Kitabı oku: «Die Herrin des Clans»

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Die Herrin des Clans

Barbara Cartland

Barbara Cartland E-Books Ltd.

Vorliegende Ausgabe ©2016

Copyright Cartland Promotions 1985

9781782138532

Gestaltung M-Y Books

www.m-ybooks.co.uk

1 ~ 1886

Der Herzog von Invercaron fand keinen Schlaf. Er warf sich im Bett von einer Seite auf die andere.

Es ist einfach lächerlich, dachte er. Ich sollte endlich einschlafen, anstatt mir den Kopf über unbestimmte Vorahnungen zu zerbrechen.

Doch eine innere Stimme, die sich beim besten Willen nicht zum Schweigen bringen ließ, sagte ihm, daß etwas nicht in Ordnung war.

Am meisten irritierte ihn, daß er nicht wußte, was ihm eigentlich den Schlaf raubte, in den er gewöhnlich nach einem langen, anstrengenden Tag mühelos fiel.

Ein solcher Tag lag tatsächlich hinter ihm. Gleich als er am Morgen aufgestanden war, war ihm klar geworden, daß ihn nur unangenehme Dinge erwarteten.

Er versuchte sich einzureden, daß er seine Pflicht, die ihm auferlegt worden war, erfüllen mußte, genau wie er einem Regimentsbefehl gefolgt wäre, ohne Widerspruch zu erheben.

Es waren kaum zwei Monate vergangen, seit er die feuchte Hitze Kalkuttas hinter sich gelassen und sich nach England eingeschifft hatte. Er hatte die Heimreise ohne die leiseste Vorstellung davon angetreten, was an deren Ende auf ihn zukam.

Als er das Telegramm geöffnet hatte, das ihn vom Tode seines Onkels und der Tatsache informierte, er habe dessen Titel geerbt, hatte Talbot McCaron, wie er damals noch hieß, das Ganze zunächst für einen dummen Scherz seiner Offizierskameraden gehalten, die einander aus purer Langeweile ständig den einen oder anderen Streich zu spielen pflegten.

Erst nach mehrfacher Lektüre des dem Telegramm folgenden Briefes, den er vorfand, als er von einer äußerst gefährlichen Mission an der Nord-West-Grenze Indiens zurückkehrte, stellte er fest, daß er tatsächlich der dritte Herzog von Invercaron war.

Anschließend ging alles so schnell, daß er kaum noch zur Besinnung kam.

Sein Vorgesetzter gewährte ihm selbstverständlich Urlaub. Dabei wußten beide, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis er den Dienst quittieren mußte. Seine Pflichten in Schottland als Chieftain des McCaron-Clans würden ihm nicht gestatten, zum Regiment zurückzukommen.

„Wir werden Sie sehr vermissen“, versicherte sein Kommandeur ehrlichen Herzens. „Ich weiß, daß gewisse Leute Ihnen sehr dankbar sind für Ihre Unterstützung in Angelegenheiten, die wir im Augenblick nicht diskutieren sollten.“

„Ich werde Sie ebenfalls vermissen“, gestand Talbot McCaron bedauernd ein.

„Darüber bin ich mir im Klaren, mein Lieber“, erwiderte der Oberstleutnant. „Andererseits wird es Zeit für Sie, sich an einem festen Ort niederzulassen und eine Familie zu gründen. Es wäre doch wirklich keiner Frau zuzumuten, einen Mann zu heiraten, der ständig sein Leben freiwillig aufs Spiel setzt, wie Sie es während der letzten Jahre getan haben.“

Die zwei Männer lächelten sich wie zwei Verschwörer an. Diese Bemerkung bezog sich auf geheime Angelegenheiten, deren Einzelheiten am besten unausgesprochen blieben, selbst unter vier Augen.

Von den guten Wünschen seiner Offizierskameraden begleitet, fuhr der Herzog nach Kalkutta, wohin ihn der Vizekönig zu einer Unterredung bestellt hatte.

Am meisten bekümmerte ihn der Abschied von seinen Sepoys, mit denen er Seite an Seite unzählige Kämpfe ausgefochten hatte. Sie hatten ihm blindlings vertraut, wußten sie doch, daß sie es nur der Tüchtigkeit und dem Glück ihrer Offiziere verdankten, daß sie einigermaßen unversehrt davonkamen.

