Kitabı oku: «Ich muss meinen Weg gehen ...», sayfa 2
ERWIN KRÄUTLER:
Das Erste ist, dass wir Informationen weitergeben. Da sind die Medien gefragt. Das Zweite ist, dass wir Menschen, die unsere Hilfe benötigen, auch tatsächlich unterstützen. Ich spreche nicht von Almosen. Aber ich weiß ganz genau, unser Einsatz ist nur möglich, wenn uns Leute auch finanziell unterstützen. Es geht um geschwisterliches Teilen. Eine andere Möglichkeit ist, Fair-Trade-Produkte zu kaufen. Wenn ich solche Produkte kaufe, heißt das nicht nur, dass die Menschen einen gerechten Lohn bekommen, sondern man sagt damit auch: „Ich bin nicht einverstanden! Ich möchte gerechte Verhältnisse! Ich möchte zum Frieden beitragen!“
BETTINA SCHIMAK:
Könnten Sie als Bischof ohne internationale Unterstützung weiterarbeiten?
ERWIN KRÄUTLER:
Es ist heute absolut unmöglich, ohne die Unterstützung der Heimat unsere Projekte und Initiativen durchzuführen. Wir sind abhängig davon. Aber ich habe keine Hemmungen, muss ich ehrlich sagen. Wenn es Leuten besser geht, sind sie aufgefordert, mit denen zu teilen, denen es weniger gut geht – wie auch immer das aussehen mag.
BETTINA SCHIMAK:
Können Sie sich vorstellen, mit 75 Jahren zu sagen „Jetzt gehe ich und lege die Füße hoch“?
ERWIN KRÄUTLER:
Nein, ich will nicht so denken. Ich möchte den Weg weitergehen, solange mir der liebe Gott die Gesundheit dazu schenkt. Ich will nicht sagen: „Ich habe mein Pflicht getan!“ Einsatz ist viel mehr: Es geht darum, sich mit diesen Menschen zu identifizieren. Zu sagen: Ich bin mit euch da. Das ist die wunderbarste Botschaft der Menschwerdung Gottes: „Ich bin mit euch – alle Tage bis ans Ende der Welt!“ Wir müssen davon wegkommen, dass wir Menschen als Objekte unserer karitativen Tätigkeit ansehen. Sie sind Subjekte. Sie schreiben ihre eigene Geschichte. Wir können dabei sein, ihnen die Hand reichen, sie umarmen und küssen. Wir stehen nicht drunter und nicht drüber. Die Menschen sollen spüren, dass ich sie gern mag, dass sie mit mir rechnen können, dass ich sie als Subjekte respektiere – als Menschen, die ihre eigene Geschichte haben, ihre eigene Geschichte schreiben – und vielleicht gehöre ich ja auch zu dieser Geschichte dazu.
Mein anderes Leben
Der „Wetten, dass …?“-Kandidat über sein Leben nach dem Unfall
„Der Unfall hat mir gezeigt, dass ich überhaupt nicht frei bin. Dass keiner frei ist, der nicht wirklich erkennt, dass er abhängig ist!“
Millionen Menschen sitzen vor den Fernsehgeräten, als Samuel Koch am 4. Dezember 2010 in Düsseldorf bei der Sendung „Wetten, dass …?“ versucht, mit Sprungfedern an den Füßen über ein Auto zu springen. Er verunglückt dabei schwer. Seither ist der Schauspielstudent vom Kopf abwärts gelähmt.
In den vergangenen drei Jahren hat Samuel Koch verblüffende Fortschritte gemacht. Er nimmt sein Studium in Hannover an der Hochschule für Musik, Theater und Medien wieder auf. An den Unfall denkt er oft zurück: „Man geht schon immer wieder mal im Kopf durch, was man falsch gemacht haben könnte“, erzählt er. Weshalb er jedoch zu flach abspringt und deshalb mit dem Kopf das Dach des Autos touchiert, kann er nicht sagen. Monatelang trainiert er für den Sprung – mehr als 500 Sprünge absolviert er unfallfrei, bevor das Unglück passiert. Heute blickt Samuel Koch nach vorn. Ist überzeugt davon, zum Beispiel als Regisseur oder Journalist sein eigenes Geld verdienen zu können.
