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Kitabı oku: «Das Mormonenmädchen Zweiter Band», sayfa 8

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Elliot betrachtete ihn eine Weile sinnend. Er kannte ihn schon lange als einen verschlagenen Menschen, der sich zwar bei mehr als einer Gelegenheit als treu und zuverlässig ausgewiesen hatte, und namentlich viel dazu beitrug, daß der Einfluß der Mormonen unter den eingeborenen Stämmen immer mehr an Gewicht und Umfang gewann, dem er aber, seiner Habgier wegen, doch nicht glaubte trauen zu dürfen.

Er wußte daher nicht, sollte er sich freuen oder Mißvergnügen darüber empfinden, daß man ihm einen Häuptling mitgab, den er seiner außerordentlichen Verschlagenheit wegen vielleicht mehr fürchtete, als bewunderte. Daß derselbe in hohem Grade das Vertrauen des obersten Propheten besaß, bewies schon allein sein, nach indianischen Begriffen, verhältnißmäßig sehr reicher und glänzender Anzug. Doch wenn auch Andere ihm so unbedingt trauten und von seiner treuen Hingebung überzeugt waren, so war damit doch nicht festgestellt, daß auch er sich auf ihn so vollkommen verlassen dürfe. Indessen gab er sich mit schlauer Berechnung den Anschein, als wenn er sich über die Gesellschaft des Indianers freue, und ihm die Hand reichend fragte er, ihn, ob er ihn auch gern an den Rio Virgin begleite.

»La Bataille ein Mormone,« antwortete der wilde Krieger, indem er seine Hand langsam in die Elliot’s legte, »alle Indianer Mormonen; sie leben in der Wüste, als Kinder der verloren gegangenen Stämme. Viele wissen es, viele wissen es nicht. Die es aber wissen, hören gern die Befehle des weisen Vaters am Salzsee. Der weise Vater am Salzsee hat La Bataille geboten, an den Rio Virgin zu ziehen, und daher thut La Bataille es gern.«

»Lieber hätte ich gehört, daß Du auch meinetwegen gern mitzögest,« versetzte Elliot mit einem Anflug von Mißvergnügen über die Antwort des mit allen Wendungen der civilisirten Sprache so vertrauten Häuptlings, »doch wenn Du genau nach den Befehlen des weisen Vaters am Salzsee handelst, dann werden wir auf unserer Reise gute Gefährten sein.«

Der Indianer nickte kaum merklich, und gleich darauf hatte er wieder seine scheinbar theilnahmlose Stellung angenommen.

Elliot gab sich mit dieser Erörterung zufrieden, und da die Nacht schon ziemlich weit vorgeschritten war, so begann er aus Decken und Büffelhäuten für seine Gäste ein Lager vor dem Kamin herzustellen, worauf er sich nach der andern Seite des Hauses hinüber begab, um die Seinigen von der bevorstehenden schleunigen Abreise in Kenntniß zu setzen.

Der Apostel, Holmsten und La Bataille wechselten nur noch wenige Worte mit einander. Der scharfe Ritt des Tages und die Kälte hatten sie ermüdet; sie wickelten sich daher in die für sie bestimmten Decken, und bald darauf verriethen die tiefen und regelmäßigen Athemzüge, daß sie eingeschlafen waren. —

Draußen aber sank der Schnee fort und fort in dichten Massen nieder, und undurchdringlich schwarze Dunkelheit verhüllte das Fort und seine ganze Umgebung.

Matte Lichtschimmer fielen durch einzelne kleine Fenster, hinter welchen die Nacht hindurch, zur Vermehrung der Behaglichkeit, helle Kaminfeuer in Brand gehalten wurden, während am Ausgang des innern Hofes der helle Schein einer Lampe und eines flackernden Scheiterhaufens durch eine schlecht verhangene Thür in’s Freie drang.

Zwei, auch wohl drei bewaffnete Männer gingen daselbst von Zeit zu Zeit aus und ein. Es waren die Wachen, die abwechselnd in der Begleitung von abgerichteten Hunden die Pallisaden umkreisten, dann wieder in dem stallähnlichen Gemach die Flocken von ihren langhaarigen Röcken schüttelten und die an den kalten Büchsenläufen erstarrenden Hände aufwärmten. Obgleich sie sich von den Eingeborenen gefürchtet, die Vereinigten Staaten-Truppen aber weit auf jener Seite des Wahsatch-Gebirges wußten, so ließen sie doch keinen Augenblick in ihrer Wachsamkeit nach. Die Nacht war ja so schwarz, so recht zu feindlichen Ueberfällen, aber auch zu behaglicher Ruhe unter schirmendem Obdach geschaffen; und die Nacht in den westlichen wilden Regionen ist keines Menschen Freund.

