Kitabı oku: «Liebe ohne Kaution»
Deutsche Erstausgabe (ePub) September 2020
Für die Originalausgabe:
© 2017 by B.G. Thomas
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
»Getting His Man«
Originalverlag:
Published by Arrangement with Dreamspinner Press LLC, 5032 Capital Circle SW, Ste 2, PMB# 279, Tallahassee, FL 32305-7886 USA
Für die deutschsprachige Ausgabe:
© 2020 by Cursed Verlag, Inh. Julia Schwenk
beloved ist ein Imprint des Cursed Verlags
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,
des öffentlichen Vortrags, sowie der Übertragung
durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile,
Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
Genehmigung des Verlages.
Bildrechte Umschlagillustration
vermittelt durch Shutterstock LLC; iStock
Satz & Layout: Cursed Verlag
Covergestaltung: Hannelore Nistor
Druckerei: CPI Deutschland
Lektorat: Jannika Waitl
ISBN-13: 978-3-95823-844-2
Besuchen Sie uns im Internet:
www.cursed-verlag.de
Aus dem Englischen von Erin Sommer
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Klappentext:
Weil er dank der Drogengeschäfte seines Mitbewohners im Gefängnis gelandet ist, muss Artie notgedrungen einen Kautionsagenten anheuern, damit er wieder auf freien Fuß kommt. Es muss Schicksal sein, dass besagter Agent August genau wie der Held aus den alten Schwarz-Weiß-Filmen ist, die Artie so sehr liebt. Um Arties Namen wieder reinzuwaschen, muss August alle Register ziehen, die ihm zur Verfügung stehen, und kommt seinem Auftraggeber dabei näher als erwartet. Doch bevor die beiden Männer über eine gemeinsame Zukunft nachdenken können, müssen sie erst einmal die Hürden der Gegenwart bewältigen – und sehen, ob ihre Gefühle die Feuerprobe bestehen…
Kapitel Eins
Für Arthur Bailey, alias Artie, begann der Abend im Himmel und endete in der Hölle.
Der Abend war himmlisch, weil er auf einem Electric-i-Konzert gewesen war. Er hatte unglaubliche Tickets auf KUTE ergattert und mit seinem besten Freund und einer Gruppe schreiender Teenager-Mädchen ein paar Stunden in der dritten Reihe verbracht. Es war ihm sogar gelungen, sich an den Bühnenrand vorzukämpfen und die Hand von Connie Jax Jacques, seinem Lieblingsbandmitglied, zu berühren.
»Ich werde meine Hand nie wieder waschen«, scherzte er mit Ross, seinem Date, der lachte und ihn fragte, ob er einen Gummihandschuh brauchte. Er war ein CNA – ein zertifizierter Krankenpflegehelfer – im St. Lukes und für ihn wäre es kein Problem, Artie mit einem lebenslangen Vorrat auszustatten.
Artie wünschte sich manchmal, Ross wäre mehr als ein Freund, aber Ross empfand nicht dasselbe für ihn. Das passierte Artie öfter, oder zumindest fühlte es sich so an. Er ging auf ein Date und erkannte schnell, dass der potenzielle Partner wirklich nichts anderes wollte, als ihn ins Bett zu bekommen. Er war vierundzwanzig, sah aber wie höchstens achtzehn aus, und viele Männer mochten das offenbar. Aber dann, wenn er nachhakte, warum eine schnelle Nummer alles war, was sie zu wollen schienen, sagten sie ihm, dass sie jemand Männlicheren zum Ehemann wollten.
»Wer möchte einen Freund, der jedes Mal, wenn wir ausgehen und Wein zum Abendessen bestellen, seinen Ausweis zeigen muss?« So hatte sich ein kurzzeitiger und nicht so subtiler, ehemals potenzieller Freund ausgedrückt.
Der Abend war himmlisch, weil er trotz seines Liebeslebens – nämlich, dass er keines hatte – erkannt hatte, dass es in Ross' Fall besser war, einen wahren Freund als einen festen Freund zu haben. Ross war lustig, süß, spaßig, treu, rücksichtsvoll und immer da, wenn man ihn brauchte. Wer sonst würde mit ihm zu einem Electric-i-Konzert gehen?
