Kitabı oku: «Tossed Into Love», sayfa 2
2. Kapitel
Bist du ... bist du etwa nett zu mir?
Libby
Den Kopf in Palos Büro steckend, lächle ich ihn an, als er meinen Blick auffängt. Seine vollen Lippen verziehen sich zu einem Grinsen. Palo ist ein umwerfender Puerto Ricaner mit dunklen Haaren, karamellfarbener Haut und braunen Augen, die im hellen Licht des Beautysalons beinah golden wirken. Er ist einer der nettesten Männer, die ich je getroffen habe – und mehr als nur talentiert. Seine Arbeit als Stylist wurde bereits in unzähligen Magazinen und Zeitschriften gezeigt. Mit seinen jungen Jahren – er ist erst dreiunddreißig – hat er sich nicht nur einen Namen beim Who is Who von Manhattan gemacht, sondern bei Film- und Broadwaystars gleichermaßen. Die Leute buchen Monate im Voraus, um von ihm die Haare gemacht zu bekommen.
»Hast du Feierabend, Liebes?« Er dreht seinen Stuhl zu mir herum, um mir seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken.
»Ja, meine letzte Kundin ist eben gegangen«, antworte ich, während ich in meinen Mantel schlüpfe, unter dem ich eine schwarze Bluse mit verspieltem Kragen und langen, fließenden Ärmeln sowie Skinny Jeans im selben Ton trage. Ebenso farblich dazu abgestimmt, sind meine spitz zulaufenden mit den acht Zentimeter hohen, schmalen Absätzen.
»Wie geht es dem Freund deiner Schwester?«
Ich halte beim Zuknöpfen meines Mantels inne. Vor zwei Tagen, als ich mit Fawn und Mackenzie ausgegangen bin, wurde Levi angeschossen. Zum Glück geht es ihm so weit gut, dennoch war es nervenaufreibend zu sehen, wie meine Schwester außer sich war vor Sorge, die Liebes ihres Lebens zu verlieren. An diesem Abend erfuhr ich auch, was Mackenzie vor mir und allen anderen geheim gehalten hatte. Sie trifft sich nämlich mit Wesley, der nicht nur wie Levi bei der New Yorker Polizei, sondern auch dessen Partner ist. Mackenzie erzählte uns, dass sie sich kurz vor Thanksgiving in einer Bar kennengelernt hätten, wo Mac von ihrem eigentlichen Date versetzt worden war. Sie und Wes hatten an jenem Abend was miteinander und ein paar Tage darauf sind sie erneut miteinander im Bett gelandet; beide Male war sie anschließend über seine Absichten so voller Zweifel, dass sie einfach abgehauen ist, in dem Glauben, ihn nie wiederzusehen. Aber dann tauchte er bei unserem Thanksgiving-Essen auf, ohne zu wissen, dass die Freundin seines Partners Mackenzies Schwester ist. Tja, und der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt. Jetzt weiß meine Familie von ihm. Mom ist natürlich überglücklich, dass nicht nur eine, sondern gleich zwei ihrer Töchter echte, lebendige Männer daten, die das Potenzial haben, ihnen einen Ring an den Finger zu stecken und – was für meine Mom vielleicht noch wichtiger ist – ihr die ersehnten Enkelkinder zu schenken, damit sie diese vergöttern kann.
»Hey.«
Ich spüre eine Hand an meinem Arm, die mich ruckartig wieder ins Hier und Jetzt befördert, und blinzle Palo irritiert an. »Sorry. Ja, ihm geht’s gut. Sehr gut sogar«, murmle ich.
Den Kopf schieflegend, mustert Palo mich prüfend, als ich meinen Mantel weiter zuknöpfe. »Ist mit dir alles in Ordnung?«, will er schließlich wissen.
