Kitabı oku: «Der Nerd und sein Prinz», sayfa 2
Das zweite Mal war deutlich besser gewesen.
Das galt auch für das fünfzigste Mal. Und die Male danach.
Aber dann hatte Timmy (so nannte Jason ihn, wenn sie allein waren) ein Stipendium an der University of Alabama bekommen, was ihn in Buckman zu einem Helden machte – ein Junge aus der Kleinstadt, dem der große Wurf gelungen war. Zwei Jahre später, nach einer schlimmen Verletzung, die ihn seine Profikarriere kostete, war er jedoch wieder nach Hause zurückgekommen – mürrisch, wütend, ähnlich wie Mrs. Halliburton, die verbittert war (so sagte man), weil ihr Familienunternehmen Konkurs gemacht hatte.
Und einmal, in einer der wenigen Bars der Stadt, die Jason in einem seltenen Verlangen nach Bier aufgesucht hatte, hatte Tim Jason vor seinen Freunden eine Schwuchtel genannt. Er trank nicht viel und ein Sixpack hätte im Kühlschrank nur Platz weggenommen, den er fürs Patch brauchte. Deshalb der Besuch in der abgelegenen Bar mit dem (so fand Jason) urkomischen Namen Duck Inn Bottoms. Duck Inn wegen… er hatte keine Ahnung. Und Bottom, weil die Bar sich an dem Ende der Stadt befand, das am tiefsten gelegen war und deswegen über die Jahre hinweg immer mal wieder überschwemmt wurde. Aber man konnte sich zu diesem Namen natürlich allerhand andere lustige Erklärungen ausdenken.
Alle hatten gelacht.
Natürlich hatte es wehgetan. Hatte ihn sogar wütend gemacht. Wie konnte der Junge, der sein Erster gewesen war – der ihn hunderte Male geküsst hatte, der ihm gesagt hatte, dass er so viel besser küsste als Sally, der ihn am Fluss unter den Sternen geliebt hatte – ihn eine Schwuchtel nennen?
Also hatte er Tim, der bei seinen Eltern lebte, während er nach einem Haus suchte, angerufen und ihm gesagt, er solle das nie wieder tun.
»Und wenn doch?«, kam die gelallte Antwort.
»Tja, dann erzähle ich vielleicht Sally« – die mit Tim verlobt zu sein schien, jetzt, da er zurück in der Stadt war – »von diesem seltsamen Geräusch, das du machst, kurz bevor du kommst. Du weißt schon…« Er verzog das Gesicht, auch wenn Tim es nicht sehen konnte. »Ah! Ah-oh oh ah oh oh! Ah-oh oh oh oh – ih! Ih! – Ohhhhhh!«
Am anderen Ende der Leitung war ein leises Keuchen zu hören.
»Ich wette, sie kennt dieses Geräusch, Timmy. Wenn sie gut genug ist, dich dieses Geräusch machen zu lassen, natürlich…« Das war gemein, gemeiner als er normalerweise zu sein pflegte, aber er war verdammt wütend.
»Du… das würdest du nicht tun.«
»Und wenn doch?«
Timmy ließ es nicht drauf ankommen.
Jason war sich ziemlich sicher, dass er in Tim verliebt gewesen war. Und er war dämlich genug gewesen zu glauben, dass er kein Geheimnis mehr sein müsste, sobald Tim aufs College ging. Dass Tim einsehen würde, dass es keine große Sache war, schwul zu sein, und dass sie ein Paar sein könnten.
Dazu kam es nicht.
Und jetzt war Jason einfach nur einsam.
Er wusste, dass es noch andere Schwule in der Stadt gab. Und Junggesellen, die zusammenlebten, aber nie öffentlich Zuneigung zeigten. Alle wussten Bescheid, aber abgesehen von vereinzeltem Tuscheln sagte niemand etwas. In Buckman wurden in niemandes Vorgarten Kreuze verbrannt, und das war einer der Gründe, warum Jason seine Heimatstadt liebte. Obwohl die Stadt so klein war, waren ihre Bewohner relativ weltoffen und die meisten von ihnen hatten sogar für Obama gestimmt, auch wenn sie bezüglich Clintons Kandidatur zur Präsidentin – einer Frau – noch unentschlossen waren.