Electric i war in den letzten Jahren die neue, angesagte Boyband geworden und Justin Bieber direkt auf den Fersen. Aus diesem Grund wurden sie beide geliebt und verunglimpft. Es gab diejenigen, die sich über ihre Songs, Stimmen, Haare und Tanznummern lustig machten, aber die Popgruppe hatte bereits sechs Hits gelandet – zwei an der Spitze der Charts – und verkaufte millionenfach Alben.
Ross hatte ihm sogar dabei geholfen, ein T-Shirt zu bezahlen, obwohl Artie nicht sicher war, ob er es tatsächlich tragen würde. Er würde von Freunden und Arbeitskollegen gnadenlos damit aufgezogen werden, wenn er es täte, und wer wusste, was Willie, sein kiffender Mitbewohner, dazu sagen würde.
Der Heimweg fühlte sich an wie der Himmel, als er mit Ross zusammen Electric-i-Songs sang, auch wenn es albern war. Wer sonst würde das tun?
In the club (all right)
On a Saturday night
Can I dance with you?
Or walkin' down the street
Let me chase that beat
That you step, step, step to
Hey girl, with your eyes so blue
With your hair let down, can I git wich-u?
Can I hold your hand and be your man?
Can I be your boy
Friend?
Der wahre, entzückende, überschwängliche, lustige Himmel.
Der himmlische Teil des Abends endete jedoch, als Ross seinen gebraucht gekauften Honda vor Arties Apartment parkte. Als er den Motor ausschaltete, konnten beide die Hardrockmusik hören – entschieden andere Musik als die von Electric i –, die aus dem zweiten Stock zu ihnen herabschallte.
Arties Schultern sackten zusammen. »Kacke«, sagte er und seufzte tief.
»Ich kann da nicht hoch«, sagte Ross leise und bestätigte damit, was Artie bereits wusste. Ross und Willie verstanden sich wie ein Honigdachs und eine Kobra. Es ging nicht einmal ums Schwulsein, obwohl Willie, als Artie bei ihm eingezogen war, gesagt hatte: »Ich erwische dich besser nicht dabei, wie du an meinem verdammten Jockstrap schnüffelst oder irgend so eine komische Scheiße.« Artie hatte ihm versichert, dass das nicht passieren würde. Er fühlte sich nicht im Geringsten zu Willie hingezogen.
Solche Kommentare sorgten dafür, dass Ross Willie nicht ausstehen konnte. Artie war sich allerdings nicht sicher, warum Willie Ross so wenig mochte.
»Ich verstehe immer noch nicht, warum du bei ihm eingezogen bist«, sagte Ross und schaute durch seine Windschutzscheibe zu dem lila erleuchteten Fenster über ihnen hinauf. »Du warst nicht scharf auf ihn, oder?«
Artie verzog das Gesicht. »Um Himmels willen, nein.« Willie sah aus wie eine noch stärker ausgebrannte Version von Eminem oder Mac Miller. Und er war genauso schlank – besser gesagt dürr – wie Artie. Artie mochte größere, männlichere, intellektuell aussehende Männer. Und vielleicht vier oder fünf Jahre älter als er. Nicht zu viel älter, nicht gleich alt, nicht jünger – wie zum Beispiel Ross. Das war einfach der Geschmack, den er als Neuntklässler in der Highschool entwickelt hatte, als er sich in die Zwölftklässler verknallt hatte.
»Wann haust du da endlich ab?«, fragte Ross stöhnend. »Ich dachte, du sparst Geld, damit du umziehen kannst!«
»Ich spare ja auch«, sagte Artie. »Ich habe fast dreitausend Dollar.«
Ross ließ ein Pfeifen hören. »Wow, Artie! Das ist mehr als genug, sogar für eine Kaution. Zieh da aus!«
»Ich habe einen Mietvertrag unterschrieben«, erwiderte Artie.