6
Am Rio Virgin

Wenn es auf der Erde Punkte giebt, von denen man, ihrer Lieblichkeit wegen, sagen möchte: »Hier hat Gott die Welt geschaffen,« so giebt es auch wieder andere, von welchen man zu behaupten geneigt ist, daß sie an den Schöpfungstagen so weit entfernt und so versteckt lagen, daß keine einzige der in Fülle ausgestreuten Segnungen sie erreichte, und sie daher öde und starr, als Ueberreste des vorweltlichen Chaos, liegen blieben, um auf einige Zeiten von Menschen und Thieren, ja sogar von dem geringsten organischen Leben ängstlich gemieden zu werden.

Ein solcher Punkt, oder vielmehr eine solch umfangreiche Fläche des vorweltlichen Chaos befindet sich da, wo der auf der Westseite der Rocky-Mountains entspringende Colorado, auf seinem Wege nach dem Golf von Kalifornien, das gewaltige Hochland zwischen Neu-Mexico und Kalifornien durchschneidet und diese beiden Staaten durch furchtbare, unübersteigliche und unzugängliche Schluchten von einander trennt.

Wer sich am Rande der endlosen Grasfluren Missouris befindet, oder die schrecklichen afrikanischen Sandsteppen vor sich sieht und seine Gedanken nach einem fernen Ziel hinübersendet, der weiß, daß keine unübersteiglichen Hindernisse ihn von demselben trennen, wenn er sich verständig mit Allem ausgerüstet hat, was der Bodengestaltung, dem Klima und den ganzen Verhältnissen des von ihm zu durchwandernden Landes entspricht.

Auf dem Hochlande von Neu-Mexico ist es anders.

Mag der Mensch sich umgeben haben mit den größten Bequemlichkeiten des Lebens; mögen kühne Herzen und starke Hände im Ueberfluß ihn begleiten; mag er mit sich führen alle Hülfsmittel und Geräthschaften, welche es ermöglichen, die höchsten Gebirge, die reißendsten Ströme zu überschreiten, gelangt er auf das zerklüftete Hochland von Neu-Mexico, wo meilentiefe2 Schluchten mit senkrechten Wänden sich vor ihm öffnen und ihm gleichsam ein gebieterisches Halt zurufen, dann wird er sich erst seiner Ohnmacht bewußt.

Er, der furchtlos nach den Gipfeln der über die Wolken hinausragenden Berge hinaufblickte und mit jugendlicher Vermessenheit das Leben an die Ersteigung derselben wagte, am Rande der Abgründe, in deren Tiefe Alles vor dem überraschten Auge in einander verschwimmt, wird er schwindelnd zurückbeben, und rathlos irrt sein Auge umher, nach einem Auswege aus diesem furchtbar erhabenen Labyrinth spähend!

Ueberall die scheinbar ununterbrochene Ebene mit den spärlich zerstreuten, verkrüppelten Cederbüschen; überall festes, massives Gestein, durchfurcht von Schluchten, die, erst aus geringer Entfernung bemerkbar, in den Mittelpunkt der Erde hinabzuführen scheinen; über dem dürren, wasserarmen Hochlande aber der lichtblaue, regenlose Himmel, und tief, tief unten, unerreichbar tief, der wilde Strom, der schäumend über niedergebrochene Felsblöcke und grobes Geröll dahindonnert.

Wehe dem Menschen, der sich dorthin verirrt und bei seinem Suchen nach einem Labetrunk plötzlich den Weg hinter sich abgeschnitten findet! Das Auge, welches sich anfangs ergötzte an dem Farbenspiel der übereinandergeschichteten mächtigen Gesteinslagen tausendjähriger Epochen, entzündet sich durch den steten Anblick der im Sonnenschein flimmernden grellen Schattirungen; die Hitze des Tages dörrt seine Zunge und erschöpft seine Kräfte in den glühend heißen Steinkesseln; die eisige Nachtluft erstarrt seine Glieder auf derselben Stelle, auf welcher ihn wenige Stunden vorher die unerträgliche Gluth zu ersticken drohte. Vergeblich forscht er nach Spuren des Wildes, um, denselben folgend, an das Ende seiner Qualen zu gelangen; denn scheu flieht das Wild jene Regionen, und wenn es wirklich dort hinabgelangte, der feste rothe Sandstein, auf welchem der Wetterstrahl kaum eine Spur zurückzulassen vermag, würde auch nicht den leisesten Abdruck des schärfsten Hufes annehmen.