Jasons Einsamkeit war das Schlimmste. Er konnte sich damit zufriedengeben, das Parthenon nur auf dem Poster über seinem Bett zu sehen. Er konnte Rom einen geheimen Wunsch bleiben lassen, konnte den Rest seines Lebens in Buckman verbringen. Aber er wollte so sehr geliebt werden.
Nach seinem Bad versuchte er, noch ein wenig zu lesen, und dann kamen ihm Gail Southgates Worte wieder in den Sinn, wie sie es in letzter Zeit öfter taten. »Wann schreibst du mal wieder etwas für uns? Deine Geschichten sind genau das, was wir suchen. Du bist ein echter Romantiker.«
Ein echter Romantiker. Wie auch immer ihm das dabei geholfen hatte, selbst die Liebe zu finden.
Aber vielleicht waren seine Bücher genau dafür da. Vielleicht lebte er indirekt durch sie? Er dachte an Sam Eldridge, den stattlichen Helden seines letzten Buchs. Ein Museumskurator, der dabei gewesen war, neue Exponate aus Rom auszupacken, als plötzlich eine Mars-Statue zum Leben erwachte. Die Geschichte war humorvoll, hoffte er, und sexy, auch das hoffte er. Mars verstand nicht, dass er nicht jeden nach Belieben zerschmettern konnte, und die moderne Technologie ließ ihn trauern, denn er sah eine Welt, die keine Götter mehr brauchte. Warum nicht…?
Jason fuhr gerade seinen Computer hoch, als sein Blick zu der einzigen Statue in seinem Haus schweifte, der eines jungen Mannes, der sich in den Schwingen eines außergewöhnlich großen Adlers zurücklehnte. Dabei handelte es sich natürlich um Ganymed. Und der Adler war Zeus, der sich in einen Sterblichen verliebt hatte und vom Olymp geflogen kam, um Ganymed ins Zuhause der Götter zu bringen, damit er sein Mundschenk und ewiger Liebhaber wurde. Diese Geschichte würde Jason immer zum Seufzen bringen.
Aber dann erregte etwas anderes seine Aufmerksamkeit.
Ein Licht.
Er stand auf, näherte sich der Kommode mit der Statue und blickte aus dem hinteren Fenster. Dann keuchte er leise auf. Oder seufzte eher. Es kam aus dem kleinen Haus hinter seinem. Im Küchenfenster brannte Licht.
Ein Licht!
Es war also wirklich jemand im Haus.
Jason erschauerte. Er wusste nicht, warum.
Er lächelte, war sich dessen nur halb bewusst.
Doch im winzig kleinen, langweiligen Städtchen Buckman mit seinen 2.749 Einwohnern gab es nicht viel Aufregendes.
In Buckman, wo kaum etwas passierte.
Danach konnte er nicht mehr über Sam Eldridge oder einen sexy römischen Gott schreiben.
Seine Fantasie kreiste um die Person in diesem Haus, wer auch immer sie sein mochte.
Und seine Fantasie war ziemlich lebhaft.
Kapitel 2
Das Haus war anders, als Amadeo Montefalcone erwartet hatte.
Die Fotos aus dem Internet hatten es deutlich hübscher aussehen lassen, sonst hätten sein Bruder und er es nie ausgewählt. Und obwohl er gewusst hatte, dass es nicht groß war, war es doch ein kleiner Schock, dass sein Kinderzimmer größer gewesen war als dieses ganze Haus. Sogar in den Dörfern, die er besucht hatte – das liebten die Leute an ihm –, gab es größere Häuser.
Wie weit Buckman vom Flughafen in Kansas City entfernt war, hatte er so auch nicht erwartet. Wie weit Buckman von allem entfernt war, eigentlich. All diese amerikanischen Filme ließen es aussehen, als müsste man nur in den praktischen Bus steigen, der in absolut jeder Kleinstadt hielt, und schon wäre man auf dem Weg zu einem Tagesausflug nach New York oder Chicago.
