Nein. Sie hat die Bühne verlassen, wie sie mir erzählt, und lebt bei ihrer verheirateten Schwester auf dem Land.
JOHANNA. Ich habe sie einmal in einem Stück von Ihnen spielen sehen, Herr von Sala.
SALA. Da müssen Sie aber noch ein ganz kleines Mädchen gewesen sein.
JOHANNA. Sie gab eine spanische Prinzessin.
SALA. Leider. Prinzessinnen waren ihre Sache wahrhaftig nicht. Sie hat ihr Lebtag keine Verse sprechen können.
DOKTOR REUMANN. Und daran denken Sie heute noch, Herr von Sala, daß irgend eine Dame irgend einmal Ihre Verse schlecht gesprochen hat?
SALA. Warum sollt' ich nicht, lieber Doktor? Wenn Sie im Mittelpunkt der Erde wohnten, wüßten Sie, daß alle Dinge gleich schwer sind. Und schwebten Sie im Mittelpunkt der Welt, dann ahnten Sie, daß alle Dinge gleich wichtig sind.
FRAU WEGRAT. Wie sieht sie denn aus?
WEGRAT. Sie ist noch immer recht hübsch.
SALA. Ob sie noch Ähnlichkeit mit ihrem Bild bewahrt hat, das im Museum hängt?
FELIX. Was ist das für ein Bild?
JOHANNA. Es hängt ein Bild von ihr im Museum?
SALA. Sie kennen es gewiß. »Schauspielerin« ist es im Katalog benannt, schlechtweg »Schauspielerin«. Ein junges Weib in einem Harlekinskostüm, darüber eine griechische Toga geworfen, ihr zu Füßen ein Gewirr von Masken. Ganz allein, den starren Blick auf den Zuschauerraum gerichtet, steht sie auf einer leeren, halb dunkeln Bühne, zwischen Kulissen, die nicht zueinander passen. Ein Stück Zimmerwand, ein Stück Wald, ein Stück Burgverließ ...
FELIX. Und der Hintergrund stellt eine Landschaft im Süden vor, mit Palmen und Platanen ...?
SALA. Ja. Die halb aufgerollt ist, so daß man weiter rückwärts einen Haufen von Möbeln, Stufen, Bechern, Kronen im hellen Tageslicht schimmern sieht.
FELIX. Das ist ja das Bild von Julian Fichtner?
SALA. Freilich.
FELIX. Ich wußte gar nicht, daß die Frauengestalt Irene Herms darstellen sollte.
WEGRAT. Das sind nun mehr als fünfundzwanzig Jahre, daß er das Bild gemalt hat. Es machte gewaltiges Aufsehen damals. Es war sein erster großer Erfolg. Und heute gibt es vielleicht eine ganze Menge von Leuten, die seinen Namen nicht mehr kennen. – Übrigens hab' ich Irene Herms nach ihm gefragt. Aber seltsam, auch die »ewige Freundin« weiß nicht, wo in der Welt er sich herumtreibt.
FELIX. Ich hab' ihn erst vor wenigen Tagen gesprochen.
WEGRAT. Wie?! Du hast Julian Fichtner gesehen? Er war in Salzburg? ... Wann denn?
FELIX. Es sind erst drei oder vier Tage her. Er hat mich aufgesucht, und wir haben einen Abend miteinander verbracht.
FRAU WEGRAT wirft einen Blick auf Doktor Reumann.
WEGRAT. Wie geht's ihm denn? Was hat er dir denn erzählt?
FELIX. Ein wenig grau ist er geworden, aber sonst schien er mir kaum verändert.
WEGRAT. Wie lang mag er jetzt von Wien fort sein? Zwei Jahre, nicht wahr?
FRAU WEGRAT. Etwas drüber.
FELIX. Er hat große Reisen gemacht.
SALA. Ja, gelegentlich erhielt ich eine Karte von ihm.
WEGRAT. Wir auch. Aber ich dachte, daß Sie mit ihm in regelmäßiger Korrespondenz stünden.
SALA. Regelmäßig? Nein.
JOHANNA. Ist er nicht Ihr Freund?
SALA. Freunde hab' ich im allgemeinen nicht. Und wenn ich sie habe, verleugne ich sie.