In den Lüften kreist der Adler und majestätisch senkt er sich in die grausigen Tiefen hinab; im Schaum des Colorado spielt furchtlos die Gebirgsforelle ,der Mensch aber schaut verzweifelnd um sich, von allen Seiten starrt ihm der Untergang in der gräßlichsten Gestalt entgegen.

Das eigentliche massive Hochland, welches sich bis zu neuntausend Fuß hoch über den Meeresspiegel erhebt, während der Colorado sein Bett schon bis auf fünfzehnhundert Fuß hinabgebrochen und gewühlt hat, beginnt von Süden aus erst oberhalb der Mündung des Rio Virgin. Bis dahin wechseln vergetationslose Kiesebenen mit nackten Gebirgszügen ab, und verhältnißmäßig klein sind die culturfähigen Thalstreifen, welche den Lauf größerer Gewässer bezeichnen.

Es erfordert daher eine gewisse Entsagung gepaart mit unerschütterlicher Kühnheit, sich inmitten dieser furchtbaren Wüsten niederzulassen und irgend einen kleinen, fruchtbaren Thalwinkel zur Heimath zu wählen, um dort die Zeit, ähnlich einem lebendig Begrabenen, hinzubringen.

Wovor die Meisten, welche die Civilisation mit ihren Genüssen kennen lernten, zurückschrecken, damit macht der Mormone sich vertraut; seine Energie scheint mit den Hindernissen zu wachsen, welche sich ihm entgegenstellen, und beseelt von religiösen Fanatismus sucht er förmlich eine Ehre darin, den Kampf mit den Verhältnissen, den Elementen und der Bodengestaltung einzugehen und siegreich zu bestehen.

So ist denn auch hart am Rande des eben beschriebenen Hochlandes und in der Mitte einer nicht minder ungastlichen Wildniß, nämlich am Rio Virgin, vom großen Salzsee aus eine kleine Niederlassung gegründet worden.

Dieselbe wird indessen, des Mangels an hinreichendem fruchtbaren Boden wegen, weniger als ein dauernder Aufenthalt von Menschen betrachtet. Sie soll vielmehr eine Art von Station bilden, um den von der Küste der Südsee aus heraufkommenden Emigrantenzügen einen geeigneten Punkt zur längeren Rast zu bieten und ihnen die Weiterreise nach der heiligen Stadt zu erleichtern.

Zur Zeit, als der Mormonenkrieg auszubrechen drohte, hatte jener Punkt aus strategischen Rücksichten eine größere Wichtigkeit erlangt. Es ist damit nicht gesagt, daß derselbe in eine Befestigung mit einer stehenden Besatzung umgewandelt worden wäre. Im Gegentheil, die wenigen dort lebenden Familien hatten sich nach Fort Utah und dem Salzsee hinaufziehen müssen, weshalb die unbewohnten Hütten dem Verfall geweiht zu sein schienen. Dieselben wurden indessen als ein Versammlungsort umherstreifender Expeditionen betrachtet, und als eine Station, von welcher aus, vermöge der günstigen Lage, am besten kleinere Patrouillen gegen Süden, namentlich am Colorado hinunter entsendet werden konnten. —

Drei Wochen waren seit dem Besuch des Apostels auf Fort Utah verstrichen, da bot jene Ansiedelung am Rio Virgin das Bild eines überaus regen Verkehrs. In der Niederung, welche ein spärlicher Mantel frischen Frühlingsgrases deckte, weidete eine starke Heerde von Maulthieren und Pferden; um die Hütten herum standen Reihen großer, mit Leinwand gedeckter Wagen und mehrere leicht gebaute Reisekaleschen. Rauchsäulen entstiegen den Schornsteinen der Baulichkeiten und den Lagerfeuern, die in weiterem Umkreise um die Wagen angelegt worden waren, und zwischen Hütten und Wagen, bei den Heerden und vor den Feuern bewegten sich Männer, Frauen und Kinder, denen man es wohl ansah, daß sie schon eine lange und beschwerliche Reise zurückgelegt hatten, und sich daher doppelt der ihnen gebotenen Tage der Rast erfreuten.