Aber Gott, Amerika war groß. Das hatte er natürlich gewusst, auf rein intellektueller Ebene. Aber die Realität war beinahe zu überwältigend, um sie zu erfassen. Sein ganzes Land war kleiner als der kleinste Bundesstaat, nicht mal doppelt so groß wie Washington, DC, was gar kein Staat war. Ein Distrikt. Distrikt bedeutete da, wo er aufgewachsen war, auch etwas anderes.
Die Fahrt vom Flughafen nach Buckman hatte ihn überrascht, obwohl sein Bruder ihm einen detaillierten Plan angefertigt hatte. Er brauchte zwei Stunden auf einer Straße, die einsam in der Dunkelheit dalag. Das Einzige, was er im Mondlicht wirklich erkennen konnte, waren Felder, Äcker und endlose Langeweile.
Es war die Art von Straße, von der man sich erzählte, es gäbe dort Entführungen von Außerirdischen…
Zweihundert Kilometer. Das war länger als sein ganzes Land an der längsten Stelle, fast viermal so lang!
Und sein Land war wunderschön. Die Meilen, die er durchfuhr, glichen einem öden, flachen Nichts!
Wie zum Hohn hatte sein Bruder einen Wagen für ihn ausgesucht, der sich Toyota Camry nannte. Es war das unscheinbarste Auto, das er in seinem ganzen Leben gesehen hatte. Wie sollte er das von irgendeinem anderen unterscheiden?
Einen weiteren Kulturschock stellte die Fahrt in die Stadt dar. Erstens war die Hauptstraße breiter als der kleine Highway, auf dem er all diese Kilometer zurückgelegt hatte. Wozu brauchte so eine alte Stadt eine so breite Straße? Man könnte einen Sattelschlepper quer auf der Hauptstraße parken und hätte immer noch genug Platz, um außen herumzufahren. Zumindest hatte er sein neues Zuhause schnell gefunden, auch wenn er es sich im Dunkeln nicht genauer ansehen konnte. Er ließ sich selbst rein – der Schlüssel unter der Matte war schnell gefunden, offenbar eine amerikanische Gepflogenheit – und konnte nicht umhin, sich zu fragen, warum überhaupt jemand seine Tür abschloss, wenn jeder wusste, wo der Schlüssel zu finden war. Das würde er anders machen.
Der Strom funktionierte glücklicherweise und die Matratzen, wenngleich kein richtiges Bett, waren geliefert worden, was nicht möglich gewesen wäre, wenn der Schlüssel sich nicht am gewohnten Ort befunden hätte. Fließendes Wasser gab es ebenfalls. Alles in bester Ordnung. Aber der Boden…!
Am nächsten Morgen stellte er fest, dass ihm die Farbe des Hauses so gar nicht zusagte. Er war sich nicht einmal sicher, wie er sie nennen sollte. Lohfarben? Pfirsichfarben? Gelbliches Grau? Das Braun von verblassten Blutflecken? Che schifo! Das musste neu gestrichen werden. Und zwar bald!
Blau! Blau klang gut. Ein wunderschönes Königsblau vielleicht. Oder ein tiefes Himmelblau. Vielleicht Türkis. Etwas, das ihm Komplimente einbringen würde und…
»Du musst dich unter die Leute mischen, Amadeo«, sagte Cristiano. »Nicht herausstechen. Du bist es gewohnt aufzufallen, Bruderherz. Wenn du dich vor der Welt verstecken willst, dann richtig. Die Farbe ist vielleicht nicht hübsch, aber die Leute werden einfach daran vorbeifahren und sich keine weiteren Gedanken machen.«
Cristiano hatte natürlich recht.
Also würde das Haus vorerst schifo bleiben – scheußlich.
Aber dann gab’s da noch den Boden im Wohnzimmer. Der hing durch. Und zwar deutlich. Als wäre er morsch oder so. Ein großer dunkler Fleck an der Decke darüber legte nahe, dass das Dach undicht war. Wie in aller Welt sollte er das reparieren lassen? Ohne seinen Bruder zu fragen, was er dafür tun musste? Hatte Cristiano nicht schon genug getan? Vielleicht sogar genug, um ein Verräter genannt zu werden?
