Kitabı oku: «Keinen Seufzer wert», sayfa 3

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Einige Tage später arbeitet Res auf der Bühne über dem Stall. Es muss hier Ordnung geschaffen werden, bevor das warme Wetter beginnt und es plötzlich losgeht mit Heuen. Res schiebt getrocknetes Gras vom vorigen Winter vor die Futterlöcher. Heu und Emd, beides ist noch vorhanden, dabei hat er sich bis vor Kurzem Sorgen gemacht, das Futter werde knapp.

Mit dem Vater hat er darüber früher manchen Wortwechsel gehabt. Der Vater gab den Tieren viel zu viel, mehr als sie fressen mochten. Beständig waren sie deshalb hintereinander her. Dabei weiss man nie, ob es auch im nächsten Sommer genug Heu einzufahren gibt. Manch einer war schon froh um altes Heu, auch wenn es nicht mehr duftet. Der Mensch soll mit Gottes Gaben sorgsam umgehen, das gilt doch auch fürs Gras.

Dem Wyssler hat er Futter versprochen für zwei Ziegen, nur wann die Geissen kommen, weiss man nicht. Sobald Res an das vorgeschossene Geld denkt, wird er wütend. Das Geld ist weg, und Geissen sind doch keine da. Die Wysslers haben es sich wohl gut gehen lassen mit seinem Geld. Brot, Fleisch, Kaffee, Res will sich nicht ausmalen, was sie damit angestellt haben. Wenigstens hat er nun von Wysslers Effekten eine Liste, auch wenn sie nur armseliges Zeug besitzen. Laut Akkord hat Wyssler seinen Hausrat für die Schulden als Garantie gegeben. Von was die Wysslers leben wollen? Solche Hungerleider im Haus zu haben gefällt Res nicht.

Wenn einer in Armut absackt wie der Wyssler, dann niemals ohne eigenes Verschulden. Wie eine Krankheit wuchert das Elend in solchen Familien und verdirbt die Menschen. Obschon der Wyssler vermutlich kein schlechter Mensch ist. Aber er lebt in grossem Elend, von dort ist es zum Diebstahl kein weiter Weg, auch nicht zur Trunksucht. Res denkt, dass die Frau dem Wyssler schadet. Zwar haben alle brav gearbeitet, seit sie auf dem Schafberg sind, auch die Frau. Aber Res spürt, Verena wird aufbegehren früher oder später, sie sieht nicht aus wie eine, die von sich aus gern entsagt. Zu gierig blickt sie nach seinem Anken, als ob sie ihn darum bitten wollte und es doch nicht wagt. Den kleinen Kindern hat sie den masslosen Blick bereits vererbt. Mit dem sehen sie ihn an, wenn er Milch trinkt.

Res muss husten. Das staubige Heu kratzt im Hals und brennt in den Augen. Seine eigenen Ersparnisse wird er in Zukunft gut bewachen müssen.

Auf dem Heuboden verteilt liegen noch einige Halme, die Res nun liegen lässt. Über die Leiter steigt er hin­ab ins Tenn.

Gewiss stand auch damals auf der Reite, dem Korngarbenboden überm Tenn, das Bodenloch gefährlich offen!

Der Krähenbühl, Knecht bei Haldimann, hat Richter Ingold zugetragen, was er vom Grunder Hans, Knecht in der Multenweid bei Salzmann, weiss, welchem es die Jungfrau Steiner berichtet hat: Der Schlatter halte das Reiteloch absichtlich offen, das sei den Schelmen so gebeizt. Als die Elisabeth Steiner nämlich einmal auf dem Schafberg auf die Bühne ging, habe Schlatter zu ihr bemerkt, sie solle sich in Acht nehmen, das Reiteloch sei offen. Sie habe damals im Sommer geholfen, die Hühner in den Stall zu jagen, und sei deswegen auf die Bühne gegangen. Der Schlatter besitze zehn à elf Hühner, erzählte Jungfrau Steiner, und glaube immer, wenn nur ein Huhn über die Bühne gehe, es seien Schelme oben: Denen zur Überraschung stehe das Reiteloch weit offen.

Am Pfingstabend sitzt Verena mit dem Rücken an die Holzwand gelehnt in der halbdunklen Küche. Von draussen hört sie Res’ Schritte, er nähert sich dem Haus. Res war wohl bei seinem Betkreis, er kommt in sonntäglicher Besinnlichkeit zurück, ganz versunken und nachdenklich schlüpft er in die Holzbodenfinken.

