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Kitabı oku: «Der Vaquero», sayfa 3

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Drittes Kapitel

Gegen sechshundert Schritte weit von der Stelle, wo Bell den Pfad betrat, öffnete sich eine Lichtung von mäßigem Umfange, die, ringsum vom Walde begrenzt, nördlich bis an den Fluß reichte. Doch auch dort war sie durch die auf dem jenseitigen Ufer hoch emporstrebenden Baummassen gegen winterliche Schneestürme erträglich geschützt. Auf der Westseite, in einer von hundertjährigen Waldriesen und Buschwerk eingeengten kleinen Wieseneinbuchtung erhob sich eine aus Pfahlwerk, Geäst und Erde hergestellte Hütte, die mit einem Hause gerade so viel Aehnlichkeit besaß, wie der Maulwurfshaufen mit einem aufgeführten dreistöckigen Biberbau. Mit der kaum sechs Fuß hohen gewölbten Bedachung und der in deren Mitte befindlichen Oeffnung, dazu bestimmt, den im Inneren erzeugten Rauch abzuleiten, hätte man sie mit einem unförmlichen Backofen vergleichen können. Auf dem Vorplatz war ein auf Pfählen ruhendes einfaches Zweigdach errichtet worden. Eine Feuerstelle unterhalb desselben, dazu ein schwerer runder Granitblock, Hammer, Zange und mehrere Feilen, wie ein Handblasebalg bekundeten, daß daselbst das Schmiedehandwerk im denkbar bescheidensten Maßstabe betrieben wurde.

Das war das Heim Arrowmakers oder Pfeilverfertigers, eines alten Kawindianers. Durch einen Schaden in der Hüfte gehindert, größere Jagdausflüge zu unternehmen, hatte er sich darauf verlegt, Pfeilschäfte zu schnitzen und aus Bandeisen die entsprechenden Spitzen herzustellen, gelegentlich ein Beil oder Messer neu vorzuschärfen und Pfeifenrohre auszubohren, lauter Dinge, die ihm weit und breit unter den Eingeborenen eine gute Kundschaft eingetragen hatten. Die Nachbarschaft Howitts hatte ihn bewogen, sich gerade dort niederzulassen. Eine längere Reihe von Jahren war seitdem verstrichen, und so kam es allmählich, daß er auf der Farm gewissermaßen als Familienmitglied galt und vor allem die heranwachsenden Kinder sich eng mit ihm befreundeten. Bei ihm wohnte ein achtzehnjähriger Mandane, den er einst, nachdem dessen Eltern den Blattern zum Opfer gefallen waren, zu sich nahm, und der nunmehr, neben Ausübung der Jagd, als gelehriger Gehilfe eifrig mit in das Handwerk eingriff.

Die Sonne neigte sich dem Untergange zu, und wenn Arrowmaker, zur indianischen Trägheit hinneigend, während des Tages überhaupt beschäftigt gewesen, so hatte er jetzt Feierabend gemacht. Vor dem Höhleneingang auf einem Holzblock saß er, das Bild eines selbstzufriedenen Eingeborenen, mit unverkennbarem Behagen den süßlich duftenden Rauch seiner Tabakspfeife in die Lugen einziehend und durch die Nüstern wieder von sich blasend. Ein farbiges Kalikohemd nebst Ledergamaschen und Mokassins bildete seine Bekleidung. Lang und schlicht fiel das schwarze Haar zu beiden Seiten seines runzeligen Gesichtes nieder. Neben ihm auf der Erde kauerte, vor kurzem erst heimgekehrt, Rabbit, sein junger Gefährte, ein schlanker brauner Bursche mit kahlgeschorenem Kopf, auf dessen Wirbel nur die sorgfältig geflochtene Skalplocke stehen geblieben war. Bis auf den Schurz vollständig unbekleidet, beschäftigte er sich damit, das gesäuberte Schloß seiner Büchse wieder an den Schaft zu schrauben, als er plötzlich hoch aufhorchte.

»Jemand kommt,« bemerkte er in der Kawsprache zu dem Alten.

»Einer von der Farm,« heiß es nachlässig zurück; »wer kann es sein? Ich vermute, Howitt selber.«

»Der nicht,« versetzte der scharfsinnige junge Mandane zuversichtlich, »ein Reis brach. Schritte hör' ich nicht. Howitt und die jungen Männer haben schwere Füße. Das Mädchen tritt leise auf, wie der Luchs in seinen Pelzschuhen.«

»So erfahren wir, was die Fremden brachten. Gutes nicht, wenn sie ohne einen Trunk umkehren mußten. Du sagtest so.«

»Ich sagte es und ich sah es. Und mehr sah ich: den King Bob. Er bedrohte die Räuber, die Howitts Rind niederschossen. Er warnte mich durch Zeichen. Ich sollte seine Nähe nicht auf der Farm verkünden. Ich ging gar nicht hin. Niemand konnte mich fragen.«

»Ist King Bob da, mag er sich hüten, Howitts Pfad zu kreuzen. Die beiden sind wie Stahl und Stein. Stoßen sie aufeinander, fliegen Funken.«

»Aber das Mädchen steht zu ihm. Ich weiß es,« meinte Rabbit bedächtig.