Wann immer Talbot McCaron einen seiner Männer verloren hatte, hatte er tiefen Schmerz empfunden. Sich selbst gegenüber gab er ehrlich zu, daß auch keiner seiner schottischen Clansleute ihm mehr Treue und Hingabe hätte zeigen können, als diese einfachen Inder, die unter ihm dienten.

Bei seiner Ankunft in London hatte er zu seiner Überraschung erfahren, daß ihn eine ganze Anzahl von Leuten zu sehen wünschten.

Im Verlauf seines letzten Heimaturlaubes hatte er zwei Wochen lang damit zugebracht, Theateraufführungen, Bälle und die Partys zu besuchen, bei denen ein attraktiver Junggeselle immer willkommen war.

Er hatte auch eine Menge Einladungen ausgeschlagen. Wenn ihm der Sinn nach ausgesprochenem Gesellschaftsleben gestanden hätte, hätte er das in Indien finden können.

Auf jeden Fall hatte er mehr Geld ausgegeben, als er sich eigentlich leisten konnte, indem er ein oder zwei hübsche Tänzerinnen vom Varieté zum Essen ausgeführt hatte. Die leichtsinnigen und amüsanten Mädchen hatten ihm eine andere Art von Vergnügungen geboten als die, die auch in Indien einem gut aussehenden Offizier offen standen.

Seit er Herzog von Invercaron war, war alles anders geworden. Seine erste Verabredung war mit dem Staatssekretär für Schottland, dem Marquis von Lothian, der ernsthaft mit ihm über seine Pläne diskutierte.

„Sie werden leider feststellen müssen, daß Ihr Onkel während der letzten Jahre seines Lebens so krank war, daß er seine Angelegenheiten ziemlich vernachlässigte“, begann der Marquis die Unterredung. „Als mich das letzte Mal Geschäfte in jene Gegend führten, besuchte ich ihn in seinem Schloß. Ich hatte den Eindruck, daß eine Menge Geld nötig sein wird, sowohl Ihr künftiges Heim wie auch die Pachthöfe auf Ihren Ländereien wieder in Ordnung zu bringen.“

Der Herzog sah ihn beunruhigt an.

„Geld, Mylord?“ wiederholte er. „Ich wurde bereits informiert, daß so gut wie keines vorhanden ist.“

„Das weiß ich natürlich“, erwiderte der Marquis.

Um die Lippen des Herzogs zuckte es spöttisch.

„Können Sie mir verraten, Mylord, wie ich in einem alten, wunderschönen, aber auch bekanntermaßen keinen Gewinn abwerfenden Teil Schottlands etwas so Begehrenswertes erlangen soll?“

„Sie drücken sich ja ungeheuer gewählt aus“, bemerkte der Marquis lächelnd. „Ich stimme Ihnen zu, daß es keine schönere Gegend als Strathclyde gibt, wo die McCarons seit Jahrhunderten ansässig sind. Aber nur ein Wunder könnte bewirken, daß dort Profit zu erzielen wäre.“

„Darüber dachte ich schon während der ganzen Schiffsreise nach“, sagte der Herzog. „Offen gestanden überlege ich, ob ich das Schloß zusperren, so sparsam wie möglich leben und versuchen soll, so etwas wie eine kleine Industrie aufzubauen, die wenigstens einigen der jüngeren Männer meines Clans den Lebensunterhalt garantiert.“

Der Marquis blickte ihn bestürzt an.

„Sie wollen das Schloß zusperren?“ rief er. „Einen derartigen Vorschlag hätte ich aus dem Munde eines McCaron niemals erwartet.“

„Er wäre zumindest vernünftig“, verteidigte sich der Herzog.

Der Marquis lehnte sich in seinem Sessel zurück und betrachtete sein Gegenüber wie ein Wesen aus einer anderen Welt.

Dann sagte er ärgerlich: „Ich finde es ganz und gar unmöglich, daß Sie einen solchen Schritt auch nur in Erwägung ziehen. Ihr Schloß ist seit Jahrhunderten der Mittelpunkt, um den sich das Leben des McCaron-Clans dreht. Alle Mitglieder, ob sie sich nun auf Reisen befinden oder wie im Exil in anderen Ländern der Welt leben, würden das Gefühl haben, daß ihnen etwas Kostbares geraubt wurde, wenn es das Schloß nicht mehr gibt.“

„Dessen bin ich mir sehr wohl bewußt“, sagte der Herzog. „Selbst als drei Menschen zwischen mir und dem Titel standen und ich mir nicht vorstellen konnte, jemals Chieftain zu werden, dachte ich bereits über dieses Problem nach. Ich sprach auch häufig mit meinem Vater darüber, als er noch lebte.“

Ein minutenlanges Schweigen herrschte. Der Staatssekretär wie auch der Herzog riefen sich ins Gedächtnis zurück, daß der älteste Sohn seines Onkels beim Kampf in Ägypten gefallen war. Der zweite Sohn war während eines Sturmes ertrunken. Sein Fischerboot war gegen die Felsküste getrieben und zerschmettert worden. Überlebende hatte es keine gegeben.

