Kitabı oku: «Meister der Pyramiden»
Artjom Maier
Meister der Pyramiden
Ein Wuxia-Science-Fiction Roman
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Kapitel 31
Kapitel 32
Kapitel 33
Kapitel 34
Kapitel 35
Kapitel 36
Kapitel 37
Kapitel 38
Kapitel 39
Impressum neobooks
Kapitel 1
„David Parker“, sprach der Mann seinen Namen laut aus, ohne dass jemand anderes im Raum war, der ihn hätte hören konnte. Er sprach den Namen so aus, als würde er sich auf diese Weise auf die Schulter klopfen. Gleichzeitig brachten diese zwei Wörter den Mann, der schon seit einiger Zeit gedankenverloren an einem offenen Fenster stand, wieder zurück in die Wirklichkeit. Seine Augen wurden von Leben erfüllt und sein Blick glitt zu den Pyramiden, die nicht weit von seinem Standort in das weiche Licht des Sonnenuntergangs eingebettet schienen. David Parker konnte kaum glauben, dass er tatsächlich hier war. Nicht der Ort an sich war für ihn so unglaublich, auch wenn Gizeh doch eine gewisse Faszination ausstrahlte, vielmehr war es der Zweck seiner Reise, der ihn zum lächeln brachte. Die rote Sonnenscheibe bewegte sich unabänderlich weiter hinter den Horizont und es wurde von Minute zu Minute dunkler. In diesen Zeitzonen wird es immer schon früh dunkel. -Umso besser, dachte Parker, -die Magie der Dunkelheit wird uns bei unserem Vorhaben unterstützen.-
Parker drehte sich vom offenen Fenster und dem unglaublich schönen Ausblick weg und ging in Richtung Tür. Auf dem Weg hinaus erblickte er sein Spiegelbild und blieb stehen. Ein älterer Herr, mit beinahe vollständig ergrautem kurzgeschorenem Haar, kantigen Gesichtszügen, sowie nur mit einer hellen Baumwollhose bekleidet, starrte ihm entgegen. Parker schaute auf seinen Bauch, der sichtlich flacher geworden war, ja der Kerl sah richtig frisch aus, nur etwas bleich. Doch zum Sonnenbaden würde er noch genug Gelegenheit bekommen –das Fasten hat mir richtig gut getan- schoss es Parker durch den Kopf. Den Schlüssel vom Hotelzimmer ließ er einfach liegen, heute würde er ihn nicht brauchen. Das Hotel, das sowieso nur für Herrschaften wie ihn, oder hochrangige Politiker errichtet wurde, war schon die ganze Woche über geschlossen. Nur Menschen, denen er voll und ganz vertraute, befanden sich momentan in diesem Gebäude. Auch wenn er manche von ihnen nie gesehen hatte, so wusste er dennoch, dass Brüder einander nicht bestehlen. Er schien der Letzte zu sein, die glamourösen Flure des Hotels waren bereits menschenleer und vollkommene Stille umgab den älteren Herrn. Im Aufzug, welchen er barfuß betrat, drückte er auf Untergeschoss –ein sinnloser Luxus, denn das Hotel hatte gerade mal drei Stationen, an denen der Aufzug halten konnte: Untergeschoss, Erdgeschoss und den ersten Stock. Die alte Maschine setzte sich langsam in Bewegung und seilte sich sanft nach unten ab. Parker versuchte sich zu sammeln, an nichts mehr zu denken und zur Ruhe zu kommen. Doch das fiel ihm alles andere als leicht, ja selbst er verspürte hin und wieder Aufregung, wo man doch meinen könnte ein C.I.A. Direktor hätte Nerven aus Stahl.
Der Aufzug brauchte nicht lange und kam zum Stillstand, die Metalltüren öffneten sich und Parker erblickte einen langen, schmalen Korridor, der mit einem weinroten Teppich ausgelegt war. Seine nackten Füße zerdrückten die weichen Fasern des Teppichs und hinterließen einen kleinen Abdruck nach jedem Schritt, den er machte, der jedoch nach wenigen Sekunden wieder verschwand. Am Ende des Korridors angelangt blieb Parker vor einer dunkelbraunen schweren Tür stehen, nahm einen tiefen Atemzug, klopfte drei Mal und schaute in die Überwachungskamera, die direkt neben der Tür befestigt war. Ein Sicherheitsmann der einem Grizzlybär in einem schwarzen Anzug glich, öffnete mit einem gespielt freundlichen Lächeln auf den Lippen die Tür.
