Kitabı oku: «Wirtschaftskrise ohne Ende?», sayfa 3

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Große Gewinn- und Verlustmöglichkeiten durch leverage

Die Effekte des leverage leiten sich aus der ältesten Regel der Finanzökonomie ab: Bei jeder Anlage gibt es einen Zielkonflikt zwischen Risiko und erwartetem Gewinn. Wer einen höheren Ertrag anstrebt, erhält diesen nur, wenn er bereit ist, dafür ein größeres Risiko einzugehen.

Entsprechendes gilt für das Geschäft jeder Bank. Je höher der Gewinn ausfallen soll, desto höher ist in der Regel das Risiko, das die Bank eingehen muss. Ausschlaggebend ist dabei, mit welchem Anteil von günstigem Fremdkapital eine Bank operiert. Je höher der Anteil an solchem Fremdkapital, desto größer wird der Gewinn, wenn alles gut geht; aber – und das sind die Risikokosten – desto verheerender ist auch das Resultat, wenn es schlecht läuft.

Betrachten wir ein sehr stark vereinfachtes Zahlenbeispiel. Nehmen wir an, eine Bank habe bei einem Eigenkapital von 10 Millionen Euro Wertpapiere in der Höhe von 90 Millionen in ihrer Bilanz. In einem guten Jahr erhöhe sich der Marktwert dieser Papiere um 10 Millionen, alles andere bleibe gleich. Das bedeutet, dass diese Papiere jetzt neu mit 100 anstatt wie bisher mit 90 Millionen in der Bilanz stehen und damit das Eigenkapital von 10 auf 20 Millionen ansteigt. Der Ertrag der Investition in diesem Jahr betrug somit 11 Prozent (also 10/90). Die Rendite des Eigenkapitals belief sich aber auf 100 Prozent, hat es sich doch von 10 auf 20 Millionen verdoppelt. Weil die Bank eine hohe Verschuldung aufweist – also mit viel günstigem Fremdkapital arbeitet – wird aus einem Investitionsertrag von 11 Prozent eine Eigenkapitalrendite von 100 Prozent. Wie man an diesem Beispiel leicht sieht, wird die Rendite immer höher, je kleiner das Eigenkapital ist, je höher also der leverage wird. Kein Wunder, lieben die Aktionäre in einer guten Phase einen möglichst hohen leverage.

Leider gibt es aber Schwankungen in beide Richtungen. In einem schlechten Jahr könnte der Marktwert der Wertpapiere, anstatt um 10 Millionen Euro anzusteigen, um 10 Millionen fallen. Der Verlust beträgt in diesem Jahr somit – 11 Prozent – spürbar, aber kaum katastrophal. Die Aktionäre aber werden gewaltig getroffen. Denn bleibt alles andere gleich (macht die Bank also keine sonstigen Gewinne), wird ihr Eigenkapital mit einem Abschreiber von 10 Millionen vollständig aufgebraucht, sie verlieren also ihren gesamten Einsatz. Trotzdem bleibt aber das individuelle Risiko der Aktionäre beschränkt. Da die Aktionäre nämlich maximal ihre investierten Mittel verlieren können (wegen der beschränkten Haftung einer Aktiengesellschaft gibt es keinen Rückgriff auf ihr sonstiges Vermögen), ist eine starke Verschuldung (leverage) für sie trotzdem oft attraktiv; die Verlustmöglichkeiten sind begrenzt, die Gewinnmöglichkeiten aber kaum.

Wie wir noch sehen werden, würde ein Verlust von nur schon wenig mehr als 10 Millionen Euro diese stark verschuldete Bank in den Konkurs treiben. Ein hoher leverage ist also ein außerordentlich gefährliches Spiel, das in unsicheren Zeiten den Charakter eines (russischen) Roulettes annehmen kann.


Über den Ursprung der Krise gibt es keine Zweifel. Er findet sich in den USA, genauer im US-amerikanischen Häusermarkt. In der ersten Hälfte des vergangenen Jahrzehnts bildete sich auf diesem Markt eine spektakuläre Preisblase, deren Platzen schließlich den Anfang der großen Krise markierte. Wir wollen hier erklären, wie die starke Blase auf dem US-Immobilienmarkt begonnen hat, wie die Preisspirale durch die Vergabe von unverantwortlichen Hypothekarkrediten weiter angeheizt wurde und was dazu führte, dass die Preise schließlich drastisch einbrachen.

