Kitabı oku: «Nox Arcanum», sayfa 3
Natürlich kann in ähnlicher Weise auch über die anderen Grundannahmen der Persönlichkeitstypen/Fixierungen meditiert werden.
E. Gruppenarbeit: Urschuld-Ritual
Die einzelnen Schuldfixierungen können auch im Rahmen eines Gruppenrituals bearbeitet werden – Ziel ist es hier, durch den Aufbau und die Zusammenführung von einzelnen „Kernen“ – die kollektive Urschuld zu erschaffen, diese kurz zu durchleben – um sie dann als illusionär zu entlarven.
Ritualaufbau:
Neun-Gruppen/-positionen
am Anfang großer Kreis
am Ende kleiner Kreis Grobablauf/ABC:
Vorbereitung
Bannung
Willenssatz
Invokation der Schuldfixierungen/Enneagramm -Typen
Invokation der kollektiven Urschuld
Auflösung der kollektiven Urschuld – als Illusion sehen
1. Ritualablauf
a) Vorbereitung
Es werden neun Gruppen gebildet. Jede der Gruppen ist einer Schuldfixierung zugeordnet.
Zur Vorbereitung sollte sich jede Gruppe kurz mit dem jeweiligen Typus beschäftigen. Für die eigentliche Arbeit reicht es, wenn mit den Grundannahmen gearbeitet wird.
Es wird ein großer Kreis gebildet.
b) Kurze Bannung (z. B. IAO-Bannung)
c) Willenssatz:
z. B.: Es ist unser Wille, die eigene und kollektive Urschuld aufzulösen und als illusionär zu erkennen.
d) Invokation/Verschmelzen der Typen/Loslösung
Die Invozianten der einzelnen Typen invozieren abwechselnd die Schuldfixierungen/Ängste/Kindheitsgebote und die entsprechende Kompensationsstrategien/Selbstdefinitionen. Sie lassen die entsprechenden Bilder, Emotionen/Energien kommen und „bauen“ daraus nach frei wählbarer Technik einen „astralen“ Kern/Mantel, mit dem sie vollständig verschmelzen.
Nach ca. 5 Minuten treten die Invozianten aus dem Kern heraus und betrachten ihn von außen – als Beobachter (bewusstes Erkennen, dass man nicht dieser Kern ist). Erkenntnis des Illusionären des Kerns – der „Falschheit“. Anschließend nehmen sie diesen Kern symbolisch „in den Arm“ – also eine Art Annahme/Bejahung.
Danach Verschmelzen die Invozianten wieder mit dem Kern und gehen auf die Kreismitte zu.
e) Aufbau der kollektiven „Urschuld“ (kleiner Kreis)
Die Invozianten bilden anschließend einen gemeinsamen Kreis in der Mitte und erschaffen aus den „persönlichen Kernen“ (Zusammenschieben) ein großes Energiefeld – ein Kraftfeld der Schuld/Fehlerhaftigkeit/Wertlosigkeit/Urschuld/Ursünde. Mantra: “Ich bin schuldig, sündhaft, fehlerhaft. Nichts ist OK! Es wird ein gemeinsames Feld des sich „schuldig Fühlens“ geschaffen.
f) Loslösung von der „Urschuld“/Erkenntnis des Illusionären der Schuld
Heraustreten aus dem Urschuldkern – gemeinsames Betrachten – Invozieren von „Es gibt keine Schuld, es gibt keine Sünde, es gibt keine Fehlerhaftigkeit“ – Energie – Tanzen – Lachen – Zusammenschieben des Kerns und gleichzeitige Erkenntnis des Illusionären des Urschuld-Kerns. Visualisation, dass sich der Urschuld-Kern in Luft auflöst.
g) kurze Bannung - am besten ein schallendes Gelächter
Wir wollen in der Freude nicht der Gottesfurcht vergessen
und im Leid die Hoffnung niemals aufgeben.
– Gregor von Nazianz –
Der Zorn Gottes
Vom Nutzen der Gottesfurcht für Luziferianer
FRATER PSYCHOPOMP
Gottesfurcht? Ausgerechnet Gottesfurcht?! In diesem Buch? Wieso denn das jetzt?