Res betritt die Küche und geht an Verena vorbei direkt in seine Kammer. Wenig später ist er zurück, doch scheint er Verena noch immer nicht bemerkt zu haben. In sich gekehrt, schlurft er ruhig zum Herd. Dort steht seit dem Morgen, seit Res das Haus überhastet verlassen hat, ein Topf mit gesottenem Anken. Es geschieht selten, dass Res etwas vergisst. Alles sperrt er sofort weg, in seinen Schaft, in den Speichergaden, in die Kammer, in den Keller.

Verena hat den Topf nicht angerührt. Niemand hat ihn angerührt. Verena auf ihrem Fensterplatz macht sich bemerkbar, sie will aufstehen.

«Masshalten wird vom Herrgott belohnt und nicht das Nehmen. Nehmen von dem, was einem nicht gehört», sagt Res laut vor sich hin. «Aber ihr habt heute wohl einen Festsonntag gehalten.»

Wortlos verlässt Verena die Küche, in der Kammer lehnt sie sich gegen den kalten Ofen. Keine Messerspitze Anken hat sie dem Topf entnommen. Inzwischen poltert Res draussen wie gewohnt herum. Aber dann zu den Stündelern rennen, deren Gebet ja gerade einmal für den Heimweg reicht und bis in die Kammer.

Verena Wyssler keucht den Hang hinauf. Annelies muss sich mässigen, um nicht davonzuziehen, ständig um Schritte voraus. Früher war die Mutter füllig und weich, in den Jahren, als Annelies noch auf ihren Schoss kroch. Stämmig ist die Mutter immer noch, aber seit dem letzten Winter ist sie mager geworden um ihre groben Knochen. Nun bleibt sie stehen, fächelt sich Luft in den Ausschnitt, räuspert von tief unten Schleim weg und sieht nochmals den Hang hoch.

Auch wenn ihr der Aufstieg beschwerlich fällt, die Mutter ist froh, das Haus zu verlassen.

Oben am Grat zeichnet sich die Silhouette eines ­Mannes ab, der sie beobachtet. Verena wendet sich wieder dem Berg zu und stapft los, Annelies folgt. Mutters ­Waden, die unter dem hochgeschürzten Rock hervorblitzen, sind drahtig und überzogen von einem Netz feiner roter Adern. Der Mann ist wohl einer von Salzmanns Knechten. Salzmann heisst der Bauer in der Multenweid, ein Nachbar.

Seit den heftigen Gewittern an Pfingsten ist es wieder kühl und nass geworden. Als sie auf dem Grat ankommen, grüssen sie den Mann.

«Das war ein steiler Hang», meint die Mutter und setzt sich, indem sie dem Fremden zulächelt, ins feuchte Gras. Aus den Augenwinkeln bemerkt Annelies, dass sie Anstalten macht, sich hinzulegen. Sie lässt es aber bleiben, sitzt nur nach hinten auf die Arme gelehnt schwer atmend da. Unbehaglich bleibt Annelies stehen. Schon, weil sie nicht, was die Mutter nicht zu stören scheint, den restlichen Weg mit einem feuchten Rock zurücklegen will.

Nach einer Weile sagt die Mutter, sie hätten unten bei Schlatter Quartier bezogen. Sie deutet in Richtung Haus, in dem sie jetzt wohnen. Der Mann nickt.

«Grunder Hans», sagt er schliesslich.

Als die Mutter wieder zu Atem gekommen ist, setzt sie sich gerade hin und blickt sich um. Plötzlich beginnt sie zu kichern, zuerst leise glucksend, dann immer offener, unbekümmert. Annelies kann nicht feststellen, worüber sie lacht. Der Mann bleibt gleichfalls ungerührt. Annelies schämt sich. In den Mundwinkeln der Mutter zeigen sich ihre Zähne, wie bei den Lefzen eines Hunds. Nun streicht sie sich den Rock glatt und schaut dem Knecht gerade ins Gesicht, der sofort wegsieht. So benimmt sich die Mutter, wenn sie sich beliebt machen will. Annelies stellt sich weiter abseits hin.

Auf der gegenüberliegenden Talseite zieht eine Kuhherde zur Tränke, einzelne Tiere bewegen sich gemächlich, andere schnell. Der Mann scheint die beiden Frauen vergessen zu haben, er blickt den Kühen nach.

Als das Gelächter geendet hat, beginnt die Mutter Fragen zu stellen. Sie will Auskunft über Felder und Tiere und wem diese gehören. Der Mann bleibt wortscheu, seine Antworten kommen zögerlich. Wenn sich die Mutter nur stillhalten würde, statt sich ungehörig anzubiedern bei fremden Leuten.