„Bitte, Mr. Parker“, der Sicherheitsmann machte eine einladende Geste. „Die anderen sind schon alle da. Danke, dass Sie so kurzfristig kommen konnten.“
Parker nickte und lief ein Stück hinein. Vor ihm erstreckte sich eine Art riesige Tiefgarage. Der Raum war etwa 30 Meter breit und etwa 50 Meter lang, vielleicht auch länger. Das Ende konnte er nicht sehen, da die Beleuchtung sehr spärlich war. Die Höhe des Raumes betrug etwa fünf bis sechs Meter, doch das war nur die sprichwörtliche Spitze des Eisbergs. Direkt vor ihm befand sich eine mit Hieroglyphen verzierte Wand mit einem weiteren offensichtlich antiken Eingang. Parker ging hindurch und erblickte steile Stufen, die ihn weiter in die Tiefe führten. Er begann damit die Stufen hinunter zu steigen, immer in Richtung des Lichtes, das aus einem Raum am Ende der antiken Treppe leuchtete.
Beim Hinuntersteigen erinnerte sich Parker daran, wie er das erste Mal in diesen Räumlichkeiten gewesen war. Das müsste bereits 15 Jahre her sein. Damals kam er mit seinem Mentor hierher, der ihn in die Geheimnisse der Freimaurerei einführte. Und jetzt? –Jetzt ist es endlich geschafft, wir haben es entziffert,- dachte Parker, womit er seinen im Aufzug gefassten Vorsatz sich zu beruhigen und nicht zu denken brach. –Ein klarer Geist, vollkommen frei von Gedanken ist sehr mächtig und daher wichtig für dieses Ritual.-
Endlich war er unten an der Lichtquelle angelangt. Es handelte sich dabei um einfache Neonröhren, die einen Korridor beleuchteten. Dieser Korridor war noch schmaler als der im Untergeschoss des Hotels, bestand jedoch aus sandfarbenem Stein, genauso wie man es von altägyptischen Anlagen und anderen ägyptischen Bauten aller Art erwarten würde. Er ging hinein in diesen merkwürdigen Tempel, der tief unter dem Hotel verborgen lag und von dem keine Menschenseele, bis auf einige auserwählte Kreise, etwas wusste. Ein geheimer Ort.
Parker war erstaunt darüber wie gut alles restauriert worden war! Doch schließlich hatte das auch eine Menge gekostet. Alleine die richtigen Arbeiter zu finden war schon problematisch, denn sie sollten ihren Mund halten können! Daher konnte man selbst zum Steine schleppen nur Profis engagieren und ja, die meisten waren Amerikaner. -Ein ägyptischer Arbeiter würde sich wohl kaum so brav an eine Verschwiegenheitserklärung halten, wie einer aus „unseren“ Breitenkreisen. Gerüchte würden schnell entstehen und das möchte man ja vermeiden.- Parker sah sich weiter um. Die Wände waren reich verziert mit Hieroglyphen und verschiedenen Zeichnungen von Menschen und Göttern, doch je tiefer man in den Bau ging, desto weniger sah man diese aus jedem Buch über Ägypten bekannten Zeichen. Denn nun mischten sich plötzlich der Ägyptologie gänzlich unbekannte Zeichen und geometrische Figuren hinzu. Es waren Planetenumlaufbahnen zu sehen, Sterne, Menschen in seltsamen Posen und sehr viel Text.