3 Die Entstehung der Immobilienblase

Fänden Sie es vernünftig, wenn ein unbekanntes Unternehmen mit hochfliegenden Plänen, aber ohne bisherige Erfolge und ohne wesentliches Vermögen Milliarden Euro wert wäre? Wohl kaum. Am 14. Februar 2000 betrug aber der Marktwert des Unternehmens EM.TV 14 Milliarden Euro. Damit war der neu gehandelte Münchner Filmrechtehändler an der Börse gleich viel wert wie der Stahlgigant ThyssenKrupp. Um sich die Dimensionen zu verdeutlichen: Der Jahresumsatz betrug bei EM.TV im Jahr 1999 320 Millionen Euro, während er bei ThyssenKrupp – einem Unternehmen mit immerhin 200 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern – mit 32 Milliarden Euro hundertmal höher war. Die Basis der Bewertung des Filmrechtehändlers war also einzig die Hoffnung auf Milliardenumsätze, die sich die Besitzer für die kommenden Jahre versprachen.

Dieses Beispiel zeigt eindrücklich, zu welch absurden Situationen übersteigerte Erwartungen in die Gewinnmöglichkeiten einer Anlagekategorie führen können. Auf dem Höhepunkt der New-Economy-Blase zu Beginn des Jahrtausends waren die Gewinnerwartungen an jedes Geschäft, das auch nur entfernt mit dem Internet zu tun hatte, völlig übersteigert. Wie bei jeder Blase ließen die spektakulären Aussichten selbst derart abstruse Bewertungen wie diejenige von EM.TV als plausibel erscheinen. Das Internetzeitalter, so war überall zu hören, führe zu Gewinnmöglichkeiten in völlig neuen Dimensionen, was wiederum die stratosphärischen Bewertungen von Unternehmen rechtfertige, die außer einer Geschäftsidee wenig Konkretes vorzuweisen hatten.

Wie bei jeder Blase erwies sich auch hier die Annahme als verfrüht, ein neues Zeitalter sei angebrochen, das die bisherigen ökonomischen Gesetze infrage stelle. Ganz bewusst und treffend ironisch lautet der Titel des wegweisenden Buchs von Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff zur langen Geschichte der Finanzkrisen deshalb: «Diesmal ist alles anders».6 2008 wurde die aus der EM.TV hervorgegangene EM.Sport an der Börse noch mit 220 Millionen Euro bewertet, während das Old-Economy-Unternehmen ThyssenKrupp 21 Milliarden Euro wert war.7

Kaum war die New-Economy-Blase geplatzt, begann sich in den USA die nächste Blase zu bilden, die schließlich zu absurd überbewerteten Immobilien führen sollte. Der Mechanismus war auch hier ähnlich, aber das Platzen dieser Blase hatte wesentlich drastischere Auswirkungen. Wir wollen im Folgenden nachzeichnen, wie diese fatale Immobilienblase in den USA entstehen konnte.

Der starke Preisanstieg nach 2002

Der US-amerikanische Häusermarkt hatte zu Beginn der Krise eine ungewöhnliche Entwicklung hinter sich: Seit Jahrzehnten waren die landesweiten Häuserpreise kaum mehr gefallen. Besonders dynamisch wurde diese Entwicklung aber vor allem nach der Jahrtausendwende, als die Preise in jeder Wirtschaftslage stiegen und die durchschnittliche Erhöhung mit deutlich mehr als 10 Prozent pro Jahr weit über dem Wirtschaftswachstum lag. Abbildung 6, welche die Entwicklung der US-Häuserpreise von 1991 bis 2006 anhand der wichtigsten landesweiten Messgröße darstellt, zeigt ein eindrucksvolles Bild dieser Dynamik.

Abbildung 6


Quelle: Datastream

Spätestens seit dem Jahr 2002 wurden US-amerikanische Immobilien zu einem bevorzugten Investitionsobjekt. Die vom Platzen der New-Economy-Blase Anfang des Jahrzehnts gebeutelten Investoren sahen im Häusermarkt eine sichere, rentable Alternative. Die Häuserpreise waren landesweit schon lange nicht mehr gesunken, außerdem besaß man bei dieser Investition eine handfeste Sicherheit, nämlich das Haus selbst – dies ganz im Gegensatz zur Investition in die Aktien von neuen, kleinen Internetfirmen, die über Ideen, aber nichts Handfestes verfügten. Eine gewaltige Investitionslawine begann sich in den US-amerikanischen Immobilienmarkt zu ergießen; die dadurch steigenden Preise schienen die Rentabilität der Investitionen zu bestätigen.