Es war ein schöner Frühlingsmorgen; lieblich strahlte die Sonne von dem blauen Himmel nieder, und die dem schmalen Thalstreifen entkeimenden Gräser und Kräuter trugen einen so heitern Schiller, der Rio Virgin, der zur Zeit kaum den Boden seines Bettes bedeckte, sprudelte so lustig über buntfarbiges Gestein dahin und polterte so ausgelassen gegen die in seinem Wege liegenden Porphyrblöcke, daß man sich ganz wo anders hätte wähnen mögen, als im Herzen der gefürchteten Coloradowüste, wenn die starren Trachytmassen, die sich ringsum zu den phantastischsten Gebilden von gewaltigem Umfange aufthürmten, nicht beständig daran gemahnt hätten.

Ja, die Berge, deren schroffe und ausgezackten Abhänge jeder Spur von Vegetation entbehrten, verwischten schnell wieder den freundlichen Eindruck, welchen das zwischen ihnen liegende Bild menschlicher Regsamkeit hervorrief. Dieses aber verlor viel von seinem friedlichen Charakter, wenn man die mit langen Büchsen bewaffneten Schildwachen auf den nächsten Höhen beachtete, oder wenn man seine Aufmerksamkeit zwei abseits stehenden, schwarz angestrichenen Wagen zuwendete, auf deren Verdeck das Wort »Munition« mit großen Buchstaben geschrieben stand. Zwei leichte Berghaubitzen, die neben den Munitionswagen aufgefahren waren und an deren eine Lafette sich eine Schildwache lehnte, dienten ebenfalls nicht dazu, die dort lagernde Karavane als eine solche erscheinen zu lassen, die sich nur auf einen etwaigen Zusammenstoß mit den wilden Eingeborenen vorbereitet hatte.

Eine gewisse Sorglosigkeit war indessen überall vorherrschend; selbst die Schildwachen schienen nicht für die Sicherheit des Lagers zu fürchten, oder sie würden, anstatt ihre Blicke nachlässig nur in die Ferne zu senden, auch der näheren Umgebung ihre Wachsamkeit zugewendet und dort vielleicht Manches entdeckt haben, wodurch ihr Mißtrauen wachgerufen worden wäre. Da das Thal ringsum von Felsen abgeschlossen war, der Ausgang wie der Eingang in dasselbe vom Lager aus übersehen werden konnte, so hatte man der Heerde gestattet, sich nach Willkür zu zerstreuen und, je nach Bedürfniß und Neigung, bald nach verdorrten, aber süßen Grasbüscheln zwischen dem Gestein, bald nach frischen Kräutern in der Niederung zu suchen, oder auch, um zu trinken, an den Fluß hinabzusteigen.

Wie der Fluß sich aus der Südseite des Thales zwischen hoch aufstrebenden Felswänden verlor, so entströmte er auf der Nordseite einem ähnlichen Engpaß, und gerade in der Nähe von diesem letztern war es, wo die Thiere sich vorzugsweise zum Wasser hinabbegaben, weil derselbe dort bei einer kurzen Biegung durch das Anschwemmen von Sand eine natürliche, leicht zugängliche Tränke gebildet hatte.

Die meisten der Leute hatten sich eben zum Frühmahl niedergelassen, und nur noch vereinzelte Gestalten bewegten sich zwischen den Feuern und Feldtischen hin und her, als abermals ein schönes, kräftiges Pferd sich der Tranke näherte und, die tiefste Stelle des Wassers aufsuchend, sich nach Herzenslust aus den klaren Fluthen labte.

Während es noch trank, fielen seine Blicke auf einen Streifen grüner Binsenhalme, die in dem Paß, hart am Rande des Wassers, dem feuchten Erdreich entsprossen zu sein schienen, in der That aber nur mit hinterlistiger Absicht dorthin gesteckt und gelegt worden waren.

Das Pferd wieherte leise vor Freude, als es seine Lieblingsspeise erkannte, denn nur sehr kärglich war ihm dergleichen in den letzten Monaten zu Theil geworden, und ohne zu zögern schritt es in den Paß hinein, vorsichtig den mit Wasser bedeckten Boden unter sich prüfend.

Sehr bald befand es sich außerhalb des Gesichtskreises der Schildwachen und Hüter, und nur noch wenig Schritte trennten es von dem erwünschten Futter.

Plötzlich schien sein Argwohn zu erwachen, denn es blieb stehen, und indem es den Kopf weit vorreckte und die jungen Binsen beschnupperte, stieß es schnaubend den Athem durch die gespreizten Nüstern.