»Ja, ich bin nur ein bisschen müde.« Ehrlich gesagt, stimmt das nicht – obwohl ich müde sein sollte. Doch schon den ganzen Tag fühle ich mich, als hätte ich zu viel Kaffee getrunken; ich bin wie aufgezogen. Heute Abend fange ich an, in der Pizzeria von Tony mitzuhelfen, auch wenn das Antonio nicht passt. Er war nicht gerade glücklich, als ich ihn anrief, um ihm mitzuteilen, dass ich heute Abend mit anpacken würde. Trotzdem hat er mich nicht zum Teufel gejagt, was nur beweist, dass er jede helfende Hand gebrauchen kann – sogar meine.
»Du musst dir ein bisschen mehr Entspannung gönnen«, meint Palo.
Ich nehme meine Handtasche von der Kommode und beuge mich vor, um ihm einen Kuss aufs Kinn zu drücken.
»An meinem nächsten freien Tag werde ich mich nicht von der Couch runterbewegen.« Das ist nicht gelogen. Wann immer ich einen ganzen Tag freihabe, verbringe ich ihn in Jogginghose auf dem Sofa, ziehe mir jeden Horrorfilm rein, den ich finden kann, und esse nichts als Junkfood.
»Gut, und ich erwarte, dass wir bald mal wieder etwas trinken gehen. Außerdem möchte ich dir jemanden vorstellen.«
Oh Gott.
Ich seufze. »Palo ...«
»Ein ganz legeres Treffen. Versprochen.« Er versucht seine Lüge, mit einem Lächeln zu überspielen.
Wenn es um Palo geht, ist nichts jemals leger oder entspannt. Er versucht schon seit Ewigkeiten, einen Mann für mich zu finden.
»Du wirst mich nicht wieder verkuppeln.«
»Warum nicht?«, fragt er beleidigt.
Ob ich genauso geklungen habe, als ich versucht habe, Fawn zu verkuppeln, und sie das nicht wollte?
»Weil ...«
»Weil ist keine Antwort, Liebes.«
»Doch«, behaupte ich beharrlich. »Es ist meine Antwort. Weil mich der letzte Typ, mit dem du mich verkuppeln wolltest, in der Bar allein auf einer Hundert-Dollar-Rechnung sitzen ließ. Oder weil eben dieser Typ alt genug war, um mein Vater zu sein. Oder weil ...«
»Ist ja gut. Ich hab’s kapiert.« Er schüttelt den Kopf und nimmt meine Hand. Für einen Moment verziehen sich seine Lippen zu einem amüsierten Grinsen, ehe er wieder ernst wird. »Du bist eine wunderschöne Frau, Libby. Du bist jung. Du solltest mit jemandem ausgehen.«
Ja, das sollte ich. Doch jeder Versuch, in dieser Stadt einen Mann zu finden, endete im Desaster. Besagte Männer erwarteten von mir, entweder verdammt dumm oder verdammt leicht zu haben zu sein. Dabei bin ich keins von beidem. Vielleicht habe ich noch keinen genauen Plan davon, was ich mit dem Rest meines Lebens anstellen möchte, aber erfolgreich steht ganz bestimmt auf dieser Blaupause. Ich möchte mehr als ein hübsches Anhängsel am Arm eines Mannes sein; mit irgendwelchen Kerlen ins Bett zu steigen, bis ich den Einen gefunden habe, will ich auch nicht. Meinen Körper möchte ich nur mit jemandem teilen, der mir wichtig ist und dem ich genauso am Herzen liege wie er mir. Ich muss einfach nur einen Mann finden, der meine Kriterien erfüllt.
»Wir sehen uns morgen«, verabschiede ich mich von Palo, weil ich diese Unterhaltung nicht weiterführen will.
»Du hast morgen frei«, erinnert er mich.
Ich verdrehe die Augen. Das habe ich völlig vergessen. Morgen ist tatsächlich mein freier Tag.