Drei Voraussetzungen waren für die Entstehung der Blase auf dem US-amerikanischen Immobilienmarkt entscheidend:

 Voraussetzung 1: Zu expansive US-Geldpolitik

 Voraussetzung 2: Massive Kapitalströme in die USA

 Voraussetzung 3: Problematische «Innovationen» auf den Finanzmärkten

Wir werden im Folgenden die Rolle dieser drei Faktoren erläutern.

Zu expansive US-Geldpolitik8

Investitionen in Immobilien sind stark von den Kosten der Verschuldung und damit vom Zinsniveau abhängig. Tiefe Zinsen führen zu einer Erhöhung der Investitionsnachfrage, weil es billiger wird, sich Geld zu beschaffen. Für die Preisblase auf dem US-Immobilienmarkt waren außerordentlich tiefe Zinsen ohne Zweifel ein wichtiger Auslöser, wie eine Analyse der US-Geldpolitik zu Beginn des neuen Jahrtausends klarmacht.

Mit einigem Recht lässt sich heute behaupten, dass die terroristischen Anschläge vom 11. September 2001 bei der Entstehung der Krise eine wichtige indirekte Rolle spielten. Damals litt die US-amerikanische Wirtschaft ohnehin schon unter den Folgen des abrupten Börseneinbruchs nach dem Ende des New-Economy-Strohfeuers. Viele Wirtschaftspolitiker befürchteten, die Kombination aus fallenden Börsenkursen und Terrorismusangst könnte zu einer tiefen Rezession führen, falls die große Unsicherheit einen Einbruch der Investitionen und Konsumausgaben auslösen würde. Es wurde gar die Gefahr einer Deflation – also einer tiefen Rezession mit gleichzeitig stark fallenden Preisen – heraufbeschworen.9

Die US-amerikanische Notenbank, das Federal Reserve System (kurz Fed), reagierte auf diese Befürchtungen mit einer stark expansiven Geldpolitik, indem sie die Zinsen deutlich senkte, um die Investitionen und den Konsum zu stimulieren. Ungewöhnlich war vor allem, dass die Zinsen auch dann noch auf außerordentlich tiefem Niveau belassen wurden, als die Wirtschaft schon wieder kräftig zu wachsen begann. Anhand von Abbildung 7 lässt sich ermessen, wie ungewöhnlich expansiv diese Geldpolitik war.

Die blaue Kurve zeigt den Verlauf der durch das Fed festgelegten Leitzinsen seit Beginn des vergangenen Jahrzehnts. Man sieht, dass sie nach dem Platzen der Internetblase und den Anschlägen von 2001 auf einen sehr tiefen Wert gesenkt wurden, um diese Schocks aufzufangen. Bemerkenswert ist aber, dass die Zinsen auch nach 2002 lange auf diesem tiefen Niveau verharrten, obwohl der Aufschwung längst eingesetzt hatte. Wie ungewöhnlich dies war, lässt sich an der roten Linie ablesen. Sie zeigt das Zinsniveau, wenn sich die Geldpolitik konventionell verhalten hätte.10 Heute ist klar, dass bei diesem kräftigen Konjunkturaufschwung (die Wachstumsraten stiegen auf deutlich über 2 Prozent) die Zinsen nicht so lange auf beinahe null Prozent hätten gehalten werden sollen.

Abbildung 7


Quelle: The Economist, 18. Oktober 2007

Unmissverständlich zeigt die Grafik eine zu expansive US-Geldpolitik während mehr als zwei Jahren.

Ein wichtiger Grund für diese ungewöhnliche Politik war die – im Nachhinein gesehen – unnötige Deflationsangst. Sie wurde noch dadurch geschürt, dass die Inflationsrate in dieser Periode sehr tief blieb, was in einer Aufschwungphase unüblich ist. Allerdings wissen wir heute, dass sich die stark expansive Geldpolitik eben doch in den Preisen niederschlug – allerdings nicht wie üblich in den Konsumentenpreisen, sondern in den Preisen von Wertanlagen und hier insbesondere in den Preisen von Immobilien.