Er betrat einen großen Raum, der von keiner einzigen Säule gestützt wurde. Obwohl die Decke rechteckig war wusste der C.I.A. Mann, dass er sich im Inneren einer kleinen Pyramide befand, die aus vordynastischer Zeit stammte. Überall im Raum sah er Menschen, die genau wie er, nur mit dünnen hellen Baumwollhosen bekleidet waren, und im Schneidersitz hockend auf ein Blatt Papier starrten. Sie lasen etwas, manche bewegten dabei leicht ihre Lippen mit.-Sie üben die Formel.- Einer seiner Brüder kam zu ihm geeilt und wies Parker einen Platz zu. Als Parker sich setzte ging der Mann rasch zu einem anderen und meldete, dass man nun vollzählig sei: „Die Nummer 99 ist eingetroffen.“
Zwei der Anwesenden, die unmittelbar links und rechts neben dem Eingang standen, zerrten je eine Kiste, die sich hinter ihnen befand, vor und öffneten diese. Jeder der Anwesenden wusste nun was zu tun war. Die Männer bildeten zwei Reihen, wobei sich in jeder Reihe 49 Mann befanden. Auch David Parker stellte sich an, um einen Gegenstand aus einer der Kisten zu erhalten. Nur einer der Männer blieb regungslos in der Mitte des Raumes, er stand direkt vor einem Sarkophag und schloss die Augen während er etwas rezitierte. Die zwei Herren vom Eingang, gingen nun, die Kisten hinter sich herziehend, zu jedem der aufgereihten Teilnehmer. Aus den Kisten kam ein ägyptisches Kreuz hervor, das allen der Reihe nach ehrfurchtsvoll überreicht wurde. Das ägyptische Angh sieht aus, wie das Kreuz, das den Christen heilig ist. Im Gegensatz zum christlichen Kreuz hat es aber noch eine Schlaufe im oberen Teil. Es bestand aus einem merkwürdigen Material, welches zwar wie Glas aussah, jedoch kalt und für seine Größe von etwa 15 Zentimeter, sehr schwer war. Parker hatte das Ding bisher nur auf schwarzweißen Fotos gesehen, die direkt bei den Ausgrabungen dieser Pyramide gemacht wurden.
Als nun alle so ein Angh erhalten hatten, setzte man sich mit überkreuzten Beinen hin, und der Mann in der Mitte, der neben dem Sarkophag aus massiven Stein stand, offensichtlich ein Zeremonien Meister, begann zu sprechen:
„Brüder ich danke euch für euer zahlreiches Erscheinen.“ Dieser Satz schien Parker überflüssig, denn er wusste, dass jeder in diesem Raum alles dafür geben würde hier dabei sein zu dürfen. Doch der Mann fuhr fort:
„Jeder von uns hat große Opfer gebracht um hier und jetzt das zu erfahren, was wir zu erfahren wünschen. Wir haben uns 90 Tage lang allen weltlichen Vergnügens enthalten, wir haben auf Alkohol verzichtet, wir haben kein Fleisch verzehrt und keinen Geschlechtsverkehr gehabt. Des Weiteren waren die letzten neun Tage besonders hart für uns alle. Wir haben uns von jeglichem Essen ferngehalten, alles was die Schrift verlangt, haben wir erfüllt.“
Der Zeremonien Meister machte eine lange Pause und blickte in die Gesichter seiner Brüder, so als ob er prüfen würde, ob auch wirklich jeder die 81+9 Tage lang die Weisungen befolgt hatte und sich unter Kontrolle gehabt hat. Zufrieden sprach er schließlich mit einer ruhigen Stimme weiter.
„Und das alles für den heutigen Abend. Heute Abend werden wir das erlangen wonach wir alle schon sehr lange auf der Suche sind: Weisheit!“
Er beugte sich vor und tastete nach etwas auf dem Boden. Als er die Stelle gefunden hatte hob er einen kleineren Stein hoch, der als Abdeckung für eine Nische diente, die sich direkt beim Sarkophag befand. In dieser Nische befanden sich zwei merkwürdige Steinchen, Zylinderförmig, 5 Zentimeter im Durchmesser und milchig-durchsichtig. Keiner außer dem Zeremonien Meister konnte die schemenhaften Linien die sich im Stein befanden und die zackigen Einkerbungen auf der Oberfläche des Steins sehen. Er nahm die Steine vorsichtig in seine Hände, schloss die Nische und hob sein Bein um in den Sarkophag zu steigen. Darauf folgte das andere Bein und der Mann setzte sich im Sarkophag aufrecht hin, je ein Steinchen in einer Hand haltend. Alle Brüder schauten ehrfürchtig zu ihm als einer der Anwesenden eine schwarze Flüssigkeit über den im Sarg sitzenden Zeremonien Meister goss und dieser sich hinlegte. Das war das Zeichen. Die Männer, die sich hier versammelt hatten, fingen an etwas in einer unbekannten Sprache zu rezitieren und hoben das zuvor ausgeteilte Angh vor die Stirn –vor das Auge der Weisheit,- erklärte Parker sich selbst den Vorgang. Im Sarkophag zischte es. Jeder der Anwesenden wusste was zu tun war, jeder war vorbereitet, hoffentlich würde es funktionieren! Dies würde eine lange Nacht werden.