»Stimmt. Muss mir entfallen sein, weil ich den Großteil des morgigen Tages damit verbringen werde, Kleider durch die ganze Stadt zu kutschieren.«
Palo weiß alles über meinen Nebenjob. Vor zwei Jahren habe ich eine meiner reichen Klientinnen, die später an diesem Abend einen Wohltätigkeitsball besuchen wollte, einen Hausbesuch abgestattet, um sie zu stylen. Bei dieser Gelegenheit hat sie mir all ihre Designerroben und -kleider gezeigt, die sie alle nur ein einziges Mal getragen hat. Was für eine Verschwendung, war das Einzige, was ich denken konnte. Unter keinen Umständen sollten Micheal Kors, Vera Wang, Tom Ford oder Phillip Lim in irgendwelchen Kleiderschränken ein trostloses Dasein fristen. Da kam mir eine Geschäftsidee. Ich habe mit ihr und einigen meiner anderen Kundinnen gesprochen und zu meiner großen Überraschung brauchte es nicht viel, um sie von meiner Idee zu überzeugen. Sobald ich ihre Zustimmung hatte, habe ich Bilder von den Kleidern und Accessoires gemacht, die sie verleihen würden, und das war die Geburtsstunde von Designer Closet. Ich vermiete Sachen aus den Kleiderschränken anderer Leute. Klientinnen sagen mir, was sie haben wollen, und ich finde es. Sie bezahlen einen festen Preis und geben mir die Stücke zurück, nachdem sie sie getragen haben. Anschließend lasse ich sie reinigen, ehe ich sie wieder ihren eigentlichen Besitzern zukommen lasse.
Ich habe damit zwar keine Millionen gescheffelt, aber bis jetzt dennoch gutes Geld verdient. Genug, um eine ordentliche Anzahlung für eine Eigentumswohnung in der Stadt leisten zu können.
»Sieh zu, dass du dir auch ein bisschen Ruhe gönnst.«
»Mach ich. Bis übermorgen.« Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange und verlasse sein Büro. Auf meinem Weg durch den Beautysalon lächle ich die anderen Stylisten an, halte aber nicht für einen kurzen Abschiedsplausch, da sie alle Kundschaft haben.
»Bis bald, Libby«, ruft Max, unser Rezeptionist. Er ist hübscher als die meisten Frauen, die ich kenne. Als ich mich umdrehe, lehnt er lächelnd am Empfangstresen. Auf seinen Lippen glänzt Lipgloss und seine Augen hat er mit dunklem Kajal umrandet, was sie durch den Kontrast zu seiner hellen Haut besonders hervorstechen lässt.
»Bis bald, Max. Hab noch einen schönen Abend.« Sein Lächeln erwidernd, verlasse ich den Salon.
Als ich ins Freie trete, zittere ich angesichts der Kälte, die mich empfängt. Ich bleibe stehen, fische meine Mütze und meine Handschuhe aus meiner Tasche und ziehe beides an, bevor ich die Straße hinuntereile. Auch wenn ich liebend gern ein Taxi nehmen würde, lasse ich es bleiben. Der Verkehr ist im Moment die Hölle; gerade versucht gefühlt ganz New York nach Hause zu kommen. Also gehe ich zur U-Bahn-Station an der Ecke und die Treppe zum überfüllten Bahnsteig hinunter. Zwei U-Bahnen fahren vorbei, bis ich einen Platz in einer ergattern kann. Als ich es endlich ans andere Ende der Stadt geschafft habe, ist es bereits siebzehn Uhr dreißig – eine halbe Stunde später, als mit Antonio verabredet. Ich verzichte darauf, mich zu Hause umzuziehen, weil mir schlicht die Zeit dafür fehlt, und mache mich auf direktem Weg zur Pizzeria. Als ich hineingehe, atme ich tief die warme Luft im Inneren ein. Es riecht nach Hefeteig und irgendwie heimelig. Peggy ist vorn am Empfangstresen und nimmt Bestellungen entgegen; Hector und Marco machen Pizza und wirken etwas überfordert. Ich eile an den Leuten in der Warteschlange vorbei in Richtung des Büros. Ohne zu klopfen, trete ich ein und erstarre, als mein Blick auf Antonios nackten, muskulösen Rücken fällt. Schmetterlinge beginnen bei diesem Anblick in meinem Bauch zu flattern, ehe Antonio sich ein einfaches dunkelblaues T-Shirt über den Kopf zieht.