Massive Kapitalströme in die USA

Ein zweiter, sehr wichtiger Faktor zur Erklärung des Ausmaßes der Immobilienblase waren die außergewöhnlich kräftigen Kapitalströme in die USA. Ökonominnen und Ökonomen hatten schon seit den 1990er-Jahren große Bedenken, dass die US-amerikanische Wirtschaft über ihre Verhältnisse lebte. Denn seit den 1980er-Jahren und in eindrucksvoll steigendem Ausmaß seit Ende der 1990er-Jahre exportierten die USA wesentlich weniger, als sie importierten, und sie finanzierten dies mit Kapitalimporten vor allem aus dem asiatischen Raum. Dadurch taten sich große globale Ungleichgewichte auf. Zahlreiche Beobachter hielten fest, dass es früher oder später zu einer starken und schmerzhaften Korrektur kommen müsse. Die US-Bevölkerung verhielt sich insgesamt wie ein privater Haushalt, dessen Ausgaben laufend höher sind als sein Einkommen, weshalb er sich immer weiter verschulden muss. Das Resultat sieht man in Abbildung 8: Die US-amerikanischen Auslandschulden, also der Bestand an US-Wertpapieren, die von Ausländern gehalten wurden, stieg im Verlauf der 1990er-Jahre kontinuierlich an; die US-Amerikaner verschuldeten sich in zunehmendem Maß in ihrer eigenen Währung bei Ausländern.

Diese Tendenz verstärkte sich Anfang des vergangenen Jahrzehntes noch, und wir sehen in der Grafik, dass der schon 2002 sehr hohe Bestand sich bis 2007 noch einmal verdoppelte. Die Sparquote der US-amerikanischen Haushalte sank in dieser Periode gegen null. Gesamtwirtschaftlich betrachtet, waren Investitionen in den USA nur noch möglich, weil das Ausland kräftig mitfinanzierte. Darin zeigte sich auch ein bemerkenswerter Risikoappetit, der die ungünstige spätere Entwicklung mit erklärt. Die US-Amerikaner hielten die Aussichten offenbar für genügend gut, um eine ständig wachsende Verschuldung problemlos mit späteren Einkommenszuwächsen (oder auch aus den erwarteten weiteren Wertsteigerungen der Immobilien) finanzieren zu können. Das starke Wachstum der US-Wirtschaft seit Mitte der 1990er-Jahre, das nur von einer kurzen Rezession nach dem Platzen der Internetblase unterbrochen worden war, schien diese Annahme immer plausibler zu machen.

Abbildung 8


Quelle: Federal Reserve

Es stellt sich die Frage, wieso der Rest der Welt bereit war, dieses aus heutiger Sicht unverantwortliche und für sie zuletzt kostspielige Verhalten zu finanzieren. Die einfache Antwort: Zu Beginn des vergangenen Jahrzehnts erschien dies keineswegs als unverantwortlich. Die USA wiesen damals über Jahre ein spektakuläres Produktivitätswachstum auf und wurden allgemein als attraktivster und dynamischster Wirtschaftsstandort weltweit eingeschätzt. Investitionen in dieses Land galten deshalb als vielversprechend. Hinzu kam, dass ein großer Teil des Zuwachses an Kapitalimporten aus Japan und den stark wachsenden Schwellenländern wie Russland und allen voran China stammte. Die chinesische Volkswirtschaft wies unter anderem wegen der wenig entwickelten Altersvorsorge eine sehr hohe Sparquote auf. Ein großer Teil der gewaltigen Einkommenszuwächse dieses Riesenlandes wurde gespart, und diese Ersparnisse «suchten» nach Investitionsmöglichkeiten. Auch weil die Entwicklung des Bankensystems in den Schwellenländern mit dem Wachstum der übrigen Wirtschaft nicht Schritt halten konnte, wurde ein Großteil dieser Gelder im Ausland angelegt.