»Na, und wenn schon! Zieh aus. Was soll Willie machen?«
Artie biss unwillkürlich die Zähne zusammen. Was würde Willie tun? Nun, er wollte nicht darüber nachdenken. Willie konnte sehr wohl etwas tun. Er wusste, dass sein Mitbewohner mindestens ein Auto von einem seiner Kunden zu Schrott gefahren hatte, weil der ihm Geld geschuldet hatte, und Willie war nicht mal wirklich Dealer. In den Augen des Gesetzes könnte er als einer gesehen werden, aber er verkaufte Gras nur an vielleicht ein Dutzend Leute, und die kauften nie mehr als dreißig Gramm.
Willie tat es, wie er erklärte, hauptsächlich wegen dem Gratis-Gras, das seinen Anteil am Gewinn darstellte.
»Weißt du«, sagte Ross, »irgendwann werden die Bullen wegen seiner verdammten Musik auftauchen, und sie werden das Gras von Weitem riechen und euch alle hochgehen lassen, obwohl du nicht rauchst.«
»Zwei Monate«, murmelte Artie. »Zwei Monate und ich bin raus. Ich schaue mir sogar schon Wohnungen an.«
»Zieh bei mir ein«, sagte Ross. »Ich könnte definitiv Hilfe bei der Miete gebrauchen, seit Mitch ausgezogen ist.« Mitch war Ross' Ex-Freund. Die beiden hatten sich die ganze Zeit gestritten, sodass Artie nicht überrascht war, als sie sich getrennt hatten. Sie hatten sich um dumme Kleinigkeiten gezankt, während er und Ross sich nie stritten.
Es war wunderbar, wie gut sie miteinander auskamen. Er hatte einen kurzen Moment der Hoffnung gehabt, dass Ross vielleicht seine Meinung ändern und ihn doch als festen Freund in Erwägung ziehen könnte, aber dann hatte er sich gefragt, ob sie anfangen würden, sich wie Ross und Mitch über Dinge zu streiten, die einfach keine Rolle spielten. Artie hatte erkannt, dass er Ross wirklich lieber als Freund statt als einen Ex haben würde.
»Ich habe einen Mietvertrag«, sagte er erneut zu Ross, »und ich möchte keine tausend Dollar verschwenden, um meine Hälfte der Miete zu bezahlen, wenn ich nicht einmal dort wohne.«
Ross seufzte und zuckte die Schultern und sagte: »Na gut, bitte schön. Ich hoffe nur, dass bis dahin nichts passiert.«
Berühmte letzte Worte, würde Artie später denken.
»Wir könnten auf ein paar Drinks ins Corner Bistro gehen«, bot Artie an.
Ross schürzte die Lippen, überlegte und schüttelte dann den Kopf. »Nah. Ich muss ins Bett. Ich habe morgen eine Zwölf-Stunden-Schicht und möchte keinem armen Kerl einen Einlauf geben, obwohl ich seine Ernährungssonde überprüfen sollte.«
Artie lachte, obwohl er sich wünschte, dass Ross noch etwas Zeit mit ihm verbracht hätte. »Nun, ich denke, das war's dann«, sagte er und streckte die Hand nach seinem Türgriff aus.
»Artie?«
Er drehte sich um und bekam zu seiner Überraschung einen kleinen Kuss von Ross. Er schnappte beinahe nach Luft und realisierte dann, dass es nichts weiter war als das, was schwule Kerle ständig taten. Es war ein Kuss unter Schwestern. Nichts mehr. Und dann schnappte er beinahe noch mal nach Luft, weil, na ja, wow! Ross hatte ihn geküsst und ... nichts. Artie fühlte nichts. Er hätte genauso gut seine echte Schwester küssen können.
In mancher Hinsicht war das eine riesige Erleichterung.
Er lächelte.
»Gute Nacht, Ross.«
»Gute Nacht, Artie«, sagte sein Freund, als Artie aus dem Auto stieg. Er ging zur Haustür, schloss sie auf, winkte Ross kurz zu und ging hinein.
Artie konnte das Gras auf halbem Weg die Treppe hinauf riechen.