»Ähm ... hi.« Mich räuspernd, weiche ich seinem Blick aus und verstaue meine Handtasche in der Ecke des Raums, schlüpfe dann aus meinem Mantel und lege ihn darüber.
»Du kannst unmöglich dieses Oberteil da draußen tragen«, erklärt Antonio.
Da ich die einzige andere Person im Raum bin, ist klar, dass er mit mir redet. Mir bleibt also nichts übrig, als mich zu ihm umzudrehen.
»Hier.« Er hält mir ein T-Shirt hin, das seinem farblich gleicht und auf dem vorn in großen Lettern TONY’S draufsteht. »Keine Widerworte?« Augenscheinlich überrascht, zieht er eine Braue in die Höhe.
»Mein Oberteil hat beinah zweihundert Dollar gekostet«, entgegne ich und sehe, wie er die Zähne aufeinanderpresst.
»Na dann. Bis gleich.« Ohne mich eines weiteren Blicks zu würdigen, verschwindet er. Kopfschüttelnd sehe ich ihm nach. Keine Ahnung, was sein Problem ist, aber was es auch sein mag, es wird Zeit, dass er darüber hinwegkommt.
Ich ziehe das T-Shirt an, das er mir gegeben hat, und mache an der Seite einen Knoten hinein, weil es zu lang ist, um es hängen zu lassen oder in meine Hose zu stecken. Sobald ich fertig bin, verlasse ich das Büro und gehe durch die halbhohe Tür, die den hinteren Bereich der Pizzeria vom vorderen abtrennt.
»Wo möchtest du mich haben?«, frage ich Antonio.
Er knetet gerade eine große Kugel Pizzateig auf einer Edelstahlanrichten, die voller Mehl ist. »Womit kennst du dich aus?«, fragt er, ohne aufzusehen.
»Mit allem.«
Mit einem zweifelhaften Blick betrachtet er mich von Kopf bis Fuß, und ich muss gegen den Drang ankämpfen, mich unter seiner Musterung zu winden. Ich habe ihn neulich nicht angelogen. Als ich sechszehn wurde, beschloss ich, das Geld für all das Make-up und die Klamotten, die meine Eltern mir nicht kaufen wollten, selbst zu verdienen und habe einen Job in einer Pizzeria bei uns um die Ecke angenommen. Bis zu meinem Highschool-Abschluss habe ich dort gearbeitet. Ich habe es geliebt und war so gut darin, dass die Besitzer mir einen Vollzeitjob als Managerin der Pizzeria angeboten haben, hätte ich mich für ein College in der Nähe entschieden, aber das tat ich nicht.
»Okay, du kannst mir hier mit dem Teig helfen«, weist mich Antonio schließlich an.
Ich nicke, gehe zum Spülbecken, wasche meine Hände und stelle mich neben ihn. Wir alle arbeiten im Einklang miteinander. Antonio bearbeitet den Teig mit seinen Händen und bringt ihn in Form, anschließend übernehme ich ihn und platziere den Belag darauf, während Hector und Marco die Pizzen in den Ofen schieben und anschließend in Kartons packen. Um zwanzig Uhr abends wird die Schlange vor dem Eingang kürzer und das Telefon hört auf, alle fünf Minuten zu klingeln. Endlich kann ich ein wenig durchatmen.
»Ich habe keinen blassen Schimmer, wie du es bei all dem Stress hier in diesen Schuhen aushältst«, meint Peggy, als ich Hector eine weitere Pizza zuschiebe, damit er sie in den Ofen geben kann.
