Kitabı oku: «Es begann in Paris», sayfa 2
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Nachdem Christina langsam wieder festen Boden unter ihren Füßen spürte, versuchte sie sich abzulenken und sah sich seine ausgestellten Bilder an. Sie wurde nicht enttäuscht. Wärme, Nähe, Geborgenheit, waren die Gefühle, die in ihr ausgelöst wurden.
Durch die Bilder?
Sie wusste es nicht. Es war ihr auch egal.
»Kann ich irgendetwas für Sie tun?«, wiederholte Pierre seine Frage. Und noch immer mit diesem Lächeln in den Augen.
»Ich habe bei Monsieur Boulin ein wunderschönes Bild von Ihnen -«
»Ah! Sie sind Kundin von Monsieur Boulin?«, unterbrach er sie. »Diesem Halsabschneider?!«
Und augenblicklich veränderte sich die Stimmung. Die Freundlichkeit wich einer unverhohlenen Unnahbarkeit, geradewegs einer feindseligen Ablehnung.
»Kundin ist vielleicht zu viel gesagt. Ich habe dort lediglich ein Bild von Ihnen erworben«, versuchte Christina sich zu rechtfertigen, obwohl es eigentlich keinen Grund dafür gab. Monsieur Boulin war nett gewesen. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er ein ... Nein, das gefiel ihr nicht!
»Warum ist Monsieur Boulin ein Halsabschneider?«
Pierre sah sie ablehnend an.
»Wie viel haben Sie für das Bild bezahlt?«
»Achthundert Euro.«
»Sehen Sie, mir hat er damals, als ich das Geld nötig hatte, ganze zweihundert dafür bezahlt. Das hat kaum die Kosten für Farben und Leinwand gedeckt. Und der soll kein Halsabschneider sein?«
Christina schüttelte den Kopf. Sie wollte dem nicht zustimmen.
»Ich wollte weitere Bilder von Ihnen bei Monsieur Boulin sehen und eventuell auch kaufen. Aber er hatte nur dieses eine von Ihnen. Und ohne zu zögern, sagte er mir, wo ich Sie finden könnte. Ohne dass ich es erwartet hatte. Tut das ein Halsabschneider? Ich denke, wohl kaum.«
Christina hatte sich empört. Ungehemmt.
Warum eigentlich?
Pierre schien das zu imponieren, doch er ging nicht weiter darauf ein. Vielleicht wusste er auch, dass sie recht hatte, und er wollte es einfach nur nicht zugeben.
»Wenn Sie wollen, suchen Sie sich etwas aus. Bei mir zahlen Sie keine achthundert Euro. Hier beim Künstler bekommen Sie die Bilder preiswerter, ... fast geschenkt.«
Seine Worte klangen verächtlich. Und damit war das Gespräch für ihn beendet ... einfach so. Er überprüfte einen Pinsel und beschäftigte sich wieder mit dem angefangenen Bild.
Der Zauber schien vorbei zu sein. Träume sind eben nur Träume. Oder?
Enttäuscht sah sie sich noch einmal die Bilder an, ohne sie wirklich zu sehen. Wut stieg in ihr auf. Das war in ihrem Traum nicht vorgekommen. Diese Arroganz! Alles passte, nur nicht diese Arroganz. Und sie wurde sehr wütend. Und ... sie war verliebt! Augenblicklich und hoffnungslos! Aber davon wollte sie jetzt nichts wissen. Und überhaupt, wie konnten ihr die Gefühle einen solchen Streich spielen? Dieser Mann war durch und durch arrogant. Doch diese Augen ... es war hoffnungslos.
Aber es ging nicht. Sie musste sich ablenken. Vielleicht sollte sie einfach gehen? Sie konnte nicht.
Und so wanderte ihr Blick noch einmal über die Bilder. Schön. Wunderschön. Sie berührten ihre Seele. Ein Ölgemälde, eine Ansicht von Paris, gefiel ihr besonders gut, diese Farben, diese Tiefe. Doch sie hatte jetzt keine Lust, es zu kaufen. Eigentlich wollte nur noch weg, nein, wollte sie nicht. Aber hierbleiben wollte sie auch nicht, konnte sie nicht. Ach, es war zum Verzweifeln. Gleichwohl musste sie noch etwas klarstellen.