«Wo wollt ihr hin?», fragt Grunder schliesslich.

«Wir gehen um Saatkartoffeln, die Schwester in Röthenbach will uns geben, was sie noch hat.»

«Kartoffeln wollt ihr setzen?» Annelies weiss, was Grunder meint. Bald Brachmonat und die Erdäpfel noch nicht im Boden.

«Wir sind halt jetzt erst umgezogen», erklärt die Mutter.

Grunder sagt nichts, und eine Weile lang schweigen alle. Annelies hat sich sowieso kaum gerührt und nichts gesprochen. Sie betrachtet den Weg vor sich. Endlich verabschiedet sich der Knecht mit einem knappen Gruss.

Vielleicht ist es gar nicht Mutters Art. Vielleicht verstellen sich die anderen, wenn sie sich so bedächtig und gemessen geben. Vielleicht ist dieser Knecht ein bigotter Stündeler, so wie man es von Schlatter sagt. Sie selbst mag es eigentlich, wenn die Mutter lacht, ob es nun ei­nen Grund gibt oder nicht. Aber viele Leute mögen es nicht, das war schon immer so. Und die Mutter hört nicht auf, wenn keiner einstimmt.

Der Knecht hat rechtschaffen gewirkt. Wie man sein sollte, denkt Annelies, wie man wohl sein sollte und wie die Mutter es nicht ist.

«Was denkst du, ist Salzmanns Knecht auch ein Stündeler?», fragt sie später die Mutter, als sie weitergehen. Verena bleibt stehen, überrascht zuerst und dann entrüstet. Nur weil einer nicht lärmt und angibt, weil einer ein ernsthafter Mensch ist, erwidert sie und weist die Tochter zurecht. Die Mutter redet sich richtiggehend ausser Atem, während sie alle Frommen und Pflicht­getreuen verteidigt und die Tochter ermahnt. Dass sie selbst den anderen manchmal als anstössig gilt, weil sie so unbekümmert und mit einem nassen Abdruck auf ihren Gesässbacken ausschreitet, merkt sie nicht.

Der Grunder wurde nach Langnau zitiert, zu berichten, was er weiss. Es befand sich dieser nämlich am fraglichen Abend, den 15. Hornung letzthin, auf dem Schafberg.

Er habe, sagte Grunder vor dem Richter, an jenem Abend ­weder den Schlatter noch den Wyssler angetroffen, sondern nur fremde Männer vorgefunden. Es sei zwischen halb à neun Uhr ­gewesen, dass er, auf dem Schafberg angekommen, daselbst zwei­mal bei der Haustür geklopft habe. Während er noch wartete, seien zwei ihm unbekannte Mannspersonen oberhalb der Bühnen­brücke hindurch gegen den Hausecken hinabgegangen. Wer diese Männer waren, wisse er nicht zu sagen. Aus Angst, es möge etwa etwas Unrichtiges vorgefallen sein, habe er sich sogleich entfernt.

Das ist, was der auf Citation erschienene Grunder Johann, des Johannes und der Elisabeth, geb. Salzmann, Sohn von Vechigen, Knecht bei Salzmann Peter in der Multenweid, geb. 1839, ledig, Soldat der 23. Füsilier-Companie des 30. Bataillon in Langnau, beim Richter auf geeignete Fragen deponiert hat.

Verena erkennt die Schwester von Weitem, sie winkt und juchzt ihr zu, während sie mit Annelies den Weg zum Haus hinuntersteigt. Die Schwester arbeitet mit ihren zwei Töchtern im Garten. Als sie Verenas Rufe hört, legt sie die Hacke hin und winkt zur Antwort mit den Armen.

Fast gleichzeitig treffen sie auf dem Vorplatz ein. Die Schwestern umarmen sich, Annelies begrüsst die Cousinen mit einem Handschlag. Die Besucherinnen werden hinters Haus gebeten zu einem Tisch auf der Laube. ­Verenas Schwester Magdalena holt aus dem Keller einen Krug mit kühler Schotte und füllt daraus zwei Gläser. Durstig greift Verena nach dem Getränk.

Die Frauen setzen sich hin, Verena lockert ihr Hemd und atmet seufzend aus. Der Weg hierher nach Mühleseilen, einem Weiler der Gemeinde Röthenbach, war weit.

«Jetzt wohnt ihr also beim Vetter im Schafberg, beim Resli?», fragt Magdalena und springt gleichzeitig erschrocken auf. Sie wird von einer Hornisse verfolgt, die sie fuchtelnd zu vertreiben versucht. Marianne, die ­ältere ihrer Töchter, zieht sich das Tuch vom Kopf und schlägt damit nach dem Insekt, bis es zu Boden fällt.