Er blieb stehen und überlegte, ob er sich umdrehen und allein ins Corner Bistro gehen sollte. Er konnte buchstäblich das Echo von Ross' Worten in seinem Kopf hören: »Weißt du, irgendwann werden die Bullen wegen seiner verdammten Musik auftauchen, und sie werden das Gras von Weitem riechen und euch alle hochgehen lassen, obwohl du nicht rauchst.« Aber Artie war müde. Es war ein langer Abend gewesen, obwohl es so viel Spaß gemacht hatte. Ein Drink würde wahrscheinlich ausreichen, um ihn betrunken zu machen, geschweige denn zwei. Und er würde niemals betrunken Auto fahren.
Mit einem Seufzer ging er die Treppe hinauf, und der stinktierartige Geruch nach Marihuana wurde stärker, je näher er der Tür kam. Mist! Und weil die Musik so laut aufgedreht war, könnte die Polizei eines Tages wirklich auftauchen. Was sollte er dann tun? Die Polizei würde ihm auf keinen Fall glauben, dass er nichts damit zu tun hatte. Außer vielleicht nach einem Urintest – der natürlich sauber wäre –, aber es wäre immer noch ein schreckliches Chaos, in das er geraten würde.
Er steckte seinen Schlüssel ins Schloss und öffnete den Mund, um zu sagen: »Kannst du das bitte leiser machen?« Doch als er durch die Tür trat, gefroren die Worte in seinem Mund. Nicht nur der Geruch und die Lautstärke hauten ihn fast um, sondern er erblickte auch etwas, das sein Verstand zuerst nicht einmal verarbeiten konnte. Im lila Schein einiger Schwarzlichtbirnen befanden sich Willie, sein pummeliger Gras-Kumpel Jorge und zwei Mädchen, die Artie nicht kannte – eine große Überraschung, wenn es um Willie ging – und die eine Wasserpfeife herumreichten. Aber was Artie bis zur Sprachlosigkeit schockierte, war das, was sich auf dem Kaffeetisch stapelte.
War das…?
Heilige Scheiße. Gras?
Eine ganze Menge davon!
Rasch machte er die Tür zu, schloss sie ab und verriegelte sie, bevor er wie ein Zombie in die Mitte des Raumes ging.
»Hey, Alter«, schrie Willie regelrecht, um über die wummernde Musik hinweg gehört zu werden.
Artie schaute nach unten, und wow, ja, auf dem Kaffeetisch befand sich offenbar ein kleiner Berg aus mit Gras gefüllten Sandwichbeuteln. Das oder Oregano, und irgendwie glaubte Artie nicht, dass das der Fall war.
»Mach die Tür zu«, sagte er, obwohl er bezweifelte, dass ihn irgendjemand über die dröhnenden Songtexte hinweg hören konnte, die beinahe ausschließlich aus dem Wort fuck und dem ständig wiederholten Satz zu bestehen schienen, der jemanden beschwor, es niederzubrennen. Artie war sich nicht sicher. Es war schwer zu verstehen.
Er sah seinen Mitbewohner an, der einen wahnsinnig tiefen Zug aus einer dreißig Zentimeter langen Pfeife nahm, und fragte sich: Was denken die sich dabei? Wenn die Polizei jetzt käme, wären sie alle erledigt.
»Willie«, rief er. »Was zur Hölle?« Er zeigte auf den Nicht-Oregano.
Willie winkte Arties Kommentar beiseite, als wäre nichts, und gab die Pfeife an das Mädchen neben ihm weiter. »Entspann dich, Alter.«
»Entspannen?« Artie schrie beinahe, dann nahm er sich zusammen. »Entspannen? Willie! Schau dir an, wie viel du hier liegen hast. Wenn die Bullen kommen…«
»Entspann dich. Heut Nacht tauchen keine Bullen auf.«
»Aber…«
»Nein, Alter, bleib locker.« Willie stand auf, ging um den Couchtisch herum und legte eine Hand auf Arties Schulter. »Komm mit«, sagte er und führte Artie in ihre kleine Küche. »Nimm dir ein Bier, Mann. Und einen Brownie.«
Einen Brownie?