Noch einmal gesteigert wurde dieser Kapitalexport dadurch, dass China den Wechselkurs seiner Währung gegenüber dem Dollar auf einem künstlich zu tiefen Niveau fixiert hatte, um seine Exportindustrie zu stärken.11 Um dies zu erreichen, bekämpfte die chinesische Zentralbank den wegen des Wachstumsbooms natürlichen Aufwertungsdruck auf die inländische Währung, indem sie massiv Dollar kaufte; ein Kauf der ausländischen Währung erhöht ja deren Preis und schwächt damit den relativen Wert der inländischen Währung. Dieser Dollarkauf wurde in zunehmendem Maß über den Erwerb US-amerikanischer Wertpapiere umgesetzt und bedeutete daher nichts anderes als einen zusätzlichen Kapitalexport in die USA.

Wir sehen also: Aus verschiedensten Gründen flossen wie nie zuvor Kapitalströme in die USA, und die Nachfrage nach rentablen Anlagen war entsprechend groß. Investitionen in traditionelle US-Wertpapiere wie etwa Staatsanleihen waren aber wegen der tiefen Zinsen (vgl. obige Ausführungen zur Geldpolitik) wenig rentabel. Eine Alternative war die Investition in den boomenden US-amerikanischen Immobilienmarkt. Allerdings war das ins Land strömende Kapital so überreichlich vorhanden, dass der US-Häusermarkt zu wenige Investitionsmöglichkeiten mit akzeptablem Risiko bot.

Diese beiden Faktoren – die tiefe Rentabilität der US-Wertpapiere und die beschränkten Anlagemöglichkeiten für Großinvestoren auf dem US-Häusermarkt – hätten den Kapitalfluss in die USA (und damit auch die Blase im Häusermarkt) eigentlich rasch dämpfen müssen. Ein dritter Faktor, mit dem wir uns jetzt beschäftigen wollen, führte jedoch dazu, dass dies nicht geschah: Die Investmentbanken fanden nämlich innovative Lösungen für beide Probleme. Und erst diese «Innovationen»12 ermöglichten die Ausweitung zur gigantischen Blase, die zuletzt eine weltweite Krise auslösen sollte.

Problematische «Innovationen» auf den Finanzmärkten

Hypothekarkredite eignen sich denkbar schlecht als Investitionsmöglichkeiten für internationale Anleger. Um die Risiken eines solchen Kredits abzuschätzen, muss sich die Kreditgeberin ein Bild über den einzelnen Kreditnehmer und die Immobilie machen können. Aus diesem Grund handelt es sich normalerweise um ein sehr lokales Einzelgeschäft, und große Investitionssummen kommen nur zustande, wenn sehr viele dieser Kredite vergeben werden können. Der erste Teil der Finanzinnovationen, die für die Krise entscheidend werden sollten, nahm sich dieses Problems an. Mit der sogenannten Verbriefung wurde eine große Zahl von einzelnen Hypotheken zu Wertpapieren gebündelt, die sich auf internationalen Finanzmärkten verkaufen ließen. Die Mechanik lässt sich anhand von Abbildung 9 erläutern.

Hauskäufer schließen mit lokalen Geschäftsbanken einen Hypothekenvertrag ab und erhalten einen Hypothekarkredit. Anstatt die Hypothekarforderung wie üblich in ihren Büchern zu behalten, verkaufen die Banken sie mit Gewinn an eine Investmentbank weiter. Die Investmentbank schafft nun mittels Verbriefung aus den Hypothekarforderungen handelbare Wertpapiere und verkauft diese an private Investoren – oft auch an Banken. Diese Wertpapiere versprechen den Anlegern eine regelmäßige Zinszahlung, die aus den monatlichen Hypothekarzinszahlungen der Hausbesitzer stammt. Die Investoren erhalten dadurch die Möglichkeit, im Immobilienmarkt in standardisierte Wertpapiere Geld anzulegen, ohne sich selbst mit den Details des Hypothekargeschäfts herumschlagen zu müssen. Diese Art von Wertpapieren lassen sich unter dem Überbegriff ABS (asset-backed security)13 zusammenfassen. Die Verbriefung ist ein altbekannter Vorgang in der Finanzbranche und dient eigentlich der Risikoverminderung für die Anleger. Denn die einzelne Hypothek ist vergleichsweise risikoreich, weil ein nicht unbeträchtliches Ausfallrisiko besteht: Ein einzelner Haushalt kann immer in Konkurs gehen. Kauft man mit demselben Betrag aber einen Anteil eines Pools mit Tausenden von Hypothekarkrediten aus dem ganzen Land, so sollte das Risiko deutlich tiefer sein. Die Wahrscheinlichkeit, dass viele Schuldner gleichzeitig zahlungsunfähig werden, scheint viel geringer, als dass dies einem einzelnen passiert. Später werden wir sehen, dass diese Überlegung im vorliegenden Fall dramatisch falsch war.