Keine Sorge, das Ganze hat seinen Sinn. Auf den nächsten paar Seiten will ich genauer umreißen, was denn die eigene Göttlichkeit, die schnell und mühelos behauptet ist, bedeutet und welche Konsequenzen sie hat. Wer also unter den geneigten Lesern der Meinung ist, sein(e) eigene(r) Go(e)tt(in) zu sein, darf sich bitte angesprochen fühlen. Wer das nicht tut, kann sich hier immerhin noch weiterbilden – oder lieber gleich zum Text von Frater Pandagaz247 rüber blättern, der ist nämlich auch ganz cool.
Noch da? Gut. Dann kommen wir mal zum Überblick: wenn ich sage, dass es in diesem Artikel um die eigene Göttlichkeit geht, dann ist das natürlich nur die halbe Wahrheit. Es geht um Fanatismus, darum was am Fanatismus nützlich und für Luziferianer interessant ist und vor allem darum, dass man seinen eigenen Fanatismus entwickeln kann genau wie seine eigene Religion, seinen eigenen Gott und seinen eigenen Musikgeschmack. Vor allem geht es darum, die eigene Göttlichkeit näher kennenzulernen, was es nämlich wesentlich leichter macht, fanatisch davon überzeugt zu sein. Aber eins nach dem anderen.
Der Fairness halber sollte ich zum Schluss meiner Vorrede klarstellen, dass ich selber mich keineswegs als Gott sehe, zumindest jetzt gerade nicht. Ich bin Chaosmagier, Mitglied des IOT und wechsle meine persönliche Rolle in meinen Weltbildern öfter als andere ihre Leopardenunterwäsche. Mit den folgenden Seiten werde ich aber beweisen, dass ich mich mit praktischem Luziferianismus trotzdem ganz gut auskenne – nur eben nicht ausschließlich damit.
Für religiöse Fanatiker ist es ganz typisch, dass die »Befehle«, die sie von Gott erhalten, im wesentlichen immer eines besagen: »Du sollst töten«. Der Gott aller Fanatiker scheint eher der Teufel zu sein.
– Amos Oz –
Fanatismus scheint mit religiöser Überzeugung eng zusammenzuhängen, soviel ist offensichtlich, aber es lässt sich schon noch Genaueres herausfinden. Das Wort Fanatismus kommt vom französischen fanatique oder vom lateinischen fanaticus, was „göttlich inspiriert“ bedeutet. Die selbe Bedeutung hat auch das Wort Enthusiasmus, nur ist das Griechisch, nicht Latein – und heutzutage ist „Enthusiasmus“ für den Pöbel etwas gutes, „Fanatismus“ aber etwas böses. Schon allein dadurch sollte klar sein, dass ein angemessen finsterer Luziferianer den Fanatismus viel interessanter zu finden hat. Aber interessant finden ist eine Sache, verstehen ist eine ganz andere. Was heißt Fanatismus eigentlich?
Der diamantene Hort aller letzthinnigen Weisheit, die Wikipedia, erzählt mir gerade, das Wort bedeute „das unbedingte Festhalten an einer Idee oder theoretischen Vorgabe weitgehend ohne Rücksicht auf praktische Konsequenzen für [sich selbst] oder andere.“ Sehr schön, das ist genau worauf ich als erstes hinauswollte: ohne Rücksicht auf Konsequenzen. Einen kleinen Schritt weiter gedacht bedeutet das: Fanatismus ist irrational.
(Und wenn mir jetzt jemand unterstellen will, das wäre der Grund, warum ich als Chaosmagier mich dafür interessiere, bekommt er keinen Keks.) Diese Irrationalität ist vielleicht auch der Grund, warum kaum jemand sich die Mühe zu machen scheint, Fanatismus verstehen zu wollen. Damit meine ich nicht so sehr die Wikipedia. Eher Leute wie den Anthropologen Scott Atran, der zwar mühsam nachgewiesen hat, dass die ziemlich eindeutigen Beispiele für Fanatiker, die sich mit Sprengstoff bekleidet in israelische Busse setzen, ein bestimmtes Profil aufweisen (geistig gesund, gebildet, intelligent, von Fanatikern umgeben), der aber keine wirkliche Analyse liefert, was so jemand fühlt und denkt, wenn er sich entscheidet, dem Fanatismus sein Leben zu opfern. Es herrscht – nicht nur psychologisch, sondern auch politisch – eine große Ratlosigkeit.