JOHANNA. Aber früher sind Sie doch so intim mit ihm gewesen.
SALA. Er doch eigentlich mehr mit mir als ich mit ihm.
FELIX. Wie meinen Sie das, Herr von Sala?
JOHANNA. Ich versteh' das sehr gut. Es geht Ihnen wohl mit den meisten Menschen so.
SALA. Ähnlich zum mindesten.
JOHANNA. Man merkt das auch an den Sachen, die Sie schreiben.
SALA. Hoff ich. Sonst könnte sie auch wer anderer schreiben.
WEGRAT. Sagte er denn nicht, wann er wieder nach Wien kommt?
FELIX. Ich glaube bald. Aber sehr bestimmt hat er sich nicht ausgedrückt.
JOHANNA. Ich möchte Herrn Fichtner gern wiedersehen. Ich habe solche Menschen gern.
WEGRAT. Was nennst du »solche Menschen«?
JOHANNA. Die immer von weit herkommen.
WEGRAT. Aber als du ihn kanntest, Johanna, kam er doch meistens ganz aus der Nähe ... er lebte ja hier.
JOHANNA. Das ist ja ganz gleichgültig, ob er hier lebte oder anderswo. – Auch wenn er täglich kam, mir war immer, als käm' er von sehr weit.
WEGRAT. Nun ja ...
FELIX. Das hab' ich auch manchmal empfunden.
WEGRAT. Ist es nicht seltsam, wie er durch die Welt jagt, in den letzten Jahren wenigstens?
SALA. Steckt diese Unruhe nicht seit jeher in ihm? Sie waren ja schon auf der Akademie mit ihm zusammen.
WEGRAT. Ja. Und damals mußte man ihn gekannt haben, um ihn wirklich zu kennen. Als junger Mensch hatte er etwas Faszinierendes, Blendendes. Nie hab' ich jemanden gekannt, auf den das Wort »vielversprechend« so zutraf wie auf ihn.
SALA. Nun, er hat doch mancherlei gehalten.
WEGRAT. Aber was hätte er alles erreichen können! ...
DOKTOR REUMANN. Ich glaube, was man hätte erreichen können, das erreicht man auch.
WEGRAT. Nicht immer. Julian war gewiß zu Höherem bestimmt. Was ihm gefehlt hat, war die Fähigkeit, sich zu sammeln, der innere Friede. Er konnte sich nirgends dauernd heimisch fühlen; und das Unglück war, daß er sich auch in seinen Arbeiten sozusagen nur vorübergehend aufhielt.
FELIX. Er hat mir ein paar Skizzen gezeigt, die er in der letzten Zeit gemacht hat.
WEGRAT. Schön?
FELIX. Für mich lag etwas Ergreifendes in ihnen.
FRAU WEGRAT. Warum ergreifend? Was sind's denn für Bilder?
FELIX. Landschaften. Sogar meistens ganz heitere Gegenden.
JOHANNA. Ich habe einmal im Traum eine Frühlingslandschaft gesehen, ganz sonnig und mild, und doch hab' ich über sie weinen müssen.
SALA. Ja, die Traurigkeit steckt in den Dingen oft viel tiefer verborgen, als man ahnt.
WEGRAT. Also er arbeitet wieder? Da kann man sich ja vielleicht was besonderes erwarten.
SALA. Bei jemandem, der einmal ein Künstler war, ist man nie vor Überraschungen sicher.
WEGRAT. Ja, so ist es, Herr von Sala. Das ist eben der große Unterschied. Bei einem Beamten kann man in dieser Hinsicht ganz ruhig sein. Mit heiterer Selbstironie. Der malt jedes Jahr sein braves Bild für die Ausstellung und kann beim besten Willen nicht anders.
DOKTOR REUMANN. Es ist noch sehr die Frage, wer die Welt und die Kunst weiter bringt: Beamte wie Sie, Herr Professor, oder ... die sogenannten Genies.
WEGRAT. O, es fällt mir gar nicht ein, den Bescheidenen zu spielen. Aber was die Genies anbelangt, von denen wollen wir lieber nicht reden. Das ist eine Welt für sich und außerhalb der Diskussion – wie die Elemente.
DOKTOR REUMANN. Da bin ich allerdings durchaus anderer Ansicht.