»Ich kam her, um ... um ...« Ihr fielen nicht die richtigen Worte ein. Ausgerechnet jetzt! »Ich wollte vielleicht noch ein oder zwei Bilder kaufen und wurde von Ihnen wie die Handlangerin eines Halsabschneiders behandelt«, sagte sie und ärgerte sich augenblicklich über diese törichten Worte.
Er lächelte, ... und er lachte.
»Handlangerin eines Halsabschneiders? ... Es tut mir leid. Falls ich mich im Ton vergriffen haben sollte, verzeihen Sie mir. Bitte!«
Und nun sah er sie noch einmal etwas genauer an. Und sie erinnerte ihn tatsächlich ... an seine Vergangenheit. Der erste Blick hatte nicht gelogen. Doch an diesen Teil seiner Vergangenheit wollte er nicht erinnert werden. Nicht hier. Nicht jetzt. Überhaupt nicht mehr. Er war in Paris, um zu malen. Um zu vergessen.
»Falls Sie nun doch noch die Absicht haben sollten, ein Bild zu kaufen, würde ich mich freuen. Sollten Sie aber kein Interesse mehr an meiner Malerei haben, könnte ich das durchaus verstehen. Es tut mir leid, ich bin untröstlich.«
Nein, so einfach geht das nicht, dachte Christina und hatte seine eben gezeigte Arroganz wieder vor Augen.
»Ich denke, heute werde ich Sie nicht weiter belästigen«, sagte sie und wusste, dass auch diese Worte wieder naiv gewählt waren. Am liebsten wäre sie irgendwo in einem Loch verschwunden ... heute werde ich Sie nicht weiter belästigen ... Was für ein dummer Satz. Sie musste sich beruhigen, einfach nur gehen. Und sie ging. Mit ausladenden Schritten verschwand sie hinter zwei älteren Touristen und verließ den Kunstmarkt.
*
Nachdem sich Christina wieder beruhigt hatte - sie war fast am Hotel angekommen -, ging ihr die letzte Bemerkung noch immer durch den Kopf. Wie kindlich sie doch gewesen war. Und noch bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, stand plötzlich ihr Vater neben ihr.
»Wo treibst du dich denn den ganzen Tag herum?«
Trotz des Vorwurfs in seiner Stimme freute sie sich, ihn zu sehen.
»Ach Papa, warum sind Menschen nur so, ... so -«
»Unterschiedlich?«, fiel er seiner Tochter ins Wort.
»Ich dachte eher an dumm, oder so etwas.«
Und sie umarmte ihn. Sie liebte ihren Vater, sehr, doch würde sie ihm nichts von ihren aufgewühlten Gefühlen erzählen. Die verstand er nicht. Das würde sich auch nie ändern.
Christina sah ihren Vater an, er wirkte ausnehmend gelassen. Die Geschäfte mussten bislang blendend gelaufen sein, denn beim Geldverdienen verstand er keinen Spaß. Und wenn es nicht so lief, wie er sich das vorstellte, konnte er ganz anders sein, aufbrausend und ... kaltherzig. Das wusste sie und das mochte sie nicht an ihm.
Geld war für ihn das Leben.
»Bleiben wir noch lange in Paris?«, fragte Christina, ohne genau zu wissen, warum sie ausgerechnet jetzt diese Frage gestellt hatte.
»Noch fünf oder sechs Tage. Oder möchtest du wieder nach Hause?«
»Nein, eigentlich nicht«, sagte sie und wollte sich nicht von einem Traum und einem arroganten Kunstmaler diese schöne Stadt verderben lassen.
Sie hakte sich bei ihrem Vater ein und gemeinsam betraten sie wie zwei unbeschwerte Teenager das Hotel. Hubertus Neuenhofen schmeichelte diese Zuneigung seiner Tochter, sie machte ihn um Jahre jünger. Trotz seiner siebenundfünfzig Jahre besaß er noch genug Elan, um neben seiner Tochter nicht wie ein alter Mann zu wirken.
Euphorisch blickte Christina ihn an.