Dann versuchen wir doch mal, ob wir es selbst besser hinbekommen. Bis jetzt haben wir den Hinweis auf die „göttliche Inspiration“ und die Irrationalität. Und weiter? Wo fangen wir an? Am besten mit Beispielen, das ist immer am einfachsten.
Die Geheimakten der Gestapo über deren Folterungen von Gegnern der Nazis enthalten ein bemerkenswertes Detail. Hilters Folterknechte berichteten, dass sie jede Opfers brechen konnten und dazu brachten, preiszugeben und zu gestehen, was immer sie wollten. Kommunisten, Juden, Sozialdemokraten und alle sonstigen tatsächlichen oder scheinbaren Regimegegner brauchten allesamt nur brutal und ausdauernd genug gepeinigt zu werden – mit Ausnahme einiger Zeugen Jehovas. Denen gelang, was bis heute als praktisch unmöglich gilt: ihren Widerstand entgegen jeder Folter durchzuhalten, die sich die Gestapo ausdenken konnte. Genützt hat es ihnen wenig, denn umgebracht wurden sie anschließend trotzdem. Dennoch haben sie eine Willensstärke bewiesen, die kaum zu überbieten ist. (Zynischer weise hatten sie die Gelegenheit dazu nur, weil ihre Leitung, die Wachtturmgesellschaft, mit den Nazis kooperiert und ihnen die Namen von Mitgliedern gegeben hatte. Aber ich will ja auch nicht behaupten, alle Zeugen Jehovas wären in ihrem Glauben unbeugsam; nur diese waren es offensichtlich.)
Sie sind nicht die einzigen, die es geschafft haben, sich ihren Folterern zu verweigern – aber unter denen, die das geschafft haben, sind sie als streng religiöse Menschen in der übergroßen Mehrheit. Die Anführer der Wiedertäufer sind relativ bekannte Beispiele, wie auch verschiedene Kriegsgefangene im Zweiten Weltkrieg. Auch der relativ bekannte Fall James Stockdale, ein Kriegsgefangener in Vietnam, der jahrelange Folter durchlitten hat und sich als Atheist bezeichnet, war überzeugter Stoiker und damit Anhänger einer „Philosophie“, die bei genauer Betrachtung sehr religiös daherkommt und dem Neuplatonismus wesentlich näher verwandt ist als dem Atheismus.
Natürlich wissen wir nichts genaues über den Anteil streng religiöser Menschen unter denjenigen, die der Folter widerstanden haben. Erstens wird oft gefoltert ohne dass es Ziel der Sache wäre, den Willen des Opfers zu brechen. Zweitens haben dort, wo das doch der Fall ist, die wenigsten Folteropfer hinterher die Gelegenheit, darüber zu reden. Nach den wenigen Daten, die zu dem Thema vorliegen, scheinen streng religiöse – fanatische – Opfer jedenfalls im Vorteil zu sein.
Das könnte allerdings damit zusammenhängen, dass solche Leute, zumal heutzutage, besonders oft gefoltert werden. Wirft man einmal einen langen Blick in die Geschichte von kleinen Widerstandsgruppen gegen übermächtige Staatsgebilde, so stellt sich schnell heraus, dass sie fast immer von besonders entschlossenen Gläubigen bestimmt werden. Ulrich Köhler – noch ein Anthropologe – hat dazu eine Theorie der „Revitalisierung“ aufgestellt, in der er feststellt, dass der Großteil der Volksbewegungen, die sich gegen eine dominante Kultur (bzw. den Staat) auflehnen, nicht nur religiös sind, sondern auch normalerweise von visionären Erlebnissen einiger weniger ausgelöst werden, die berichten, sie hätten mit irgendeiner Gottheit gesprochen und würden deren Befehle ausführen. Womit wir wieder beim Fanatismus wären.
Wo in einer Revolte Religion eine geringe Rolle spielt, zum Beispiel in der Französischen Revolution, stehen hinter der revolutionären Bewegung große Menschenmassen. Das hat andere Gründe und ist für uns jetzt nicht interessant. Jedenfalls braucht es entweder einen großen Rückhalt in der Bevölkerung oder eben Fanatismus, um eine solche Entschlossenheit zu entwickeln, wie man sie braucht, um sich mit einem Staat anzulegen.