Artie lächelte. Er liebte Brownies mehr als alles andere auf der Welt, und die hier hatten sogar einen Zuckerguss. Man stelle sich das vor. Willie, der sich die Zeit nahm, auf irgendetwas Zuckerguss zu verstreichen, anstatt lediglich vorzuschlagen, dass die Leute ihn als Dip verwenden sollen.
»Ich hab den Zuckerguss draufgemacht«, ertönte eine lallende Stimme.
Artie blickte auf und sah eines der Mädchen hinter Willie stehen, den Kopf auf dessen Schulter. Sie war so bekifft, dass sie aussah, als würde sie zerfließen, aber sie hatte das Rätsel um den Zuckerguss gelöst.
»Danke«, sagte er, nahm einen der größeren Brownies und verschlang ihn so schnell, dass er einen Moment brauchte, um zu realisieren, dass sie schmeckten wie... »Das schmeckt nach Luzernen.«
»Nein«, erwiderte Willie. »Wie Gras.«
»Gras?« Schockiert riss er die Augen auf. »Gras?«
»Klar, Alter, was hast du denn gedacht?«
»Ich habe nicht an Marihuana gedacht!«
Meine Güte!
»Wie viel hast du da reingemacht?«, rief er aus.
Willie zuckte die Achseln und grinste ihn an. »Den Großteil eines Päckchens.«
»Ich hab ihm gesagt, dass er nicht so viel reinzumachen braucht«, sagte das Mädchen mit dem Kopf auf Willies Schulter.
Oh Gott, oh Gott, oh Gott! Er hatte nur einmal in seinem Leben Gras geraucht, als er achtzehn und zu seiner Überraschung auf eine Abschlussparty eingeladen gewesen war. Außerhalb der Theater-AG war er nicht sonderlich beliebt gewesen. High zu sein, hatte ihm nicht gefallen. Er mochte dieses schwebende Gefühl von Watte im Kopf nicht, das Gefühl, nicht alles unter Kontrolle zu haben. Seither waren fünf oder sechs Jahre vergangen, und jetzt würde es wieder passieren.
Der einzige Grund, warum er nicht in Panik ausbrach, war die Tatsache, dass er sich immerhin zu Hause befand. Keine Verwirrung, bei einem Fremden zu sein, dessen Haus aus allen Nähten platzte. Keine Sorgen ums Fahren. Wenn ich nur ins Corner Bistro gegangen wäre, hätte ich das vielleicht vermeiden können. Er sah Willie an und schüttelte den Kopf.
»Was ist, Alter?«, fragte Willie.
Alter. Gott, er hasste dieses Wort.
»Ich gehe ins Bett, Willie…«
»Und verschwendest das High?« Er hatte die Augen ungläubig aufgerissen.
»Ja. Und kannst du mir einen verfickten Gefallen tun?« Es forderte seine ganze Willenskraft, nicht zu schreien.
Das Mädchen drehte sich um und schwankte zurück in den lila Schleier des Wohnzimmers.
»Was?«, fragte Willie.
»Kannst du die Musik ein bisschen leiser stellen? Bitte. Und um Himmels willen, leg ein aufgerolltes Handtuch unten an die Tür. Man kann das Gras den halben Weg die Treppe runter riechen.«
»Okay!« Willie hob die Hände. »No problema! Mann, echt.«
In diesem Moment spürte Artie, wie sich sein Kopf von ihm ablöste und versuchte, davon zu schweben.
Whoa. Oh wow. Jetzt schon?
Irgendwie kam er in sein Zimmer und schloss die Tür. Er zog sich halb aus, machte das Licht aus und kletterte ins Bett. Zum Glück schlief er fast augenblicklich ein.
Das machte es umso schockierender und erschütternder, als eine ungewisse Zeit später seine Schlafzimmerbeleuchtung erstrahlte und er zu einer Polizistin aufblickte, wobei er mit den Händen die Augen abschirmte.
