Kitabı oku: «Liebe In Monte Carlo», sayfa 2

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Sie war sich auch nicht bewußt, daß ihre Haut in dieser Kleidung erstaunlich weiß wirkte und der rötliche Schimmer ihres Haares erst jetzt so richtig auffiel. Tempera war in den letzten Tagen so beschäftigt gewesen, daß sie kaum an sich selbst hatte denken können. Sie hatte auch wenig geschlafen, weil sie einkaufen und nähen, bügeln und für ihre Stiefmutter Koffer packen mußte.

Nur ein oder zweimal hatte sie protestiert, als die Kleiderrechnungen für Lady Rothley eintrafen und die fünfzig Pfund überstiegen, die sie für ihren Ausflug beiseitegelegt hatten.

„Wir müssen etwas Bargeld bei uns haben“, hatte Lady Rothley am Vorabend gesagt.

„Ich weiß. Aber du mußt damit sehr vorsichtig umgehen, Alaine. Du darfst wirklich nur so wenig wie möglich ausgeben. Wir haben nun schon unseren Notgroschen angegriffen, so daß davon kaum noch etwas vorhanden ist.“

„Wenn ich den Herzog heirate, brauchen wir keinen Notgroschen mehr.“

„Und wenn du ihn nicht heiratest?“ fragte Tempera schnell.

Lady Rothley verzog schmollend ihr schönes Gesicht wie ein Kind.

„Sei nicht so unfreundlich zu mir, Tempera“, bat sie. „Wir müssen mit dieser Sache durchkommen. Ich muß gewinnen! Ich muß unbedingt gewinnen!“

„Ja, ich weiß, Liebste“, stimmte Tempera zu, „aber wir müssen trotzdem vernünftig sein.“

„Wie ich das Wort hasse: Vernunft!“ beschwerte sich Lady Rothley. „Ich bin sicher, daß mir der Herzog einen Antrag machen wird. Von dem Augenblick an wird alles wunderbar laufen.“

Sie stieß einen kleinen Freudenlaut aus und fuhr fort: „Ich werde dann für dich einen Ball in Chevingham House geben. Wir werden dazu alle jungen Männer Englands einladen, die für dich in Frage kommen könnten. Sie sollen alle dir gehören, wenn ich erst einmal unter der Haube bin.“

Lady Rothley verlor sich in ihren Phantasien, von denen Tempera wußte, daß sie meistens keine Substanz hatten.

Tempera konnte das besorgte Gefühl nicht unterdrücken, der Herzog beabsichtige mit seiner Einladung vielleicht nichts anderes, als seine Party mit einer sehr schönen Frau zu schmücken. Nach allem, was sie über den Herzog von Chevingham gehört hatte, war er eher ein unzuverlässiger junger Mann, der seit seinem neunzehnten Lebensjahr alle Versuche seiner Mutter, ihn zu verheiraten, erfolgreich vereitelt hatte.

Wie sich aus dem Adelskalender ergab, war er jetzt dreißig Jahre alt. Es gab also gar keinen Grund anzunehmen, daß er nun eine Witwe zu heiraten beabsichtigte, die zwar schön, ihm aber durch Geblüt oder Geburt nicht ebenbürtig war. Tempera hatte das unbehagliche Gefühl, daß die großen Aristokraten, wenn es um die Heirat ging, eine passende Frau immer nur unter ihresgleichen suchten, wie seit eh und je. Es war deshalb sehr wahrscheinlich, daß der Herzog von Chevingham eine Tochter des Herzogs von Northumberland, Devonshire oder Richmond heiraten würde, und nicht eine Alaine Rothley. Aber Tempera wußte, daß sie ihre Stiefmutter mit solchen Gedanken nur belastet hätte, und deshalb schwieg sie.

Die Droschke fuhr nun langsam durch den Verkehr am Victoria-Bahnhof.

„Vergiß nicht, Alaine, daß du mich von nun an nur noch Riley nennen darfst, auch wenn wir allein sind, denn es könnte uns jemand belauschen.“

„Ich werde mich bemühen, daran zu denken. Wenigstens beginnt dieser Name mit demselben Buchstaben wie dein richtiger Nachname.“

Tempera lächelte, denn ihre Stiefmutter wiederholte nur, was sie ihr gesagt hatte. Sie fand, daß es immer fragwürdig sei, zu komplizierte Vorkehrungen zu treffen, wenn man sich verstellen wollte. Riley wich tatsächlich nicht zu sehr von Rothley ab. Tempera hatte diesen Namen gewählt, als sie in der National Gallery gewesen war, um die Zeichnung zu verkaufen. Dabei war sie an einem der herrlichen Porträts vorbeigekommen, die Riley im 17. Jahrhundert gemalt hatte und von denen dort nicht weniger als fünfzehn hingen.