Schließlich ergriff wieder der Marquis das Wort.

„Ich möchte Ihnen einen Vorschlag unterbreiten, obwohl ich beinahe annehme, daß mir schon jemand zuvorgekommen ist, kaum daß Sie englischen Boden betreten haben“, sagte er in geschäftsmäßigem Ton.

„Gestern Abend bei meinem Eintreffen fand ich eine ganze Reihe von Nachrichten und Botschaften vor“, erwiderte der Herzog. „Schon aus Höflichkeit wollte ich aber zuerst mit Ihnen sprechen.“

„Ich bin Ihnen sehr verbunden. Leider muß ich zugeben, daß ich es als ausgesprochen peinlich empfinde, Sie mit dieser Information zu konfrontieren. Normalerweise sollte sie von einem Mitglied Ihres Clans kommen.“

Die Miene des Herzogs bewölkte sich zusehends.

„Mir wird allmählich klar, daß mir Sir Iain McCaron nicht ohne Grund ein halbes Dutzend Botschaften geschickt hat, er müsse mich sofort nach meiner Ankunft unbedingt sprechen“, erwiderte er nach einer Pause.

Der Marquis stieß ein kurzes Lachen aus.

„Sir Iain dürfte sich in ziemlich langatmigen Erklärungen ergehen. Ich werde Ihnen kurz und bündig mitteilen, worum es sich handelt: Sie müssen heiraten.“

Der Herzog richtete sich auf. Er starrte den Marquis an, als ob er nicht richtig gehört hätte.

„Heiraten?“ rief er entsetzt. „Diesen Rat hätte ich aus Ihrem Munde nicht erwartet. Wenn ich mir ein Schloß nicht leisten kann, dann doch wohl auch sicherlich keine Ehefrau.“

„Das hängt ganz von der Frau ab. Die betreffende Dame, die man Ihnen als zukünftige Herzogin zugedacht hat, ist. . .“

Der Herzog fiel ihm in scharfem Ton ins Wort.

„Von wem zugedacht? Wer hat es gewagt, sich in etwas einzumischen, was ich als etwas sehr Privates und Persönliches betrachte?“

Er holte tief Atem, ehe er fortfuhr.

„Ich brauche mit Sicherheit niemanden, der mir eine Braut aussucht. Das ist eine Angelegenheit, die nur mich ganz allein angeht.“

Ohne die Stimme zu heben, bediente er sich eines stählernen Tones, den die Soldaten unter seinem Kommando sofort als Zeichen größten Zornes erkannt hätten.

Den Marquis schien das nicht zu stören.

„Mein Lieber, ich verstehe Ihre Gefühle durchaus“, versicherte er. „Als schottischer Chieftain müssen Sie sich aber eines immer vor Augen halten. Ihre Leute, für die Sie nicht nur Anführer, sondern auch Vater, guter Hirte und Beschützer sind, müssen Ihnen wichtiger als persönliche Vorurteile oder - wie in diesem Fall - Empfindsamkeiten sein.“

Auf der Stirn des Herzogs bildeten sich ein paar steile Falten.

„Ehe wir weiter diskutieren, möchte ich gern nähere Einzelheiten erfahren, Mylord.“

„Das sollen Sie. Darf ich Sie bitten, mir ruhig zuzuhören, ohne mich zu unterbrechen?“

Sein liebenswürdiger Ton bewirkte, daß der Herzog das Gefühl hatte, ein wenig vorschnell geurteilt zu haben. Trotzdem beharrte er auf seiner Meinung. Wenn der Staatssekretär glaubte, eine Ehe für ihn arrangieren zu können, befand er sich sehr im Irrtum.

Natürlich waren ihm im Laufe seines Lebens eine ganze Anzahl von Frauen begegnet, die sich aller ihnen zur Verfügung stehenden Verführungskünste bedient hatten, um ihn vor den Traualtar zu locken.