Lächelnd drehe ich mich zu ihr um und hebe meinen Fuß, um meinen Absatz zu begutachten. »Ich laufe schon auf hohen Hacken herum, seit ich vier Jahre alt bin. Damals war es noch, ein Paar dieser Stöckelschuhe aus Plastik, die man im Supermarkt kaufen konnte. Mom war erst nicht begeistert, aber ich konnte sie schließlich überzeugen«, erzähle ich mit einem Hauch Nostalgie in meiner Stimme. »Ich habe diese Schuhe überall getragen. Als sie schließlich völlig durchgelaufen waren, habe ich meine Mom angebettelt, mir ein richtiges Paar zu kaufen. Sie hat erst eingelenkt, als ich dreizehn wurde, aber danach gab es für mich kein Halten mehr. Ich habe nie wieder flache Schuhe angezogen.«
»Wow«, murmelt Peggy. »Ich bin zweiundvierzig und habe genau zweimal in meinem Leben High Heels getragen.« Sie hält zwei Finger in die Höhe. »Einmal, als ich Hector geheiratet habe«, sie nickt mit dem Kinn in die Richtung ihres Mannes, »und einmal, als unsere Tochter getauft wurde. Himmel, meine Füße tun immer noch weh, wenn ich daran zurückdenke, wie es sich angefühlt hat, auf diesen verdammten Absätzen herumzulaufen.«
Hector ist mexikanisch-amerikanischer Abstammung und sieht mit seinen dreiundvierzig Jahren immer noch gut aus. Er ist klein, hat schwarzes Haar, das an den Schläfen langsam grau wird, und trägt ein Ziegenbärtchen, das er vermutlich färbt, damit es nicht ebenfalls ergraut. Er ist wirklich nett. Er und Peggy geben ein süßes Pärchen ab. Mit ihrem dunklen, rotbraunen Haar, der blassen Haut und ihrer zierlichen Figur ist sie auch nicht von schlechten Eltern, und ich wette, ihre Tochter ist mindestens ebenso hübsch. Auf jeden Fall ist sie klug, das weiß ich – sie hat gerade auf einer Privatschule in der Bronx mit der Highschool begonnen, was auch der Grund ist, warum Peggy nun halbtags in der Pizzeria arbeitet. Zwar hat ihre Tochter ein Vollzeitstipendium, aber außerschulische Aktivitäten kosten extra und die sind an einer Privatschule nicht gerade günstig.
Ich zucke die Achseln. »Vermutlich bin ich es einfach gewohnt.«
»Du solltest hier hinten in der Küche wirklich keine High Heels tragen«, wendet Antonio ein. Als ich mich zu ihm umdrehe, bemerke ich seinen finsteren Blick. »Sie sind eine Gefahr für Leib und Leben.«
Ich presse meine Zähne fest aufeinander, um mir eine entsprechende Entgegnung zu verbeißen.
»Mir gefallen die hohen Schuhe«, sagt Marco mit einem verschmitzten Grinsen in seinem hübschen Gesicht. »Sehr sogar.« Er zwinkert mir zu, und ich verdrehe die Augen. Er flirtet mit jeder Frau, die in den Laden kommt.
»Marco ...«, knurrt Antonio.
Marco zuckt mit seinen breiten Schultern. Er ist halb Italiener, halb Afroamerikaner. Er ist kurz vor der Vierzig, sieht aber aus wie Mitte dreißig. Trotz meiner hohen Absätze, ist er ein wenig größer als ich, hat dunkles Haar, graubraune Augen und ein umwerfendes Lächeln, das zuhauf die Aufmerksamkeit der weiblichen Kundschaft auf sich zieht. Zu deren Bedauern ist er aber in festen Händen. Lola, seine Ehefrau, hat aber kein Problem damit hat, wenn er ein bisschen flirtet. Sie weiß zu einhundert Prozent, dass er sie niemals betrügen würde – und sollte er es doch jemals tun, würden ihn ihre drei Brüder umbringen.
»Mir persönlich ist es egal, welche Schuhe du trägst, chiquita«, mischt Hector sich ein und tätschelt meine Schulter. »Du bist flott, belastbar und hast jede Bestellung heute korrekt ausgeführt. Meinetwegen kannst du alle Schuhe tragen, die du willst, völlig egal, welche.«
»Du warst heute Abend echt der Wahnsinn, Mädchen. Tony und Martina wären stolz«, fügt Marco hinzu.