Die Droschke hielt vor dem Bahnhof.

„Ich werde einen Gepäckträger holen“, sagte Tempera.

Sie stieg als Erste aus, winkte einem Gepäckträger und überwachte das Abladen der Koffer, die auf dem Dach des Wagens lagen.

Lady Rothley stieg ebenfalls aus und stand hilflos und sehr schön aussehend da. Nun kam auch schon ein Bedienter auf sie zu, der die Livree der Chevinghams trug. Er nahm seinen Zylinder, an dem eine Kokarde befestigt war, ab, verbeugte sich und fragte: „Verzeihung, Madam, werden Sie an der Party Seiner Hoheit, des Herzogs von Chevingham, teilnehmen?“

„Ich bin Lady Rothley!“

„Bitte folgen Sie mir, M’lady“, bat der Diener. „Man wird sich um Ihr Gepäck kümmern.“

Ein zweiter Diener trat auf Tempera zu.

„Machen Sie sich keine Mühe“, sagte er, „ich werde mich um alles kümmern.“

„Dann geben Sie acht, daß Sie nichts vergessen“, ermahnte Tempera ihn.

„Verlassen Sie sich nur auf mich“, erwiderte er. „Geben Sie mir diese Reisetasche. Es ist wirklich nicht nötig, daß Sie sie selbst schleppen, wenn wir einen Gepäckträger haben.“

Der Diener sprach ungezwungen und natürlich, eben wie ein Angestellter zum anderen. Als das Gepäck schließlich auf dem Karren aufgestapelt war und sie dem Gepäckträger folgten, ging Tempera neben ihm her.

„Sind Sie schon mal im Süden gewesen?“ fragte der Diener.

„Nein. Aber ich freue mich schon darauf.“

„Ganz nett, mal aus der Kälte herauszukommen. Ich beneide Sie.“

„Kommen Sie denn nicht mit?“ fragte Tempera.

„Das Glück hab’ ich nicht. Da sind meistens ,Franzmänner' im Château Seiner Hoheit. Ständige lokale Besatzung, sozusagen. Aber natürlich fährt Mr. Bates, der Butler, mit. Er ist schon Abend mit Seiner Hoheit abgereist und mit seinen Kammerdienern. Ich wollte, ich wäre unter ihnen.“

„Sagten Sie, Seine Hoheit sei schon abgereist?“

„So ist es“, bestätigte der Diener. „Er macht sich nichts aus dem Geschnatter und dem Lärm seiner Umgebung, wenn er verreist, und wer könnte ihm das übelnehmen?“

Der Diener grinste Tempera an und fügte hinzu: „Passen Sie nur gut auf sich auf, mit all diesen liebestollen Franzosen um Sie herum. Nach allem, was ich gehört habe, kann denen eine schöne Frau nicht über den Weg trauen.“

„Ich kann Ihnen versichern, daß ich schon auf mich aufpassen werde“, sagte Tempera förmlich.

„Na, hoffentlich“, erwiderte der Diener. „Aber halten Sie die Augen offen, und gehen Sie nicht allein im Mondschein spazieren.“

„Ich werde Ihren Rat beachten“, antwortete Tempera spröde.

„Die einzige Ausnahme wäre natürlich ich selbst“, er machte eine anzügliche Verbeugung, „Ihr untertänigster Diener. Ich würde mich nach Ihrer Rückkehr mit Vergnügen ein bißchen um Sie kümmern.“

„Ich werde mir das sehr sorgfältig überlegen“, sagte Tempera und konnte sich das Lachen kaum verkneifen.

Es lag natürlich nur an ihrer Jugend, daß der Diener es wagte, so unverschämt mit einer höherrangigen Bediensteten zu sprechen. Tempera konnte deshalb dem Flegel nicht böse sein.

Als sie den Zug erreichten, stellte sie fest, daß alles vorzüglich organisiert war. Der Herzog hatte zwei private Wagen an den normalen Schiffszug anhängen lassen. In dem einen waren seine Gäste, wie Lady Rothley, untergebracht. In dem anderen fuhren die Diener, ein Reisebegleiter und einige Bediente, die nur bis Dover mitkamen. Sie hatten eine unübersehbare Menge an persönlichem Gepäck eingeladen. Außerdem waren auch noch zwei Zofen dabei.