Den jungen Mädchen, die nach Indien gekommen waren, um sich einen Ehemann zu angeln, war er sorgsam aus dem Weg gegangen. Stattdessen hatte er seine Zeit entweder mit verheirateten Frauen verbracht, deren Ehemänner sich in dem heißen Klima zu sehr abrackerten, oder mit Witwen, die zu vernünftig erschienen, um einen mittellosen Offizier heiraten zu wollen, mochte er auch noch so attraktiv sein.

Leider war es meistens nicht dabei geblieben. Kaum waren sie sich näher gekommen, hatten sie alle guten Vorsätze und Prinzipien über Bord geworfen. In seinen Armen äußerten sie Heiratswünsche.

„Liebling, wir werden es schon schaffen“, beschworen sie ihn. „Ich besitze ein bißchen eigenes Geld. Wir werden so glücklich sein, daß nichts Anderes zählt.“

Er war klug genug gewesen, den flehenden Augen, die sich so schnell mit Tränen füllten, und den bebenden Lippen, die die seinen suchten, noch ehe er zum Kuß bereit war, zu widerstehen.

Auch wenn die Bewerberinnen um seine Gunst noch so schön und verführerisch gewesen waren, das Regiment, die Männer, die unter ihm dienten, und die geheimen Missionen, mit denen man ihn betraut hatte, hatten sich am Ende stets als interessanter und aufregender erwiesen als jede Frau - zumindest wenn es sich um eine feste Bindung handelte.

Damals hatte er beschlossen, niemals zu heiraten, falls nicht ein Wunder geschähe und er sich eine Ehefrau leisten konnte, was in seinem Fall so gut wie niemals bedeutete.

In Indien fiel es einem durchschnittlichen Offizier schwer genug, seine Kasinorechnungen zu bezahlen, wie sollte er dann auch noch den Unterhalt für eine Frau und Kinder aufbringen?

Er vermutete, daß er aufgrund seiner neuen Stellung in Schottland nicht nur die Verantwortung für seinen Clan, sondern auch eine ganze Menge aufgelaufener Schulden übernehmen mußte. Es war ihm aber nicht in den Sinn gekommen, daß ihm außerdem die Extravaganzen einer jungen Frau aufgebürdet werden sollten, die nicht normal gewesen wäre, wenn sie nicht ab und zu den Wunsch nach einem neuen Kleid verspürt hätte.

Diesen Unsinn gedachte er nicht mitzumachen. Dann war es schon besser, das Schloß so schnell wie möglich zuzusperren, einem seiner Verwandten die Verwaltung der Ländereien zu übertragen und nach Indien zurückzukehren.

Leider mußte das ein Wunschtraum bleiben, weil sein Pflichtgefühl ihm eine solche Handlungsweise verbot.

Da er ahnte, was auf ihn zukam, wappnete er sich innerlich auf die folgende Szene. Er würde einfach erklären, daß eine Ehe für ihn nicht in Betracht kam.

„Wie Sie wissen, grenzt das Land des Macbeth-Clans an das Ihre“, begann der Marquis von Lothian. „Ihre beiden Häuser liegen kaum zehn Meilen voneinander entfernt.“

„Ich erinnere mich an die Macbeths. Den Grafen habe ich allerdings seit mindestens fünfzehn Jahren nicht mehr gesehen. Als Jungen konnten wir unsere Nachbar-Clans nie leiden. Besonders die Macbeths nicht, wahrscheinlich, weil wir immer siegten, wenn wir mit ihnen kämpften.“

Der Marquis lachte.

„Im umgekehrten Fall hätten Sie sie vermutlich noch stärker gehaßt. Nur hatten Sie immer den Vorteil, über bessere und geschicktere Kämpfer zu verfügen, wenn es zu einem Überfall auf feindliches Gebiet kam.“

„Sie sind gut informiert, Mylord“, stellte der Herzog mit leisem Spott fest.

„Da eine meiner Verwandten einen McCaron heiratete, wurde mir Ihre Familiengeschichte jahrelang eingehämmert. Ihre üble Lage berührt mich daher ganz persönlich, und ich habe das Gefühl, etwas tun zu müssen.“

Der Herzog schwieg. Wenn es sich tatsächlich um seine Heirat drehte, war er fest entschlossen, nein zu sagen.

„Der Graf von Dalbeth ist vor etwa sechs Monaten gestorben“, fuhr der Marquis fort.