»Entschuldigen Sie, Sir. Sie müssen aufstehen und sich anziehen. Sie sind festgenommen.«
Für Artie hatte der Abend im Himmel begonnen. Ein gutes Essen in einem Lieblingsrestaurant mit einem guten Freund, gefolgt von seinem Laster, einem Konzert seiner Lieblingsband. Aber dann wurde der Abend zur Hölle, als er nach Hause gekommen und von dröhnender Musik und einem mit Gras gefüllten Apartment begrüßt, versehentlich high gemacht, verhaftet und ins Gefängnis gebracht worden war.
Gefängnis?
Er. Artie Bailey. Verhaftet!
Er, der üblicherweise nicht mal bei Rot über die Straße ging.
Alles war so verwirrend gewesen, insbesondere, weil er so bekifft war, dass er – aus den Augenwinkeln – immer wieder kleine Viecher über den Boden huschen sah, die unangenehm nach Animal aus der Muppet Show aussahen.
Ja. Verhaftet.
Und da es spät war, musste er die Nacht in einer Zelle verbringen. Es gab keine Möglichkeit, eine Kaution zu veranlassen. Nicht, wenn die Richter alle zu Hause in ihren Betten schliefen. Wo er jetzt auch wäre – wenn er nur ein Viertel ihres Verstandes hätte.
So wurde er in eine große, beängstigend aussehende Zelle gebracht, die mit ungefähr fünf oder sechs anderen Männern besetzt war. Er brauchte Hilfe, dorthin zu gelangen, weil er kaum laufen konnte. Anscheinend hatte es in dieser Nacht eine ungewöhnliche Anzahl an Festnahmen gegeben.
Er hatte sich noch nie in seinem Leben so gefürchtet.
Das Einzige, was ihn davon abhielt, komplett durchzudrehen, war der Brownie. Wow, er war so was von bekifft.
Das Gefängnis war wie im Fernsehen. Gitterstäbe. Kleine Bänke. Hart aussehende Männer, die ihn anstarrten. Er konnte sich lediglich fragen, wann der Ärger beginnen würde. Würde er bald ihre Schlampe sein? Ein großer, mexikanisch aussehender Mann mit Veilchen hatte ihn bereits im Auge, hielt seinen üppigen Schritt umklammert und murmelte etwas vor sich hin, das Artie nicht verstehen konnte. Entweder weil er so bekifft war oder weil die Worte Spanisch waren. Er musste gegen die Tränen ankämpfen. Aber irgendwie, sogar durch den Nebel hindurch, dachte er, dass das genau das sein könnte, worauf sie warteten.
Ein großer, muskulöser schwarzer Mann saß neben ihm auf der winzigen Bank. Artie versteifte sich, zutiefst verängstigt. Was willst du?
»Kümmer dich nicht um den«, sagte der Mann.
»Huh?«, erwiderte Artie mit brüchiger Stimme.
Der Mann nickte in Richtung des Mexikaners. »Der da. Der wird dich nich' ärgern. Nich', wenn ich hier neben dir sitz.«
Artie schaute hinauf ins Gesicht des Mannes. Er war riesig. Ein Berg. Grob aussehend. Aber… aber da war etwas in seinen Augen. Etwas, das Arties pochendes Herz dazu brachte, sich ein wenig zu beruhigen.
»Wer… wer bist du?«, traute Artie sich zu fragen.
»Ich bin das Arschloch, das Wetback das blaue Auge verpasst hat.«
Artie hätte beinahe gelacht. Zum Glück schaffte er es irgendwie, es nicht zu tun. Wer wusste, was passieren würde, wenn er das tat?
»Ich bin Demaine«, sagte sein Banknachbar und hielt ihm die Hand hin.
Artie streckte seine eigene aus und sah zu, wie sie in der Hand des größeren Mannes verschwand.
»Ich werde mich um dich kümmern.«
Aber was werde ich für dich tun müssen?
Demaine legte den Kopf schief, schüttelte ihn und seufzte. »Ich will nix. Ich passe nur auf einen Bruder auf.«
»Bruder?«, quietschte Artie. »Ich?«
Demaine nickte. Er beugte sich vor und sagte leise: »Ich bin auch schwul.«
Arties Mund klappte auf.
Demaine nickte.