Amadeo wusste, dass er selbst nachdenken musste. Er war nicht dumm, hatte Erstaunliches erreicht.
Er wollte nur das nicht, was sein Vater sich am meisten von ihm wünschte.
Boden. Wohnzimmerboden. Darauf musste er sich konzentrieren. Darauf, wie man ihn reparieren konnte.
Also ging Amadeo ins Internet. Auf Facebook, um genauer zu sein. Dort fand er eine Tausch- und Verkaufsgruppe für Buckman und trat ihr bei. Vielleicht sollte er eine Anzeige posten? Oder sich Tipps holen, wie er jemanden für Reparaturen an dem kleinen Haus finden konnte…
So ein kleines Haus.
Gott, er wünschte, er könnte seinen Bruder anrufen. Aber in Monterosia war es sieben Stunden später und keine gute Zeit für einen Anruf. Ihre Telefonate mussten im Geheimen stattfinden.
Die Veranda hinter dem Haus gefiel ihm. Wenn man sie so bezeichnen konnte. Sie wurde durch ein Dach vor der Witterung und der Sonne geschützt, was gut war, und war von einem kleinen Lattenzaun umgeben. Ein paar größere Pflanzen würden dabei helfen, ihn zu verbergen. Denn verborgen bleiben lautete die Devise.
Amadeo hatte geglaubt, es wäre einfach, sich an diesem kleinen Ort mitten im Nirgendwo zu verstecken. Er hatte die Zudringlichkeit der Presse unterschätzt, war regelrecht von ihr überrascht worden. Vielleicht hätte er damit rechnen sollen. Doch das hatte er nicht!
Am Abend zuvor war er zum Einkaufen in einen Walmart gegangen. Abgesehen von einem Laib Brot hier, ein paar Blumen da und frischen Roma-Tomaten woanders war er nie wirklich einkaufen gegangen. Den Leuten gefiel das.
Dieser Laden war allerdings gigantisch gewesen. In Monterosia gab es nichts Vergleichbares. Wundersam und entsetzlich gleichermaßen. Und irgendwie auch aufregend. Einkaufen.
Wie erstaunlich es doch war, sich statt eines Korbes einen Einkaufswagen zu nehmen – so einen hatte er noch nie benutzt – und die Gänge auf und ab zu schlendern, während man die Fülle der angebotenen Waren studierte. Von Tennisschuhen über Handtücher, Alkohol, Haustierbedarf (sollte er sich einen Hund zulegen? Oder eine Katze?), Wandfarbe, Sonnenbrillen, Waffen (stell sich einer vor – es war so einfach, eine Waffe zu kaufen!), Lebensmittel bis hin zu Bekleidung jeglicher Art.
Er hatte ein paar Dinge gesucht: einen Ventilator, einen Leuchter, Utensilien fürs Bad. Er hatte gerade die Elektronikabteilung durchquert, in der mehrere große Flachbildfernseher gleichzeitig liefen. Im Haus gab es auch so einen, aber er überlegte, ob er sich einen DVD-Player und ein paar Filme holen sollte. Vielleicht auch eine Serie namens Longmire.
Dann – plötzlich – wurde auf allen Bildschirmen ein Bericht über ihn gezeigt. Ein Foto von ihm im Garten nahm das gesamte Bild ein. Er lächelte, lachte sogar, hatte das braune Haar zurückgekämmt, doch ein Teil davon fiel ihm trotzdem in die Stirn. Seine blauen Augen glitzerten. Man sagte ihnen nach, dass diese Augen das Herz jeder Frau schneller schlagen lassen konnten. Doch das wollte er gar nicht.
Auf dem Foto trug er ein weißes Hemd und eine schmal geschnittene Anzugjacke. Lässig, aber trotzdem elegante. Auf dem Bildschirm war sein Foto lebensgroß. Es war, wie in einen Spiegel zu blicken.
Amadeo flüchtete aus dem Laden und ließ alles im Einkaufswagen zurück.