Samuel Koch hatte seit jeher großes Vertrauen. Dieses Vertrauen ist tief verankert. Der querschnittgelähmte Tetraplegiker8 ist gläubiger Christ. Selbst knapp vor dem Sprung bei „Wetten, dass …?“ denkt Samuel Koch an Gott. In seiner Biografie9 beschreibt er diesen Moment:
„Wieder der Psalm in meinem Kopf und meinem Herzen. Ich gebe meinem Vater das Zeichen. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal … er bestätigt es mir … fürchte ich kein Unglück … linker Fuß … denn du bist bei mir … rechter Fuß, linker Fuß, Einsprung, Absprung – hoch in den Salto! Ein Knall. Nacht.“
Nach dem Unfall kommt er ins Zweifeln – wo Gott ist, warum er ihm das antut. Seinen Glauben jedoch wirft Samuel Koch nicht ab – im Gegenteil: „Klar gibt’s Phasen, wo Gott hinterfragt wurde, was das soll, aber letztendlich hat das eher den Glauben intensiviert“, sagt er. Weshalb er, nach all dem, was passiert ist, an einen liebenden Gott glauben kann? „Ja, das frage ich mich auch! … Aber ich bin mir sicher, dass Gott nicht will, dass wir leiden oder dass es Leid auf der Welt gibt!“ Dass Gott dem Menschen den freien Willen geschenkt hat, habe eben zur Konsequenz, dass es auch zum Chaos und zu Katastrophen kommen kann, ist der 26-Jährige überzeugt.
Der Filmemacher MICHAEL CENCIG hat im Dezember 2012 Samuel Koch in Hannover getroffen und ein Porträt10 über den jungen Mann gestaltet. Dafür hat er mit Samuel Koch das folgende Interview gemacht. Im Fokus stand Persönliches von Samuel Koch, sein Zugang zu Weihnachten und dem Fest des heiligen Stephanus, das seit dem 5. Jahrhundert in Erinnerung an das Martyrium des Heiligen begangen wird. Gleich nach dem Weihnachtsfest erinnert es daran, wie nahe Freude und Leid beieinanderliegen können.
MICHAEL CENCIG IM GESPRÄCH MIT SAMUEL KOCH
MICHAEL CENCIG:
Sie haben erzählt, Sie haben vor Ihrem Sprung über das Auto gebetet …
SAMUEL KOCH:
Ja. Ich habe mein Leben lang Sport gemacht. Seit ich fünf, sechs Jahre alt war. Ich habe Wettkämpfe bestritten, später akrobatische Auftritte gehabt. Mit dieser „Autospring-Nummer“ habe ich bereits fünf oder sechs Jahre vor „Wetten, dass …?“ angefangen, hab damit ein bisschen Geld dazuverdient. So wie andere ein Maskottchen vor dem Auftritt küssen, sich bekreuzigen oder was auch immer tun, war mein Ritual, ein Gebet zu sprechen – in welcher Form auch immer. Ich bin christlich aufgewachsen und erzogen worden – ich habe mich später eine Zeit lang zwar davon distanziert, den Glauben aber für mich wiederentdeckt und als meine Wahrheit gefunden. Für mich waren auswendig gelernte Psalmen, die schon in der Bibel vorformuliert sind, am wenigsten hinderlich, während ich mich auf den Sprung konzentrierte. So war es auch bei diesem Auftritt – da hatte ich den Psalm 23 auf den Lippen beziehungsweise im Hinterkopf. Ich habe nur noch die Sekunden in Erinnerung, wo ich anlaufe – auf das Auto zu – und kurz vor dem Absprung endet meine Erinnerung. Da waren eben noch die Worte in meinem Kopf aus dem Psalm 23: „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unheil, denn du bist bei mir.“ Und dann: … bums! …
MICHAEL CENCIG:
… dann ist der Faden gerissen …
SAMUEL KOCH:
Ja, das kann man sagen. Das war sehr schade, weil ich gerade mitten im Studium stand und dachte: Gut, mit dieser Gage hier ist mein Studium erst einmal gesichert. Ich kann vielleicht mein Auto weiter behalten und die Miete die nächsten Jahre bezahlen. Ich kann mich voll aufs Studium konzentrieren und muss mich nicht länger mit so unorthodoxen Studienfinanzierungs-Jobs beschäftigen, die eigentlich nur ablenken. Ich hatte halt – mal hier, mal da – so einen „Hallodri-Auftritt“. Ich dachte mir: „So, nach dieser, Wetten, dass …?‘-Geschichte ist erst mal Schluss und dann starte ich so richtig durch.“ Umso mehr ist dann der Faden gerissen, denn dann war wirklich Schluss!
MICHAEL CENCIG:
Was haben Sie damals studiert?
SAMUEL KOCH:
Ich hatte das große Privileg, in Hannover an der Hochschule für Musik, Theater und Medien einen von zehn Studienplätzen angeboten bekommen zu haben. Im Studiengang Schauspiel, wofür sich sehr viele bewerben.
MICHAEL CENCIG:
Aber Sie können Ihr Studium jetzt fortsetzen …
SAMUEL KOCH:
Ja, ich bin nach wie vor immatrikuliert. Diese Nachricht habe ich schon sehr früh, in der Klinik, bekommen. Das war sehr schön! Ein Regisseur hat sich meiner angenommen und die Dozenten haben gesagt: „Ja, wir versuchen es einmal. Wir wissen zwar nicht, wie das werden wird, aber wir versuchen es!“ So eine Situation hat es ja noch nie gegeben. Theoretisch würde ich in so einem Zustand nie und nimmer eine Aufnahmeprüfung bestehen. Da muss man realistisch sein. Aber sie haben gesagt, sie würden es probieren. Zusätzlich wurde mir noch anderes angeboten. An die Hochschule ist auch das Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung angeschlossen. Da kann ich im Bereich Medienwissenschaft meinen Horizont erweitern und mich ein wenig neu orientieren, um zu sehen, welche Alternativen es gibt. Das ist wirklich ein sehr schönes Angebot von der Hochschule – wo auch immer das hinführt.
MICHAEL CENCIG:
Ich nehme an, das ist ein Faktor, der Ihnen Lebensmut gibt, oder?
SAMUEL KOCH:
Lebensmut. Das ist ein starker Begriff. Natürlich, wenn man eine Beschäftigung hat, ist man meistens motiviert. Aber, was macht Mut? Wenn sich Leute einem anvertrauen oder einem trauen und sagen „Probier das doch!“ oder „Wir machen das jetzt mit dir!“. Das macht natürlich Mut. Oder: Wir haben in der Hochschule das Stück „Nach Moskau!?“ nach Anton Tschechows „Drei Schwestern“ zusammen mit Jan Konieczny11 inszeniert. Ein Ziel ist immer, das Publikum zum Weinen, zum Lachen und – wenn es sich darauf einlässt – zum Nachdenken anzuregen. Diese Ziele konnten wir erreichen. Für mich war ein großes Erfolgserlebnis, dass der Rollstuhl nicht im Fokus stand, sondern ich als Schauspieler. Einige Zuschauer fanden – das hat sich im Nachhinein im Gespräch herausgestellt –, dass dieser Schauspieler wirklich gut mit dem Rollstuhl umgegangen sei. Die kannten mich nicht, und sie wussten nicht, dass ich nicht einen Querschnittgelähmten spiele, sondern tatsächlich im Rollstuhl sitze. Das war sehr ermutigend und hat darüber hinaus auch sehr viel Spaß gemacht.
MICHAEL CENCIG:
Wie stellt sich für Sie dieses Verhältnis von Freude und Leid dar?
SAMUEL KOCH:
Ich glaube, Leid ist kaum nachhaltig zu ertragen, wenn man nicht auch Freude erlebt. Sonst verliert man jeden Lebensmut, wenn man nicht irgendwo Kraft und Freude schöpfen kann. Sei es – eben wie in meinem Fall – durch Freunde, Familie und Erfolgserlebnisse im Studium oder auch ganz einfach durch zum Beispiel die warme Sonne oder leckeres Essen.
MICHAEL CENCIG:
Sie haben von verschiedensten Menschen große Unterstützung erfahren. Können Sie – gerade durch Ihr Schicksal – anderen Menschen etwas geben? Vielleicht auf einer anderen Ebene?
SAMUEL KOCH:
Es ist ein Geben und Nehmen. Wenn ich jemandem Mut machen kann, macht das auch mir wieder Mut. Ein aktuelles Beispiel, das weniger meiner Person als der Bekanntheit meiner Person geschuldet ist, das mir aber große Freude gemacht und mich ermutigt hat: Eine iranische Hochleistungssportlerin ist im Iran verunglückt. Ihr Verein hat den Transport und eine Operation in Deutschland finanziert. Als festgestellt wurde, dass sie querschnittgelähmt ist und eine hohe, ziemlich irreparable Halswirbelverletzung hat, wurden die finanziellen Mittel einfach gestoppt. Das Mädchen saß plötzlich hier – ohne Krankenkasse, ohne Versicherung, ohne richtigen Rollstuhl. Ein Arzt, der das mitbekommen hat und mich unter anderem betreut, rief mich an und fragte, was man machen könnte. Ich habe meine Kontakte zur „Deutschen Stiftung Querschnittlähmung“ benutzt und mit deren Hilfe – und einigen weiteren bürokratischen und organisatorischen Schritten – ist es geglückt, dass das Mädchen in einer Spezialklinik für Querschnittgelähmte behandelt werden konnte und einen Rollstuhl bekommen hat. Mein Tag war gerettet. Ich habe mich so gefreut, weil das geklappt hat. Das ist ermutigend und macht Freude.
Ich wage nicht zu behaupten, dass man zwangsläufig ein tiefgründiger Mensch wird, wenn man ein schweres Schicksal erleidet. In der Klinik, in der ich ein Jahr lang war, hieß es immer: „Wer vor seinem Schicksalsschlag ein ‚Arsch‘ war, ist es auch danach!“ Es ist natürlich schon so, dass das Leid einen zwangsläufig entschleunigt, zur Ruhe kommen und sich neu orientieren lässt. Das führt dazu, dass man sich seiner Werte und Ideale neu besinnen kann. Aber es gibt eben auch das Umgekehrte, dass man verbittert oder schnell tyrannische, diktatorische Züge annimmt, weil man – wie in meinem Fall – den ganzen Tag nur verbalisiert und kommuniziert, was man möchte, da man aus eigener Kraft gar nichts kann. Das gibt es auch.
MICHAEL CENCIG:
Woran glauben Sie?
SAMUEL KOCH:
Ich glaube an Weihnachten – an die Menschwerdung Gottes. Ich glaube an Ostern – die Auferstehung des Gekreuzigten. Ich glaube, dass es noch viel mehr gibt als das, was wir hier auf Erden sehen können.
MICHAEL CENCIG:
Glauben Sie an die Liebe?
SAMUEL KOCH:
Eine schöne Frage! Hat mich noch niemand gefragt. Ich glaube, ich weiß noch nicht so ganz, was Liebe ist …
Biblisch gesehen gibt’s ja verschiedene Arten von Liebe: den „Eros“, die sexuelle, die leidenschaftliche Liebe, die den anderen begehrt. Dann gibt es die „Philia“, die fürsorgende Liebe zwischen den Menschen, zwischen Freunden, die immer ein Geben und Nehmen beinhaltet. Hier steht der Gedanke der wechselseitigen Zuwendung im Vordergrund. Ich glaube, dass kein Mensch aus eigener Kraft imstande ist, nur zu lieben, nur zu geben, ohne zu empfangen. Und es gibt eine dritte Form der Liebe: Die „Agape“, die bedingungslose Liebe, die unerschöpflich ist und ständig geben kann. Das ist die göttliche Liebe. Auf diese hoffe ich. Ich weiß, dass es einen Gott gibt, der eine solche „Agape“ zur Verfügung stellen will – wenn man sie annimmt.
MICHAEL CENCIG:
Gab es nach dem Unfall jemals die Frage für Sie, ob Sie diese göttliche Liebe fallen gelassen hat?
SAMUEL KOCH:
(denkt lange nach) Hm. Also, es führte wahrscheinlich viel weiter. Es ging nicht nur darum, ob mich diese göttliche Liebe fallen gelassen hat. Es ging so weit, dass ich die Existenz einer solchen Liebe oder eines solchen Gottes hinterfragte. Ich denke aber, das ist typisch für den Menschen. Wenn etwas schiefgeht, geben wir oft Gott die Schuld und fragen: „Warum hat Gott das zugelassen?“ Wir fragen: „Gibt es überhaupt einen Gott?“ Oder andersherum: Oft beten Menschen: „Bitte, Gott, mach, dass nichts passiert!“ Wenn nichts passiert, sagen viele: „Gott sei Dank!“ Wenn aber doch etwas Schlimmes geschieht, sagen viele: „Wo war Gott, es gibt ihn doch gar nicht, der würde das sonst nicht zulassen!“ Ich habe Gott genauso hinterfragt.
MICHAEL CENCIG:
Wie haben Sie wieder zum Glauben gefunden?
SAMUEL KOCH:
In dem Prozess stecke ich noch. Der Unfall ist doch noch nicht so lange her. Aber: Es ist mir so viel Gutes widerfahren, dessen ich mich immer wieder neu besinnen muss. Natürlich: Ich rolle nicht ständig dankbar und freudig durch die Gegend, weil’s mir so gut geht. Aber was mich doch aufhorchen lässt – in Momenten, in denen ich mich zurückziehe und mir eine stille Zeit nehme – ist, dass ich Schönes und Gutes spüre. Sei es, dass ich in der Natur die Schöpfung bewundere und dafür dankbar bin, seien es die vielen Menschen – meine Freunde, meine Familie –, für die ich dankbar bin. Oder aber ganz anderes: Ich bin dankbar für die Erfindung des Elektrorollstuhls, der mir Mobilität schenkt, oder für die Erfindung des Touch-Displays, das mir ermöglicht, mit meinem Mobiltelefon auf der ganzen Welt zu kommunizieren.
MICHAEL CENCIG:
Es hat bei Ihnen den Moment gegeben, wo Sie sich und Ihren Körper „Gott übergeben“ haben …
SAMUEL KOCH:
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich Pläne schmiedete, meine Vorstellungen hatte, wie mein Leben laufen könnte. Ich hatte das Privileg, dass alles, was ich so angepackt habe, in der Umsetzung oder im Ergebnis noch besser war, als ich’s mir erträumt hatte: sei es bei der Bundeswehr, wo ich einen Spitzenposten hatte, im Sport, bei Wettkämpfen, später bei Filmproduktionen oder beim Fernsehen, wo ich überraschend schnell aufsteigen konnte. Oder auch, dass ich so schnell einen Studienplatz gefunden habe. Ich habe immer die Erfahrung gemacht, es geht immer noch besser, als ich es mir vorgestellt habe. In so einer Situation sagt man leicht: „Lieber Gott, mach, so wie du willst, nicht wie ich will!“, wobei man trotzdem ein ehrgeiziger Mensch ist, der selbstbestimmt und frei sein will, und oftmals nicht erkennt, dass er eigentlich überhaupt nicht frei ist. Der Unfall hat mir gezeigt, dass ich überhaupt nicht frei bin. Dass keiner frei ist, der nicht wirklich erkennt, dass er abhängig ist. Allein die Erkenntnis der Abhängigkeit hat mich ein Stück unabhängig oder frei gemacht.
Um den Bogen zu schließen: Nach dem Unfall – in der misslichen Lage, in der alle Pläne, Ziele, Hoffnungen zerplatzt waren, zerplatzt sind – fiel mir das ein. Ich hatte keine Freiheit mehr in dem Sinne, wie ich sie mir vorstellte. Ich hatte gerade keine Hoffnung mehr – da fiel es mir relativ leicht zu sagen: „Gott, hier ist mein Körper. Hier ist mein Geist. Ich habe keinen Plan mehr. Ich weiß nicht, was ich machen soll. Mich nervt das alles. Der Einzige, der jetzt was machen kann, bist du. Bitte mach! Es kann nur besser werden!“ Also keine wirklich tugendhafte Aussage verglichen mit den Jüngern zu Zeiten des Evangeliums, die wirklich aus dem Boot gestiegen sind und gesagt haben: „Tschüss, Frau, tschüss, Arbeit, tschüss, Freunde, ich schließ mich jetzt Jesus an und widme mich fortan ganz was anderem!“ und alles zurückgelassen haben. Ganz nach dem Prinzip: „Ein Reicher, der ins Himmelreich kommt, ist wie ein Kamel, das durchs Nadelöhr muss.“ Jemandem, der viel hat und viel erreicht hat, fällt es logischerweise wesentlich schwerer, alles aufzugeben, als jemandem, der nichts hat. So konnte und kann ich immer noch sagen: „Gott, deine Pläne sind besser als die, die ich jemals denken oder planen könnte.“
MICHAEL CENCIG:
Sie glauben an Weihnachten – an die Menschwerdung Gottes. Welche Bedeutung hat dieses Fest für Sie?
SAMUEL KOCH:
Jesus ist geboren und damit ist Gott Mensch geworden, um den Menschen zu helfen, sie zu retten. Ich denke, es ist eine Antwort Gottes auf einen Notstand, den die Menschen auf der Welt hatten und haben. Wenn heute Menschen in Not leben, ist das auch heute noch die Antwort. Diese Menschwerdung, an die man sich wenden kann. Bei der Kreuzigung Jesu ist dann der Vorhang gerissen im Heiligtum. Damit ist der Zugang offen zum Himmel – wenn man will. Wenn man sich darauf einlässt und danach fragt. Das glaube ich.
Dass Gott Mensch wird, ist das Nahbarste, was Gott machen konnte. Ich habe nach meinem Unfall auch überlegt: „Oh, ich bin der ärmste Kerl, es gibt nichts Schlimmeres.“ (muss lächeln) Auf der Intensivstation habe ich dann viel gesehen, was viel schlimmer ist. Sei es nur der Nachbar, den keiner besucht. Ich bin recht schnell darauf gekommen, dass es mir wesentlich mehr wehgetan hätte, wenn eines meiner Geschwister hier liegen würde – oder meine Mutter oder mein Papa sterben würden. Ich bin zum Schluss gekommen: Das Schlimmste, was eigentlich passieren kann, ist, wenn der Sohn oder die Tochter stirbt. Dass Gott seinen Sohn geschickt hat, ihn leiden und töten lässt, ist das Größte und Schlimmste, was man machen kann. Damit machte sich Gott dem Menschen extrem nahbar.
Und wenn es jetzt um Nähe oder Ferne geht: Jeder, der sich einmal mit dem Christsein versucht hat, weiß, dass das ein dynamischer Prozess ist. Dass man Gott nicht immer spürt oder bei sich im Herzen trägt. Dass Gott auch auf Distanz ist, dass er ganz fern ist und man sich alleingelassen und schlecht fühlt. Dann gibt es wieder Momente, wo man – na ja – fast überschäumt vor Kraft und Liebe. Als ich einmal in Rom war, habe ich mich inspirieren lassen von einem römischen Brunnen. Da kommt oben das Wasser heraus und fließt in ein Becken. Das Wasser läuft über in diesem Becken und läuft ins nächste Becken. Das geht immer so weiter. Das ist das Bild für ein Gebet, das ich eigentlich immer in mir trage: „Gott, schenk mir Liebe oder Kraft. Aber am liebsten so viel Liebe, dass ich davon überlaufe und sie weitertragen kann. Und diese Liebe dann wieder weitergetragen werden kann.“
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