„Davon hatte ich keine Ahnung“, rief der Herzog. „Die Anzeige in den Zeitungen muß meiner Aufmerksamkeit entgangen sein.“

„Nach dem Tode seiner ersten Frau war er ein zutiefst unglücklicher Mann. Er heiratete ein zweites Mal. Seine Tochter Jane, die sich mit ihrer Stiefmutter nicht vertrug, schickte er nach Italien auf eine Schule. Die Ferien verbrachte sie meist bei ihrer Großmutter.“

Der Herzog lauschte mit spöttischer Miene, die Lippen zu einer schmalen Linie zusammengepreßt.

„Wie Sie sich vermutlich erinnern, hatte der Graf keine weiteren Kinder. Nach seinem Tode wurde Lady Jane daher die Gräfin von Dalbeth und Chieftain des Clans.“

„Ich bin sicher, daß sie ihren Pflichten in jeder Weise gerecht wird“, warf der Herzog ein.

Ohne die Unterbrechung zu beachten, fuhr der Marquis fort: „Es trat etwas ein, womit niemand gerechnet hatte. Kaum einen Monat nach dem Tode ihres Vaters und ihrer Rückkehr aus Italien wurde bekannt, daß sie von ihrer Patentante, die einen reichen Amerikaner geheiratet hatte und kinderlos geblieben war, ein riesiges Vermögen geerbt hatte. Meinen Informationen zufolge hat er sein Geld mit Öl verdient. Als er starb, hinterließ er alles seiner Frau, die wiederum ein Testament zu Gunsten ihrer Nichte machte. Lady Jane ist jetzt dadurch mehrfache Millionärin. Nun sind die Ältesten des Clans der Macbeth wie auch Ihres Clans zu dem Schluß gekommen, daß eine Heirat für beide Teile überaus günstig wäre.“

Sekundenlang verharrte der Herzog in Schweigen. Natürlich war ihm klar, was eine solche Verbindung nicht nur für die McCarons, sondern auch für die Macbeths bedeutete.

Die neue Gräfin war jung, zweifellos unerfahren und zudem Multimillionärin. Ohne Hilfe und Führung eines Ehemannes mit genügend Autorität konnten sich diese Umstände verheerend auswirken.

Bei einem solchen Vermögen würden sich bestimmt zahlreiche Bewerber um diese Stelle reißen. Da er die Ältesten seines Clans und deren Gegenspieler kannte, konnte er sich unschwer vorstellen, wie sie über die Gefahren und Fallstricke, die ihrem jungen weiblichen Chieftain drohten, die grauen Häupter schüttelten.

Was ihn betraf, so konnte er durch eine solche Heirat nur gewinnen. Lady Jane dagegen bekam einen vertrauenswürdigen Ehemann, in dessen Adern ähnliches Blut floß wie in den ihren.

Der Marquis schien seine Gedanken wie in einem offenen Buch zu lesen.

„Sir Iain McCaron war bereits bei mir, außerdem Duncan Macbeth mit zwei Verwandten der Gräfin. Sie waren fast außer sich vor Sorge um die Zukunft.“

„Ich dachte eher, daß sie sehr zufrieden waren“, bemerkte der Herzog spöttisch.

„In einer Hinsicht wohl“, stimmte der Marquis zu, „in anderer weniger. Lady Jane ist noch sehr jung und wurde, wenn ich richtig verstanden habe, in einem Kloster erzogen. Nun befürchten die Herren natürlich, daß sie bei dem ersten jungen Mann, der ihr gefällt, den Kopf verlieren könnte.“

„Wer weiß, vielleicht würde er einen ausgezeichneten Ehemann abgeben. Falls es sich nicht um einen Schotten handelt, könnte man ihn sicher überreden, sich in unserem Heimatland niederzulassen“, sagte der Herzog.

Natürlich waren das lediglich Ausflüchte. Der Marquis hatte recht, daß ein so junges und reiches Mädchen der Führung bedurfte, wenn es sich um eine so wichtige Sache wie die Ehe handelte.

Dem Gesetz zufolge ging das Vermögen einer Frau in den Besitz ihres Mannes über, sobald sie seinen Ring am Finger trug. In diesem Fall war es also durchaus möglich, daß Millionen von guten Texas-Dollars in die Hände des falschen Mannes fallen würden.

„Dieser Plan sollte Ihnen von Ihren Leuten zusammen mit den Macbeths schmackhaft gemacht werden“, fuhr der Marquis fort. „Man hat sich anscheinend anhand der hervorragenden Berichte sehr sorgfältig über Ihre militärische Karriere informiert. Dabei kam auch die Tatsache ans Tageslicht, daß man Ihnen im vergangenen Jahr eine Tapferkeitsmedaille verliehen hat.“

Der Herzog äußerte sich nicht dazu. Er erhob sich aus dem Sessel, der vor dem höchst eindrucksvollen Schreibtisch stand, durchquerte mit großen Schritten den Raum und starrte aus dem Fenster.