WEGRAT. Man kann doch nur von den Leuten sprechen, für die es überhaupt Grenzen gibt. Und da find' ich nun freilich: Wer seine Grenzen besser kennt, das ist der bessere Mann. Und in dieser Hinsicht hab' ich gewiß allen Grund, mich hochzuschätzen. – Ist dir denn nicht kühl, Gabriele?
FRAU WEGRAT. Nein.
WEGRAT. Nimm doch das Tuch fester um und laß uns ein wenig Bewegung machen, so weit das hier möglich ist.
FRAU WEGRAT. O ja, gern. – Bitte, kommen Sie, Doktor, nehmen Sie meinen Arm. Sie haben sich um Ihre Patientin noch gar nicht gekümmert.
DOKTOR REUMANN. Ich stehe zur Verfügung.
Die andern gehen voraus, Johanna mit ihrem Bruder, der Professor mit Sala; Doktor Reumann und Frau Wegrat scheinen sich anzuschließen, bis Frau Wegrat plötzlich stehen bleibt.
Sechste Szene
Frau Wegrat, Doktor Reumann.
FRAU WEGRAT. Haben Sie bemerkt, wie seine Augen leuchteten, – Felix' Augen, als man von ihm sprach? Es war eigentümlich.
DOKTOR REUMANN. Menschen von der Art dieses Herrn Fichtner haben gewiß für jüngere Leute etwas Interessantes. Es weht wie ein Duft von Abenteuern um sie.
FRAU WEGRAT den Kopf schüttelnd. Und er hat ihn besucht ... Er ist offenbar nach Salzburg nur gefahren, um ihn wiederzusehen. Er fängt wohl an, sich ziemlich verlassen zu fühlen.
DOKTOR REUMANN. Warum sollte man einen jungen Freund nicht besuchen, wenn man zufällig seinen Aufenthaltsort berührt? Daran find' ich nichts Merkwürdiges.
FRAU WEGRAT. Vielleicht haben Sie recht. Vielleicht hätt' ich die Sache früher geradeso aufgefaßt. Aber jetzt, im Angesicht ... Nein, Doktor, ich will nicht pathetisch werden.
DOKTOR REUMANN. Gegen das Pathos hab' ich nichts, nur gegen den Unsinn.
FRAU WEGRAT lächelnd. Ich danke Ihnen. – Immerhin, ich habe Anlaß, über allerlei nachzudenken. Das ist weiter nicht schwer zu nehmen, lieber Freund. Sie wissen ja, ich habe Ihnen alles nur erzählt, um mit einem klugen und guten Menschen über Vergangenes reden zu können; nicht etwa, um von einer Schuld losgesprochen zu werden.
DOKTOR REUMANN. Glücklich machen ist besser als schuldlos sein. Und da Ihnen das beschieden war, haben Sie selbstverständlich alles gutgemacht ... wenn Sie ein Wort von so phantastischer Albernheit gestatten.
FRAU WEGRAT. Daß ich Sie so reden höre!
DOKTOR REUMANN. Hab' ich nicht recht?
FRAU WEGRAT. Als wenn ich nicht ganz gut fühlte, daß gerade Ihnen wir alle, Betrogene und Betrüger, gleich verächtlich sein müssen.
DOKTOR REUMANN. Gerade mir? ... Was Sie, gnädige Frau, Verachtung nennen, – wenn ich überhaupt etwas davon verspürte – wäre ja doch nichts anderes als maskierter Neid. Oder denken Sie, daß es mir an dem guten Willen fehlte, mein Leben so zu führen, wie ich es die meisten andern führen sehe? Ich habe nur nicht das Talent dazu. Wenn ich aufrichtig sein soll, gnädige Frau – die Sehnsucht, die am tiefsten in mir steckt, ist die: ein Schurke zu sein, ein Kerl, der heuchelt, verführt, hohnlacht, über Leichen schreitet. Aber ich bin durch Mängel meines Temperaments dazu verurteilt, ein anständiger Mensch zu sein – und, was vielleicht noch schmerzlicher ist, von allen Leuten zu hören, daß ich es bin.
FRAU WEGRAT hat ihn lächelnd zugehört. Ob Sie uns auch den wahren Grund erzählt haben, der Sie in Wien festhält ...?