Hatte ihn jemand gesehen?
Was noch schlimmer war: Auf dem Parkplatz geriet er beinahe in Panik – er konnte sein Auto nicht finden. Abgesehen von den vielen Pick-ups sahen alle Autos gleich aus. Dann erinnerte er sich daran, dass er einen Knopf auf dem Schlüssel drücken konnte, der die Hupe auslöste, damit er den Wagen finden konnte. Welch eine Erleichterung.
Stunden später, als kein Team von Today’s Entertainment News bei ihm aufgekreuzt war, fiel ihm auf, dass niemand auf die Fernseher geachtet hatte. Keiner hatte ihn auch nur eines zweiten Blickes gewürdigt. Niemand suchte hier in diesem Nest mitten in den USA nach ihm. Niemand hatte ihm auch nur das kleinste bisschen Aufmerksamkeit entgegengebracht.
Und er hatte Hunger. Er brauchte zumindest die Lebensmittel, die sich in jenem Einkaufswagen befunden hatten. Und den Pfannenwender. Und die Bratpfanne. Die Butter. Die Auswahl bei Walmart war in manchen Bereichen fürchterlich, beinahe schlaraffisch in anderen. Die Pastasorten hatten größtenteils normal ausgesehen, auch wenn es nicht viel Auswahl gab. Aber es hatte Butter gegeben, sogar Bio. So nannten die Amerikaner wohl echte Lebensmittel.
Amadeo warf einen Blick auf den durchhängenden Boden und seufzte.
Nun ja, zumindest hatte er einen Kühlschrank und noch ein paar andere Dinge, die schon im Haus gewesen waren. Eine alte Couch, die nicht allzu unbequem war. Einen kleinen Tisch, groß genug für zwei, obwohl er natürlich allein war. Aber das Alleinsein war ein Grund, warum er sich in diesem Land aufhielt.
In einem Bücherregal befanden sich zwei Bücher. Eines namens Rubinroter Dschungel – komischer Titel – und das andere hieß Vom Olymp herab. Er hoffte, dass das ein gutes Omen war. Das war er doch auch irgendwie, oder? Vom Olymp herabgestiegen?
»Accidenti!«, rief er in das leere Zimmer. »Habe ich den größten Fehler meines Lebens begangen?«
Sein Laptop gab ein leises Piepsen von sich – um das Internet hatte er sich schon vor seiner Ankunft gekümmert! – und als er nachsah, stellte er fest, dass er als Mitglied der Tausch- und Verkaufsgruppe von Buckman akzeptiert worden war.
Hmmm…
Allora. Und was sollte er jetzt tun?
Eine Annonce aufgeben, dachte er.
Er hatte eine Gabel. Er hatte einen Kühlschrank. Er hatte sogar ein paar Pappteller.
Vielleicht sollte ich auch einen Boden haben, der nicht durchhängt.
Er kniete sich vor den Laptop, der auf dem einfachen hölzernen Couchtisch stand. Einen Couchtisch hatte er auch. Wenn die Zigarettenbrandflecken nicht wären, wäre er vielleicht sogar hübsch.
Könnte ich den abschleifen? Oder einen Handwerker dafür beauftragen?
Nein. Ich werde es selbst machen.
Er erstellte einen neuen Beitrag und begann zu tippen.
HANDWERKER GESUCHT
Allgemeine Heimwerkerarbeiten. Evtl. Dach. Durchhängender Boden. Einfache Klempnerarbeiten. Bitte E-Mail an
Amadeo hielt inne und dachte über die Adresse nach. Er hätte beinahe die eingegeben, die er seit Jahren benutzte.
Merda! Er war nicht gut hierin. Aber das musste er werden. Er machte Evtl. Dach zu Evtl. Teile des Dachs und fügte dann die E-Mail-Adresse Terranova1989@gmail.com hinzu.
Er postete die Annonce zusammen mit einem Foto des Hauses.
Fertig. Ein Kinderspiel.
Er stand auf. Sah zu Boden. Drehte sich zur Küche.