»Du?«
Noch ein Nicken. »Ja. Aber mach dir keine Sorgen. Du bist nicht mein Typ. Zu klein. Und ich mag schwarze Männer.«
»Oh«, sagte Artie und hoffte, dass es nicht nach einer Frage klang.
Artie schaute sich um und sah, dass der Mexikaner nicht einmal mehr in seine Richtung blickte. Er atmete erleichtert auf.
»Warum sitzt du, kleiner Mann?«, fragte Demaine.
Artie sah wieder auf und versuchte zu entscheiden, was er darauf antworten sollte. Nach einer langen Pause erzählte er Demaine alles.
»Das ist scheiße«, sagte Demaine.
»Das kannst du laut sagen.«
»Ist dein Mitbewohner hier? Mach ihm klar, dass er ihnen sagen soll, dass du da nicht mit drinhängst.«
Artie schüttelte den Kopf. »Ich hab keine Ahnung, wo er ist.«
»Schade«, sagte Demaine.
Dann, nachdem er mit sich selbst darüber gestritten hatte, was er tun sollte – das Gras half nicht –, fragte er: »Warum sitzt du hier?«
Ohne zu blinzeln, sagte Demaine: »Bewaffneter Raubüberfall. Ich habe zwei Leute erschossen.«
Artie riss die Augen auf. Oh Gott. Ach du meine Güte!
Demaine schüttelte den Kopf. »Ich verarsche dich nur, Mann. Himmel.«
Artie wurde rot. Ich bin ein Arschloch.
»Was denkst du, wird mit mir passieren?«
Der große Kerl zuckte die Schultern. »Schwer zu sagen. Du meintest, du warst noch nie in Schwierigkeiten?«
Artie schüttelte den Kopf.
»Das ist gut. Und du rauchst kein Gras?«
Artie schüttelte erneut den Kopf.
»Aber du hast diesen Brownie gegessen, was scheiße für dich ist. Bei einem Urintest werden die da keinen Unterschied feststellen können.«
Artie ruckte hoch und ihm wurde glatt schwindelig. Er hatte wieder das Bedürfnis, zu weinen.
»Verdammt«, flüsterte er. »Das ist nicht fair.«
»Nicht vieles im Leben ist fair«, sagte Demaine. Aber ich werd dir mal was sagen. Morgen –«
Morgen würde er die Nacht im Gefängnis verbringen!
»– gebe ich dir die Telefonnummer von ein paar Typen, die ich kenne. Kautionstypen. Die schaffen dich hier raus. Wird nicht billig, aber das sind ziemlich coole Typen.«
»Wird nicht billig?«, brachte Artie hervor.
Demaine schüttelte den Kopf. »Nee. Diese Scheiße, von der du gesprochen hast – so viel Gras? Rechne mit zwei bis drei Riesen.«
Artie spürte die Farbe aus seinem Gesicht weichen und wurde von einer weiteren Welle des Schwindels getroffen. Riesen. Tausend. Zwei- oder dreitausend.
»Bekommst du so viel zusammen?«
Artie erinnerte sich an die Dreitausend, die er gespart hatte. Das Geld, das er gespart hatte, um von dem Mitbewohner wegzukommen, der ihn überhaupt erst in diese Schwierigkeiten gebracht hatte. Aber er musste hier raus. Er seufzte. Nickte. »Ich habe ziemlich genau gerade so viel.«
»Gut. Dann ruf diese Leute an. Das ist alles gesetzlich geregelt. Die werden dir sogar dabei helfen, einen Anwalt zu finden.«
Artie schluckte. Nickte erneut. Und dankte Wem-auch-immer dafür, dass Demaine hier war, um ihm zu helfen.
»Danke«, sagte er.
»Kein Problem, Mann.«
Artie sackte in sich zusammen, starrte vor sich hin und begann dann tatsächlich einzunicken. Sein Kopf wanderte zu Demaines Schulter, dann ruckte er hoch.
»Sorry.«
Demaine gluckste. »Keine Bange. Mach du nur und schlaf, wenn du kannst. Meine Schultern sind breit genug.«
Und dann, er hatte keine Ahnung, wann, passierte es. Er tat genau das.