Draußen herrschte trübes Wetter. Die Gebäude gegenüber waren vom Londoner Schmutz grau gefärbt.

Er hatte das Gefühl, daß so seine Zukunft aussehen würde: dunkel, sonnenlos und langweilig. Welch ein krasser Gegensatz zu den aufregenden Abenteuern, die in Indien sein Leben bestimmt hatten.

Ich werde es nicht tun, sagte er zu sich selbst. Niemand kann mich zwingen.

Doch als er die Worte laut aussprechen sollte, kamen sie ihm nicht über die Lippen. Er wußte, daß er sich, ob es ihm nun gefiel oder nicht, als Führer seines Clans seiner Pflicht nicht entziehen durfte.

Diese Verbindung war von unschätzbarem Wert für die McCarons. Sie ermöglichte ihm, seine Ideen und Pläne zu verwirklichen, durch die er den jüngeren Männern Arbeit verschaffen konnte, die entweder ziemlich verloren im Lande herumzogen, um wenigstens eine zeitweilige Anstellung zu suchen, oder die Heimat in der Hoffnung verlassen hatten, jenseits des Meeres ihr Glück zu finden.

Manchmal hatten sie Erfolg, häufiger jedoch kehrten sie nach Hause zurück, um ärmer zu sterben, als sie es je im Leben gewesen waren.

Natürlich hatten die Macbeths die gleichen Probleme.

Eines stand allerdings fest. Es würde großes Geschick und viel Einfühlungsvermögen erfordern, diese Menschen zu überzeugen, etwas Neues zu versuchen. Das konnte schwierig werden, auch wenn genügend Geldmittel zur Verfügung standen.

Alles in allem war es ein vernünftiger Plan, wie er sich ehrlich eingestand, und genau das Richtige für beide Clans.

Was es für ihn persönlich bedeutete, stand auf einem anderen Blatt. Er war gezwungen, eine junge Frau zu heiraten, die er nicht kannte und mit der er vermutlich wenig gemein hatte. Auch für sein Eheleben sah er nichts als Langeweile voraus.

Die schottischen Mädchen, die er in der Vergangenheit gekannt hatte, waren nicht gerade ein Ausbund an Schönheit gewesen. Sie hatten kaum eine Ahnung von der Welt außerhalb der Grenzen ihres Heimatlandes gehabt.

Welch ein Gegensatz zu den erfahrenen und stets zu einem Flirt bereiten Frauen, mit denen er seine Tage und Nächte in Simla und gelegentlich eine Woche in den Hügeln am Fuße des Himalaya verbracht hatte.

Sie hatten exotischen Blüten in einer öden Wüste geglichen. Er hatte das leidenschaftliche Feuer, das sie in ihm erweckt hatten, in vollen Zügen genossen. Ihr Charme, ihr Lachen und ihre Verführungskünste hatten ihn bezaubert, obwohl er sie durchschaut hatte.

Wie er es nach diesen Erfahrungen ertragen sollte, einer einzigen Frau treu zu sein, war ihm unerfindlich. Vielleicht handelte es sich ja um ein liebes, nettes Geschöpf, aber sicherlich besaß sie kein Gehirn und hatte auch nicht die leiseste Ahnung, wie man einen Mann dazu bringen konnte, einen Blick in den Himmel zu werfen.

Ich kann es nicht, sagte der Herzog zu sich selbst.

Er wandte sich vom Fenster ab. Als er zum Schreibtisch zurückkehrte, hinter dem der Marquis schweigend auf ihn wartete, war ihm klar, daß ihm keine andere Wahl blieb.

Während der nächsten zwei Tage kam der Herzog kaum zur Besinnung. Unaufhörlich redete ihm jemand zu, richtete die dringende Bitte an ihn oder versuchte sogar, ihn unter Druck zu setzen. Schließlich kam es soweit, daß er das Gefühl hatte, zuschlagen zu müssen, wenn noch einmal in seiner Gegenwart das Wort Heirat fiel.

Die Beweggründe kannte er natürlich. Die älteren Clan-Mitglieder, die seinetwegen mit einer lebenslangen Gewohnheit gebrochen hatten, um nach London zu kommen, fürchteten voller Verzweiflung, daß sie ihn nicht dazu bringen konnten, ihre Ratschläge zu befolgen.