Damit will ich nicht sagen, dass es besonders sinnvoll ist, eine Revolution anzetteln zu wollen – das wäre nochmal ein ganz anderes Thema. Ich erlaube mir aber den Hinweis, dass wenn Richard Cavendish meint, das Ziel des Schwarzen Magiers wäre letztlich die Eroberung des Universums, der unmittelbar relevanteste Teil des Universums – zumindest vorerst – natürlich der Staat und die Kultur sind, in denen der Schwarze Magier lebt. Wenn fanatische Menschen bei solchen Eroberungsversuchen im Vorteil sind, dann ist das für Schwarzmagier aus ganz pragmatischen Gründen von Interesse.
In dem uns nächsten Beispiel für eine Revolte, der Opposition gegen die Regierung der ehemaligen DDR, waren es die Christen, die an vorderster Front standen und lange vor den großen Montagsdemonstrationen eine oppositionelle Szene etabliert haben. Natürlich sind auch dort Leute verschwunden und natürlich wurde auch dort gefoltert, wenn auch dank der modernen Massenmedien nur in relativ gut versteckten Ausnahmefällen. Im Klima der permanenten Stasiüberwachung Verbrechen wie „Staatsfeindliche Hetze“ zu begehen, erforderte mehr innere Stärke, als die meisten damals hatten. Die Christen hatten die nötige Entschlossenheit und den Christen verdanken wir die friedliche Revolution von 1989.
Aktuellere Fälle von Widerstand gegen eine übermächtige und folternde Staatsmacht sind natürlich vor allem die Muslime im Irak (und anderswo) und die Falun-Gong-Bewegung in China. Und schon wieder: alles religiöse Leute. Aber natürlich sind das nur die besonders eindrücklichen Extrembeispiele, an denen sich am besten zeigt, was es für Möglichkeiten eröffnet, fanatisch zu sein. Aber schau dich nur um, such nach außergewöhnlich erfolgreichen Leuten und du wirst fast immer feststellen, dass sie in irgendeiner Weise Fanatiker sind. Vielleicht ist es ihnen nicht bewusst, und vielleicht sehen sie es selbst nicht so. Aber außergewöhnlicher Erfolg hat in vielen, meiner Meinung nach den meisten, Fällen einfach damit zu tun, dass jemand bereit ist (oder es zumindest einmal war) wesentlich mehr Einsatz für etwas zu bringen als es normale (das heißt: nicht außergewöhnlich erfolgreiche) Menschen tun. Das betrifft ebenso den besessenen Künstler, der wochenlang 16 Stunden am Tag eine fixe Idee auf eine Leinwand bannt wie den Unternehmensgründer, der „unbedingt“ (ohne Rücksicht auf Verluste, das heißt: fanatisch) geschäftlichen Erfolg will und dafür die 80-Stunden-Woche und den Herzinfarkt mit 55 in Kauf nimmt. Immer ist Fanatismus die Triebfeder, die den Einzelnen aus den Milliarden heraushebt. Gegenbeispiele gibt es natürlich – die haben eben Glück gehabt, das gibt‘s auch. Aber wie man sich Glück verschafft, wird schon in genügend anderen Büchern besprochen, also zurück zum Thema.
Es lohnt sich, das eben Gesagte im Hinterkopf zu behalten, wenn man sich anschaut, wie der Fanatismus, dieses böse böse Wort, im Allgemeinen beschrieben wird – von Postings in satanischen Internetforen bis zu Artikeln in der FAZ. Da ist die Rede von „Dummheit“ (was Unsinn ist, denn fanatische Menschen sind erfahrungsgemäß eher überdurchschnittlich intelligent), „Rückständigkeit“ (als ob Fanatismus ein Phänomen der Vergangenheit wäre) oder „Irrationalität“ (was stimmt, aber nicht gerade präzise ist). Wäre es nicht viel treffender, Fanatismus durch „Entschlossenheit“ zu charakterisieren? Oder, wenn wir in der Sprache des Okkultismus bleiben, durch „Willenskraft“? Damit hätten wir dann ein drittes Merkmal für Fanatismus.