Abbildung 9


Eigene Grafik

Zum explosiven Gebräu wurden diese ABS aber erst durch den zweiten Teil der Finanzinnovation, die sogenannte Strukturierung. Die Investmentbanken verkauften nicht gleichartige ABS, sondern teilten diese in unterschiedliche Tranchen auf, die mit unterschiedlichem Risiko behaftet waren. Das Risiko eines solchen Wertpapiers besteht im Wesentlichen darin, dass nicht nur vereinzelte, sondern viele Hausbesitzer in finanzielle Engpässe geraten und ihre Hypotheken nicht mehr bedienen können. Die Idee der Strukturierung ist, dieses Risiko vor allem jenen zuzuteilen, die – vereinfacht ausgedrückt – bereit sind, Roulette zu spielen, also mit hohem Risiko auf einen hohen Gewinn zu wetten. Damit sollten bei allen übrigen Anlegern nur noch minimale Risiken verbleiben. Abbildung 10 erläutert dies schematisch.

Durch die Strukturierung werden die ABS (verbriefte Hypotheken) in drei Tranchen aufgeteilt, wobei die hoch riskanten Tranchen an die risikofreudigen Investoren verkauft (oder von der Investmentbank selbst gehalten) werden.14 Sie erhalten den Rest, also den Teil der Hypothekarzinsen, der noch übrig ist, nachdem die beiden anderen Tranchen zu einem vorher vereinbarten Zinssatz ausbezahlt worden sind. Ihr hohes Risiko drückt sich auch darin aus, dass sie gar kein Rating aufweisen. Die mittlere Tranche trägt ein deutlich kleineres Risiko, weil sie nur dann Verluste schreibt, wenn alle Anleger in den hoch riskanten Tranchen einen Totalverlust erlitten haben; das mittelgroße Risiko wird durch ein Rating in den Kategorien A oder BBB ausgedrückt. Entscheidend ist aber die dritte Kategorie, nämlich die Tranche mit tiefem Risiko. Diese weist zwar den tiefsten Zins aller drei Kategorien auf, scheint dafür aber eine «bombensichere» Investition darzustellen. Schließlich trägt sie nur ein Verlustrisiko, wenn die beiden anderen Tranchen Totalverlust erlitten haben. Da Hypothekardarlehen durch das Haus gesichert und sehr viele solcher Darlehen in einem ABS gebündelt sind, erscheint hier ein Verlust in normalen Zeiten als sehr unwahrscheinlich. Die Ratingagenturen ließen sich von diesem Argument überzeugen und verliehen diesen Tranchen der ABS deshalb meist die höchste Bewertung AAA. Bei dieser Einschätzung stützten sie sich auf Daten aus der jüngeren Vergangenheit, auf deren Basis allerdings ein gleichzeitiger starker Vertrauensverlust und damit ein Preiseinbruch bei allen ABS gar nicht modelliert werden konnte, weil so etwas noch nie vorgekommen war. Doch genau dieser scheinbar unmögliche Fall trat schließlich ein.

Mit dem AAA-Rating – das oft 70 Prozent aller Tranchen eines ABS aufwiesen – galten diese Investitionen als ebenso sicher wie Staatsanleihen, mit dem großen Vorteil, dass sie deutlich höhere Zinsen einbrachten. Es ist kaum verwunderlich, dass sich die Anleger mit Begeisterung auf diese scheinbar großartigen Investitionsmöglichkeiten stürzten. Sie kauften auch dann noch in Scharen solche Produkte, als bereits erste Zweifel über deren Qualität aufkamen. Für diese Sorglosigkeit gab es noch einen weiteren wichtigen Grund. Konservative Investoren konnten sich nämlich gegen ein Verlustrisiko bei den besseren Tranchen der ABS absichern, waren doch Versicherungen noch so gerne bereit, in dieses scheinbar risikoarme Geschäft einzusteigen. AIG – dem größten Versicherungskonzern der Welt – sollte dies später zum Verhängnis werden.

Abbildung 10


Eigene Grafik

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