Als Tempera in den Wagen stieg, wurde ihr klar, daß diese Zofen nicht nur während der Reise, sondern auch auf dem Château selbst mit ihr zusammen sein würden. Sie wußte, daß nach der Etikette und dem Protokoll, das unter der Dienerschaft herrschte, die Zofen in der Hierarchie ganz oben standen und sich selbst als eine besondere Gattung einschätzten, die mit den gewöhnlichen Dienern wenig gemein hatte. Sie waren etwa gleichrangig mit den höheren Angestellten.

Vor vielen Jahren, als ihre Mutter mit ihrem Vater noch in den großen Häusern verkehrte, hatte sie diese Rangordnung kennengelernt. So saß die älteste, ranghöchste Zofe rechts neben dem Butler in der Gesindestube und der oberste Kammerdiener rechts neben dem Hausverwalter.

Tempera warf einen schnellen Blick auf die beiden anderen Zofen im Eisenbahnwagen. Sie waren sehr viel älter als sie selbst und sicherlich viel gewichtiger. Sie erfuhr bald, daß Miss Briggs die Zofe von Lady Holcombe und Miss Smith die Zofe von Lady Barnard war.

Sie kannten sich scheinbar schon recht gut, hatten aber offensichtlich nicht viel Sympathie füreinander. Miss Briggs hatte den Vorrang vor Miss Smith, und beide Frauen sahen in Tempera etwas geringschätzig die junge Anfängerin. Sie hörten sehr erfreut, daß Tempera noch nie in Südfrankreich gewesen war. So konnten sie ihre überlegenen Kenntnisse ausspielen, und Tempera mußte sich bei einigen Informationen, die sie nur von ihnen bekommen konnte, auf die beiden verlassen.

Als der Zug schließlich abfuhr, entspannten sie sich jedoch sehr schnell. Die Diener boten ihnen ein Glas Champagner an, das die Damen bereitwillig annahmen, um dann zu erklären, daß sie viel lieber Sandwiches mit Gänseleberpaste äßen als Sandwiches mit Kaviar.

„Eines muß man Seiner Hoheit jedoch lassen“, bemerkte Miss Briggs, als sie das zweite Glas Champagner trank, „was er tut, hat Stil. Sie werden es kaum für möglich halten, aber als wir im letzten Jahr zum Marquis von Tenby fuhren, mußte ich in einem ganz gewöhnlichen Abteil zweiter Klasse reisen, in dem auch noch ein Fremder saß.“

Die Dame sprach in einem solch entrüsteten Ton, daß Tempera Mühe hatte, nicht laut zu lachen.

„Sie haben Ihrer Lady hoffentlich gesagt, was Sie von einer solchen Behandlung halten“, äußerte sich Miss Smith vernehmlich.

„Sehr deutlich!“ betonte Miss Briggs. „Sie war den Tränen nahe, als ich ihr mitteilte, ich sei nach dieser unkomfortablen Reise nicht mehr imstande, ihr Kleid zu bügeln. Sie plante doch, es auf der wichtigen Party zu tragen, die sie am Abend unserer Ankunft besuchen wollte.“

„Auf diese Weise lernen sie es am besten!“ sagte Miss Smith voller Genugtuung. „Ich sehe gar nicht ein, daß wir uns mit irgendetwas abfinden sollen, wenn man bedenkt, daß unsere Ladys ohne uns völlig hilflos sind.“

Sie bemerkte, daß Tempera mit weit-aufgerissenen Augen zuhörte.

„Sie sind noch sehr jung, Miss Riley“, sagte sie etwas mitleidig. „Vermutlich haben Sie noch nicht viel Erfahrung?“

„Das stimmt“, bestätigte Tempera.

„Nun, dann nehmen Sie einen Rat von mir an“, ließ sich Miss Smith herab. „Pochen Sie auf Ihre Rechte und lassen Sie sich nicht davon abbringen. Heutzutage gibt es Herrschaften, die glauben, mit den Dienstboten könne man nach Belieben herumspringen. Aber wir in unserer Stellung können denen schnell beibringen, daß sie sich da irren.“

„Das ist in der Tat so!“ stimmte Miss Briggs mit einem schwachen Lächeln zu. „Aber auf dem Château Bellevue wird es uns nicht an Komfort mangeln. Ein Trost dafür, daß wir jetzt diese ermüdende Reise über uns ergehen lassen müssen.“

„Ich bin noch nie da gewesen“, bemerkte Miss Smith.