Kapitel 2
Der junge Mann machte einen tiefen Atemzug. –Frische Luft,- sagte er sich während sein Körper sich wieder mit Leben füllte. Nach einer etwas über 6 Stunden andauernden Fahrt von Wuhan nach Shiyan war Wu Guan Tai froh endlich wieder den stickigen Zug verlassen zu können. Als Sportler war er es einfach nicht gewöhnt so lange auf einem Platz zu sitzen. Außerdem war er auch ein bisschen hungrig. Er kramte in seiner hellen, modischen Jeans nach dem Mobiltelefon um sich nach der Uhrzeit zu erkundigen, doch dann fiel sein Blick auf eine Uhr auf dem Bahnhof und er ließ das Telefon in der Tasche. Durch eine einfache Kopfrechnung stellte er fest, dass er hier noch zwei Stunden Zeit haben würde, da der Bus, der ihn tief ins Wudang Gebirge zu seinem Ziel bringen sollte, erst dann abfahren würde. Nach einer kurzen Überlegung machte er sich auf den Weg um ein gemütliches Plätzchen zu suchen, wo er seinen Hunger stillen könnte. Er musste nicht weit laufen. In der Nähe des Bahnhofs fand er ein schlicht eingerichtetes Restaurant das ziemlich leer stand. Die Besitzer, ein älteres Ehepaar, schauten gerade Fern. Der kleine Fernseher stand einfach auf einem der Tische. Das erinnerte Wu Guan Tai an seine Großeltern, bei denen es ähnlich zuging, sie lebten förmlich in ihrem Restaurant und schauten dort auch während der Arbeit teilweise recht unsinnige Serien. Aber das Essen dort war das frischeste und beste, das er je gegessen hatte. Naja schließlich war sein Opa ja auch der Koch dort.
Als Wu Guan Tai nun das Restaurant betrat, zog er seine Sonnenbrille aus, wobei seine braunen, mandelförmigen Augen, zum Vorschein kamen. Seine Augen strahlten eine gewisse Selbstsicherheit aus und schienen fast zu leuchten. Dieses Leuchten bemerkte selbst die Wirtin, die seinen Blick gespürt hatte und sich sofort vom Fernseher wegdrehte.
„Kommen Sie, kommen Sie!“, die alte Frau stand auf und wies Guan Tai einen Tisch zu.
Der schlichte weiße Tisch nah am Fernseher wurde extra für ihn noch mit einem feuchten Lumpen abgewischt. Die freundliche ältere Dame wollte Wu Guan Tai sogleich die Speisekarte reichen, er jedoch brauchte sie nicht:
„Für mich bitte eine Portion Bao Zi mit Gemüse und eine Tasse Pu Erh Tee.“
Die Dame lächelte ihn an, nickte und verschwand in die Küche.
Bao Zi, mit Gemüse gefüllte Teigtaschen, aß er sehr gerne, ganz besonders wenn er unterwegs war, denn die lagen ihm gut im Magen. Der Pu Erh Tee ist die Teesorte, die sein Meister am liebsten trank. Dieser Tee ist ebenfalls sehr gut für den Magen. „Pu Erh Tee ist die ursprünglichste aller Teesorten“, pflegte sein Meister zu sagen. Wu Guan Tai war schon als Kind von den Geschichten des Meisters über seine Reisen nach Tibet entlang der Tee-Route sehr angetan. Über diese Route wurde der Pu Erh Tee in verschiedene tibetische Städte transportiert. Sein Meister war jedoch kein Händler, sondern ein Pilger, der sich den Händlern auf ihrer Reise anschloss. Bei diesen langen Wanderungen hatte der Meister sehr viel erlebt und gesehen. Allerdings sprach er nicht gern über Vergangenes und Guan Tai konnte ihn nur bei einer guten Tasse Tee dazu bringen diese Geschichten zu erzählen.