Das vierte und an dieser Stelle letzte Merkmal ist eines, in dem ich den Feuilletons ausnahmsweise Recht gebe, und zwar Intoleranz. Fanatiker sind nicht nur oft gefoltert worden, sie haben auch besonders oft selbst Andersdenkende gefoltert. Spätestens seit dem Milgram-Experiment wissen wir zwar, dass jeder Mensch dazu gebracht werden kann, zu foltern, aber in der Praxis waren – und sind – es vor allem glühende Verfechter einer Religion oder Ideologie, die foltern. Ich behaupte, dass die US-Soldaten im Irak weniger foltern und morden würden, wenn sie nicht so elendiglich überzeugt wären, das Richtige für ihren weißen, Schwule hassenden Jesus und „God‘s Own Country“ zu tun.
Damit haben wir schon vier Eigentümlichkeiten des Fanatismus. Zur Erinnerung und für alle, die zwischendurch auf dem Klo waren:
1. Inspiration durch „Gott“
2. Irrationalität
3. bedingungslose Entschlossenheit
4. Intoleranz
Für den Moment soll das reichen. Ich denke, unter Luziferianern wird man sich schnell einigen können, dass die Punkte eins, zwei und vier Merkmale sind, die vor allem im Zusammenhang mit Religion auftreten, was unseren Anfangsverdacht bestätigt. Ich denke auch, unter Okkultisten und anderen Leuten, die beim Kettenrauchen gern von ihrem tollen magischen Willen reden, wird man sich ebenso schnell einigen können, dass Punkt drei eigentlich ganz nützlich klingt. Und wenn etwas ganz nützlich klingt, dann kann die einzig relevante für pragmatisch orientierte Magier natürlich nur lauten: wie bekommen wir diese Entschlossenheit, ohne uns irgendeinem Sklavengott zu verschreiben? Und was hat das alles nun mit Luziferianismus zu tun?
Die Erklärung wird bedauerlicherweise nicht ganz unkompliziert, aber wir haben alle Bausteine dafür zusammen und müssen sie nur noch auf die richtige Weise zusammenbasteln. Offenbar brauchen wir eine Art Religion, oder zumindest etwas, was ihr (wie James Stockdales Stoizismus) ähnlich genug ist, um uns die Entschlossenheit zu geben, die offenbar zu so außergewöhnlichen Leistungen fähig macht. Wie diese Religion oder Philosophie aussehen muss, erzählen uns die oft genug genannten vier Merkmale.
Zuerst einmal – und das ist sicher der interessanteste Punkt – muss diese Religion irrational sein. Das ist nicht so problemlos, wie diejenigen glauben werden, die jede Religion für irrational halten, denn manche Religionen sind irrationaler als andere. Es macht einen Unterschied, ob man relativ vernünftig überprüfbare Meditationserlebnisse zur Grundlage seiner Religion macht, oder ob man entgegen jeder Logik die Legenden eines vorderasiatischen Hirtenvolkes zur absoluten Wahrheit erklärt und versucht, sie gegen die Wirklichkeit durchzusetzen. (Das erste wäre zum Beispiel im Buddhismus der Fall, das zweite bleibt dem Leser zum Selbststudium überlassen.) Außerdem hat Anton Szandor LaVey mit seiner Version des Satanismus eine der rationalsten Religionen/Weltanschauungen abgeliefert, die die Religionsgeschichte überhaupt kennt – und die ich an dieser Stelle wohl kaum zu erklären brauche. LaVey hilft uns also bei der Verwertung für den Fanatismus nicht weiter, wir brauchen eine möglichst irrationale Religion.
Wie sich noch herausstellen wird, ist es für diese Zwecke ausreichend irrational, sich für Gott zu halten. Allein die Idee, seine eigenen paar Dutzend Kilo Fleisch und zweieinhalb Pfund Hirnmasse für göttlich zu halten, ist so offensichtlich absurd, dass es um so leichter ist, sie fanatisch zu behaupten. Aber dazu gleich.
Zweitens muss eine Art unmittelbarer Kontakt mit dem Absoluten/Göttlichen vorkommen. Ob als direkter Kontakt wie im Gebet der Inquisitoren oder als festes Wissen wie das der shintoistischen Kamikaze-Piloten ist egal, aber jedenfalls nützt uns eine distanzierte, abgehobene Göttlichkeit wie der kabbalistische Ain Soph herzlich wenig. Natürlich kann man jede Religion auf unterschiedliche Weise verstehen und in jeder Religion sich vom Göttlichen direkt berührt fühlen. Aber wieder macht es die eine Religion leichter als die andere: die haitianischen Sklaven in den Befreiungskriegen konnten direkt ihre Petro-Loa invozieren und besessen in den Kampf ziehen, während die deutschen Soldaten, die mit ihren „Gott mit uns“-Gürtelschnallen im Schützengraben verreckt sind, kein solches rituelles Rüstzeug hatten. Für Luziferianer ist der Kontakt natürlich besonders einfach: wer selber Gott ist, ist klar im Vorteil.