«Ihr wohnt nun also beim Res?», wiederholt Magdalena ihre Frage, als sie wieder sitzt. Sie will wissen, wie es dort aussieht und ob man sich mit Res vertragen kann. Verena beginnt zu berichten. Auf dem Weg, der am Haus entlangführt, treibt ein Nachbarsbub ein Schwein vorbei. Als die Mädchen es erblicken, können sie nicht an sich halten, und Marianne fällt der Tante ins Wort. Sie muss davon erzählen, dass das Schwein gestern um ein Haar geschlachtet worden wäre. Völlig reglos sei das Tier im Stall gelegen, man hat gedacht, es wäre tot. Als aber der Bauer mit einem grossen Messer kam, sprang die Sau auf und schleckte am Trog herum.

«Der Bendicht wird auf Stör sein?», erkundigt sich Verena, sobald das Gelächter verklungen ist, nach dem Mann ihrer Schwester.

Magdalena nickt und schenkt Schotte nach. Zu einer Antwort kommt auch sie nicht, weil ihre beiden Mädchen nun vorführen, wie das scheintote Schwein beim Anblick des Messers aufwacht. Ihre Darstellung ist so komisch, dass sich Annelies vor Lachen verschluckt und man ihr auf den Rücken klopfen muss.

Als schliesslich die wichtigsten Neuigkeiten ausgetauscht sind, verschwinden die beiden Frauen im Keller, um nach den Saatkartoffeln zu sehen. Annelies bleibt bei den Cousinen, die ihr, rittlings auf der Bank sitzend, ein Spiel mit Steinen zeigen. Die Marianne, die bald zwölf wird, ist eigentlich zu alt, um sich so breitbeinig zu zeigen, und Annelies muss daran denken, dass Marianne als Uneheliche zur Welt kam. Auch wenn ihre Mutter inzwischen den Aegerter Bendicht geheiratet hat, so ist sie doch eine vaterlose Waise. So hinsetzen sollte sie sich deshalb nicht.

Die Frauen kommen mit einem grossen Korb Kartoffeln aus dem Keller zurück und Annelies hilft der Mutter, sie auf die Hutten zu verteilen.

«Bis zu elf Franken kostet ein Sack nun in der Stadt», sagt Magdalena. Über das Bezahlen haben sie noch nicht gesprochen.

«Bei solchen Preisen vermag man keine Kartoffeln zu kaufen», meint Verena bloss.

Sie einigen sich auf acht Franken, die später zu bezahlen sind.

Auf dem Heimweg ist die Mutter aufgekratzt und gesprächig. Annelies würde sich gerne nach Mariannes Vater erkundigen. Die Mutter hat nie mit ihr darüber gesprochen, und auch jetzt wagt Annelies nicht zu fragen.

«Bei Aegerters reden alle gleichzeitig. Sie setzen sich nie wirklich hin, dauernd springt jemand auf», sagt Annelies stattdessen.

Die Mutter stimmt dem zu.

«So war es früher auch bei uns daheim.»

Manch einer im Dorf bemängelte diese Fröhlichkeit, wenngleich nur hinter vorgehaltener Hand. Verena hat die tadelnden Blicke nicht vergessen und wie ihr, beiläufig höchstens und mit einem kurzen Lachen, bedeutet wurde, das Vergnügen gelte etwas viel bei ihnen. Dabei hat sich der Pfarrer nie beklagt. Diesem war wichtiger, dass ihr Glaube in seinem Sinne blieb. Mit Stündelilaufen oder übertriebener Frömmigkeit jedenfalls gaben sie – die Hirschis, wie Verenas Leute hiessen – dem Pfarrer keinen Grund zu Sorge.

Man hatte einen kleinen Hof, der gottlob ihrer war und für den man nicht zu zinsen brauchte, erinnert sich Verena. Nur gaben die winzigen Äckerlein, die Geissen und das Garnspinnen zum Leben nicht genug. Der Vater ging deshalb mit Besen, sobald es Winter wurde.

Vom Vater wurde wüst geredet. Wenn er mit seinen Besen komme, schicke man besser die Männer an die Tür, um zu märten, nicht die Frauen. Die Sache abgehandelt, solle man vor dem Haus warten, bis er von Grund und Boden sei, es gebe redlichere Leute als den Hirschi. Deshalb galt auch sie, obschon sie tüchtig war und anzupacken wusste, von vornherein als liederlich. Die Nachbarinnen gaben es ihr zu verstehen, nur manche Männer waren etwas milder.