Ihre Worte sind Balsam für meine Seele. Die beiden arbeiten hier schon seit Jahren, lange bevor ich das erste Mal die Pizzeria betreten habe. Tony hat ihnen den Laden mehr als nur einmal anvertraut, von daher geht ihr Lob runter wie Öl.
»Danke, Jungs«, entgegne ich leise.
»Möchtest du jetzt weiter Pizzen belegen oder möchtest du weiterquatschen?«, fragt Antonio.
Mich wieder zur Anrichte hinter mir umdrehend, stelle ich fest, dass ich bereits drei Pizzen hinterherhänge. Ohne ein Wort der Erwiderung mache ich mich wieder an die Arbeit. Gleichzeitig überlege ich, bei Wes und Levi nachzufragen, ob sie gegen mich ermitteln würden, würde Antonio plötzlich von der Bildfläche verschwinden. Ehrlich, eines Tages besorge ich mir vielleicht einen schönen Teppich, um seine Leiche darin einzuwickeln, ehe ich sie in den East River werfe. Vielleicht auch in den Hudson.
»Ich kann das für dich fertigmachen«, meint Antonio drei Stunden später.
Ich blicke vom Tisch auf, den ich gerade abwische, und schaue ihn an. »Passt schon.« Ich mache mich wieder ans Wischen und kann ein Gähnen nicht zurückhalten; das Adrenalin, das ich vorhin noch verspürt habe, ist bereits lange verschwunden und Erschöpfung hat stattdessen von meinem Körper Besitz ergriffen.
»Du bist müde. Ruh dich im Büro aus, bis ich hier fertig bin; anschließend bringe ich dich nach Hause«, sagt er und kommt durch den mittlerweile geschlossenen Laden auf mich zu.
Wir sind die Letzten. Marco und Hector sind vor etwa einer Stunde gegangen, weil sie morgen Vormittag gegen elf schon wieder hier sein und alles fürs Mittagessen vorbereiten müssen. Peggy ist zusammen mit ihrem Ehemann nach Hause, zuvor hatte sie aber die Küche saubergemacht und alles weggeräumt. Ich habe beschlossen, noch zu bleiben und weiterzuhelfen, weil ich morgen Früh ausschlafen kann, ehe ich mit zig Kleidern durch die Stadt toben muss.
»Ich bin fast durch, und du musst mich auch nicht nach Hause bringen«, widerspreche ich, gehe zu einem anderen Tisch, wische erst die Platte, dann die daran platzierten Stühle ab, und stelle Salz- und Pfefferstreuer sowie die Servietten ordentlich in die Mitte.
»Und ich kann das hier fertigmachen«, wendet er ein und versucht, mir den Lappen zu entreißen, doch ich befreie ihn energisch aus seinem Griff.
»Genau wie ich.« Ich bedenke ihn mit einem finsteren Blick, ehe ich um ihn herum zu dem nächsten Sitzplatz gehe.
»Ich versuche gerade, nett zu dir zu sein.«
»Nett? Du bist nie nett zu mir. Kleiner Tipp, wenn du wirklich versuchen willst, nett zu sein, könntest du dich zum Beispiel einfach bei mir bedanken.«
»Ich habe dich nicht darum gebeten, herzukommen.«
Ernsthaft?
Ich frage mich, wie viele Jahre Gefängnis drohen, wenn man jemandem um die Ecke bringt und man dessen Tod zuvor minutiös geplant hat. Genug, um dieser Verlockung zu widerstehen?
»Du hast recht. Du hast nicht um meine Hilfe gebeten. Aber ich mag diesen Ort und ich liebe deine Eltern.« Mein Blick bohrt sich in seinen und ich lege den Kopf schief. »Warum bist du die ganze Zeit immer so mies drauf?«
»Bin ich gar nicht.« Er verschränkt die Arme vor der Brust.