Der Kühlschrank musste unbedingt geputzt werden. Ob Walmart noch offen hatte? Er zuckte mit den Schultern. Das ließ sich herausfinden. Amadeos Magen knurrte und erinnerte ihn daran, dass er noch dringender etwas zu essen brauchte. Darum würde er sich kümmern.
Der Laptop piepste erneut. Ein Blick auf den Bildschirm verriet ihm, dass er eine E-Mail bekommen hatte. Er rief Gmail auf und da war sie schon. Eine E-Mail von einem Timothy zur Stelle mit dem Titel Ich bin Handwerker.
Er öffnete sie.
Hallo, du. Ich heiße Timothy Jeske und ich kann alles erledigen, was du in deinem Post geschrieben hast. Ich bin gut in dem, was ich mache, und habe meistens Zeit. Ruf mich an.
Also tat Amadeo genau das. Timothy zur Stelle ging nach dem zweiten Klingeln dran und Amadeo stellte sich ihn aufgrund seiner tiefen, männlichen Stimme als älteren Mann vor, vielleicht Mitte vierzig, übergewichtig und in einem Flanellhemd. Das war vermutlich unfair, aber er konnte nur von dem ausgehen, was ein Leben voller amerikanischer Filme und Serien ihm gezeigt hatten. Er fragte sich, ob Timothy Tabak kauen und ihm sein Maurerdekolleté zeigen würde, wenn er unter dem Spülbecken arbeitete.
Es stellte sich heraus, dass Timothy am nächsten Tag um neun Uhr morgens vorbeikommen konnte, was gut war. Der Boden würde so schnell wie möglich in Angriff genommen werden.
Bei der Verabschiedung hätte er Timothy beinahe gesagt, dass er Amadeo hieß, doch dann erinnerte er sich, dass es höchste Zeit war, den Namen zu benutzen, den Cristiano sich für ihn ausgedacht hatte. Er war nicht länger Amadeo Montefalcone. Das durfte er nicht sein. Das hatte er hinter sich gelassen, war davor weggelaufen. Also war er Armand meine Freunde nennen mich Adam Terranova.
Terranova. Das hatte ihm auf Anhieb gefallen.
Die neue Welt.
Und er befand sich definitiv in einer neuen Welt.
Amadeos – Adams – Magen knurrte erneut.
Essen.
Er würde zu Walmart fahren und seinen Einkaufswagen füllen. Es war Zeit, ernst zu machen. Er begann ein neues Leben. Das könnte aufregend werden.
Und dann, entgegen seiner Erwartung, war er aufgeregt. Seit Tagen hatte er sich nicht so gut gefühlt. Eigentlich seit Wochen. Vielleicht sogar seit Monaten?
Er machte sich auf in ein Abenteuer. Und obwohl es eigentlich vor zwei Tagen und mehreren Flügen kreuz und quer durch Europa begonnen hatte, zwei davon mit kleinen Privatflugzeugen (und einer davon furchteinflößend), bevor er sich auf den Weg in die USA gemacht hatte, hatte er jetzt das Gefühl, dass der erste wirkliche Schritt der aus seiner Eingangstür war.
Adam – er sprach den Namen laut aus: »Adam« – öffnete seine Tür. Im Norden lag die Innenstadt und im Süden der Walmart an der Stadtgrenze von Buckman, wohin er unterwegs war. Was ihn nervös machte. Obwohl er auf dem Weg zu so einem normalen Ort war, kam ihm eine Stelle aus einem seiner Lieblingsbücher, Der Herr der Ringe, in den Sinn, in der Gandalf Frodo vor Abenteuern warnt, da man nie weiß, wohin sie einen führen, wenn man nicht aufpasst.
Adams Herz setzte einen Schlag aus und er lächelte.
Seine Tür. Das war seine Tür und sein Haus und kein Gebäude, in dem seine Familie schon seit Hunderten von Jahren wohnte. Es gehörte alles ihm. Auf einmal erschien ihm das Haus gar nicht mehr so hässlich.
Es war sein Zuhause.
Das Herz seines neuen Lebens.
Wer wusste schon, was passieren würde?
Und jetzt? Nun, jetzt trat er aus der Tür.