Es bestand gewissermaßen einen Kampf mit seiner Lüsternheit, denn indem es die deutlichsten Zeichen von Furcht äußerte, reckte es seinen Hals immer weiter aus, bis es die ersten Binsen fast mit der Nase berührte. Abermals schnaubte es laut, und gleichzeitig richtete es sich, wie um zu lauschen, empor.

Da schoben sich einige Fuß hoch über ihm auf einer Felsspalte zwei schwarz behaarte zottige Köpfe geräuschlos hervor, denen eben so leise vier braune, mit kurzen starken Bogen bewaffnete Hände nachfolgten. Die Bogen krümmten sich, ein singender, scharfer Ton wurde vernehmbar, und zwei lange Rohrpfeile hafteten gleich darauf in den Weichen und zwischen den Vorderrippen des armen Thieres.

Schmerzlich zuckte es zusammen, als die mit scharfen Steinspitzen versehenen Geschosse in seinen Körper eindrangen, allein die Todesangst, von der es augenblicklich befallen wurde, war so groß, und das Entsetzen lähmte seine Kräfte in so hohem Grade, daß es sich, trotzdem die Wunden von keiner schnell tödtenden Wirkung begleitet waren, nicht von der Stelle zu rühren vermochte, und ruhig duldete, daß die beiden Wilden ihm von ihrem Versteck aus, Jeder schnell hinter einander, noch drei Pfeile zusendeten.

Bei den letzten Schüssen erst wankte es, und einen flehenden Blick nach der Stelle hinaussendend, von wo aus es den Tod empfangen hatte, sank es zuerst auf die Kniee und dann auf die Seite nieder, in welcher die Geschosse hafteten, im Falle die schwanken Schäfte zerknickend.

Kaum sahen die Wilden, daß ihre List von dem erhofften Erfolge gekrönt war, so kletterten sie wie Affen von der Felswand nieder, und während der eine sich auf den Hals des Pferdes warf und mittelst eines kurzen, schartigen Messers dessen Luftröhre durchschnitt, eilte der andere mit unglaublicher Gewandtheit bis an die Oeffnung des Passes vor, von wo aus er unbemerkt einen spähenden Blick über das Mormonenlager sandte.

Eine teuflische Freude leuchtete in dem thierischen Gesicht des kleinen, hagern, ungestalteten Indianers auf, als er bemerkte, daß keine ungewöhnliche Bewegung sich unter den von ihm beobachteten Leuten kundgab, also sie und ihr hinterlistiges Verfahren unentdeckt geblieben waren. Der Ausdruck der Freude verwandelte sich aber in den der unersättlichen Gier einer hungrigen Bestie, sobald er sich umwendete und das Wasser, in welchem er watete, von Blut geröthet sah. Den Bogen hatte er zu dem zerrissenen Köcher auf den Rücken gehangen, ein breites langes Messer, welches er selbst aus einem Stück von dem Reifen eines Wagenrades angefertigt, blitzte in seiner Hand, doch ehe er sich gleich seinem Gefährten über das verendende Pferd hinwarf, ließ er einen kurzen zischenden Ton in den Paß hinein erschallen.

Auf dieses Signal begann es hinter der nächsten Biegung der Felsenstraße in dem Wasser zu plätschern, und wie ein Rudel scheußlicher Gnomen kamen noch gegen zwanzig häßliche kleine Gestalten jeden Alters und Geschlechts herbeigestürzt. Alle waren unbekleidet, nur ein Bündel dürren Grases vertrat die Stelle des indianischen Schurzes, während die langen struppigen Haare, wie Stacheln, von den Schädeln steif abstanden, und die mit einer dicken Lage von Fett und Schmutz überzogenen Gesichtszüge und Glieder kaum noch eine Aehnlichkeit mit menschlichen Geschöpfen trugen.

Eilfertig, wie losgelassene Wölfe, aber auch so geräuschlos sprangen sie herbei; in den Händen trugen sie Messer, geschärfte Metallstücke und Steine, und kaum hatten sie die Stelle erreicht, wo die beiden ersten Wilden schon mit dem Zerlegen des Fleisches beschäftigt waren, so verschwand auch der Körper des im seichten Wasser liegenden Pferdes in einem dichten Gewühl von braunen Gliedern, über welche dann gar seltsam hin und wieder die schwarzen zottigen Köpfe emportauchten.