„Dort gibt es jeden Luxus“, erklärte Miss Briggs zufrieden. „Und ich kann Ihnen sagen, Miss Smith, das wiederum liegt nur daran, daß der Herzog nicht verheiratet ist. Ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, daß es in frauenlosen Haushalten, in denen keine hochnäsige Dame des Hauses herrscht, viel komfortabler zugeht.“

„Da kann ich Ihnen nur zustimmen!“ erklärte Miss Smith. „Aber es ist eigenartig, daß Seine Hoheit bisher nicht eingefangen wurde, wo er doch so besonders gut aussieht. Und dabei haben es schon viele Damen versucht, darauf können Sie mein Wort haben.“

„Da brauchen Sie mir nichts zu erzählen“, versetzte Miss Briggs spöttisch. „Letztes Jahr waren sogar zwei Ladys auf der Party hinter ihm her. So was habe ich noch nie gesehen. Sogar Mr. Bates, der Butler, sagte, er sei höchst erstaunt! Das hätte alles übertroffen, was er bis dahin miterlebt hätte.“

„Und die beiden hatten keinen Erfolg?“

„Natürlich nicht. Wenn Sie mich fragen: Seine Hoheit hat nicht die geringste Absicht, irgendjemanden zu heiraten. Er hat sich entschieden, Junggeselle zu bleiben, und wer könnte ihm das verdenken? So wie er aussieht und bei seinem Geld, könnte er jede Frau haben, die er sich nur wünscht, und er müßte nicht einmal Anstalten machen, ihr einen Ehering anzubieten.“

Tempera fühlte, wie ihr der Mut sank. Wenn dies die Wahrheit war, dann wären der Verkauf ihrer Zeichnung und all das Geld für die Kleider ihrer Stiefmutter umsonst gewesen!

Zweites Kapitel

Die Reise durch Frankreich war sogar für die Zofen angenehmer, als Tempera erwartet hatte. Als sie zehn Jahre alt war, hatte sie mit ihren Eltern Paris besichtigt, und nach dem Tode ihrer Mutter hatte ihr Vater sie einmal mit nach Brüssel genommen, um sie nicht allein in London zurückzulassen. Sonst hatte Tempera kaum Erfahrungen auf Reisen gesammelt. Die französischen Züge hatte sie sich immer als lärmend und unbequem vorgestellt.

Nun schien es ihr doch sehr aufregend, in den Privatwagen des Herzogs zu fahren, die nicht nur aus Wohnraum, Ess- und Schlafräumen für seine Gäste bestanden, sondern auch Schlafkabinen für die Angestellten enthielten.

Tempera war sehr glücklich über ihr eigenes kleines Abteil. Schon früh am Morgen zog sie die Jalousie hoch und schaute auf die vorbeiziehende Landschaft. Die sonnenbeschienenen Felder sahen sehr schön aus. Viel früher als erwartet, erblickte sie das lebhafte Blau des Mittelmeeres, als der Zug in St. Raphael einfuhr.

Tempera hätte sehr gern bis zum Ende der Reise aus dem Fenster gesehen, aber ihre neue Rolle als Zofe ließ das nicht zu. Nachdem sie mit den anderen Zofen eine Tasse Kaffee und frische Croissants zu sich genommen hatte, gingen sie gemeinsam in den Schlafwagen, um ihren Herrinnen bei der Morgentoilette behilflich zu sein.

Tempera hatte den Wohnraum schon am Abend zuvor gesehen, als sie die Sachen ihrer Stiefmutter auspackte. Die Wände waren mit Seide bespannt und die Sessel und Sofas mit blaßgrünem Brokat bezogen. Die Vorhänge waren grün und weiß, und ein farbenprächtiger indischer Teppich bedeckte den Boden.

Sie war sehr beeindruckt, auch von dem Schlafzimmer Lady Rothleys, das größer und luxuriöser als die üblichen Schlafzimmer war. Der Waschtisch und das Becken bestanden, wie alle Gegenstände im Toilettenraum, aus weißem Metall und waren mit rotem marokkanischem Leder bezogen.

Als Tempera eintrat, fand sie, daß Lady Rothley selbst am frühen Morgen schön aussah. Sie hatte zwar noch verschlafene Augen, aber ihr rotgoldenes Haar hing über ihre wohlgerundeten Schultern, und jeder, der sie so sah, hätte sie als außerordentlich begehrenswert empfunden.

„Du hast mich aufgeweckt!“ seufzte Lady Rothley vorwurfsvoll.