»Und, was machen wir heute noch?«
»Deine Mutter ist kurz auf dem Zimmer. Was hältst du davon, wenn wir uns umziehen, essen gehen und danach die Stadt unsicher machen?«
»Du meinst so richtig ... mit Cocktails und tanzen und so?«
»Genau, mit Champagner und Cocktails und allem, was du möchtest, mein Schatz.«
»Und was ist mit Mama?«, fragte Christina ein wenig bedrückt. Ihre Mutter hatte nur selten Verständnis für diese Vergnügungen. Sie war stets auf ihren korrekten Ruf, auf ihre tadellose Reputation bedacht. Ein Grund, weshalb Christina wirklich wichtige Dinge nicht mit ihr besprechen konnte. Für Gefühle zeigte ihre Mutter nur selten Verständnis. Aber dafür hatte Christina Hanna, die Haushälterin. Ihre Verbündete in Kehlheim.
Nur leider war Hanna jetzt nicht hier, und so konnte sie nicht mit ihr über diesen Pierre sprechen, über diese schreckliche Arroganz, über ihr Gefühl, im Bauch, im Herzen, ... in ihrer Seele. Und sie deshalb anrufen? Das wollte sie nicht. So wichtig war dieser Pierre nun auch nicht.
So blieb ihr nur die Möglichkeit, sich durch Tanzen und Lachen abzulenken.
»Deine Mutter nehmen wir einfach mit. Sie wird dafür sorgen, dass niemand an unsere Getränke geht, während wir schweißgebadet auf der Tanzfläche kämpfen.«
Christina lachte und drückte sich fester an ihren Vater. So gefiel er ihr. Aber leider er konnte auch ganz anders sein.
Und das sollte sie schon bald erfahren.
»Also in einer Stunde hier unten.«
Sie umarmte ihren Vater, küsste ihn auf die Wange und rannte voller Vorfreude auf ihr Zimmer.
Pierre hatte sie vergessen, zumindest tat sie so.
5
Der nächste Morgen. Es regnete.
Christina war gerade vom Frühstück in ihr Zimmer zurückgekehrt und sah aus dem Fenster. Paris wirkte grau und unfreundlich.
Um so schöner waren die Erinnerungen an den gestrigen Abend. Nach dem Essen waren sie zu dritt noch in einen Nobel-Club gegangen. Dort hatte sie mit ihrem Vater getanzt und gelacht. An ihren Tisch gingen sie nur, um ihren Durst mit Champagner zu löschen. Jedes Mal wenn sie den zurückhaltenden, eher irritierten Gesichtsausdruck ihrer Mutter gesehen hatten, blickten sie sich kurz an und verschwanden wieder auf der Tanzfläche. Prustend vor Lachen. Und sie tanzten weiter, ausgelassen, überschwänglich. Berauscht.
Den Abend hatten sie dann in einer kleinen Nachtbar ausklingen lassen. Hier tanzte ihr Vater zweimal mit seiner Frau. Sehr zurückhaltend. Sehr aufgeräumt. So fand der Abend für ihre Mutter auch noch einen vergnüglichen Ausgang.
Heute Morgen waren ihre Eltern erneut auf einer Auktion. Sie hatten sich erst wieder für den Abend im Speisesaal des Hotels verabredet.
Gelangweilt sah Christina aus dem Fenster und beobachtete die Regentropfen, die die Straße mit einem schmutzigen Dunkelgrau überzogen, blickte auf den ewig fließenden Verkehr, der ruhig wirkte, und betrachtete die unter Schirmen eilig dahinhetzenden Passanten.
Was macht eigentlich ein Kunstmaler, der einen Stand an der Seine hat, an einem verregneten Tag?, fragte sie sich. Und übergangslos waren ihre Gedanken doch wieder bei Pierre und ihrem unmöglichen Abschied von gestern. So wollte sie nicht in seiner Erinnerung zurückbleiben. Und da fiel ihr auch wieder das eine Bild ein, das ihr so gut gefallen hatte.
Noch bevor sie begriff, was sie da tat, hatte sie ihre Regenjacke angezogen, den hoteleigenen Schirm gegriffen und stand schon im Entree des Hotels.