»Gerade deshalb. Howitt trägt großen Haß gegen ihn. Er mag ihn nicht sehen. Er giebt ihm schlechte Namen. Er behauptet, King Bob gehöre nach Neumexiko. Das sei ein Land der Räuber.«

»Neumexiko ist sehr weit,« wendete Rabbit nachdenklich ein.

»Das kümmert den King Bob nicht,« versetzte Arrowmaker grämlich, »der reitet einen Tag und eine Nacht, ohne abzusitzen. Er reitet Wochen und Monate und wird nicht müde. Er ist ein gewaltiger Mann. Er ist stark genug, seinen Mustang auf dem Rücken zu tragen, wenn ihm der Atem ausgeht. Viele sagen, ein böser Geist säße in ihm drinnen.«

Gegenüber öffnet sich das den Uferpfad einengende Gebäusch. Belle, die, mißtrauisch rückwärts lauschend, daselbst gesäumt hatte, trat auf die Lichtung heraus und schritt auf die Hütte zu.

»Guten Abend, Arrowmaker, guten Abend, Rabbit,« begrüßte sie die beiden braunen Freunde vertraulich, und letzterem ein Körbchen mit Maiskuchen und geröstetem Salzfleisch einhändigend, fügte sie hinzu: »Heut komme ich mit einem Anliegen.«

»Ich weiß es,« versetzte Arrowmaker in verständlichem Englisch gleichmütig, »King Bob ist da.«

Bell runzelte die Brauen. »Redetest du mit ihm?« fragte sie argwöhnisch. »Ich kann's nicht glauben. Ich schrieb ihm auf, nicht bei Tage zu kommen.«

»Er kam nicht. Rabbit sah ihn. Er redete nicht mit ihm. Es war nicht angänglich. Das weitere sagt mir der Kopf.«

»Gut, Arrowmaker. Ritt er den weiten Weg, so kann ihm nur daran gelegen sein, mich zu sprechen; da will ich ihn nicht warten lassen. Geh ihm entgegen, Rabbit, und sage ihm, ich schaute nach ihm aus; er möchte sich beeilen. Wo du ihn triffst, bleibst du zurück. Sollte der Vater oder ein anderer mir folgen, dann säume nicht, mich zu warnen. Ein Unrecht liegt ja nicht drinnen, wenn ich einen alten Freund wiedersehe.«

Rabbit sprang auf, eilte über die Lichtung und verschwand im Dickicht. Bell hatte sich zu dem Alten gesetzt.

»Es ist ein Unglück, daß der Vater gegen uns ist,« redete sie düster auf ihn ein, »verliere ich vor Gram und Sorge die letzte Lebenslust, ist's seine Schuld. Die Jahre vergehen. Wärest du nicht da mit deinem guten Willen, möchte ich mich längst ins Grab gelegt haben.«

»Erst zwanzig Winter liegen hinter dir,« versetzte Arrowmaker auf seine Art tröstlich, »du bist noch jung; du kannst warten. Einmal muß dein Vater sich bekehren. Ein Bach bleibt oft sehr lange trocken; dann füllt ein guter Regen ihn in einem Tage.«

»Ich glaube nicht daran,« hieß es erbittert zurück, »ein Bach ist kein Mensch; und so viel vertraue ich dir an: soll ich wählen zwischen dem Hause des Vaters, wo es keine Freude mehr für mich giebt, und dem Leben auf dem Rücken eines Pferdes an King Bobs Seite, gleichviel, wie rauh und gefährlich der vor mir liegende Weg, so zaudere ich nicht mit der Entscheidung.«

»Du bist ein starkes Mädchen,« erklärte der Kaw; »dein Herz ist das eines Mannes. Kann es aber dem Sturm gebieten? Nein, Kann es den bösen Willen töten, wenn alle gegen dich sind?«

»Das nicht. Aber es sehnt sich nach hellem, warmem Sonnenschein. Jetzt lebe ich wie in einem dumpfigen Keller. Ja, ungetrübten Sonnenschein will ich genießen, wenn auch nur auf einen Tag, und müßte ich es mit dem Leben bezahlen. Daran denke, so oft jemand versucht, dich gegen King Bob und mich aufzubringen.«