„Das tut mir leid, Alaine, aber wir werden in ungefähr einer Stunde ankommen, und du weißt, wie lange es dauert, bis du angezogen bist.“.

Dann fiel ihr ein, daß sie aus ihrer Rolle gefallen war, und sagte schnell: „Sie müssen aufstehen, Mylady, der Zug wird in Villefranche keinen langen Aufenthalt haben. Dort müssen wir aussteigen und fahren dann nach Monte Carlo weiter.“

„Wir können doch ganz normal sprechen“, meinte Lady Rothley. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß hier jemand am Schlüsselloch lauscht.“

„Das kann man nie wissen“, entgegnete Tempera. „Außerdem mußt du dich daran gewöhnen, mich als Riley anzureden.“

„Ich bin noch so müde“, beklagte sich Lady Rothley. „In Zügen schlafe ich nie gut.“

Das war bestimmt nicht wahr, aber Tempera hatte keine Lust, sich zu streiten. Sie war von der Landschaft, die sie seit St. Raphael gesehen hatte, so hingerissen, daß sie kaum an etwas anderes als an diese atemberaubende Schönheit denken konnte. Ihr Vater hatte ihr die Landschaft oft genug beschrieben, aber was waren schon Beschreibungen gegen das, was sie nun selbst sah. Tempera hatte es sehr bedauert, daß sie einen Teil der Reise nachts zurücklegten, so daß sie Frankreich und die Ausläufer der Alpen nicht sehen konnte.

Es war ziemlich schwierig, Lady Rothley aus dem Bett und in ihr elegantes blaßblaues Kleid zu bekommen, welches sie bei ihrer Ankunft tragen wollte.

Tempera packte das Reisekleid und den pelzgefütterten Mantel ihrer Stiefmutter ein und holte einen breiten Hut mit Kornblumen, der zum Kleid paßte, heraus. Sie hatte dabei das Gefühl, als packe sie damit alle Schwierigkeiten und Probleme der Vergangenheit ein und öffne die Tür zu etwas Neuem.

Der Zug hielt längere Zeit in Nizza. Tempera hätte gerne die Stadt besichtigt, ihre Architektur und die Promenade des Anglais, von der ihr Vater ihr viel erzählt hatte. Auf diesem Boulevard saßen die Lebemänner und pflegten mit erfahrenen Blicken die Frauen zu taxieren, die vorübergingen.

Aber es blieb wenig Zeit, solchen Träumen nachzuhängen. Und Lady Rothley war knapp fertig geworden, als der Zug wenige Minuten, nachdem er Nizza verlassen hatte, dampfend in Villefranche einlief.

Tempera konnte nun die Tüchtigkeit und das Organisationstalent des Herzogs bewundern. Zwei Wagen erwarteten seine Gäste, und ein Landauer stand für die Dienerschaft bereit. Er hatte gegenüberliegende Sitze hinter den Pferden und außerdem - was Tempera besonders auffiel - ein Verdeck aus Leinen mit Fransen, das die Insassen vor der Sonne schützte.

Weitere Wagen beförderten das Gepäck der Gäste. Noch bevor es aussortiert und von den persönlichen Dienern identifiziert worden war, waren die Damen und Herren in ihren Wagen schon unterwegs. Lady Rothley sah sehr lieblich aus. Ihr Gesicht wurde von einem blauen Sonnenschirm beschattet, der zu ihrem Kleid paßte.

Nachdem Tempera sich vergewissert hatte, daß alle Lederkoffer und Hutschachteln ihrer Stiefmutter in den Gepäckwagen gebracht worden waren, setzte sich der Landauer in Bewegung. Tempera hatte nun Zeit, sich umzusehen. Sie kamen an dem Hafen von Villefranche mit seinen hochmastigen Handelsschiffen und schimmernden weißen Motorjachten vorbei. Eine von ihnen gehörte vermutlich dem Herzog, aber sie wollte nicht neugierig erscheinen und Fragen stellen, sondern begnügte sich damit, die halbtropische Vegetation zu bewundern, als die Pferde sie langsam einen Hügel hinaufzogen.

Beide Seiten der Straße wurden von Olivenhainen, Palmen und anmutigen kleinen Tälern gesäumt, die voller wilder Blumen standen.

Tempera war etwas enttäuscht, daß sie nicht an der See entlangfuhren. Aber dann war sie doch entzückt, als sie zwischen den Bäumen in weiter Entfernung die schneebedeckten Berge sah.