Sir Iain McCaron war es schließlich, der ihn auf seine fast unerträglich langsame und bedächtige Art überzeugte. Er hielt ihm die astronomisch hohe Schuldensumme vor Augen, die sein Onkel verursacht hatte.

„Wie konnte er nur so viel Geld ausgeben?“ fragte er entsetzt, als er den Gesamtbetrag erfuhr.

„Keith pflegte seine Schulden nie zu bezahlen, mein Lieber. Die meisten Rechnungen lagen ungeöffnet in seiner Schreibtischschublade. Es war eine teuflische Arbeit, sie zu sortieren. Dutzende von Gerichtsvorladungen konnten wir nur parieren, indem wir den Gläubigem versprachen, daß du ihre Forderungen erfüllst.“

Der Herzog lachte.

„Lieber Cousin, meine persönliche Habe würde kaum für die Briefmarken genügen.“

Die Antwort darauf kannte er. Jeder außer ihm selbst hielt die Ehe mit Lady Jane für die einzige Lösung des Problems.

Schließlich kapitulierte er, weil er keine andere Möglichkeit sah, den Familiennamen zu retten und gleichzeitig dem Clan zu nützen.

Von dem Augenblick an, als er seine Einwilligung gab, schien alles in Bewegung zu geraten. Die alten Grauköpfe eilten nach Schottland zurück, um alles für seinen Empfang und die bevorstehende Hochzeit vorzubereiten.

Der Herzog hatte noch eine Nacht in London zur freien Verfügung. Er nahm sich vor, seine Vergangenheit zu wiederholen und sein Leben wie damals zu genießen, als er noch ein kleiner, unbedeutender Offizier gewesen war.

Eine seiner früheren Freundinnen, falls man sie so nennen konnte, trat immer noch im Gaiety Theater auf. Sie sah auch nach drei Jahren immer noch hübsch und anziehend aus.

Nachdem er sich ihre Show, die gut wie eh und je war, angeschaut hatte, lud er sie zum Abendessen bei Romero ein. Dort erzählte sie ihm einiges von ihren Affären seit ihrem letzten Treffen.

Er war amüsiert und schockiert zugleich, als er von den Männern erfuhr, die sie mit Brillanten geschmückt hatten. Ihr derzeitiger Partner hatte ihr großmütig den Abend freigegeben, damit sie ihn mit ihm verbringen konnte.

„Richte ihm aus, daß ich ihm sehr verbunden bin“, sagte der Herzog. „Meine liebe Millie, du bist sogar noch hübscher als zu dem Zeitpunkt, als ich wegfuhr.“

Das entsprach nicht ganz der Wahrheit, war aber wohl das, was sie hören wollte. Sie legte ihre Hand auf die seine.

„Vielen Dank, lieber Talbot. Ich habe dich nie vergessen. Da du jetzt Herzog und sicher nicht mehr so knapp bei Kasse bist...“

Er hinderte sie am Weitersprechen.

„Ich fahre morgen früh nach Schottland, Millie. Ob ich jemals wiederkomme, steht in den Sternen.“

Sie stieß einen kleinen Schreckensschrei aus.

Als er bei Morgengrauen ihre Wohnung verließ, war er nicht sicher, ob er überhaupt zurückzukehren wünschte.

Vielleicht werde ich älter, dachte er seufzend.

Woran es auch immer lag, die Beziehung hatte ihren Glanz verloren. Vielleicht war es ohnehin nur eine trügerische Erinnerung gewesen, die ihn nach seinem letzten Heimaturlaub bis nach Indien begleitet hatte.

Sein Empfang im Schloß verlief so, wie er erwartet hatte. Die Dudelsackpfeifer, Ältesten und sonstigen Clan-Mitglieder waren meilenweit übers Moor gewandert, um ihn zu begrüßen. Selbstverständlich trugen sie alle einen Kilt in den McCaron-Farben.

Der Herzog war sehr froh, daß er seinerzeit im Lagerraum seines Clubs einen Koffer deponiert hatte, der seine schottische Nationaltracht enthielt. Das versetzte ihn in die Lage, in altherkömmlicher Tradition vor seine Leute zu treten.

Es wurden unzählige Reden gehalten, Trinksprüche ausgebracht und Erinnerungen an seine Kindheit ausgetauscht.