Ich gehe nur kurz hin und kaufe dieses eine Bild. Und sollte er nicht da sein, hat er Pech gehabt, versuchte sie sich ihren plötzlichen Aufbruch zu erklären. Und doch wusste sie, dass sie sich belog. Wieder einmal. Aber was für eine süße Lüge.
Sie spannte den Schirm auf und nahm, ohne es zu merken, den kürzesten Weg. Zu Pierre.
Der Regen ließ nicht nach. Und mit jedem Schritt wurden die Zweifel größer, Zweifel, ob er heute überhaupt auf seinem Platz sitzen würde. Schließlich zuckte sie die Achseln. Ich werde es ja gleich sehen.
Als sie endlich die Brücke in der Nähe der Freiheitsstatue erreicht hatte, erkannte sie schon von Weitem, dass sich heute nicht viele Künstler diesem misslichen Wetter ausgesetzt hatten. Die meisten Stände waren zugeklappt oder gar nicht vorhanden. Doch so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte noch nicht erkennen, ob Pierre auf seinem Platz saß.
Und ihre Schritte wurden unsteter, ihr Blick suchte tastend die Stände ab. Touristen waren nur vereinzelt zu sehen, kein Vergleich zum gestrigen Andrang.
Ungläubig irrte ihr Blick umher, bis sie ihn endlich sah. Pierre! Über seinen Stand hatte er eine durchsichtige Plane geworfen, die nach vorn offen war. Er saß wieder auf seinem Klapphöckerchen, in eine lange Regenjacke gepackt und wirkte merkwürdig abwesend.
Mit raschen Schritten ging sie an den verschlossen Ständen vorbei, doch kurz vor seinem Stand bremste sie sich ... und begann zu schlendern. Wortlos ging sie an Pierre vorbei, blieb unter dem provisorischen Regendach stehen und betrachtete die Bilder. Aus dem Augenwinkel blickte sie kurz zu ihm hinunter und stellte fest, dass er noch immer in sich versunken war und offensichtlich über irgendetwas nachdachte. Ihr Herz schlug schneller. Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten und gewollt umständlich schloss sie ihren Schirm, wobei ein paar Regentropfen auf Pierre fielen. Die Wirkung blieb nicht aus. Sofort kehrte seine Aufmerksamkeit zurück. In die Realität. Er reckte sich übel gelaunt und im Moment, als er mit erbostem Gesichtsausdruck etwas sagen wollte, erkannte er sie. Und seine fast schwarzen Augen hellten auf.
»Ach, Sie sind es, Mademoiselle.«
»Ja, ich bin es.«
Und wieder ärgerte sie sich über diese dumme Antwort. War sie in der Gegenwart dieses Mannes nicht in der Lage, halbwegs intelligente Äußerungen von sich zu geben? Sie ignorierte diese Frage. Und blickte angestrengt auf die Bilder.
Er stand auf, stellte sich neben sie und sah sie aus warmen Augen an, so als hätte er den ganzen Morgen auf sie gewartet.
»Sie haben heute kein schönes Wetter mitgebracht.«
Christina tat auch weiterhin so, als würden sie die Bilder, und nur die Bilder interessieren.
»Ja, das Wetter kann man sich als Touristin leider nicht aussuchen. Aber ich hätte nicht gedacht, Sie heute hier anzutreffen.«
»Ich hatte auch gerade überlegt, alles zusammenzupacken, um irgendwo im Trockenen einen heißen Kaffee zu trinken.«
Jählings drehte Christina den Kopf zur Seite und sah Pierre aus überraschten Augen an. Da habe ich ja wohl Glück gehabt, verriet dieser Blick unmissverständlich, ein Blick, den sie nicht zeigen wollte. Und eiligst versuchte sie, abzulenken.
»Ich sehe gar nicht das Bild, das mir gestern so gefallen hat.«
»Welches war es?«
»Diese schöne Ansicht von Paris.«
»Das tut mir leid. Das hat gestern ein Tourist gekauft. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie heute wiederkommen, hätte ich es selbstverständlich zurückgehalten.«
»Schade. Aber andererseits ist es schön für Sie. Denn ich denke, Sie leben von dem Verkauf?!«
»Ja, schon. Aber ich hätte es viel lieber Ihnen verkauft.«
Wieder drehte Christina den Kopf zur Seite und sah ihn eingehender an. War das jetzt eine Freundlichkeit?, fragte sie sich. Und sie spürte ein wohliges Gefühl in sich aufsteigen, das die Frage spürbar beantwortete.