Mehrere Minuten vergingen, ohne daß ein anderes Geräusch zu vernehmen gewesen wäre, als das Zerren und Reißen an dem Fleisch und den Knochen, und das leise unwillige Schnattern, mit welchem die elenden Geschöpfe sich gegenseitig ihre Beute streitig machten. Dann aber löste sich das widerwärtige Knäuel auseinander, und einzeln entflohen die mit Blut besudelten Gestalten, jede beladen mit einem Gliede oder einem Stück Fleisch des geschlachteten Pferdes, wie es gerade der Zufall in die Hände geführt oder den Kräften entsprechend gewesen war.

Die beiden Männer, welche das Pferd getödtet hatten, waren die letzten, welche sich mit ihrer Beute beluden; doch nicht eher folgten sie ihren Stammesgenossen nach, als bis sie noch einmal in die Mündung des Passes geschlichen waren und von dort aus zu den beim Frühmahl beschäftigten Mormonen hinübergespäht hatten. Als dann endlich auch diese zwischen dem aufstrebenden Gestein verschwanden, da befand sich auf der eben noch so unheimlich belebten Stelle nichts, als der Kopf des Pferdes und eine große Blutlache, die von dem eilig fließenden Wasser dem Lager zugetrieben wurde. —

Die Mormonen saßen noch immer bei ihrem Frühmahl. Sie gaben zwar keine äußeren Merkmale einer fröhlichen, hoffnungsvollen Stimmung von sich, doch dachten sie an nichts weniger, als daß sie zu der nämlichen Zeit an ihrem Eigenthum geschädigt werden könnten. Allmälig erhob man sich von den Feldtischen und vom grünen Rasen, auf welchem für die meisten gedeckt gewesen, und geschäftig begaben sich Frauen und Kinder an den Fluß, um die gebrauchten Geräthschaften zu reinigen. Kaum aber hatten die ersten den nur wenig Wasser führenden Bach erreicht, so schauten sie verwundert und mit einer Anwandlung von Schrecken auf die getrübten und von Blut gerötheten Fluthen.

Auf ihren Ruf eilten von allen Seiten Männer herbei, und nachdem diese sich überzeugt, daß die Farbe des Wassers wirklich von frisch vergossenem Blute herrühre, trennten sich ein Dutzend bewaffnete Jäger von der übrigen Gesellschaft und folgten langsamen Schrittes dem Flüßchen stromaufwärts, um die Ursache dieser verdächtigen Erscheinung zu erforschen.

Sie näherten sich schnell dem Engpaß, in welchem das Pferd von den Wilden getödtet worden war, und wenn auch das Wasser sich dort wieder geklärt hatte, so entdeckten sie doch bei genauerer Untersuchung noch immer einen schmalen rothen Streifen, der eben erst im Begriff war, sich mit den sprudelnden Fluthen zu vermischen.

Mit größerer Vorsicht, als bisher, drangen sie in den Paß ein, und ein unbestimmter Schrecken bemächtigte sich Aller, als sie plötzlich den blutigen Kopf eines ihrer besten Pferde gewahrten und den sichersten Beweis von der Nähe feindlicher Indianer erhielten.

Ihr erster Gedanke war, daß ihr Lager umzingelt sei und daß im nächsten Augenblick die unsichtbaren Feinde aus den Schluchten und Felsspalten hervorstürzen und mit einem Blutbade unter den wehrlosen Weibern und Kindern beginnen würden.

Vollen Laufs eilten sie daher nach dem Lager zurück, und indem sie die Schildwachen auf den Höhen ermahnten, auf ihrer Hut zu sein, riefen sie sogleich die ganze streitbare Mannschaft zusammen, um so schnell wie möglich die nöthigen Maßregeln zur Vertheidigung zu treffen.

Ein wirres, lebhaftes Treiben entstand jetzt unter den Mormonen. An einer gewissen Ordnung aber, und an der Stille, mit welcher die ertheilten Befehle sogar von Weibern und Kindern ausgeführt wurden, erkannte man sehr wohl, daß Umsicht und Strenge in dem Lager walteten und man keineswegs auf dergleichen störende Zwischenfälle unvorbereitet war.

Hier flüchteten Frauen und Kinder nach den Blockhütten, dort vertheilten sich die mit Büchsen bewaffneten Männer bei den Wagen, während eine größere Abtheilung sich nach dem Rande des Thales hinüber begab, um die Pferde und Maulthiere herbeizutreiben, und zwei andere, jede aus nur vier Mann bestehend, sich anschickten, in die Schluchten einzudringen, um sich eine genauere Kenntniß von ihrer vermeintlich gefahrvollen Lage zu verschaffen.