Die Mädchen schwatzten. Zu jeder anderen Zeit hätte Tempera ihnen zugehört, um vielleicht etwas zu erfahren, was für sie nützlich wäre. Aber jetzt konnte sie nur die wilden Orchideen und die gelben Kaiserkronen, die weißen und violetten Krokusse, die purpurnen Soldanellen und andere Alpenblumen bewundern.

Sie fuhren immer höher hinauf. Plötzlich sah sie es vor sich, hoch über dem Meer und einem Vorgebirge, das sicherlich St. Hospice war, und vor blauem Himmel: die Silhouette eines Schlosses.

„Was ist das?“ fragte sie das Mädchen neben sich.

Miss Briggs unterbrach ihr Gespräch und blickte uninteressiert auf.

„Das ist das Château Bellevue, zu dem wir fahren.“

„Ist das das Haus des Herzogs?“ fragte Tempera erstaunt.

„Ziemlich eindrucksvoll, nicht wahr?“ bemerkte Miss Briggs.

Es war nur eine unvollkommene Beschreibung dessen, was Tempera vor sich liegen sah. Das ganze ähnelte einer mittelalterlichen Burg, die das Land bewachte, so daß Tempera annahm, es handle sich um eine modernisierte Befestigungsanlage. Aber sie hörte, daß es von dem Vater des Herzogs um 1880 erbaut worden war, also zur selben Zeit, als der Premierminister, der Marquis von Salisbury, seine Villa errichten ließ.

Wahrscheinlich hatte der sechste Herzog von Chevingham alle anderen übertrumpfen wollen und deshalb einen italienischen Architekten engagiert, der eines der berühmtesten Schlösser in Italien kopiert hatte.

Der Architekt und der Herzog hatten seinerzeit einen Bauplatz ausgesucht, der die ganze Küste beherrschte. Das Schloß thronte hoch oben auf der Spitze der Felsen und überschaute das kleine Dorf Beaulieu und das Vorgebirge von St. Hospice. Auf der einen Seite von Château Bellevue fielen die Felsen mehrere hundert Meter steil zum Meer ab, und hier sah es aus, als schwebe das Schloß über dem Abgrund und könne durch einen starken Wind die steilen Klippen hinuntergeweht und vernichtet werden. Auf der anderen Seite jedoch wirkte es völlig geschützt und sicher. Hier sahen die Fenster auf das Tal und andere Hügel hinaus. In der Ferne erblickte man von hier aus die Spitzen eines Gebirges.

Wie Tempera später erfuhr, gehörten die Gärten, die an der Steilküste entlang verliefen und hinter dem Schloß anstiegen, zu den exotischsten und erlesensten der ganzen Gegend.

Als sie durch den gewölbten Torweg fuhren, war sie von all den prächtigen Farben überwältigt, und ihr Herz klopfte. Tempera hatte sich nicht vorstellen können, daß die Bougainvillea so purpurn blühte und die Duftgeranien so viele Schattierungen von Rosa zeigen konnten.

Das Spiel von Sonnenlicht und Schatten auf den Mauern war von einer Schönheit, die auch ihren Vater bewegt hätte. Später brauchte sie nur aus einem der Fenster zu schauen, die auf die See hinausgingen, um von dem Bild der Landschaft unter ihr gefesselt zu sein.

Nach ihrer Ankunft mußte Tempera sich zunächst damit beschäftigen, das Schlafzimmer ihrer Stiefmutter zu finden und das Gepäck in Empfang zu nehmen und auszupacken, nachdem es eingetroffen war.

Sie hatte gerade mit dem Auspacken begonnen, als Lady Rothley zu ihr trat.

„Es ist so aufregend, Tempera!“ sagte sie, sobald sie die Tür fest hinter sich geschlossen hatte. „Es ist nur eine kleine Gesellschaft, und offenbar werde ich neben dem Herzog sitzen.“

Eine gewisse Erregung schwang in ihrer Stimme mit, als sie fortfuhr: „Nur ein Mann ist ohne Begleitung hier, Lord Eustace Yate. Ich habe ihn früher schon einmal kennengelernt und werde mich bemühen, ihm möglichst aus dem Weg zu gehen.“

„Warum?“ fragte Tempera.

Sie schüttelte gerade ein Kleid aus, das ziemlich zerknittert war, obwohl sie es vorher sorgfältig in mehrere Lagen von Seidenpapier verpackt hatte.

„Lord Eustace ist der Sohn des Herzogs von Tring, der außerhalb von England leben muß, weil er bankrottgegangen ist“, erklärte Lady Rothley.

„Wenn Lord Eustace kein Geld hat, sind wir natürlich nicht an ihm interessiert“, sagte Tempera.