DOKTOR REUMANN. Gewiß. Ich habe wahrhaftig keinen andern. Ich habe nicht das Recht, einen andern zu haben. Reden wir doch nicht weiter davon.
FRAU WEGRAT. Sind wir nicht so gute Freunde, daß ich ruhig über alles mit Ihnen sprechen kann? Ich weiß ja, was Sie meinen. Aber ich glaube, es stände in Ihrer Macht, gewisse Illusionen und Träume aus einer Mädchenseele davonzuscheuchen. Für mich wäre es eine rechte Beruhigung, wenn ich Sie hier zurücklassen dürfte, unter diesen Menschen, die mir alle so nahe sind und die doch alle voneinander nichts wissen, kaum ihre Beziehungen zu einander kennen und dazu bestimmt scheinen, auseinander zu flattern, weiß Gott, wohin.
DOKTOR REUMANN. Wir wollen von diesen Dingen reden, wenn es an der Zeit ist, gnädige Frau.
FRAU WEGRAT. Ich bereue ja nichts. Ich glaube, ich habe nie etwas bereut. Aber ich fühle, daß irgend etwas nicht in Ordnung ist. Vielleicht ist es nur der seltsame Glanz in den Augen von Felix gewesen, der diese Unruhe über mich gebracht hat. Aber ist es nicht sonderbar, – unheimlich beinahe, zu denken, daß ein Mensch wie er mit offenen Sinnen in der Welt umhergehen und nie erfahren soll, wem er das Licht der Welt verdankt?
DOKTOR REUMANN. Wir wollen keine allgemeinen Sätze aufstellen, gnädige Frau. Damit sind die geradesten Dinge so sehr ins Zittern und Schwanken zu bringen, daß es auch die klarsten Augen zu schwindeln anfängt. Aber ich für meinen Teil finde: Eine Lüge, die sich so stark erwiesen hat, daß sie den Frieden eines Hauses tragen kann, ist mindestens so verehrungswürdig als eine Wahrheit, die nichts anderes vermöchte, als das Bild der Vergangenheit zu zerstören, das Gefühl der Gegenwart zu trüben und die Betrachtung der Zukunft zu verwirren. Er geht weiter mit ihr.
Siebente Szene
Johanna und Sala.
JOHANNA. So kommt man immer auf dieselben Stellen. Ihr Garten ist wohl größer, Herr von Sala?
SALA. Mein Garten ist der Wald selbst, – für Leute, die ihre Phantasie nicht durch ein dünnes Gitter behindern lassen.
JOHANNA. Ihre Villa ist schön geworden.
SALA. Kennen Sie sie denn?
JOHANNA. Neulich hab' ich sie wiedergesehen, zum ersten Male wieder seit drei Jahren.
SALA. Vor drei Jahren war ja noch nicht einmal der Grundstein gelegt.
JOHANNA. Für mich ist sie schon damals dagestanden.
SALA. Wie geheimnisvoll ...
JOHANNA. Gar nicht. Erinnern Sie sich nur. Wir haben einmal einen Ausflug nach Dornbach gemacht, die Eltern, Felix und ich. Da haben wir Sie und Herrn Fichtner begegnet, und das war gerade an der Stelle, wo Ihr Haus gebaut werden sollte. Und nun sieht alles geradeso aus, wie Sie es damals geschildert haben.
SALA. Wie kommen Sie denn in diese Gegend?
JOHANNA. Ich gehe jetzt oft allein spazieren, seit Mama krank ist ...
SALA. Und wann sind Sie denn an meinem Haus vorübergekommen?
JOHANNA. Das ist nicht lange her ... Heute.
SALA. Heute?
JOHANNA. Ja. Ich bin ringsherum gegangen.
SALA. So? Ringsherum? ... Haben Sie auch die kleine Tür gesehen, die direkt in den Wald hinausführt?
JOHANNA. Ja. – Aber von dort aus ist das Haus beinahe unsichtbar. Das Laub ist ganz dicht. – Wo mögen denn die römischen Kaiserbüsten sein?
SALA. Die stehen auf Säulen am Eingang einer Allee. Gleich daneben ist eine kleine Marmorbank, und vor der Marmorbank ist ein kleiner Teich angelegt.