Ich bemühe mich, nicht zu sehr darauf zu achten, wie sich seine Muskeln bei der Bewegung anspannen und wie sein Oberteil dabei seine definierte Brust und seinen durchtrainierten Bauch betont.
Verärgert über die Tatsache, dass ich ihn attraktiv finde, obwohl er so ein Idiot ist, schüttle ich den Kopf. »Und ob du das bist.«
Seine Miene verfinstert sich. »Ich bin nicht mies drauf.«
Die Augen verdrehend, lenke ich meine Aufmerksamkeit auf einen der restlichen Tische. »Na klar.« Ich stoße ein sarkastisches Lachen aus. »Gerade jetzt ziehst du ein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter.«
»Ich ziehe ganz bestimmt kein Gesicht wie sieben Tage Regenwetter«, protestiert er.
»Wenn du meinst.«
»Meine ich.«
»Was auch immer. Diese Unterhaltung ist komplett sinnlos«, erkläre ich und wende den Blick ab. »Hast du nicht noch etwas zu tun?«
Als er nicht verschwindet, sehe ich wieder zu ihm auf. In dem Moment, in dem sich unsere Blicke treffen, scheint sich die Luft um uns zu elektrisieren. Der Ausdruck in seinen Augen sorgt dafür, dass sich meine Bauchmuskeln zusammenziehen.
Keine Ahnung, wie lange wir uns auf diese Weise anstarren, aber es fühlt sich wie eine Ewigkeit an, ehe er sich räuspert und abwendet. »Ich kümmere mich um den Rest.«
»Okay.« Ihm nachsehend, frage ich mich, was zur Hölle das gerade zwischen uns gewesen ist. Als mir eine Antwort versagt bleibt, mache ich auch die restlichen Tische sauber und wische noch den Boden. Gegen dreiundzwanzig Uhr gehe ich ins Büro. Nur wenige Sekunden nach mir betritt auch Antonio den Raum. Ich verstaue das Oberteil, das er mir gegeben hat, sorgfältig gefaltet in meiner Tasche. Dann ziehe ich meinen Mantel an, setze meine Mütze auf und schlüpfe in meine Handschuhe. Als ich mich wieder umdrehe, entdecke ich ihn in einer schwarze Daunenjacke und mit einer Beanie-Mütze auf dem Kopf. Ich will nicht denken, dass er gut damit aussieht, kann mich diesem Eindruck aber nicht erwehren. Sie lässt seine Wangenknochen noch schärfer geschnitten wirken, seine Augen noch dunkler und ihn insgesamt irgendwie mysteriös erscheinen. Diese dämlichen Gedanken beiseiteschiebend, lasse ich ihn im Büro zurück und mache mich auf den Weg nach draußen.
Er folgt mir.
»Hab noch einen schönen Abend«, murmle ich, ohne einen Blick zurückzuwerfen. Erst als er seine Hand um mein Handgelenk legt, genau auf die Stelle zwischen Handschuh und Mantelärmel, bleibe ich stehen. Seine Berührung durchfährt mich wie ein elektrischer Schlag und versetzt jede Zelle meines Körpers in Aufruhr, was mich innerlich völlig aus dem Gleichgewicht bringt.
»Ich bringe dich nach Hause«, sagt er.
Ich drehe mich zu ihm um, um ihn anzusehen. »Danke, aber ich finde den Weg selbst.« Ich versuche, mich aus seinem Griff zu lösen, doch seine Finger drücken sich nur noch fester in meine Haut. Nicht schmerzhaft, aber unmissverständlich.
»Ich bringe dich«, wiederholt er, dieses Mal jedoch bestimmter.
Ich spare mir ein frustriertes Seufzen. Wäre er nicht so ein Idiot, würde ich fast denken, seine Sorge, mich sicher nach Hause zu bringen, wäre süß. Leider hat er mir einmal zu oft bewiesen, wie gewaltig die Kluft zwischen der Realität und meinem Wunschdenken ist.