Intoleranz und Entschlossenheit findet sich in so ziemlich jeder Religion, vorausgesetzt sie wird einigermaßen radikal gelebt. Fassen wir diese beiden also zusammen und stellen wir fest: wir brauchen radikale Religiösität. Und da es hier um Luziferianismus geht – wobei sich der ganze Text problemlos auf Wicca oder jedes andere Paradigma ummünzen ließe – soll die zugrundeliegende Religion natürlich die Wertschätzung und Verkörperung des Luziferprinzips sein.
Jetzt setzen wir Radikalität, Irrationalität, unmittelbaren Kontakt und Luziferianismus nur noch zusammen. „Wie können wir fanatischen Luziferianismus erreichen?“ heißt dann in anderen Worten: „Wie können wir radikalen, irrationalen Luziferianismus mit unmittelbarem Kontakt zum luziferianischen Prinzip erreichen?“ Praktischerweise brauchen wir uns da nicht selbst Gedanken zu machen, denn das hat schon jemand für uns getan. Wir brauchen ihn nur noch umzudeuten, denn er ist … christlicher Theologe.
Wir treffen hiermit auf den Gegensatz von Rationalismus und tieferer Religion.
– Rudolf Otto –
Rudolf Otto ist sicherlich unter den Vertretern der deutschen evangelischen Theologie einer derjenigen, die am meisten der Gotteslästerung beschimpft worden sind. Im Laufe seines kurzes Lebens erreichte er vor allem eins, nämlich eine noch heute (nach über hundert Jahren) in jeder besseren christlichen Buchhandlung vorrätige Veröffentlichung. „Das Heilige“ heißt sie und ist wirklich einen Blick wert. Wer aber keinen Bock hat, für so etwas Geld auszugeben, oder wer befürchtet, beim Betreten eines so zweifelhaften Etablissements wie einem christlichen Buchladen auf der Stelle zu Staub zu zerfallen, findet hier die wichtigsten Punkte in Kurzform, denn sie werden uns in der Formulierung eines fanatismusfähigen Luziferianismus ausgesprochen nützlich sein.
Otto hat sich für das Erleben des Göttlichen interessiert, das heißt dafür, wie es sich anfühlt, dem Absoluten zu begegnen. Das ist für uns interessant, da wir magischer Logik folgend natürlich wissen, dass nicht unbedingt „Gott“ ein Gefühl erzeugen muss, sondern auch ein Gefühl „Gott“ erzeugen kann. Sich in dieses spezielle Gefühl hineinzusteigern kann – das weiß nicht nur ich aus eigener Erfahrung – den Kontakt mit dem Absoluten, was oder wo es auch sei, enorm verstärken und damit die göttliche Inspiration hervorrufen. Rudolf Ottos entscheidende und für viele Christen ausgesprochen widerwärtige Erkenntnis war die, dass die direkte Begegnung mit dem Göttlichen nicht rational zu erfassen ist. Das gilt (und das war seinen Kollegen noch viel widerwärtiger) nicht speziell für den christlichen Gott, sondern für jede Religion. Den Luziferianismus hat er sicher nicht gemeint, aber auch für den gilt, was er herausgefunden hat.
Laut Rudolf Otto hat die Begegnung mit dem „Heiligen“ – was bei ihm noch ein abstrakter Begriff ist, mag jeder Leser für sich durch seinen persönlichen Begriff des allerhöchsten göttlichen Prinzips ersetzen – immer zwei Komponenten, zwei Erfahrungen unbeschreiblicher Art. Diese sind bedeutsamerweise irrational, und zwar insofern, dass sie nicht in Worten ausgedrückt und authentisch an andere weitergegeben werden können. Es handelt sich um eine vor-sprachliche, vor-rationale Ebene des menschlichen Erlebens, um rein gefühlsmäßige Eindrücke. Dennoch können diese Erlebnisse, obwohl sie sich ebensowenig wie das der Liebe adäquat ausdrücken lassen, zumindest umschrieben und beschrieben werden. Logisch, sonst hätte sich das mit dem Buch auch irgendwie erübrigt, denn darin versucht der Herr Theologe seitenlang genau das, was er vorher selbst für unmöglich erklärt hat.