„Das meinte ich auch“, antwortete Lady Rothley. „Aber er ist ziemlich attraktiv, und er hat so eine gewisse Art an sich, wie meine Kinderfrau immer zu sagen pflegte.“

„Wenn er so arm ist wie sein Vater, wird er nicht an dir interessiert sein.“

„Natürlich nicht ernstlich“, stimmte Lady Rothley zu. „Er sieht sich offenbar nach einer reichen Frau um, das vermuten wir alle. Aber er hat es nicht leicht, eine zu finden.“

„Und warum?“ forschte Tempera nach, während sie ein anderes Kleid herauszog und zu ihrer Erleichterung feststellte, daß es nur wenig aufgebügelt werden mußte.

„Weil ihm der Ruf vorausgeht, ein Playboy zu sein. Kein pflichtbewußter Vater würde es seiner Tochter erlauben, Lord Eustace zu heiraten, der überdies nicht einmal den Herzogstitel tragen wird, weil er nämlich noch einen älteren Bruder hat.“

Dabei stützte sie das Gesicht auf ihre Hände und überlegte laut: „Ich glaube, der Herzog hat ihn nur aus Gutmütigkeit eingeladen. So bleibe nur ich für den Herzog. Die anderen Herren sind Ehemänner mit ihren Frauen.“

„In diesem riesigen Schloß ist noch viel Platz für weitere Gäste“, bemerkte Tempera.

„Gerade deshalb ist es so offensichtlich, daß der Herzog mich eingeladen hat, weil er meine Gesellschaft sucht“, sagte Lady Rothley selbstgefällig.

Sie stand auf und betrachtete sich im Spiegel. Ungeduldig rief sie dabei: „Um Himmels willen, Tempera, mach etwas aus meinem Haar! Ich will nach unten gehen, um den Herzog auf der Terrasse zu treffen, und sehe doch nach dieser schlaflosen Nacht wie ein Wrack aus!“

Sie ähnelte keineswegs einem Wrack, wie sie beide sehr wohl wußten, aber Tempera ordnete trotzdem ihr Haar, und Lady Rothley verteilte noch etwas Puder auf ihrer zarten Haut und einen Hauch von Lippenstift auf ihrem Mund.

„Nimm nicht zu viel!“ warnte Tempera sie.

„Wir sind aber jetzt in Frankreich“, erwiderte ihre Stiefmutter. „Und die Französinnen sind immer sehr zurechtgemacht.“

„Sie sehen bestimmt ziemlich flott aus, aber das mußt du als englische Lady vermeiden“, sagte Tempera.

Sie dachte bei sich, daß es schrecklich wäre, wenn der Herzog ihrer schönen Stiefmutter gegenüber keine ernsthaften Absichten hätte, sondern in Wirklichkeit etwas ganz anderes erwartete. Je mehr sie von den Besitztümern des Herzogs sah und über ihn erfuhr, desto unwahrscheinlicher schien es ihr, daß er eine Heirat erwog. Es sei denn, daß er von ihrer Stiefmutter so hingerissen war wie früher ihr Vater und daß er vor Verliebtheit den Kopf verlor.

Aber es gab keinen Grund, ihre Stiefmutter mit solchen Überlegungen zu beunruhigen. Als sich Lady Rothley vom Spiegel abwandte, um die Treppe zur Terrasse hinunterzugehen, sah sie äußerst schön aus.

„Vergiß nicht, Alaine: Nur ansehen und zuhören“, ermahnte Tempera sie noch schnell, bevor sie die Tür öffnete. „Gib keine Kommentare zu den Bildern ab, höchstens daß du sagst, sie seien wundervoll. Laß mich sie erst ansehen, dann werde ich dir sagen, wie sie zu beurteilen sind.“

„Ich werde mich daran halten“, versprach Lady Rothley gehorsam.

„Du kannst die Villa und den Ausblick bewundern, aber je weniger du wirklich sagst, umso besser ist es“, fuhr Tempera fort. „Du mußt nur immer deine Augen bewundernd auf den Herzog richten. Es gibt nur wenige Männer, die dem widerstehen können.“

„Er sollte lieber seine Augen auf mich richten!“ gab Lady Rothley zurück.

„Ich weiß, aber denke daran, daß er ein Herzog ist. Herzöge sind eine besondere Sorte von Menschen.“

„Irgendwo müssen auch sie ein Herz unter ihrem stachligen Panzer haben“, bemerkte Lady Rothley mit einem ganz überraschenden Anflug von Ironie.