»Mach dir keinen Kopf, es sind keine zwei Blocks, das schaffe ich schon.« Ein weiteres Mal versuche ich, ihm mein Handgelenk zu entziehen, doch er lässt nicht locker.
Schweigend öffnet er die Tür, schiebt mich nach draußen und schließt hinter uns ab. Nachdem er mich etwas beiseitegeschoben hat, betätigt er mit seinem Schlüssel die Vorrichtung für die metallenen Außenjalousien, die mit einem lauten Rattern hinunterfahren. »So, und jetzt bringe ich dich zu deiner Wohnung«, verkündet er, nachdem er alles dicht gemacht hat.
Gerade so widerstehe ich dem Drang, ihm gegen sein Schienbein zu treten. Endlich lässt er mein Handgelenk los, und ich drehe mich zähneknirschend von ihm weg, ehe ich losmarschiere. Zwar versuche ich, es nicht so aussehen zu lassen, als würde ich wütend nach Hause stapfen, doch genau das tue ich. Als wir schließlich bei mir ankommen, eile ich die Stufen der Eingangstreppe hinauf und öffne die Haustür.
»Danke für all deine Hilfe heute Abend, Libby.«
Völlig verdutzt drehe ich mich zu ihm um, wohlwissend, dass mir der Mund sperrangelweit offensteht.
»Ich weiß es sehr zu schätzen, genau wie meine Mom und mein Dad, und du hast heute Abend echt einen tollen Job gemacht.«
»Bist du ... Bist du etwa nett zu mir?« Verblüfft deute ich mit dem Finger auf mich.
Es wirkt, als zuckten seine Mundwinkel, aber dieser Einbildung gebe ich mich nicht hin. Reines Wunschdenken, genauso wenig real, wie dass er sich gerade bei mir bedankt hat.
»Geh rein.« Er deutet mit einem Nicken in Richtung der Eingangstür. »Wenn du oben angekommen bist, lass das Licht ein paar Mal aufflackern, damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist.«
»Das Licht flackern lassen?«, wiederhole ich und spüre, wie sich mit einem Mal ein warmes Gefühl in meinem Bauch ausbreitet.
»Ja.«
»Ist schon gut. Du kannst gehen.«
»Lib, geh rein und lass das Licht ein paar Mal aufleuchten«, sagt er und klingt nun wieder wie der olle Depp, der er in Wirklichkeit ist.
Ich seufze. »Das hat ja nicht lang angehalten«, murmle ich in meinen Schal, mache auf dem Absatz kehrt und gehe hinein.
Ich schwöre, ihn lachen zu hören, als ich die Tür hinter mir schließe. In der Annahme, dass es ihm nicht wehtun wird, ein paar Minuten zu warten, bleibe ich bei den Briefkästen stehen und hole meine Post heraus. Ich stecke sie mir unter den Arm, ehe ich in den zweiten Stock hinaufeile und die Wohnungstür aufschließe.
Ohne meine Beweggründe zu verstehen, lasse ich das Licht aus und gehe zum Fenster, um hinauszusehen. Ob es Antonio wirklich wichtig ist, dass ich heil in meiner Wohnung ankomme? Wichtig genug, um in der Kälte auszuharren, bis ich mit den verdammten Lichtern flackere?
Als ich hinausschaue und ihn auf dem Bürgersteig zu meinen Fenstern hochblicken sehe, zieht sich mein Magen zusammen. Rasch mache ich mich auf den Weg zum Lichtschalter und falle dabei fast auf die Nase, so eilig habe ich es. Nachdem ich das Licht ein paarmal ein- und ausgeschaltet habe, kehre ich zum Fenster zurück, um wieder hinauszuspähen. Die Hände in den Taschen seiner Jacke vergraben, geht er den Gehweg hinunter. Ich schüttle den Kopf, weil ich mir nicht sicher bin, wie ich mit dem Wissen umgehen soll, dass er auch echt süß sein kann.