Die eine Komponente nennt er das mysterium tremendum, das schauervolle (oder schaudern machende) Geheimnis. Dummerweise hat die deutsche Sprache ein völlig unzureichendes Vokabular, was die verschiedenen Arten von Angst angeht, aber Tatsache ist, dass tremendum dasjenige am Heiligen meint, das so etwas wie Angst einflößt. Spätestens hier wird der notorisch coole Schwarzmagier von heute die Augenbrauen hochziehen und zu sich meinen: „Angst? Ich hab doch keine Angst vor gar nichts.“ Stimmt, und genau das ist das Problem. Aber bevor wir dazu kommen, will ich versuchen, etwas genauer zu umschreiben, was Rudolf Otto mit dem tremendum meint.
Die Angst des tremendum ist keine konkrete Angst wie die vor einem bissigen Hund und auch keine vage Angst wie die vor der nächsten Telefonrechnung. Es ist eine metaphysische Angst vor der Wertlosigkeit gegenüber dem Unermesslichen. In Ottos Buch wird es mal als Grauen bezeichnet, mal als Erschauern, dann wieder als Ehrfurcht oder Scheu. Emile Durkheim hat einen besseren Begriff für die (meiner Erfahrung nach) selbe Sache: er spricht von Anomie, dem völligen Fehlen von Werten und Normen. Die Begegnung mit dem absolut Heiligen bringt unvermeidlich dieses Gefühl mit sich, denn für das Heilige, das Göttliche, „ganz andere“ und unbedingte, gelten natürlich keine Regeln, wie wir sie kennen. Eine solche Begegnung verdeutlicht erst, wie unbedeutend absolut alles profane (nicht-heilige) ist und dass das jeden Sinn mit einschließt, denn wir vielleicht zu kennen glauben.
Durkheim bringt Anomie mit Entfremdung und einem Gefühl der eigenen Wertlosigkeit in Verbindung, was natürlich daran liegt, dass er über Selbstmord geforscht hat und feststellte, dass das Erleben von Anomie ein Faktor ist, der Selbstmorde fördert. Selbstmord hat übrigens wahrscheinlich – ganz wird das wohl nie geklärt – auch Rudolf Ottos Leben beendet.
Interessanterweise stellt sich die Situation völlig anders dar, wenn man als Luziferianer (anders als die von Durkheim untersuchten Christen) das Heilige, also auch das tremendum, in sich selbst findet statt außerhalb von sich. In diesem Fall ist man nicht Opfer der Entwertung durch einen „Gott“, sondern entwertet selbst alles. Die Grunderfahrung des luziferianischen tremendum kann vage angedeutet werden als das Entsetzen, sich als einziges echtes Wesen in einer sinnlosen, hohlen Spielzeugwelt wiederzufinden.
Nur zur Sicherheit betone ich noch einmal: das eigentliche tremendum ist mit solchen Begriffen wie Angst oder Anomie nicht zu erfassen. Diese Begriffe beschreiben nur im Ansatz ein unaussprechliches Gefühl, das das Heilige auslöst.