Mit einem Lächeln ging sie. Tempera wandte sich wieder den Koffern zu. Sie konnte aber eine gewisse Unruhe nicht unterdrücken. Alles hing nun davon ab, ob der Herzog ihre Stiefmutter unwiderstehlich verführerisch fand. Aber niemand wußte besser als Tempera, wie dumm sie wirken konnte, wenn es zu irgendeiner intelligenten Konversation kam.

Aber dann sagte sie sich, daß sie vielleicht unnötig ängstlich sei. Die Chevingham-Sammlung war ja von dem alten Herzog zusammengestellt worden. Und vielleicht war sein Sohn gar nicht besonders an den Schätzen interessiert, die an den Wänden hingen und die Räume seiner großen Häuser füllten.

Seitdem Lady Rothley zum ersten Mal von dem Herzog erzählt hatte, hatte Tempera versucht, sich an alles zu erinnern, was sie von ihrem Vater über ihn wußte. Aber soweit sie sich erinnerte, war er ihm niemals persönlich begegnet.

Tatsache war, daß ihr Vater Chevingham House besucht hatte. Als er nach Hause gekommen war, hatte er ihrer Mutter und ihr von der erlesenen Van-Dyck-Sammlung berichtet, die in einem besonderen Raum hing, ebenso von vielen anderen großen Niederländischen Meistern. Aber er hatte selbst immer nur mit dem alten Herzog in Verbindung gestanden. Und der jetzige Besitzer von Chevingham House hatte den Herzogstitel erst vor vier Jahren erworben.

Tempera hatte sich natürlich im Adelskalender über ihn informiert. Aber darin war außer seinem Alter und seinem Namen nur sehr wenig zu finden. Einer dieser dort aufgeführten Namen war zu ihrer Belustigung ,Velde' gewesen. Wahrscheinlich hatte der alte Herzog seinen Sohn nach einem berühmten holländischen Marinemaler benannt, von dem er viele Gemälde besaß. Tempera erinnerte sich, daß es nicht weniger als drei Van de Veldes gegeben hatte. Nachdem sie nun vom Namen des Herzogs gehört hatte, wünschte sie sich, die Bilder in Muße betrachten zu können.

Mehrere Bilder von Wilhelm Van De Velde dem Älteren, nicht in Öl, sondern mit einer Rohrfeder auf einem gemalten weißen Hintergrund gezeichnet, befanden sich im National Marine Museum in Greenwich.

Aber das wäre alles nur bedeutsam für Lady Rothley und Tempera, wenn der Herzog denselben ausgeprägten Geschmack hätte wie sein Vater. Dann würde er sicherlich auch erwarten, daß seine Frau sein Interesse an Gemälden teilte.

Tempera seufzte. Es war nahezu unmöglich, ihrer Stiefmutter Verständnis für Gemälde beizubringen. Sie konnte sich auch nicht länger als zwei Minuten an den Namen eines Künstlers erinnern, ganz abgesehen davon, daß sie völlig außerstande war, seine Arbeit zu beurteilen.

Als Lady Rothley vor Jahren gerade Sir Francis geheiratet hatte und ihm gefallen wollte, hatte sie Tempera gebeten, sie in die National Gallery mitzunehmen. Aber schon nach einer halben Stunde war sie völlig erschöpft auf einen Stuhl gesunken und hatte sich geweigert, noch weiterzugehen.

„Es ist sinnlos, Tempera“, hatte sie damals gesagt. „Ich werde nie in der Lage sein, ein Bild von einem anderen zu unterscheiden, und - ganz offen gesagt, Bilder langweilen mich entsetzlich! Alle diese spießigen Gesichter und öden Landschaften und diese nackten Göttinnen machen mir Magenschmerzen! Dein Vater möchte, daß ich schön bin und daß ich ihn bewundere. Alles andere ist ihm ganz gleichgültig!“

Tempera hatte zugeben müssen, daß dies die Wahrheit war. Sie hatte es deshalb aufgegeben, ihre Stiefmutter zu erziehen.

Nun bedauerte sie, nicht hartnäckiger gewesen zu sein. Und sie konnte nur darum beten, daß der Herzog nicht merkte, wie ahnungslos ihre Stiefmutter war.

Ich muß es irgendwie schaffen, nach unten zu gehen, überlegte sie sich, und versuchen, die Bilder zu sehen. Wenn ich Alaine dann über ein Bild informiere, kann sie vielleicht den Herzog mit ihrem Wissen beeindrucken und den Rest vergessen.

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