Pierre hob den Kopf und nun trafen sich ihre Blicke. Für einen Moment verharrten sie so und genossen es einfach nur.
»Schade, dass Sie nur Unikate herstellen.«
Pierre wendete sich ab und kramte sogleich nervös unter dem Tisch. Und zog schließlich zwei Bilder hervor.
»Aber ich hätte hier etwas anderes, falls Sie noch Interesse haben.«
»Die sind ja wunderschön«, kam die Antwort spontan. Aus tiefer Seele.
»Sie sagten doch, dass Ihnen mein ›Straßencafé‹ so gefallen hat. Und da habe ich zu Hause noch diese zwei Bilder gefunden.«
Überrascht sah sie ihn an.
»Wollen Sie damit sagen, dass Sie diese beiden Bilder ... meinetwegen mitgebracht haben?«
»Na ja, sagen wir es so: Ich hab sie einfach mal eingepackt«, antwortete Pierre ausweichend und blickte dabei unaufhörlich auf die Bilder.
Christina sah ihn noch immer an. Ihr Herz ging auf. Alles war wieder da. Der vergrabene Traum. Alles stimmte wieder. Er hatte an sie gedacht. Und ein kurzer Blick auf die Bilder war ausreichend. Sie gefielen ihr.
»Ich nehme diese Bilder. Was möchten Sie dafür haben?«
»Was halten Sie davon, wenn ich zusammenpacke und wir das alles bei einem heißen Kaffee, irgendwo im Trockenen, besprechen?«
»Gern.«
*
Zehn Minuten später hatte er alles in seinem alten Lieferwagen verstaut. Und hielt ihr die Beifahrertür auf.
»Wenn Sie möchten, Mademoiselle?«
Ohne auch nur einen Moment zu zögern, stieg Christina ein und beobachtete ihn, wie er behutsam die Tür schloss, um das Auto rannte und auf dem Fahrersitz Platz nahm.
»Möchten Sie irgendwo hin, wo Sie sich auskennen? Oder darf ich etwas vorschlagen?«, fragte er vorsichtig, wobei er sich die langen feuchten Haare mit einem Handtuch, das er von hinten vorgezogen hatte, trockenrubbelte. Er war wirklich ungezähmt. Und das gefiel ihr. Mehr und mehr.
»Die Wahl überlasse ich Ihnen, mein Herr«, antwortete sie schließlich fröhlich und völlig aufgedreht. Sie schwebte. Alles schien ein Traum zu sein. Und doch ... sie saß neben ihm, in seinem Auto.
»Dann werde ich Ihnen jetzt ein Stück von Paris zeigen, das ein normaler Tourist nicht zu sehen bekommt. Vielleicht auch als eine kleine Entschuldigung für gestern«, antwortete er mit zurückhaltender, dabei aber auch fröhlicher Stimme, startete den Motor und reihte sich in den Verkehr von Paris ein.
Sie saß wortlos neben ihm und ein unverhofftes Glück stieg in ihr auf ... eine kleine Entschuldigung für gestern ... Vielleicht war er ja doch nicht so arrogant!
6
Pierre setzte sich neben Christina an einen kleinen runden Tisch in einem Café, das er ausgesucht hatte.
»Hier kommt kein Tourist her.«
Und tatsächlich, hier saßen sehr verschiedene Menschen, die ganz sicher keine touristischen Sehenswürdigkeiten im Kopf hatten. Da gab es, am Tisch am Fenster, drei ältere Damen, stirnrunzelnd in ein sehr wichtiges Gespräch vertieft, hinten rechts, zwei alte Männer, über eine Schachpartie brütend und neben ihnen, leicht versetzt, eine junge Frau, in einem Journal blätternd. Nirgends saß ein Tourist, der mit seinen fragenden Augen, mit seiner sensationssüchtigen Unruhe diese Atmosphäre hätte zerstören können - außer ...
»Aber ich bin eine Touristin.«
»In meiner Begleitung sind auch Sie ein Stück Paris«, entgegnete Pierre mit viel Charme.