Wu Guan Tai ließ seinen Blick durch das Restaurant wandern, der auf dem älteren Herren, der ganz gebannt in den Fernseher starrte, eine Zeitlang stehen blieb. Dann schaute er in Richtung Küche und daraufhin aus dem Fenster. Nach der langen Zugfahrt war es Ihm unglaublich langweilig geworden. Mit einem Ohr verfolgte er, was im Fernsehen lief und das weckte schließlich doch sein Interesse.
Im Fernsehen wurde ein Nachrichtenmagazin ausgestrahlt und er hörte wiederholt das Wort Kornkreise. Guan Tai wandte sich dem Bildschirm zu.
„Seit der gestrigen Nacht wurden weltweit mittlerweile mehr als 30 Kornkreise gemeldet…“ Diesen Satzfetzen hatte er nur kurz von der Nachrichtensprecherin vernommen und da wechselte der Sender schon das Thema.
„Kornkreise?“, sagte Guan Tai und schaute dabei den alten Mann an.
„Die zeigen das schon den ganzen Morgen“, erwiderte er ohne Guan Tai anzuschauen. „Angeblich sind seit gestern 30 Kornkreise in den verschiedensten Regionen der Welt gemeldet worden.“
Der Alte drehte sich Guan Tai zu.
„Kornkreise sind eine Art Erdzeichnungen die auf Kornfeldern entstehen, sehen aus wie die Mandalas aus Tibet. Die Fernseh-Fuzzies machen jetzt Panik darum, wer denn diese Kreise gemacht hat.“
„Und wer hat die gemacht?“, fragte Guan Tai neugierig.
„Na bestimmt die Reporter selber. Wenn es keine Nachrichten zu berichten gibt erfinden sie eben welche!“
Da kam seine Frau mit Guan Tais Essen aus der Küche und rief sarkastisch:
„Natürlich, die Reporter setzen sich in ein Flugzeug, fliegen die ganze Nacht um die Welt und mähen das Korn mit dem Rasenmäher, damit sie dir eine Geschichte präsentieren können!“
„Das machen die doch nicht selber!“, konterte der Mann, mit seiner krächzenden Stimme, „die bezahlen Profis, die haben doch gerade erst gezeigt, dass der erste Kornkreis gestern von Spaßvögeln gemeldet wurde. Die hatten eine Spezialausrüstung dabei. Irgendwelche Stöcke, Maßbänder und Walzen mit denen sie diese Kornkreise machen um die Leute zu verwirren. Und jetzt behaupten sie, als sie dabei waren ihren Kornkreis zu machen, ist ein echter vor ihren Augen entstanden? Das kannst du doch nicht glauben, die halten doch die ganze Welt zum Narren!“
Die alte Dame schüttelte über die Worte ihres Ehemannes nur den Kopf und wandte sich an Guan Tai. „Was halten Sie denn davon?“
„Ich weiß nicht so recht.“
„Lass doch den jungen Mann in Ruhe, woher soll er denn was darüber wissen, er hat doch eben erst von der Sache erfahren“, schimpfte der Greis.
„Er ist doch sicher ein Soldat, die wissen über sowas Bescheid“, erklärte seine Ehefrau.
„Woher willst du wissen, dass er Soldat ist?“, konterte der Alte neckisch.
„Sieh dir doch sein Gesicht an, sein starkes Kinn, seinen aufrechten Gang, wie er sitzt, er ist sicher ein Soldat.“
„Ich bin kein Soldat, ich trainiere bloß ein wenig Kung Fu“, stellte Guan Tai richtig.
„Oh!“, lächelte die Dame und drehte sich wieder zu ihrem Ehemann. “Diese Kornkreise sind sicher echt!“, fing sie mit dem selben Thema wieder an.
Und auch der Alte ließ es nicht einfach auf sich beruhen. „Du meinst doch immer recht zu haben! Der junge Mann ist aber kein Soldat und die Kornkreise sind Unfug!“
Die beiden stritten noch eine Weile so weiter, doch Guan Tai genoss das leckere Essen und ignorierte den kindischen Streit des Ehepaares. Das Essen sollte ihm schließlich Kraft für das geben, was noch bevorstand, einen anstrengenden Weg hoch in die Berge.