Der Kaw antwortete nicht. Auch Bell schwieg. Angestrengt lauschte sie in den gegenüberliegenden Wald hinein. Die Sonne war zur Rüste gegangen. Es verdichteten sich die über die Lichtung hinschleichenden Schatten. Nur kleine und große Fledermäuse belebten die stille Atmosphäre. In der Ferne rüstete sich der Uhu mit dumpfem Ruf zur nächtlichen Jagd. Endlich unterschied Bell das Geräusch eilfertig einherschreitender Hufe. Rauschen und Knicken hindernder und zurückschnellender Zweige drang herüber. Dann noch eine halbe Minute, und auf die Lichtung ritt King Bob. In der unbestimmten Beleuchtung schien seine Gestalt noch mächtiger geworden zu sein. Man hätte ihn mit einem Recken vergleichen mögen, der von der sagenhaften wilden Jagd abgewichen, zur Erde gekommen, um die Sterblichen zu bedräuen. Bell hatte sich erhoben und ging ihm entgegen. King Bob entdeckte sie sofort. Einen eigentümlich gedämpften Jubelruf ausstoßend, spornte er sein Pferd, daß es sich aufbäumte und wild nach vorn stürmte. In drei, vier Sätzen trug es ihn neben Bell hin. Mit der Gewandtheit eines Jaguars schwang er sich aus dem Sattel. Die Büchse warf er zur Seite, und fast ebenso schnell hielt er Bell in seinen Armen.

»Bell, meine Bell,« sprach er mit vor Innigkeit zitternder Stimme, während die Geliebte sich eng an seine breite Brust schmiegte, »wäre der Weg dreimal so lang gewesen, hätte er durch Feuer und Wasser geführt und müßte ich sofort wieder aufsitzen, um ihn ohne Rast zum andernmal zu reiten, so hätte ich keinen reicheren Lohn finden können. Ich hab' dich gesehen und in meinen Armen gehalten; ich weiß, daß du im Tode wie im Leben zu mir stehst – da mag alles kommen, wie es will. Denn müßte ich mit Himmel und Hölle um dich ringen: du würdest schließlich dennoch die Meine.«

»Ja, Bob, im Leben wie im Tode,« wiederholte Bell ergriffen, »lieber an der Seite des stolzen Königs aller Vaqueros in der Erde, als neben einem König sitzen auf goldenem Thron. Denn du bist mein schöner, mein kühner und verwegener Bob; bei dir allein fühle ich mich gesichert gegen alle Unbilden. Und was die Leute von dir reden mögen: du bist und bleibst mein einziger Trost, mein einziges Hoffen und Glück.«

»Laß sie reden,« versetzte King Bob geringschätzig, »hör' ich's nicht, brauch' ich keinen zu strafen,« und sie im Arm haltend, bewegte er sich auf die Hütte zu. »Was sie mir aber anhängen, will ich nicht wissen. Auch nenne keinen Namen, oder jeder Tropfen Gift, den sie in dein Blut flößen, kostet eines Mannes Leben – nicht doch, Bell, erschrecke nicht. Ich bin wohl rauh und wild, aber du bist meine Königin, die Königin aller Vaqueros zwischen hier und bis tief nach Neumexiko hinein; meine Königin, auf die ich höre und die nur mit den Augen zu winken braucht, um mich in ein Lamm zu verwandeln.«

Sie waren vor dem Kaw eingetroffen. King Bob begrüßte ihn freundschaftlich. »Sorge für mein Pferd,« sprach er zu ihm, »laß es aber unter dem Sattel und aufgezäumt. Trittst du ihm näher, rufe es mit »Billy Ho« an, oder es schlägt um sich, wie vom Teufel besessen. Da liegt auch meine Büchse, die nimm an dich und halte sie bereit. Man weiß oft nicht, wie schnell man in den Sattel muß. Naht Gefahr, dann gieb ein Zeichen. Wir sitzen da drüben auf dem Ufer,« und den Arm um Bells Schultern legend, schritt er mit ihr davon.

Auf einer Stelle, wo der Fluß das gegen fünfzehn Fuß hohe Ufer bespülte, benutzten sie den grasigen Rand als Bank. Der Mond war eben aufgegangen. Die oberen Luftschichten erhellend, sandte er noch die Schatten der Waldmauer über sie hin. Ihnen zu Füßen gurgelte und sprudelte der zur Zeit seichte Fluß, indem er seinen Weg zwischen Wurzeln hindurch und um bloßgewaschenes Gestein herum suchte. Wie geheimnisvolles Räumen und Plaudern klang es, daß es mit den gedämpften Stimmen der jungen Leute gleichsam ineinander verschwamm.

»Du bist also bereit, mich zu begleiten?« fragte King Bob.

»Zu jeder Stunde, ob bei Tag oder Nacht,« beteuerte Bell aus überströmendem Herzen. »Ich liebe meine Eltern und Brüder sicherlich, daß ich mein Leben für sie hingeben möchte, allein unglücklich fühle ich mich hier über alle Maßen. Dich immer wieder geschmäht zu hören, raubt mir den Verstand. Sehe ich in die Augen des Vaters, lese ich darinnen die bittersten Vorwürfe. Er ist unbarmherzig, hart wie die Steine da unten, die dem Wasser nicht nachgeben. Möchte die Mutter aber auch gern vermitteln, so wagt sie es doch nicht. Sage daher, wann du mich abholst, und freudig gehe ich mit dir bis ans Ende der Welt.«

»Das Versprechen soll dir so oft gesegnet sein, wie da unten im Wasser sich Sterne spiegeln,« versetzte King Bob sanft, wie ein gut geartetes Kind, »und am liebsten sagte ich jetzt: Sitze hinter mir auf. Denn der Billy trägt uns beide, und bevor die Sonne wieder über die Prairie leuchtete, wären wir weit von hier. Allein noch ist die Zeit nicht gekommen. Mit einer Anzahl Kameraden überwache ich an die sechstausend Rinder. Drei große Herden sind's. Die ließen wir von Neumexiko bis an den Arkansas herauf weiden. Unser Ziel liegt noch etwas weiter nördlich und dann westlich. Da erwarten wir die Besitzer. Die gehen mit dem Plan um, die Hälfte der Tiere nach den Staaten oder nach Kalifornien zu treiben. Mit der anderen Hälfte und der Mehrzahl der Hirten kehre ich langsam an den Rio Grande zurück. Anfang September muß ich da sein. Vielleicht überwintern wir dort, um im Frühling auf der Gilastraße nach Kalifornien zu ziehen. Ich selbst gehe nicht mit. In Neumexiko besitze ich nämlich eine hübsche Weidefläche und einen ordentlichen Rancho. Das bezahlte ich mit zweitausend Dollars, die ich von dem jedesmal auf mich entfallenden Gewinnanteil ersparte. Nebenbei trieb ich etwas Viehhandel auf eigene Faust, und das Geschäft setzen wir fort, sobald wir unter unser eigenes Dach gezogen sind.«

»Das mag lange dauern bis dahin,« klagte Bell; »hielte die Hoffnung mich nicht aufrecht, müßte ich sterben.«

»Nur noch einige Monate Geduld,« tröstete King Bob, »kann ich doch nicht, wie ich wohl möchte. Nur einige Monate, und du sitzest so warm am eigenen Herd, daß deine Eltern gern mit dir tauschten und ihre Freude an dir haben.«

»Ich kann's nicht glauben, Bob, das Glück wäre zu groß, und der Vater ist unerbittlich, er würde niemals seine Zustimmung erteilen.«

»So geht es auch ohne sie, damit beruhige dich. Sollte es dir aber zu schwer hier werden, sollte man dich mitleidslos martern und quälen, daß du nicht mehr aus oder ein weißt, wohl gar dich zwingen wollen, einen anderen zu freien, dann flüchte getrost zu mir. Vielleicht begleitet dich Rabbit. Mit den Herden rücke ich allmählich näher, und befolgst du meinen Rat pünktlich, so kannst du mich nicht verfehlen. – Hier hast du meinen Kompaß,« und er nestelte das einer Taschenuhr ähnliche Instrument von seinem Halse, »den bewahre und betrachte als deinen zuverlässigsten Freund. Als mir heute nachmittag die Zeit bis zum Wiedersehen zu langsam verstrich, überlegte ich alle möglichen Fälle genau. Dann ritzte ich mit dem Messer ein Merkmal auf den Rand des Dinges. Bei Licht wirst du es sofort entdecken. Drehst du es, daß die Nadel mit der Spitze gerade vor dem N steht, also gegen Mitternacht weißt, so bezeichnet das Merkmal die Richtung, die du innezuhalten hast. Kommt also die Stunde, in der du keinen anderen Ausweg mehr weißt, dann sattle euer flinkstes Pferd, stecke Lebensmittel auf drei, vier Tage zu dir und reite auf die Prairie hinaus. Dort ist das Merkmal dein Wegweiser. Reite langsam oder schnell, weiche rechts oder links ab, wenn du Hindernissen begegnest, nur achte darauf, daß du stets wieder in die vorgeschriebene Richtung kommst, wobei Rabbit dir von großem Nutzen sein wird, und du kannst mich nicht verfehlen. Denn ob du eine halbe Tagereise zu weit gegen Morgen oder gegen Abend verschlagen wirst, macht keinen Unterschied. Die Herden weiden gesondert voneinander und erstrecken sich zuweilen über die Breite einer Tagereise hinaus, da mußt du auf die eine oder die andere stoßen; wirst sie auch schon aus der Ferne entdecken. Belästigen dich aber die Hirten – die sind nämlich mutwilliges Gesindel – dann zeige ihnen den Kompaß, und du wirst erstaunen, wie höflich und gefällig sie werden. Wir sind dann nicht weit vom Rio Grande, wo es Notare und Geistliche in Fülle giebt, die uns zusammensprechen können.«

»Keines deiner Worte vergesse ich,« erklärte Bell eifrig, und die letzte Spur von Bitterkeit war aus ihrem Wesen verschwunden, »und baue darauf: ist die Zeit zum Handeln da, lass' ich mich nicht säumig finden. Doch anderes beunruhigt mich noch. Die beiden Fremden, die heut bei uns ankehrten –«

»Ich sah sie,« schaltete King Bob aufbrausend ein, »die nichtswürdigsten Schurken, die je mit dem Schweiß und Blut ihrer Mitmenschen sich mästeten.«

»Was du sagst, Bob, ist Wahrheit, und ich fürchte, der Tag ist nicht fern, an dem wir von unserer Farm vertrieben werden.«

»Das heißt, wenn ihr gutwillig geht. Denn begegnet ihr Gewalt mit Gewalt, da möchten die Sklavenmänner sich doch besinnen, ihre verräterischen Schädel zur Zielscheibe für eure Büchsen herzugeben,« versetzte King Bob hohnlachend. »Verdammt!« und seine Stimme erhielt einen eigentümlichen Ausdruck zügelloser Begeisterung, »dein Vater baut starke Palissadenzäune, ich gewahrte es aus der Ferne, und das verrät einen bedachtsamen Mann. Bei Gott, Bell, mit anderthalb Dutzend zuverlässigen Schützen hinter der Brustwehr zu stehen und den feilen Hunden gemächlich eine Kugel nach der anderen zuzuschicken, das müßte eine wahre Herzenslust sein –«

»Wozu ich deine Beihilfe am wenigsten gebrauche,« ertönte hinter ihnen eine tiefe harte Stimme.

Beide sprangen auf, und vor ihnen stand Howitt. Von Argwohn erfüllt, war er nicht auf dem Pfade gekommen, den Rabbit bewachte, sondern auf einem Umwege aus entgegengesetzter Richtung. So behutsam war er auf dem Ufer hinter dem ihn bergenden Gebüsch einhergegangen, daß Arrowmaker sowohl wie die mit ganzer Seele in ihr ernstes Gespräch vertieften jungen Leute seine Nähe nicht eher ahnten, als bis er seine Stimme erhob.

Bell, von Entsetzen ergriffen, verharrte regungslos. Keinen Laut vermochte sie von sich zu geben, als sie des Vaters ansichtig wurde. Was sie fürchten, was sie hoffen sollte, wußte sie nicht. Wohl aber war sie im klaren darüber, daß zwei Männer einander gegenüberstanden, die, gleich starrköpfig und leidenschaftlich, gleich hoch gewachsen und von gleichem trotzigen Vertrauen auf ihre Körperkraft erfüllt, das Aergste nicht als ausgeschlossen erscheinen ließen. King Bob, zwar ebenfalls erschrok- ken, gewann indessen alsbald seine Besonnenheit zurück, und die heftige Erregung niederkämpfend, erwiderte er in ehrerbietigem Tone:

»Das sollte mich nicht hindern, Daniel Howitt, wenn Not vorhanden wäre, Ihnen meine Arme und mein Blut zur Verfügung zu stellen und Ihnen eine Verstärkung zuzuführen, vor der Ihre verworfenen Feinde zusammenknickten wie die verbrannten Grasstoppeln auf der Prairie unter einem vollwichtigen Fuß.«

Howitt beachtete seine Erklärung nicht, sondern, sich Bell zukehrend, hob er mit erbarmungsloser Stimme an: »Das nennst du also einen Besuch beim alten Arrowmaker? Trotz meiner ernsten Warnung schämtest du dich nicht der Sünde, heimlich mit jemand zusammenzukommen, von dem du weißt, daß er meine Schwelle nicht überschreiten darf?«

Auf Howitts Vorwurf ermannte Bell sich zu dem flehentlich sanften, jedoch festen Ausspruch: »Der einzige Mensch in der Welt, der über alles hinweg treu zu mir steht, dem ich mit heiligen Eiden mich versprochen habe, ritt zwei Tage und zwei Nächte, um mir ein freundliches Wort zu sagen; sollte ich ihm da ein kurzes Wiedersehen verweigern?«

Wäre er um die Welt geritten, so hätte ihm das kein Recht gegeben, auch nur einen Blick von Dir zu erbetteln,« entschied der Alte jedoch unbeugsam. »Du hast gegen mein Gebot gehandelt, hast dich an Vater und Mutter versündigt, daß allein Elternliebe dich davor bewahrt, auf ewig aus dem Hause gewiesen zu werden. Was aber denjenigen betrifft, der mit seinen Schmeichelreden dich bethörte, da sage ich dir zum letztenmal: Flehtet ihr beide auf euren Knieen um meine Billigung eures hinterlistigen Verrates, so würde ich antworten: Jedem anderen ehrlichen Manne, und wär's ein verhungerter Knecht, der um meine Tochter anhält, gebe ich sie, doch nie einem Pferdedieb –«

»Pferdedieb?« schrie King Bob wie in Raserei auf, vergegenwärtigte sich aber im nächsten Augenblick, daß es Bells Vater, der vor ihm stand, und besonnener sprach er weiter: »Sagte das ein anderer zu mir, so wäre unter meiner Faust das letzte Wort in seiner Kehle erstickt. Ihnen dagegen will ich jetzt hier in Bells Gegenwart eine Erklärung erteilen, deren ich mich nicht zu schämen brauche –«

»Auch nicht des Vorwurfs, einen friedlichen Mann über den Haufen geschossen zu haben?« fiel Howlitt schneidend ein.

»Auch nicht dieses Vorwurfs. Sind Sie aber ein rechtschaffener Mann und Christ, dem's widerstrebt, falsch Zeugnis abzulegen, so werden Sie mich zu Ende hören und mir Glauben schenken. Trifft auch mancher gerechte Tadel mich, so darf ich mich doch wohl rühmen, mit der Wahrheit nie frevelhaftes Spiel getrieben zu haben. Daran gedenken Sie, während ich rede. Denn wer mich einen Lügner nennt, der beleidigt mich auf den Tod, und dafür giebt es nur eine Sühne, der ihrer zwei zum Opfer fallen.« Wie in der Besorgnis, vielleicht zu weit gegangen zu sein, zögerte er. Er fühlte, wie Howitts Blicke sich in seine Augen gleichsam einbohrten; aber auch er selbst sah auf ihn hin, wie auf jemand, von dem er einen Angriff auf Leben und Tod zu gewärtigen habe. Nur ein Schritt trennte die beiden mächtigen Gegner voneinander. Mochte indessen das Blut in den Adern beider kochen, so verstanden sie es doch, sich zu beherrschen.

Sekunden verstrichen. Bell zitterte. Die Hände ineinander ringend, vermochte sie kaum, sich aufrecht zu erhalten. Noch weniger wagte sie, ihre Stimme zu erheben. Es folterte sie die Angst, dadurch, daß sie an ihre Anwesenheit erinnerte, eine furchtbare Katastrophe herbeizuführen. Endlich atmete Howitt tief auf. Es klang wie das Röcheln eines gefesselten Raubtieres dortiger Waldungen, jedoch heiseren Tones begann er:

»Ich strafe keinen Lügen, dem ich die Falschheit nicht beweisen kann. Jeden freien Mannes Recht ist, das von seinem Mitmenschen zu fordern. Jetzt rede und mache ein Ende.«

»Mehr als Gerechtigkeit verlange ich nicht,« versetzte King Bob wieder besänftigt, halb zu der verzweifelnden Geliebten gewendet, »und so hören Sie: Aufgestachelt von den Vaqueros weit und breit, die mich als den Stärksten zu ihrem Vormann ernennen wollten, verstand ich mich dazu, eine Probe meiner Gewandtheit und Todesverachtung abzulegen. Es handelte sich darum, einem der schärfsten Herdenbesitzer ein Pferd zu rauben. Es gelang mir trotz aller Hindernisse, trotz der Gefahr, den mißlungenen Versuch mit dem Leben bezahlen zu müssen. Als ich eine Woche später mit meiner Beute bei den Kameraden eintraf, hieß ich nicht mehr Robert King, sondern King Bob. Doch schon folgenden Tages ritt ich denselben Weg, den ich gekommen war, zurück. Zweihundert Dollars, beinahe meine ganzen Ersparnisse, hatte ich zu mir gesteckt. So trabte ich vor das Haus des Beraubten, und ohne vom Sattel zu steigen, erklärte ich ihm die ganze Angelegenheit. Zum Schluß sagte ich, daß das Pferd für ihn verloren sei, ich aber gekommen, den geforderten Preis dafür zu bezahlen. Da nannte er mich den hinterlistigsten Räuber, der je verdiente, gehangen zu werden. Das Pferd sei ihm zu keinem Preis feil, behauptete er, ich aber sollte für meine Schandthat mindestens im Gefängnis büßen. Nach diesem bösen Hohn warf ich ihm die zweihundert Dollars vor die Füße – der Gaul war nicht halb so viel wert – und schwor ihm zu, daß, wenn er ebenso ehrlich wäre wie ich, sein Urteil anders gelautet hätte. So kam ein Wort zum anderen, und lauter schrieen wir, daß alle Leute seiner Farm zusammenliefen und uns beobachteten. Er allein hätte sich nicht an mich herangetraut. Angesichts der sieben, acht Männer achwoll ihm dagegen der Kamm, daß er sie aufforderte, mich zu verhaften. Damit ging auch meine Geduld auf die Neige. Ich zog den Revolver und drohte, jeden niederzuschießen, der Hand an mich lege. Die Leute wichen zurück. Der Farmer aber riß nunmehr ebenfalls den Revolver aus dem Gurt und feuerte auf mich.

Die Kugel flog so dicht an meiner Schläfe vorbei, daß sie das Haar mit fortnahm, und die zweite hätte sicher ein Ende mit mir gemacht. Doch bevor er Zeit zu einem neuen Schuß gewann, brach er unter dem meinigen zusammen. Gleichzeitig spornte ich mein Pferd, und gefolgt von einigen gut gemeinten Kugeln, suchte ich das Weite. Wie ich später erfuhr, wurde der Verwundete binnen wenigen Wochen vollständig ausgeheilt. Ich hätte mich also unbesorgt dem Gericht stellen können, und meine Freisprechung wäre erfolgt. Es liegt daher für Sie kein Grund vor, mich zu einem Verbrecher zu stempeln.«

»Und was beweist das?« fragte Howitt geringschätzig. »Den Diebstahl kannst du nicht ableugnen, ebensowenig den Angriff auf den rechtmäßigen Herrn des gestohlenen Pferdes. Und so rate ich dir, deines Weges zu ziehen, solange es noch Zeit ist.«

»Ja, meines Weges will ich ziehen,« antwortete King Bob, und seine Stimme zitterte vor der in ihm gärenden Leidenschaftlichkeit, »doch nicht, bevor ich Ihnen einen ehrlichen Vorschlag gemacht habe. Und meine Ehrlichkeit ist schon allein dadurch in ein klares Licht gestellt worden, daß man mir die Oberaufsicht über Hunderttausende von Dollars anvertraute. Keine vier Monate dauert es, und ich bin wieder hier, um Ihre Tochter zur Frau zu begehren. Ein trotziger, wilder Geselle mag ich sein, das leugne ich nicht. Sitze ich aber erst friedlich auf meiner eigenen Scholle, so schleift sich das ab, und da werden weder Sie noch Bell jemals Ursache finden, dem offenen Wort eines rechtschaffenen, auf seine Ehre bedachten Mannes Glauben geschenkt zu haben.«

»Vater!« hob Bell, in Thränen ausbrechend, nunmehr mit dem Mute der Verzweiflung an, »höre auf ihn! Sei barmherzig und treibe mich nicht zum Aeußersten –«

»Schweige,« gebot Howlitt hart, »schweige mit deinem Aeußersten und gehe nach Hause! Deinen Partner sahst du zum letztenmal. – Fort, sage ich!« herrschte er der noch Zögernden erbittert zu, »und sei eingedenk, daß ich Mittel besitze, eine pflichtvergessene, aufsässige Tochter gefügig zu machen, und wäre ich gezwungen, sie mit dem ersten besten Landstreicher zusammenschreiben zu lassen.«

Bell schritt davon. Ihre Haltung war eine herausfordernde geworden. Es regte sich in ihr das Blut des Vaters. Bis auf den Tod gekränkt durch die dem Geliebten zugeschleuderten Anklagen, reifte in ihr der Entschluß, scheinbar dem Willen des Vaters sich zu unterwerfen, jedoch nur bis zu der Stunde, in welcher der Weg zu ihrer Vereinigung mit King Bob sich vor ihr öffnen würde.

Dieser wartete, bis sie zwischen dem Buschwerk verschwunden war; dann richtete er, den auf seine Entfernung wartenden eisernen Squatter noch etwas überragend, sich selbstbewußt auf.

»Sie verweigern mir Ihre Tochter. Dazu besitzen Sie ein Recht. Doch auch mir steht ein unantastbares Recht zu, und das begründet sich auf die heiligen Eide, die zwischen Bell und mir gewechselt wurden –«

»Bist du fertig?« fragte Howitt schneidend.

»Noch nicht,« antwortete King Bob kaltblütig, »und so erkläre ich feierlich, daß Bell trotz aller ungerechten Schmähungen und uns grausam in den Weg geworfenen heillosen Hemnisse dennoch die Meinige wird, und müßte ich bei dem Versuch, sie zu erringen, elend zu Grunde gehen.«

»So gehe zu Grunde und fahre zur Hölle,« versetzte Howitt nicht minder gelassen, »damit dürfte der Zwiespalt zwischen uns breit genug geworden sein, daß Menschenkräfte ihn nicht mehr zu überbrücken vermöchten.«

»Einem rechten Manne ist nichts unmöglich,« erwiderte King Bob, und in seiner Stimme verriet sich unerschütterliche Willenskraft. »Was sich hier ereignen mag: Sie selbst sind verantwortlich dafür, wenn ein schweres Verhängnis auf Sie und Ihre Familie hereinbricht.«

Gleich darauf befand er sich bei dem Kawindianer. Schweigend nahm er seine Büchse, und ohne Benutzung des Steigbügels sprang er in den Sattel. Klirrend trafen die großen Sporenräder den Mustang, der in wilden Sätzen über die Lichtung stürmte und, ähnlich seinem Herrn, den Kopf geneigt und nach vorn gestreckt, in das Gebüsch eindrang.

Finster lauschte Howitt ihm nach, wie die Zweige vor ihm rauschten, einknickten und wieder zurückschnellten. Arrowmaker führ den Vorschub zur Rede zu stellen, welchen er den jungen Leuten leistete, verschmähte er.

»Steckte der leibhaftige Satan nicht in ihm drinnen, möchte er vielleicht ein ganzer Mann geworden sein,« grollte er vor sich hin, indem er langsam heimwärts wandelte. »Zum Teufel mit ihm! Ich war's nicht, der ihn rief.«

Gleichzeitig mit Bell traf er vor dem offenen Palissadenzaun ein.

»Woher kommst du? Längst hättest du zu Hause sein müssen,« fragte er streng.

Bell, die so lange geneigten Hauptes gegangen war, richtete sich auf. Deutlich unterschied Howitt, daß ein unheimlicher Ausdruck der Entschlossenheit sich über ihr Antlitz ausgebreitet hatte. Es leuchtete förmlich im Mondschein, so bleich war es geworden.

Ich wartete auf King Bob,« antwortete sie unerschrocken, sogar trotzig. »Um mich zu sehen, ritt er Tag und Nacht. Ich war's ihm schuldig, ihn nicht scheiden zu lassen, ohne ihm lebewohl gesagt zu haben. Meinen heißesten Segen gab ich ihm mit auf den Weg.«

»Es ist gut,« versetzte Howitt weniger hart, als hätte der Anblick des schönen, stattlichen Mädchens ihm eine gewisse Achtung eingeflößt, »das Lebewohl gönne ich ihm, vorausgesetzt, daß es eins auf ewig gewesen.«

Mit ruhiger Entschiedenheit erklärte Bell: »Du sollst Vater und Mutter verlassen und dem Mann deiner Wahl folgen, steht geschrieben. Neben dem Segen erneuerte ich den Schwur meiner Treue.«

Howitts Zorn bäumte sich wieder auf. »Wer des Vaters Fluch auf sich ladet, dem blüht kein Glück,« knüpfte er in seiner tiefen Verbitterung an, »dessen sei eingedenk bei allem, was du unternimmst.«

»Ich werde es sein. Aber auch eingedenk, daß ein Herr über uns allen ist, der die Herzen der Menschen prüft,« fügte Bell bitter hinzu, und an dem Vater vorbei schritt sie über den Hof.

Howitt blieb noch eine Weile draußen. Finster betrachtete er den Mond. Der Besuch der Landspekulanten hatte ihn feindlich aufgeregt. Was galten ihm alle durch sie wachgerufenen Sorgen im Vergleich mit dem Bewußtsein, mit der einzigen Tochter unheilbar zerfallen zu sein. Gewiß gönnte er ihr von ganzem Herzen ein fest begründetes dauerndes Glück, aber nur ein solches, wie es im Einklange mit seinen eigenen Anschauungen stand. Wie als Herrn seiner Farm, betrachtete er sich auch als Herrn und Gebieter seiner Familie. Seinem Willen gegenüber gab es keinen anderen. Er hatte gesprochen; an seinem Wort konnte nicht mehr gerüttelt oder gedeutelt werden.

Yaş sınırı:
12+
Litres'teki yayın tarihi:
30 ağustos 2016
Hacim:
310 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
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