JOHANNA nickt. Wie Sie uns damals erzählten ... Und das Wasser schimmert grünlichgrau ... und des Morgens fallen die Schatten der Buchen drüber hin. – Ich weiß. Sie blickt zu ihm auf und lächelt. Beide gehen weiter.
Vorhang.
Zweiter Akt
Bei Julian Fichtner. Behagliches, recht vornehmes Zimmer in einiger Unordnung. Große Bücherschränke. Auf zwei Stühlen liegen Bücher geschichtet, auf einem andern eine geöffnete Reisetasche. – Julian vor dem Schreibtisch, nimmt Papiere aus den Laden, einige zerreißt er und wirft sie in den Papierkorb.
Erste Szene
Julian und Diener. Dann Sala.
DER DIENER meldet. Herr von Sala. Ab.
SALA tritt ein. – Salas Gewohnheit, im Gespräch auf und ab zu gehen, tritt während dieser Szene sehr hervor. Gelegentlich setzt er sich für einen Augenblick, manchmal nur auf eine Lehne. Zuweilen bleibt er bei Julian stehen, legt ihm die Hand auf die Schulter, während er spricht. Zwei- bis dreimal während der Szene berührt er mit der Hand seine linke Brustseite, als empfände er dort ein Unbehagen; nicht auffällig.
JULIAN. Ich freue mich sehr. Händedruck.
SALA. Also heute früh sind Sie gekommen?
JULIAN. Ja.
SALA. Und bleiben –?
JULIAN. Das ist noch unbestimmt. Ich bin in einiger Unordnung, wie Sie sehen. Es wird hier wohl überhaupt keine rechte Ordnung werden. Ich will diese Wohnung aufgeben.
SALA. Schade; ich war sie so gewohnt. Wohin wollen Sie denn ziehen?
JULIAN. Es ist möglich, daß ich vorläufig gar kein festes Quartier nehme und so herumwandere wie in den letzten Jahren. Ich habe sogar die Idee, meine Sachen verauktionieren zu lassen.
SALA. Das ist mir kein sympathischer Gedanke.
JULIAN. Ja, sympathisch ist mir der Gedanke eigentlich auch nicht. Aber es kommt auch die materielle Seite der Frage ein wenig in Betracht. Ich habe zuviel gebraucht in diesen letzten Jahren, das muß sich irgendwie wieder ausgleichen. Später richt' ich mich wohl wieder neu ein. Irgend einmal kommt man doch wieder zur Ruhe und zur Arbeit. – Nun, wie geht's Ihnen denn? Was machen unsere Freunde und Bekannten?
SALA. Haben Sie denn noch niemanden gesehen?
JULIAN. Niemanden. Ich hab' auch nur Ihnen geschrieben, daß ich da bin.
SALA. Also Sie waren noch nicht bei Wegrats?
JULIAN. Nein. Ich zögere sogar hinzugehen.
SALA. Wie? ...
JULIAN. Man sollte eigentlich in gewissen Jahren die Orte gar nicht mehr betreten, in denen man jüngere Tage verbracht hat. Man findet die Dinge und Menschen selten so wieder, wie man sie verlassen. Nicht wahr? – Frau Gabriele soll sich ja im Laufe ihrer Krankheit recht sehr verändert haben. Felix sprach mir wenigstens davon. Ich möchte es am liebsten vermeiden, sie wiederzusehen. Das müssen Sie doch verstehen, Sala.
SALA etwas befremdet. Natürlich versteh' ich das. Wie lang haben Sie denn keine Nachricht aus Wien gehabt?
JULIAN. Ich bin meinen Briefen immer vorausgereist. Seit vierzehn Tagen hat mich keiner eingeholt. Betreten. Was gibt's denn?
SALA. Frau Gabriele ist vor etwa acht Tagen gestorben.
JULIAN. Oh! Er ist sehr bewegt, gebt im Zimmer bin und her, dann setzt er sich nieder und sagt nach einer Pause. Man mußte wohl darauf gefaßt sein, und doch ...
SALA. Sie starb einen sanften Tod, – wie die andern Leute ja immer so bestimmt wissen. Immerhin, sie ist eines Abends ruhig entschlummert und nicht wieder erwacht.