***
Der Bus hielt direkt an einer Straßenkreuzung und es stieg nur ein einziger Fahrgast aus. Eine Haltestelle gab es dort nicht, zumindest keine, die durch ein Schild markiert gewesen wäre. Es war auch keine echte Straßenkreuzung, sondern eher eine kleine Kreuzung zwischen einer asphaltierten Straße und einem kleinen Trampelpfad der hinauf in die Berge führte. Der Busfahrer wartete noch eine Weile, in der Annahme, dass der Ausländer, der in der Nähe am Straßenrand saß, einsteigen würde. Als der Ausländer sich nicht rührte fuhr der Bus weiter. Es war mittlerweile Spätnachmittag und Guan Tai wollte eigentlich nur noch an seinem Ziel ankommen. Der Ausländer, der am Straßenrand saß, sah jedoch wirklich verzweifelt aus und Wu Guan Tai ging schließlich doch zu ihm hinüber. –Vermutlich braucht er Hilfe und kann kein Chinesisch.- Ausländer waren im Wudang Gebirge keine Seltenheit.
„Ni Hao!“, grüßte Guan Tai.
„O, sorry I don´t speak Chinese”, antwortete der Ausländer betrübt.
-eine gute Gelegenheit um Englisch zu üben.-
„Woher kommst du?“, fragte Wu Guan Tai nun auf Englisch.
„Du sprichst Englisch!?“, der Ausländer, strahlte plötzlich und konnte sein Glück kaum fassen. „Ich komme aus Finnland, ich glaube ich bin in den falschen Bus gestiegen“, fing der Ausländer überstürzt zu erzählen an bevor Guan Tai antworten konnte. Er kramte in seiner Tasche und holte einen Zettel hervor, auf dem etwas geschrieben stand.
„Ich suche diese Tai Chi Schule!“, der Ausländer reichte Guan Tai den Zettel auf dem mit Pinyin Umschrift der Name einer Schule stand.
Guan Tai schaute auf den Zettel.
„Ja, ich kenne diese Schule, sie ist etwa 10 km von hier entfernt. Du hättest lieber ein Taxi nehmen sollen.“
„Das habe ich schon versucht aber der Taxifahrer konnte entweder nicht lesen was auf dem Zettel stand oder kannte diese Schule nicht. Ich fuhr nicht weiter mit, ich weiß schließlich nicht ob wir überhaupt nicht komplett in die falsche fahren würden.“
„Kein Problem, hast du einen Stift?“, Guan Tai wollte dem Ausländer den Namen der Schule mit chinesischen Zeichen aufschreiben doch ehe der Ausländer reagieren konnte, ergriff Guan Tai die Gelegenheit und winkte ein Taxi herbei, das gerade zufällig vorbeifuhr. Was schon in dieser verlassenen Gegend an ein Wunder grenzte.
Der Taxifahrer hielt an und Guan Tai fragte ihn, ob er diese besagte Tai Chi Schule kenne, die der Ausländer suchte. Worauf der Fahrer nickte und Guan Tais vorherige Schätzung bezüglich der Entfernung ziemlich genau wiedergab „Etwa 10 km von hier, ich bringe euch hin.“
Guan Tai hob abwehrend die Hände vor seine Brust, „Ich komme nicht mit, ich frage nur für ihn“, sein Blick zeigte auf seinen neuen Freund.
„Kein Problem!“, der Taxifahrer winkte den Ausländer ins Auto.
„Kannst du ihn fragen ob ich die Fahrt auch in Euro bezahlen kann, ich habe vor der Reise leider sehr wenig Geld gewechselt, es reichte nur für ein Essen und für das Busticket, das ich mir kaufen musste. Die von der Tai Chi Schule sollten mich eigentlich vom Flughafen abholen, sie kamen jedoch nicht. Ich hab es daraufhin auf eigene Faust versucht“, entgegnete der Ausländer.
„Was soll die Fahrt denn kosten?“, fragte Guan Tai den Fahrer.