Die Patrouillen waren aber noch nicht aus dem Gesichtskreise der Zurückbleibenden getreten, da lenkte plötzlich ein jauchzender Ruf und einige in ähnlicher Weise ausgestoßene, aber unverständliche Worte die Aufmerksamkeit Aller nach dem südlichen Thalende hinüber.

Auf dem äußersten Rande der schroffen Felswand, hinter welcher der Rio Virgin in den bis an den Colorado fortlaufenden Engpaß eintrat, standen zwei unbewaffnete und unbekleidete Indianer von riesenhaftem Körperbau, welche offenbar sich nicht nur bemerklich machen wollten, sondern auch eine Zusammenkunft mit den Mormonen herbeizuführen wünschten.

Wie sie dort hinaufgekommen waren und ob sie daselbst schon lange zugebracht hatten, wußte Niemand, doch wurden sie von den Mormonen selbstverständlich als mit zu der Bande gehörig betrachtet, von welcher in dem gegenüberliegenden Paß die blutigen Zeichen zurückgelassen worden waren.

Es ging wenigstens daraus hervor, daß die Mündungen mehrerer Büchsen sich hoben, und durch Geberden und Ruf die Aufforderung an sie gerichtet wurde, in das Thal hinabzusteigen und dort Rede zu stehen.

Die drohende Art, in welcher man von allen Seiten herbeieilte, und die ungestümen, feindliche Absichten verrathenden Zeichen schienen den Fremdlingen indessen keine Besorgniß einzuflößen. Sie verharrten in ihrer ruhigen, bis zu einem gewissen Grade würdevollen Haltung und berathschlagten so ungestört mit einander, als wenn sie die Unverwundbarkeit eines Achilles besessen hätten.

Als die Mormonen aber, um die vermeintlichen Räuber nicht entfliehen zu lassen, sich in einen Halbkreis vor der Felswand aufstellten und ihre Aufforderung an die Indianer immer drohender und dringender wiederholten, schlug der größere der beiden Krieger, der sich vor seinem Kameraden durch einen um sein Haupt geschlungenen buntfarbigen Shawl auszeichnete, die Arme über seine hohe Brust zusammen, und indem er noch dichter an den Rand des Felsens herantrat, rief er mehrere Male mit wohlklingender, auffallend sanfter Stimme das Wort »Achotka«3 hinunter, wobei er in der zutraulichsten Weise lächelte und nickte.

Die Aufregung der Mormonen wurde dadurch nicht beschwichtigt; im Gegentheil, sie schrieben die sichere Haltung der Fremdlinge dem Bewußtsein zu, sich dort nicht ohne hinreichenden Schutz zu befinden, und von Neuem brachen die Patrouillen auf, um die Schluchten nach verborgenen Feinden zu durchspähen.

Ein großer Theil blieb dagegen vor der Felswand zurück, entschlossen, die Indianer lieber herunter zu schießen, als sie entkommen zu lassen.

Dieser Vorsorge bedurfte es jedoch nicht; denn der mit dem Shawl geschmückte Krieger wendete plötzlich den Kopf rückwärts und rief laut und deutlich den Namen »Navarupe« aus, worauf er, seinem breitschulterigen Gefährten voran, gewandt den Abhang hinunter zu klettern begann.

Sie hatten die Hälfte ihres gefährlichen Weges zurückgelegt, da stießen die sie bewachenden Mormonen einen Ruf besorgnißvoller Verwunderung aus, denn sie bemerkten, daß auf der Stelle, wo die beiden Krieger eben noch gestanden, jetzt ein junger, schlanker Bursche kauerte, der auf geheimnißvolle Weise hinter den nächsten Felsblöcken hervorgeglitten war. Derselbe zeigte ebenfalls, trotzdem er sein Gesicht, bis auf einen von der Stirn über die Nase und das Kinn laufenden feuerfarbigen Strich, schwarz bemalt hatte, ein durchaus friedfertiges Aeußere. Dagegen weigerte er sich standhaft, in das Thal hinabzusteigen, und alle an ihn ergehenden Rufe und Aufforderungen beantwortete er nur durch ein stoisches verneinendes Schütteln seines Kopfes.