JULIAN sehr leise. Arme Gabriele! – Haben Sie sie in der letzten Zeit gesehen?
SALA. Ja. Ich kam beinahe täglich hin.
JULIAN. So?
SALA. Johanna hat mich darum gebeten. Sie hat sich nämlich geradezu gefürchtet, mit ihrer Mutter allein zu sein.
JULIAN. Gefürchtet?
SALA. Sie hatte eine Art Grauen vor der kranken Frau. Jetzt ist sie eher ruhiger.
JULIAN. Seltsames Geschöpf ... – Und unser Freund, der Professor, wie trägt er den Verlust? Gottergeben, nicht wahr?
SALA. Lieber Julian, der Mann hat einen Beruf. Ich glaube, wir können das gar nicht fassen, dir wir von Gnaden des Augenblicks Götter – und zuweilen etwas weniger als Menschen sind.
JULIAN. Felix ist natürlich noch hier?
SALA. Ich sprach ihn erst vor einer Stunde, und teilte ihm mit, daß Sie da wären. Er hat sich sehr gefreut, daß Sie ihn in Salzburg besucht haben.
JULIAN. Das schien mir so. Und es hat mir sehr wohl getan. Ich trage mich übrigens mit der Idee, in Salzburg Aufenthalt zu nehmen.
SALA. Für immer?
JULIAN. Für einige Zeit. Auch um Felix' willen. Sein frisches Wesen berührt mich so angenehm, macht mich geradezu selbst jünger. Wär' er mein Sohn nicht, ich würd' ihn vielleicht beneiden – und nicht um seine Jugend allein. Lächelnd. So bleibt mir nichts anderes übrig, als ihn zu lieben. Es hat wahrhaftig etwas Beschämendes für mich, daß ich es sozusagen inkognito tun muß.
SALA. Kommen alle diese Empfindungen nicht ein wenig spät?
JULIAN. Sie existieren wohl schon länger, als ich selbst weiß. Und dann, Sie wissen ja, ich sah den Jungen zum ersten Male, als er schon zehn oder elf Jahre alt war und erfuhr erst damals, daß er mein Sohn sei.
SALA. Das muß ein seltsames Wiedersehen gewesen sein zwischen Ihnen und Frau Gabriele, zehn Jahre, nachdem Sie den schnöden Verrat begangen – wie unsere Ahnen gesagt hätten.
JULIAN. Es war nicht einmal so seltsam. Es fügte sich ungezwungen. Kurz nachdem ich aus Paris zurückgekehrt war, begegnete ich Wegrat zufällig auf der Straße. Wir hatten ja gelegentlich von einander gehört und traten einander als alte Freunde entgegen. Es gibt Menschen, die zu derlei Schicksalen geboren sind ... Und was Gabriele anbelangt – –
SALA. Die hat Ihnen natürlich verziehen.
JULIAN. Verziehen? ... Es war mehr und weniger. Nur einmal sprachen wir von der Vergangenheit – sie ohne Vorwurf, ich ohne Reue; als wäre jene Geschichte andern begegnet. Und dann nie wieder. Ich hätte glauben können, jene Zeit wäre durch ein Wunder aus ihrem Gedächtnis verschwunden. Und eigentlich bestand für mich zwischen dieser stillen Frau und dem Wesen, das ich einmal geliebt hatte, gar kein wirklicher Zusammenhang. Und den Jungen – das wissen Sie ja – hatt' ich anfangs gewiß nicht lieber, als ich irgend ein anderes hübsches und begabtes Kind lieb gehabt hätte. – Nun ja, vor zehn Jahren sah es in meinem Leben anders aus als heute. Damals hielt ich noch so vieles fest, was mir seither entglitten ist. Erst im Laufe der folgenden Jahre zog es mich immer stärker in das Haus, bis ich begann, mich dort heimisch zu fühlen.
SALA. Daß ich damals den Zusammenhang zu verstehen anfing, haben Sie mir hoffentlich nicht übel genommen.
JULIAN. Immerhin, Sie fanden mich nicht sehr vernünftig ...
SALA. Warum? Ich finde ja auch, daß das Familienleben an sich etwas sehr hübsches ist. Aber es sollte sich doch wenigstens in der eigenen abspielen.