Christina verstand nun überhaupt nichts mehr. Was hatte ihn gestern nur dazu veranlasst, so schroff zu ihr zu sein? Heute erkannte sie ihn kaum wieder.
War es wirklich nur Monsieur Boulin gewesen? Das wollte sie nicht glauben. Aber egal, denn wieder stieg dieses wunderbare Gefühl des Verliebtseins in ihr auf. Stopp! Nicht jetzt! Vielleicht nie? Sie zuckte innerlich die Schultern und versuchte, sich abzulenken.
»Wollen wir jetzt zum Geschäft kommen?«
»Später, Mademoiselle, ... später. Erst einmal trinken wir einen Kaffee und essen dazu ein Stück Torte, wie Sie es kein zweites Mal in ganz Paris bekommen werden.«
Nachdem die Kellnerin den Kaffee und den Kuchen gebracht hatte, und Christina von beidem probiert hatte, kam ein Gefühl in ihr auf, das sie außerhalb der heimischen Umgebung noch nie erlebt hatte. Greifbare Verlässlichkeit. Unerschöpfliches Vertrauen. Beseelte Ruhe. Und all das hatte nur wenig mit dieser Torte zutun. Und doch, was sollte auch anderes sagen:
»Die Torte ist wirklich köstlich.«
»Das freut mich.«
»Sie kennen sich sehr gut aus, hier in Paris.«
»Ein wenig, ... ich lebe schon eine ganze Weile hier.«
Die Worte klangen wehmütig. Sein Blick verlor sich für einen Moment in seiner Vergangenheit, in seinen Erinnerungen. Doch unverzüglich war er aber wieder bei ihr, hier am Tisch und fragte sie mit einem interessierten Lächeln:
»Wie heißen Sie eigentlich?«
»Christina.«
»Christina! ... Und weiter?«
»Spielt das eine Rolle?«, fragte sie und ergänzte ablenkend: »Ich habe gehört, sie sind Deutscher und von Adel?«
Pierre sah sie ungläubig an und lachte schließlich.
»Wer hat Ihnen denn das erzählt?«
Sie überlegte einen Moment. Sie wusste, Pierre war auf Monsieur Boulin nicht gut zu sprechen. Und sie wollte diese angenehme Atmosphäre nicht zerstören. Hier und jetzt. Und doch, sie wollte sehen, ob sein arrogantes Auftreten, gestern an seinem Stand, tatsächlich etwas mit diesem Mann zu tun hatte.
»Monsieur Boulin«, sagte sie knapp und sah ihn eindringlich an.
Pierre reagierte sehr gelassen.
»Wissen Sie, Christina, Monsieur Boulin ist ein furchtbarer Schwätzer. Aber Sie haben mir noch immer nicht gesagt, wie Sie mit Nachnamen heißen und was Sie in Paris machen?«
Er wich ihr aus, und er blieb ruhig. Und das gefiel ihr.
»Dann bleiben wir doch einfach bei Pierre und Christina.«
Er lächelte und nickte zustimmend.
Und dann unterhielten sie sich. Lange und ausführlich. Über die Kunst. Über Paris. Über die Touristen. Wenig über sich selbst, dem wichen sie stets aus. Und die Zeit verging schnell. Viel zu schnell.
Der Regen hatte den ganzen Tag nicht nachgelassen, doch in diesem kleinen Café schien die Sonne.
Schließlich fuhren sie weiter. Und Pierre zeigte Christina unterwegs die eine und andere Sehenswürdigkeit von Paris, die man in keinem Reiseführer finden kann.
Am Ende, es war in der Zwischenzeit Nachmittag geworden, kamen sie in die Nähe des Hotels und Christina zeigte auf eine Parklücke und ließ ihn anhalten.
»Es war ein schöner Tag«, sagte sie etwas traurig, nachdem Pierre den Motor abgestellt hatte.
»Wirklich sehr schön. Vielleicht darf ich Ihnen ja noch mehr von Paris zeigen? Vielleicht schon morgen?«
Er sprach die Frage aus, auf die sie gehofft hatte. Doch sie hatte Angst, das nahe Glück zu greifen.