Es lohnt sich (schon allein um mal konkret zu werden), kurz darüber nachzudenken, in welcher Situation ein frommer Christ sich zu befinden glaubt. Er ist der Allmacht seines Gottes vollkommen ausgeliefert, kann aber niemals absehen, was dieser Gott mit ihm anstellen wird – was schon bei der einfachen Frage anfängt, ob er denn im Himmel oder in der Hölle landen wird. „Die Wege des Herrn sind unergründlich“ heißt es beschönigend. Oder ganz unverblümt in Psalm 76,8 und an Gott gerichtet: „Furchtbar bist du! Wer kann vor dir bestehen, wenn du zürnest?“ Kein Wunder, dass regelmäßig die Gnade Gottes in den Psalmen und Gebeten beschworen wird. Diese Gebete sind natürlich absurd und können allenfalls ein beruhigendes Selbstgespräch der Gläubigen darstellen, da Gott ja per Definition durch so etwas ebensowenig in seinem Zorn zu besänftigen ist wie durch irgendetwas sonst. Dem Durchschnittskirchgänger ist die prekäre Situation, in die seine Religion ihn strenggenommen bringt, wohl in den seltensten Fällen klar. Aber der Durchschnittskirchgänger begegnet auch nicht dem Heiligen. Tiefgläubigen Christen – vor allem Protestanten und Rudolf Otto war so einer – ist ihre „schlechthinnige Abhängigkeit“, wie der Theologe Friedrich Schleiermacher es genannt hat, aber durchaus schmerzlich bewusst. Was in den Selbstmord treiben kann, kann auch zu anderen Dingen treiben: eifrigen Gebeten um Gnade zum Beispiel. Da der verängstigte Christ kein Luziferianer ist, muss er immer das Opfer, kann er nie die Quelle dieser namenlosen Angst sein. Und nichts ist entsetzlicher als der Zorn Gottes.
Der geneigte Leser möge sich fragen, ob er Gefühle der Begegnung mit dem tremendum schon erlebt hat, in Bezug auf welchen Gottesbegriff auch immer. Wenn ja, so ist die wichtigste Hürde genommen und es gilt, in der folgenden Erörterung genau dieses Gefühl im Hinterkopf zu behalten. Wenn nein, dann werden die gegen Ende dieses Textes genannten Techniken möglicherweise besonders nützlich sein.
Die andere Seite des „Heiligen“, die positive, nennt Otto das fascinans. Sie ist dafür verantwortlich, dass sich Menschen mit etwas so grauenvollem wie Gott überhaupt beschäftigen. Glückseligkeit, Gnade, Entrückung … hier finden wir alle Gefühle wieder, die der schon erwähnte Durchschnittskirchgänger gern hat, obwohl (oder gerade weil) sie nur blasse Reflektionen desjenigen sind, was tiefreligiöse Mystiker erleben. Immerhin werden, weil die Masse der Christen sich Gott als „gütig“ vorstellt, Begegnungen mit dem fascinans nicht so tabuisiert und verschwiegen wie Begegnungen mit dem tremendum. Außerdem sind sie so überwältigend positiv – sind vielleicht Positivität an sich – dass man sich Freunde macht, wenn man darüber redet. Nur stellt man eben wiederum fest, dass das so einfach nicht ist.
Eine berühmte Legende über Thomas von Aquin (schon wieder ein Theologe) erzählt, er hätte nachdem er so etwas erlebt hatte, alle seine Bücher verbrennen wollen, weil ihm klar geworden war, wie unzureichend sämtliches Reden über Gott ist. Hätte er es nur getan … jedenfalls ist er bei weitem nicht der einzige, der sich über die verzweifelte Unmöglichkeit beklagt hat, sein so überwältigend beglückendes Erlebnis mitzuteilen. Die Andeutungen, die dennoch versucht werden, drehen sich normalerweise um Begriffe wie Frieden, Seligkeit und die Erkenntnis, dass alles eins ist. Die Unaussprechlichkeit des mystischen Erlebnisses ist inzwischen fast sprichwörtlich und ein Lieblingsthema von Leuten, die sich immer noch an das Christentum klammern. Die Unaussprechlichkeit der Anomie lässt sich nur aus den schweigsamen, unauffälligen Selbstmordstatistiken ablesen. (Die aber zeigen immerhin, dass Protestanten, die das tremendum im Schnitt besser zu kennen scheinen als Katholiken, auch deutlich mehr Selbstmorde begehen als diese.)
Wieder stellt sich dieses Erlebnis in seiner luziferianischen Form grundsätzlich anders dar. Das Gefühl bleibt das selbe – wer Chaosmagier ist und den Paradigmenwechsel hinbekommt, vergleiche ruhig – nur wird die überwältigende Positivität nicht nach außen auf alles wahrgenommene projiziert, sondern vor allem auf die eigene Gedanken. Ähnlich wie Mystiker ein schlafwandlerisches Gottvertrauen entwickeln, kann das luziferianische fascinans ein unbeschreibliches Selbtvertrauen geben.
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen: natürlich sind auch das nur Symptome, Fußabdrücke desjenigen mysterium fascinans das Rudolf Otto meint. In seinen Worten: