Kitabı oku: «Gracians Orakel der Weltklugheit», sayfa 2
18.
Fleiß und Talent:
ohne beide ist man nie ausgezeichnet, jedoch im höchsten Grade, wenn man sie in sich vereint. Mit dem Fleiße bringt ein mittelmäßiger Kopf es weiter, als ein überlegener ohne denselben. Die Arbeit ist der Preis, für den man den Ruhm erkauft: was wenig kostet, ist wenig werth. Sogar für die höchsten Aemter hat es Einigen nur an Fleiß gefehlt: nur selten ließ das Talent sie im Stich. Daß man lieber auf einem hohen Posten mittelmäßig, als auf einem niedrigen ausgezeichnet ist, hat die Entschuldigung eines hohen Sinnes für sich; hingegen daß man sich begnügt, auf dem untersten Posten mittelmäßig zu seyn, während man auf dem obersten ausgezeichnet seyn könnte, hat sie nicht. Also sind Natur und Kunst erfordert, und der Fleiß drückt ihnen das Siegel auf.
19.
Nicht unter übermäßigen Erwartungen auftreten.
Es ist das gewöhnliche Unglück alles sehr Gerühmten, daß es der übertriebenen Vorstellung, die man sich von ihm machte, nachmals nicht gleich kommen kann. Nie konnte das Wirkliche das Eingebildete erreichen: denn sich Vollkommenheiten denken, ist leicht; sie verwirklichen sehr schwer. Die Einbildungskraft verbindet sich mit dem Wunsche und stellt sich daher stets viel mehr vor, als die Dinge sind. Wie groß nun auch die Vortrefflichkeiten sehn mögen, so reichen sie doch nicht hin, den vorgefaßten Begriff zu befriedigen: und da sie ihn unter der Täuschung seiner ausschweifenden Erwartung vorfinden; so werden sie eher seinen Irrthum zerstören, als Bewunderung erregen. Die Hoffnung ist eine große Verfälscherin der Wahrheit: die Klugheit weise sie zurecht und sorge dafür, daß der Genuß die Erwartung übertreffe. Daß man beim Auftreten schon einigermaaßen die Meinung für sich habe, dient die Aufmerksamkeit zu erregen, ohne dem Gegenstand derselben Verpflichtungen aufzulegen. Viel besser ist es immer, wenn die Wirklichkeit die Erwartung übersteigt und mehr ist als man gedacht hatte. Diese Regel wird falsch beim Schlimmen: denn da diesem die Uebertreibung zu statten kommt, so steht man solche gern widerlegt, und dann gelangt das, was als ganz abscheulich gefürchtet wurde, noch dahin, erträglich zu scheinen.
20.
Der Mann seines Jahrhunderts.
Die außerordentlich seltenen Menschen hängen von der Zeit ab. Nicht alle haben die gefunden, deren sie würdig waren, und viele fanden sie zwar, konnten aber doch nicht dahin gelangen, sie zu nutzen. Einige waren eines bessern Jahrhunderts werth; denn nicht immer triumphirt jedes Gute. Die Dinge haben ihre Periode und sogar die höchsten Eigenschaften sind der Mode unterworfen. Der Weise hat jedoch einen Vortheil, den, daß er unsterblich ist: ist dieses nicht sein Jahrhundert; so werden viele andre es seyn.
21.
Die Kunst Glück zu haben.
Es giebt Regeln für das Glück: denn für den Klugen ist nicht alles Zufall. Die Bemühung kann dem Glücke nachhelfen. Einige begnügen sich damit, sich wohlgemuth an das Thor der Glücksgöttin zu stellen und zu erwarten, daß sie öffne. Andere, schon besser, streben vorwärts und machen ihre kluge Kühnheit geltend, damit sie, auf den Flügeln ihres Werthes und ihrer Tapferkeit, die Göttin erreichen und ihre Gunst gewinnen mögen. Jedoch richtig philosophiert, giebt es keinen andern Weg als den der Tugend und Umsicht; indem Jeder gerade so viel Glück und so viel Unglück hat, als Klugheit oder Unklugheit.
22.
Ein Mann von willkommenen Kenntnissen.
Gescheute Leute sind mit einer eleganten und geschmackvollen Belesenheit ausgerüstet, haben ein zeitgemäßes Wissen von Allem, was an der Tagesordnung ist, jedoch mehr auf eine gelehrte als auf eine gemeine Weise: sie halten sich einen geistreichen Vorrath witziger Reden und edler Thaten, von welchem sie zu rechter Zeit Gebrauch zu machen verstehn. Oft war ein guter Rath besser angebracht in der Form eines Witzwortes, als in der der ernstesten Belehrung; und gangbares Wissen hat Manchem mehr geholfen als alle sieben Künste, so frei sie auch seyn mögen.
23.
Ohne Makel seyn:
die unerläßliche Bedingung der Vollkommenheit. Es giebt Wenige, die ohne irgend ein Gebrechen wären, wie im Physischen, so im Moralischen: und sie lieben solches innig, da sie doch leicht es heilen könnten. Mit Bedauern sieht die fremde Klugheit, wie oft einem ganzen Verein erhabener Fähigkeiten ein kleiner Fehler sich keck angehängt hat; und Eine Wolke ist hinreichend, die ganze Sonne zu verdunkeln. Dergleichen sind Flecken unsers Ansehens, welche das Mißwollen sogleich herausfindet, und immer wieder darauf zurückkommt. Die größte Geschicklichkeit wäre, sie in Zierden zu verwandeln, in der Art, wie Cäsar sein physisches Gebrechen mit dem Lorbeer zu bedecken wußte.
24.
Die Einbildungskraft zügeln,
indem man bald sie zurechtweist, bald ihr nachhilft: denn sie vermag Alles über unser Glück, und sogar unser Verstand erhält Berichtigung von ihr. Sie kann eine tyrannische Gewalt erlangen und begnügt sich nicht mit müßiger Beschauung, sondern wird thätig, bemächtigt sich sogar oft unsers ganzen Daseyns, welches sie mit Lust oder Traurigkeit erfüllt, je nachdem die Thorheit ist, auf die sie verfiel: denn sie macht uns mit uns selbst zufrieden oder unzufrieden, spiegelt Einigen beständige Leiden vor und wird der häusliche Henker dieser Thoren: Andern zeigt sie nichts als Seeligkeiten und Glücksfälle, unter lustigem Schwindeln des Kopfs. Alles dieses vermag sie, wenn nicht die vernünftige Obhut unsrer selbst ihr den Zaum anlegt.
25.
Winke zu verstehen wissen.
Einst war es die Kunst aller Künste, reden zu können: jetzt reicht das nicht aus; errathen muß man können, vorzüglich wo es auf Zerstörung unsrer Täuschung abgesehen ist. Der kann nicht sehr verständig seyn, der nicht leicht versteht. Es giebt hingegen auch Schatzgräber der Herzen und Luchse der Absichten. Grade die Wahrheiten, an welchen uns am meisten gelegen, werden stets nur halb ausgesprochen; allein der Aufmerksame fasse sie im vollen Verstande auf. Bei allem Erwünschten ziehe er seinen Glauben am Zügel zurück, aber gebe ihm den Sporn bei allem Verhaßten.
26.
Die Daumschraube eines Jeden finden.
Dies ist die Kunst, den Willen Andrer in Bewegung zu setzen. Es gehört mehr Geschick als Festigkeit dazu. Man muß wissen, wo einem Jeden beizukommen sei. Es giebt keinen Willen, der nicht einen eigentümlichen Hang hätte, welcher nach der Mannigfaltigkeit des Geschmacks verschieden ist. Alle sind Götzendiener, Einige der Ehre, Andre des Interesses, die Meisten des Vergnügens. Der Kunstgriff besteht darin, daß man diesen Götzen eines Jeden kenne, um mittelst desselben ihn zu bestimmen. Weiß man, welches für Jeden der wirksame Anstoß sei, so ist es als hätte man den Schlüssel zu seinem Willen. Man muß nun auf die allererste Springfeder, oder das primum inodils in ihm, zurückgehen, welches aber nicht etwa das Höchste seiner Natur, sondern meistens das Niedrigste ist: denn es giebt mehr schlecht- als wohlgeordnete Gemüther in der Welt. Jetzt muß man zuvörderst sein Gemüth bearbeiten, dann ihm durch ein Wort den Anstoß geben, endlich mit seiner Lieblingsneigung den Hauptangriff machen; so wird unfehlbar sein freier Wille schachmatt.
27.
Das Intensive höher als das Extensive schätzen.
Die Vollkommenheit besteht nicht in der Quantität, sondern in der Qualität. Alles Vortreffliche ist stets wenig und selten: die Menge und Masse einer Sache macht sie geringgeschätzt. Sogar unter den Menschen sind die Riesen meistens die eigentlichen Zwerge. Einige schätzen die Bücher nach ihrer Dicke; als ob sie geschrieben wären, die Arme, nicht die Köpfe daran zu üben. Das Extensive allein führt nie über die Mittelmäßigkeit hinaus, und es ist das Leiden der universellen Köpfe, daß sie, um in Allem zu Hause zu seyn, es nirgends sind. Hingegen ist es das Intensive, woraus die Vortrefflichkeit entspringt, und zwar eine heroische, wenn in erhabener Gattung.
28.
In nichts gemein:
Erstlich, nicht im Geschmack. O des großen Weisen, den es niederschlug, daß seine Sache der Menge gefiel!* Gemeiner Beifall in Fülle giebt dem Verständigen kein Genügen. Dagegen sind manche solche Kamäleone der Popularität, daß sie ihren Genuß nicht in den sanften Anhauch Apollo's, sondern in den Athem des großen Haufens setzen. – Zweitens, nicht im Verstande: man finde kein Genügen an den Wundern des Pöbels, dessen Unwissenheit ihn nicht über das Erstaunen hinauskommen läßt: während die allgemeine Dummheit bewundert, deckt der Verstand des Einzelnen den Trug auf.
* Ein griechischer Redner fragte, als das Volk ihm Beifall zurief, betroffen seine Freunde: »Habe ich etwas Verkehrtes gesagt?«
29.
Ein rechtschaffener Mann seyn:
stets steht dieser auf der Seite der Wahrheit, mit solcher Festigkeit des Vorsatzes, daß weder die Leidenschaft des großen Haufens, noch die Gewalt des Despoten ihn jemals dahin bringen, die Gränze des Rechts zu übertreten. Allein wer ist dieser Phönix der Gerechtigkeit? Wohl wenige ächte Anhänger hat die Rechtschaffenheit. Zwar rühmen sie Viele, jedoch nicht für ihr Haus. Andre folgen ihr bis zum Punkt der Gefahr: dann aber verleugnen sie die Falschen, verhehlen sie die Politischen. Denn sie kennt keine Rücksicht, sei es, daß sie mit der Freundschaft, mit der Macht, oder mit dem eigenen Interesse sich feindlich begegnete: hier nun liegt die Gefahr abtrünnig zu werden. Jetzt abstrahiren, mit scheinbarer Metaphysik, die Schlauen von ihr, um nicht der Absicht der Höheren oder der Staatsräson in den Weg zu treten. Jedoch der beharrliche Mann hält jede Verstellung für eine Art Verrath: er setzt seinen Werth mehr in seine unerschütterliche Festigkeit, als in seine Klugheit. Stets ist er zu finden, wo die Wahrheit zu finden ist: und fällt er von einer Partei ab, so ist es nicht aus Wankelmuth von seiner, sondern von ihrer Seite, indem sie zuvor von der Sache der Wahrheit abgefallen war.
30.
Sich nicht zu Beschäftigungen bekennen, die in schlechtem Ansehen stehen,
noch weniger zu Schimären, wodurch man sich eher in Verachtung, als in Ansehen bringt. Es giebt mancherlei grillenhafte Sekten, von welchen allen der kluge Mann sich fern hält. Aber es giebt Leute von wunderlichem Geschmack, welche immer nach dem greifen, was die Weisen verworfen haben, und dann in diesen Seltsamkeiten sich gar sehr gefallen. Dadurch werden sie zwar allgemein bekannt, doch mehr als Gegenstand des Lachens, als des Ruhms. Sogar zur Weisheit wird der umsichtige Mann sich nicht auf eine hervorstechende Weise bekennen, viel weniger zu Dingen, welche ihre Anhänger lächerlich machen. Sie werden hier nicht aufgezählt, weil die allgemeine Verachtung sie genugsam bezeichnet hat.
31.
Die Glücklichen und Unglücklichen kennen,
um sich zu jenen zu halten und diese zu fliehen. Das Unglück ist meistentheils Strafe der Thorheit, und für die Theilnahme ist keine Krankheit ansteckender. Man darf nie dem kleineren Uebel die Thür öffnen: denn hinter ihm werden sich stets viele andere und größere einschleichen. Die feinste Kunst beim Spiel besteht im richtigen Ekartiren: und die kleinste Karte der Farbe, die jetzt Trumpf ist, ist wichtiger als die größte derjenigen, die es vorher war. Ist man zweifelhaft, so ist das Gescheuteste, sich zu den Klugen und Vorsichtigen zu halten, da diese früh oder spät das Glück einholen.
32.
Im Rufe der Gefälligkeit stehen.
Das Ansehen derer, die am Staatsruder stehn, gewinnt sehr dadurch, daß sie willfährig sind, und die Huld ist eine Eigenschaft der Herrscher, durch welche sie die allgemeine Gunst erlangen. Dies ist ja eben der einzige Vorzug, den die höchste Macht giebt, daß man mehr Gutes thun kann als alle Andern. Freunde sind die, welche Freundschaft erweisen. Dagegen giebt es Andre, welche sich darauf legen, ungefällig zu seyn, nicht so sehr wegen des Beschwerlichen, als aus Tücke: sie sind ganz und gar das Gegentheil der göttlichen Milde.
33.
Sich zu entziehen wissen.
Wenn eine große Lebensregel die ist, daß man zu verweigern verstehe; so folgt, daß es eine noch wichtigere ist, daß man sich selbst, sowohl den Geschäften als den Personen, zu verweigern wisse. Es giebt fremdartige Beschäftigungen, welche die Motten der kostbaren Zeit sind. Sich mit etwas Ungehörigem beschäftigen, ist schlimmer als Nichtsthun. Für den Umsichtigen ist es nicht hinreichend, daß er nicht zudringlich sei, sondern er muß auch dafür sorgen, daß Andre sich ihm nicht aufdringen. So sehr darf man nicht Allen angehören, daß man nicht mehr sich selber angehörte. Eben so darf man auch seinerseits nicht seine Freunde mißbrauchen, und nicht mehr von ihnen verlangen, als sie eingeräumt haben. Jedes Uebermaaß ist fehlerhaft, aber am meisten im Umgang. Mit dieser klugen Mäßigung wird man sich am besten die Gunst und Wertschätzung Aller erhalten, weil alsdann der so kostbare Anstand nicht allmälig bei Seite gesetzt wird. Man erhalte sich also die Freiheit seiner Sinnesart, liebe innig das Auserlesene jeder Gattung, und thue nie der Aufrichtigkeit seines guten Geschmackes Gewalt an.
34.
Seine vorherrschende Fähigkeit kennen,
sein hervorstechendes Talent; sodann dieses ausbilden und den übrigen nachhelfen. Jeder wäre in irgend etwas ausgezeichnet geworden, hätte er seinen Vorzug gekannt. Man beobachte also seine überwiegende Eigenschaft und verwende auf diese allen Fleiß. Bei Einigen ist der Verstand, bei Andern die Tapferkeit vorherrschend. Die Meisten thun aber ihren Naturgaben Gewalt an, und bringen es deshalb in nichts zur Überlegenheit. Das, was anfangs der Leidenschaft schmeichelte, wird von der Zeit zu spät als Irrthum aufgedeckt.
35.
Nachdenken, und am meisten über das,
woran am meisten gelegen. Weil sie nicht denken, gehn alle Dummköpfe zu Grunde: sie sehn in den Dingen nie auch nur die Hälfte von dem, was da ist; und da sie sich so wenig anstrengen, daß sie nicht einmal ihren eigenen Schaden oder Vortheil begreifen, legen sie großen Werth auf das, woran wenig, und geringen auf das, woran viel gelegen, stets verkehrt abwägend. Viele verlieren den Verstand deshalb nicht, weil sie keinen haben. Es giebt Sachen, die man mit der ganzen Anstrengung seines Geistes untersuchen und nachher in der Tiefe desselben aufbewahren soll. Der Kluge denkt über Alles nach, wiewohl mit Unterschied: er vertieft sich da, wo er Grund und Widerstand findet, und denkt bisweilen, daß noch mehr da ist, als er denkt: dergestalt reicht sein Nachdenken eben so weit als seine Besorgniß.
36.
Sein Glück erwogen haben;
um zu handeln, um sich einzulassen. Daran ist mehr gelegen, als an der Beobachtung seines Temperaments. Ist aber der ein Thor, welcher im vierzigsten Jahre sich an den Hippokrates, seiner Gesundheit halber, wendet, so ist es der noch mehr, welcher dann erst an den Seneka, der Weisheit wegen. Es ist eine große Kunst, sein Glück zu leiten zu wissen, indem man bald es abwartet, denn auch mit Warten ist bei ihm etwas auszurichten, bald es zur rechten Zeit benutzt, da es Perioden hält und Gelegenheiten darbietet; obwohl man ihm seinen Gang nicht ablernen kann, so regellos sind seine Schritte. Wer es günstig befunden hat, schreite keck vorwärts; denn es liebt die Kühnen leidenschaftlich, und, als schönes Weib, auch die Jünglinge. Wer aber Unglück hat, thue nichts mehr; sondern ziehe sich zurück, damit er nicht zu dem Unstern, der schon über ihm steht, einen zweiten heranrufe.
37.
Stichelreden kennen und anzuwenden verstehen.
Dies ist der Punkt der größten Feinheit im menschlichen Umgang. Solche Stichelreden werden oft hingeworfen, um die Gemüther zu prüfen, und mittelst ihrer stellt man die versteckteste und zugleich eindringlichste Untersuchung des Herzens an. Eine andere Art derselben sind die boshaften, verwegenen, vom Gift des Neides angesteckten, oder mit dem Geifer der Leidenschaft getränkten: diese sind oft unvorhergesehene Blitze, durch welche man aus aller Gunst und Hochachtung mit Einem Male herabgeschleudert wird; von einem leichten Wörtchen dieser Art getroffen, sind Manche aus dem engsten Vertrauen der höchsten oder geringerer Personen herabgestürzt, denen doch auch nur den mindesten Schreck zu erregen, eine vollständige Verschwörung zwischen der Unzufriedenheit der Menge und der Bosheit der Einzelnen, unvermögend gewesen war. Wieder eine andere Art von Stichelreden wirkt im entgegengesetzten Sinne, indem sie unser Ansehen stützt und befestigt. Allein mit derselben Geschicklichkeit, mit welcher die Absichtlichkeit sie schleudert, muß die Vorkehr sie empfangen, ja die Umsicht sie schon zum voraus erwarten. Denn hier beruht die Abwehr auf der Kenntniß des Uebels, und der vorhergesehene Schuß verfehlt jedesmal sein Ziel.
38.
Vom Glücke beim Gewinnen scheiden:
so machen es alle Spieler von Ruf. Ein schöner Rückzug ist eben so viel werth, als ein kühner Angriff. Man bringe seine Thaten, wann ihrer genug, wann ihrer viele sind, in Sicherheit. Ein lange anhaltendes Glück ist allemal verdächtig: das unterbrochene ist sicherer und das Süßsaure desselben sogar dem Geschmack angenehmer. Je mehr sich Glück auf Glück häuft, desto mehr Gefahr laufen sie auszugleiten und alle mit einander niederzustürzen. Die Höhe der Gunst des Glücks wird oft durch die Kürze ihrer Dauer aufgewogen: denn das Glück wird es müde, Einen so lange auf den Schultern zu tragen.
39.
Den Punkt der Reife an den Dingen kennen,
um sie dann zu genießen. Die Werke der Natur gelangen alle zu einem Gipfel der Vollkommenheit: bis dahin nahmen sie zu, von dem an ab: unter denen der Kunst hingegen sind nur wenige, die dahin gebracht wären, daß sie keiner Verbesserung mehr fähig sind. Es ist ein Vorzug des guten Geschmacks, daß er jede Sache auf dem Punkte ihrer Vollendung genießt: Alle können dies nicht, und die es könnten, verstehn es nicht. Sogar für die Früchte des Geistes giebt es einen solchen Punkt der Reife: es ist wichtig, ihn zu kennen, hinsichtlich der Schätzung sowohl, als der Ausübung.
40.
Gunst bei den Leuten.
Die allgemeine Bewunderung zu erlangen, ist viel; mehr jedoch, die allgemeine Liebe. In etwas hängt es von der Gunst der Natur, aber mehr von der Bemühung ab: jene legt den Grund, diese führt es aus. Ausgezeichnete Fähigkeiten reichen nicht hin, obwohl sie vorausgesetzt werden: denn hat man einmal die Meinung gewonnen, so ist es leicht, auch die Zuneigung zu gewinnen. Sodann erwirbt man Wohlwollen nicht ohne Wohlthun: Gutes gethan, mit beiden Händen, schöne Worte, noch bessere Thaten, lieben, um geliebt zu werden. Die Höflichkeit ist die größte politische Zauberei der Großen. Erst strecke man seine Hand zu Thaten aus, und sodann nach den Federn; vom Stichblatt nach dem Geschichtsblatt: denn es giebt auch eine Gunst der Schriftsteller, und sie ist unsterblich.
41.
Nie übertreiben.
Es sei ein wichtiger Gegenstand unsrer Aufmerksamkeit, nicht in Superlativen zu reden; theils um nicht der Wahrheit zu nahe zu treten, theils um nicht unsern Verstand herabzusetzen. Die Übertreibungen sind Verschwendungen der Hochschätzung, und zeugen von der Beschränktheit unserer Kenntnisse und unsers Geschmacks. Das Lob erweckt lebhafte Neugierde, reizt das Begehren, und wann nun nachher, wie es sich gemeiniglich trifft, der Werth dem Preise nicht entspricht; so wendet die getäuschte Erwartung sich gegen den Betrug, und rächt sich durch Geringschätzung des Gerühmten und des Rühmers. Daher gehe der Kluge zurückhaltend zu Werke und fehle lieber durch das zuwenig als durch das zuviel. Die ganz außerordentlichen Dinge jeder Art sind selten; also mäßige man seine Wertschätzung. Die Uebertreibung ist der Lüge verwandt, und durch dieselbe kommt man um den Ruf des guten Geschmacks, welches viel, und um den der Verständigkeit, welches mehr ist.