JULIAN. Sie wissen ja, daß ich mich selbst des Widersinnigen in diesen Beziehungen manchmal geradezu schämte. Das war sogar mit einer der Gründe, der mich davontrieb. Natürlich kam damals noch manches andere dazu, was mich verstimmte. Insbesondere, daß ich mit meinen Arbeiten kein rechtes Glück hatte.
SALA. Sie hatten doch schon lange vorher nichts mehr ausgestellt.
JULIAN. Ich meine es auch nicht äußerlich. Es wollte eben keine gute Stimmung mehr kommen, und ich hoffte, das Reisen würde mir auch diesmal helfen, wie schon oft in früherer Zeit.
SALA. Und wie ist es Ihnen denn nun ergangen? Man hat ja so selten von Ihnen gehört! Sie hätten mir wirklich öfter und ausführlicher schreiben können. Sie wissen ja, daß Sie mir viel lieber sind als die meisten andern Menschen. Wir bringen einander die Stichworte so geschickt – finden Sie nicht? Es gibt pathetische Leute, die solche Beziehungen Freundschaft nennen. Übrigens ist es nicht unmöglich, daß wir uns im vorigen Jahrhundert »du« gesagt, am Ende gar, daß Sie sich an meinem Busen ausgeweint hätten. Sie haben mir manchmal gefehlt in diesen zwei Jahren, – wahrhaftig! Wie oft hab' ich auf einsamen Spaziergängen an unsere schönen Plauderstunden im Dornbacher Park gedacht, wo wir Zitierend. »die tiefst' und höchsten Dinge dieser Welt« bis auf weiteres zu erledigen pflegten. – Nun Julian, woher kommen Sie denn eigentlich?
JULIAN. Aus Tirol. Diesen Sommer hab' ich große Fußwanderungen unternommen. Bin sogar Bergsteiger geworden auf meine alten Tage. Eine Woche hab' ich auf einer Alm verlebt ... Ja, ich habe allerlei getrieben. Was man so versucht, wenn man allein ist.
SALA. Sie waren wirklich allein?
JULIAN. Ja.
SALA. Die ganzen letzten Jahre?
JULIAN. Wenn ich von einigen lächerlichen Unterbrechungen absehe – ja.
SALA. Nun, dem hätte sich doch abhelfen lassen.
JULIAN. Ich weiß. Aber mit dem, was mir in dieser Art noch zu Gebote steht, ist mir nicht gedient. Ich bin sehr verwöhnt gewesen, Sala. Mein Leben ist bis zu einer gewissen Epoche wie in einem Rausch von Zärtlichkeit und Leidenschaft, ja von Macht dahingeflossen. Und damit geht es zu Ende. Ach Sala, was für erbärmliche Lügen habe ich mir in den letzten Jahren erschleichen, erbetteln, erkaufen müssen! Es ekelt mich, wenn ich zurückdenke, und wenn ich nach vorwärts schaue, graut mir. Und ich frage mich: Soll wirklich von aller Glut, mit der ich die Welt umfaßt habe, nichts übrig bleiben als eine Art törichter Grimm, daß es vorbei sein, – daß ich, ich menschlichen Gesetzen so gut unterworfen sein muß als ein anderer?
SALA. Warum diese Erbitterung, Julian? Es gibt doch noch mancherlei auf Erden, selbst wenn uns etliche Vergnügungen und Genüsse früherer Zeit abgeschmackt oder unwürdig erscheinen. Und gerade Sie sollten das nicht empfinden, Julian?
JULIAN. Winden Sie dem Schauspieler seine Rolle aus der Hand und fragen Sie ihn, ob ihm die schönen Kulissen Spaß machen, zwischen denen er stehen blieb.
SALA. Aber Sie haben doch auf Ihren Fahrten wieder zu arbeiten angefangen?
JULIAN. So gut wie nichts.
SALA. Felix erzählte, daß Sie aus Ihrem Koffer ein paar Skizzen hervorgeholt und ihm gezeigt hätten?
JULIAN. Er sprach davon?
SALA. Und alles mögliche Gute.
JULIAN. Wahrhaftig?
SALA. Und da Sie ihm die Sachen zeigten, werden Sie wohl selbst etwas davon gehalten haben.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.