Die Mormonen drangen endlich nicht weiter in ihn, denn sie begriffen, daß er als Schildwache dort aufgestellt sei, um über das Geschick seiner Gefährten zu wachen und, im Falle dasselbe eine böse Wendung nehmen sollte, seine übrigen Stammesgenossen, die vielleicht zu vielen Hunderten ringsum zwischen den Felsen verborgen waren, sogleich davon in Kenntniß zu setzen.

Die beiden Krieger waren unterdessen im Thal bei den Mormonen eingetroffen und von diesen sogleich umringt worden. Wenn aber ein Theil der über den Verlust des Pferdes erbitterten Männer die Absicht hegte, sie die hinterlistige That der Räuber entgelten zu lassen und sie demgemäß zu behandeln, so änderten sie ihren Vorsatz, als dieselben ihnen vertrauensvoll entgegentraten und ihnen mit offener, freundlicher Geberde und vielfach wiederholtem »Achotka,« die Hände reichten.

Daß diese nicht bei der Räuberei betheiligt gewesen, war kaum zu bezweifeln, doch hielt man es für rathsam, sie strenge zu bewachen, um sie für die von ihrem muthmaßlichen Genossen verübte That verantwortlich zu machen und durch ihren Einfluß sich gegen eine Wiederholung derartiger feindlicher Eingriffe zu schützen.

Die äußere Erscheinung dieser Urwilden mochte mit dazu beitragen, daß man sich rücksichtsvoller gegen sie benahm und sie mehr mit bewundernder Theilnahme, als mit besorgnißvoller Abneigung betrachtete. Denn außer dem, daß sie noch fast eine Kopfeslänge über die größten Mitglieder der Mormonen-Gesellschaft emporragten, waren ihre Körper, ohne auffallend muskulös zu sein, von so kräftigem, untadelhaftem Bau und so classisch schönem Ebenmaß, daß man sie mit den Göttergestalten des antiken Olymp hätte vergleichen können, wie sie einst als Ideale der Phantasie der alten griechischen und römischen Künstler vorgeschwebt haben mögen.4

Ein langer, flatternder Schurz von weißem Baumwollenzeug bildete ihre einzige Bekleidung, während Sandalen von dickem, ungegerbtem Leder ihre Füße gegen das scharfe Gestein schützten.

Schmuck hatten sie nur mehrere Schnüre weißer Perlen um ihren Hals geschlungen, wozu derjenige, welcher den Turban auf seinem Kopfe trug, noch einen blauen Stein und eine weiße Perle mittelst eines dünnen Riemens an seinem durchstochenen Nasenknorpel befestigt hatte. Ihr Hauptschmuck bestand indessen in den pechschwarzen Haaren, welche in unglaublicher Länge und Stärke über ihre Nacken niederfielen. Dieselben waren mit Hülfe von klebriger Erde in sechszehn bis zwanzig dicke Strähnen zusammengedreht worden und reichten bis tief auf’s Kreuz hinab, wo sie alle in gleicher Länge endigten.

Ihre Physiognomien trugen den echten indianischen Typus, zeigten aber nichts von dem wilden verschlagenen Ausdruck, welcher den größten Theil der nordamerikanischen Indianerstämme charakterisirt. Es ruhte sogar eine gewisse Offenheit und Redlichkeit auf denselben, was von vorn herein zu der Vermuthung verleitete, daß sie, anstatt von dem Fleische des Wildes zu leben, ihre Nahrungsstoffe einzig und allein einem üppig spendenden Boden verdankten, was im Laufe von Generationen nicht ohne Einfluß auf die Körperbeschaffenheit und Neigungen des Menschen bleiben kann.

Furchtlos und ohne ein Zeichen von Befremdung schritten sie im Kreise ihrer Glorie dahin, als diese sie den Hütten zuführte. Der freundliche Ausdruck wich nicht von ihren dunkelbraunen Zügen, er verstärkte sich aber zu einem fröhlichen, harmlosen Lachen, wenn sie gewahrten, daß die Frauen und Kinder scheu vor ihnen zurückprallten und sie nur aus der Ferne mit unverhohlener Scheu betrachteten.

2.Die englische Meile gleich 6000 Fuß. Der Höhenunterschied zwischen dem Hochplateau und dem Spiegel des Colorado beträgt stellenweise über 7000 Fuß.
3.»Achotka,« »gut,« eine Art Begrüßung der Colorado-Indianer.
4.Diese Schilderung der Mohave-Indianer darf nicht als übertrieben betrachtet werden.

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30 kasım 2019
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