Als er schließlich im Schlafzimmer des Chieftains, in dem sein Onkel gestorben war, allein war, wußte er, daß er nach Hause gekommen war. Wenn auch Opfer von ihm verlangt wurden, sie waren der Mühe wert.

Kein Zweifel, daß viele seiner Clansleute in bitterer Armut lebten. Die Kilts waren zerschlissen, Schuh- und Stiefelsohlen abgelaufen, und die Häuser, die er gesehen hatte, waren dringend reparaturbedürftig.

Dasselbe ließ sich auch vom Schloß sagen. Der Marquis hatte recht gehabt mit seiner Behauptung, es wäre ein Vermögen erforderlich, um es vor dem Einsturz zu bewahren.

Der Herzog konnte nur hoffen, daß seine zukünftige Frau nichts dagegen hatte, wenn ihr Geld für solche Zwecke verwendet wurde.

Von außen wirkte es nach wie vor sehr eindrucksvoll mit seinen mit Schießscharten versehenen Türmchen. Die Löcher im Dach waren zum Glück nicht zu sehen. Die hohen Bleiglasfenster glänzten in der Sonne. Die Mauern waren mit Pfeilschlitzen versehen, durch die die Bogenschützen sich gegen angreifende Feinde gewehrt hatten.

Im Schlafzimmer des Chieftains stand seit drei Jahrhunderten das gleiche, riesige, Himmelbett. Doch der Teppich war zwischenzeitlich zerschlissen, die Vorhänge waren so abgeschossen, daß man sich kaum noch an ihre ursprüngliche Farbe erinnern konnte. Das zerrissene Innenfutter hing in Fetzen herunter, und einige Glasscheiben in den Fenstern zeigten Sprünge.

Als er seine Jacke mit den glänzend polierten Knöpfen auf einen Stuhl warf, brach eines der Beine ab.

Meine zukünftige Frau muß einen hohen Preis dafür bezahlen, daß ich sie zur Herzogin mache, dachte er bitter.

Am folgenden Tag verdrängte er alle unangenehmen Gedanken und ging Fischen. Im Fluß, wo er als Junge diesen Sport gelernt hatte, fing er gleich zwei herrliche Lachse.

Wohin er auch immer den Schritt lenkte, kamen die Leute aus ihren Hütten, um ihn zu begrüßen. Sie alle versicherten ihm auf Gälisch, wie sehr sie sich über seine Rückkehr freuten.

Der Herzog kannte den wahren Grund für ihre Freude. Für sie verkörperte er die Sicherheit und Beständigkeit, die sie solange entbehrt hatten.

Der Tod der beiden Söhne seines Onkels hatte den Clan tief erschüttert. Die Leute hatten schon halb gefürchtet, daß niemand da wäre, der ihren Platz einnehmen konnte.

Seine Existenz war inzwischen begreiflicherweise so gut wie in Vergessenheit geraten. Als Junge hatte er oft seine Ferien im Schloß verbracht, obwohl seine Eltern in Edinburgh gelebt hatten.

Dafür hatte es einen triftigen Grund gegeben. Seine Mutter war nicht kräftig genug gewesen, um die kalten und rauhen Winter im nördlichen Schottland durchzustehen.

Jetzt erzählten ihm die alten Frauen von seinen Eskapaden, die er längst vergessen hatte. Sie riefen ihm ins Gedächtnis zurück, wie er seinen ersten Lachs gefangen, sein erstes Moorhuhn geschossen und seinen ersten Hirsch zur Strecke gebracht hatte.

Allzu schnell für seinen Geschmack erhielt der Herzog eine Einladung zur Gräfinwitwe von Dalbeth, die ihn als Gast in ihrem Hause erwartete.

Es wäre einfacher gewesen, übers Moor zu reiten, statt nach Dalbeth House zu fahren, das am Rande der Klippen mit Blick auf die Nordsee thronte.

Das Schloß selbst war vor einem Jahrhundert geräumt worden. Es stand einige Meilen weiter an der Küste, wo die Felsen so stark abgebröckelt waren, daß die Lage ernstlich gefährlich wurde.

Damals hatte man den Grafen von Dalbeth gewarnt, daß es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis die ganze Felswand in sich zusammenbräche und das Schloß mit sich ins Meer risse.

Er hatte daher für sich und seine Familie ein neues Haus gebaut. Doch das Schloß wehrte sich gegen den Verfall. Es stand immer noch an seinem altgewohnten Platz und diente den heimkehrenden Fischerbooten als Landmarke.