»Aber was ist mit Ihrem Stand? Und Ihren Bildern? Ich glaube nicht, dass es morgen wieder regnen wird.«
Er winkte ab. »Das bekomme ich schon geregelt.« Und er griff hinter sich und hob umständlich zwei Bilderrahmen empor. »Hier sind die beiden Bilder, die Sie haben wollten.«
Christina sah sie beglückt an. Sie würden sie immer an diesen herrlich verregneten Tag in Paris erinnern.
»Ja, die nehme ich. Sehr gern.«
»Ich schenke sie Ihnen.«
Christina wurde augenblicklich ungehalten.
»Das kommt nicht infrage, Pierre.«
»Gut. Dann geben Sie mir, was Sie für richtig halten.«
Sie nickte zustimmend und nahm ihre Geldbörse zur Hand, zog einige Scheine heraus und reichte sie ihm.
»Das ist zu viel«, erkannte er geschwind, ohne einen genauen Blick auf die Scheine geworfen zu haben.
»Sie leben davon. Und außerdem, ... wenn ich die beiden Bilder bei Monsieur Boulin, dem ›Halsabschneider‹, gekauft hätte, hätte er mir bestimmt genau diesen Betrag abgenommen. Nun sind Sie der Halsabschneider.«
Und sie lachte.
»Akzeptiert, aber unter einer Bedingung! ... Ich darf Ihnen morgen wieder als Fremdenführer zur Verfügung stehen?«
Christinas Herz schlug vor Freude wieder bis zum Hals. Es war ein Taumel. Aber noch immer glaubte sie nicht an dieses Glück, noch immer war es nur ein Traum, der ein wenig Realität geworden war. Und außerdem ...
»Was ist mit Ihrem Stand? ... An der Seinebrücke?«
»Wie ich Ihnen schon sagte, lassen Sie das nur meine Sorge sein.«
»Gut, ... aber wenn Sie sogar heute - bei diesem Regen - dort sitzen müssen, dann haben Sie das Geld doch sicher bitternötig.«
Es gefiel ihm, dass Christina sich Sorgen um ihn machte. Und so war er dann offen zu ihr.
»Wissen Sie, normalerweise bin ich an solchen Regentagen dort nicht zu finden«, begann er, wobei er zu seinem Erstaunen in ein fragendes Gesicht blickte, »... ich war heute nur dort, ... weil ich gehofft hatte, dass ich Sie wiedersehen würde.«
Christina erstarrt. Vor Glück. Sie saß in einem alten Lieferwagen. In Paris. Im Regen. Und sie war glücklich wie noch nie. Aber so etwas gibt es allein nur im Märchen, dachte sie. Die Wirklichkeit ist doch so wie ... wie ..., und sie musste lange überlegen, bis es ihr einfiel, ... so wie ihre Begegnung von gestern - kühl und abweisend.
Oder nicht?
Gleichwohl war der heutige Tag auch Wirklichkeit und kein Märchen. Und es war bislang ein schöner Tag gewesen.
»Also, wenn das so ist, dann nehme ich gern deine, Entschuldigung, Ihre ...«
Noch bevor Christina zu Ende sprechen konnte, war Pierre ganz nah an sie herangerückt und hatte ihr einen ersten Kuss zärtlich auf die Lippen gehaucht.
»Dann nimmst du gerne meine ... was?«, fragte er, nachdem er wieder ein Stück von ihr abgerückt war und ihr in die Augen sah.
Christina wusste nicht wohin mit ihrem Glück.
»Dann ... dann nehme ich gerne deine Einladung an, Pierre.«
»Dann morgen um zehn Uhr, Christina. Wieder hier?«
Christina nickte und rückte wortlos näher an ihn heran und ließ ihn dabei nicht aus den Augen. Und schließlich verloren sie sich in ihrem ersten leidenschaftlichen Kuss.
Die Welt stand einen Augenblick still - so kam es ihr vor.
»Bis morgen.«
Behänd stieg Christina aus, sah Pierre noch einmal kurz an, lächelte und verschwand in der grauen Menge. Im Regen. Sie schwebte, schien den Boden nicht zu berühren.
Das ist Paris, die Stadt der Liebe, dachte sie. Sie war angekommen.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.