„60 Yuan!“
„Hm, er sagt er hat nur Euro dabei ist das ok?“
„Was soll ich denn mit Euro?“
Guan Tai wandte sich dem Ausländer zu: „Er sagt er nimmt keine Euro.“
„Was soll ich…, dann muss ich wohl laufen…“, lamentierte der Ausländer, der nun gedankenverloren schien.
„Kennst du ihn?“, fragte der Taxifahrer Guan Tai. Anfangs hatte er angenommen die zwei währen Bekannte, da sie etwa gleich alt waren. Jetzt dämmerte es ihm, dass Guan Tai hier nur zu helfen versucht.
Wu Guan Tai griff in seine Hosentasche, holte seinen Geldbeutel heraus und reichte dem Fahrer 60 Yuan. „Ich sehe ihn heute zum ersten Mal.“
Der Ausländer schaute etwas verwirrt zu Guan Tai. Der Taxifahrer nickte jedoch und forderte den Ausländer gestikulierend auf, in das Auto zu steigen.
Der Ausländer kramte wieder in seiner Tasche, holte einen 10 Euro Schein hervor und reichte diesen Guan Tai mit einem dankbaren Gesichtsausdruck.
Guan Tai jedoch lehnte ab und schob die Hand des Unbekannten bei Seite.
„Ist schon ok!“
„Bitte, nimm es!“
„Nein, Nein, es ist in Ordnung. Wenn Geld ein Problem lösen kann, dann gebe ich es gerne dafür aus.“
Der Ausländer verstand dass Guan Tai das Geld nicht bloß aus Höflichkeit ablehnte. Er steckte den Schein achtlos in seine Hosentasche zurück, stieg rasch in das Taxi ein und bedankte sich tausendfach bei dem anonymen Wohltäter. Als Guan Tai gerade gehen wollte, winkte ihn der Fahrer nochmal zu sich und streckte ihm 20 Yuan entgegen:
„Das war eine noble Geste von dir und das obwohl du so jung bist, ich alter Geizkragen habe den Fahrpreis wohl etwas zu hoch angesetzt“, sagte der Fahrer lachend. Guan Tai nahm das Geld und lächelte zurück.
Das Taxi fuhr davon, durch das offene Fenster hörte Guan Tai den Ausländer nochmal „Xiexie!“, rufen, „Danke“, wohl das einzige Wort, das er auf Chinesisch kannte.
Wu Guan Tai machte sich nun auf den Weg. -Wenn ich mich beeile schaffe ich es noch leicht zum Abendessen. Vorausgesetzt der Meister ist überhaupt da, der braucht echt ein Telefon-; jetzt wirklich.
Das Wudang Gebirge liegt im Herzen Chinas in der Provinz Hubei. Es zieht sich über 400 Kilometer und gilt als heilig. Viele daoistische Meister ziehen sich seit jeher dorthin zurück um nach dem Dao zu suchen und im Einklang mit der Natur zu leben. Seit Wu Guan Tai denken konnte lebte sein Meister in diesem Gebirge. Er pilgerte jedoch auch sehr viel umher, manchmal sogar über Jahre, deshalb machte sich Guan Tai´s Verstand möglicherweise zu Recht Sorgen darüber, dass er bei seiner Ankunft eine leere Hütte vorfinden könnte. Aber tief in seinem Herzen wusste er, dass der Meister da sein würde. Er musste an diesen Traum denken, den er vor drei Tagen geträumt hatte. Der Meister war ihm erschienen und hatte ihn gebeten zu ihm zu kommen. Er hatte ihm außerdem gesagt, dass es sehr wichtig sei und dass er Guan Tais Hilfe benötigen würde. Aber auch, dass Guan Tai dabei sehr viel lernen würde. Da gerade die Semesterferien angefangen hatten, hatte er genügend Zeit gehabt. Guan Tai sagte daher eine Reise mit Freunden ab und machte sich auf den Weg nach Wudang. Einer seiner Freunde hatte damals gefragt „Du glaubst doch nicht wirklich dass dir dein Meister erschienen ist, oder?“. Guan Tai hatte darauf nichts erwidert. –Du wirst es nicht verstehen, der Meister kann weitaus mehr als du glaubst.-