Viel besser erging es Verena später im Bädli Rohri­moos. Sie fand Anstellung dort und holte ihre Schwester Magdalena nach. Es war eine gute Zeit für zwei junge Mädchen, das Bettenmachen und Bödenschrubben in der sauberen Herberge gefiel ihnen besser als dreckige Kartoffeln auszugraben, wie sie es von zu Hause kannten. Und auch, dass man allseits beliebt war und gern gesehen. An jedem Abend gab es Spiele, oft auch Musik, der Wein floss nicht zu knapp dabei. Auch wenn Verena selbst bloss Dienstmagd war und da, um andere zu bedienen, wenn spät in der Nacht in der Gaststube gesungen wurde, gehörte sie dazu. Was dann zählte, war eine schöne Stimme und ein fröhliches Gesicht. Sie hatte beides, weiss Verena.

Bis heute meint sie oft, wenn sie recht lustig sei, so sei sie gern gesehen. Dabei hat sie doch längst gelernt, das zählt im Leben nicht. Mariannes Vater, ein reicher Bauernsohn aus Madiswil, liess Magdalena sitzen, so hübsch und lustig diese damals war. Als ihn die Lage zum Handeln zwang, schien ihm etwas Gerede besser als eine mittellose Braut.

Sie selber hat daraus gelernt, als sie die jüngere Schwester schwanger sah von einem, der sich nicht mehr zeigte. Verena nahm sich den Mann rechtzeitig. So schnell, dass sie vergass, ihn sich gut anzuschauen. Ihr erster Mann, Annelies’ Vater, war arm, dazu ein durstiger Geselle und wenig zuverlässig. Auch nach der Heirat hielt er es weiter lustig, nur fortan ohne sie. Weshalb die Leute nicht unrecht hatten, als sie sagten, sie habe über seinen frühen Tod nicht viel getrauert. Gottlob gleicht Annelies dem Vater nicht.

Es ist später Nachmittag, als die beiden Frauen aus Röthenbach zurückkehren, ihre Hutten gefüllt mit Kartoffeln. Als Verena hinter Annelies die Stube betritt, bemerkt sie, dass sich dort etwas verändert hat. Auch Annelies ist überrascht mitten im Raum stehen geblieben. Verena sieht ihre Tochter an.

«Dein Spinnrad und die Stabellen», sagt Annelies.

Verena nickt. Aber auch das Trögli, die beiden kleinen Truhen und das Schustertischlein, sogar die defekte Stubenuhr fehlen. Bis auf den Schaft, den Tisch und das tannene Bett ist der Raum leer.

«Er wird doch nicht – er wird doch nichts verkauft ­haben?»

Die beiden Frauen sehen sich ratlos an, beunruhigt.

«Soll ich den Vater suchen?», fragt Annelies. Verena nickt. Annelies hat die Stube noch nicht verlassen, als dieser auftaucht.

«Er hat es in Verwahrung genommen. Für das geborgte Geld.»

Jakob lehnt an der Ofenbank und sieht zu Boden.

«Was soll das heissen? Er? Der Schlatter? Wir brauchen die Sachen!»

«Alle unsere Effekten seien die fünfundvierzig Franken nicht wert, die wir ihm schulden, sagt er. Er wolle sie zur Sicherheit in Verwahrung nehmen. Sobald wir das Geld haben, können wir alles wieder auslösen, zum gleichen Preis. Er wird nichts weggeben oder verkaufen.»

«Und wie sollen wir ohne Hausrat leben? Wie willst du Schuhe machen ohne Werkzeug? Wo sind die Sachen?»

Wie soll ich schustern, wenn ich das Leder nicht vermag, denkt Jakob, da brauche ich auch kein Werkzeug. Er sieht einer verirrten Biene zu, die an der Fussbank entlangkrabbelt.

«Er hat die Dinge in seinen Speichergaden gestellt.»

Jakob blickt Verena zum ersten Mal an. Einen Moment lang schweigen beide. Jakob bückt sich und langt nach einem Schuh, um die Biene zu erschlagen.

«Du hast ihm aber nichts unterschrieben? Dass wir ihm die Dinge überlassen müssen?»

Jakob antwortet nicht. Schliesslich wissen beide, dass er nicht lesen und nicht schreiben kann.

«Schlatter sagt, wir können die Sachen benützen, wenn wir sie brauchen. So ist es abgemacht. Er will sie nur in Verwahrung haben. Er will sie bei sich halten, damit wir nichts davon verkaufen. Es ist, weil wir keine Geissen gebracht haben. Er hat mir das Geld doch für die Geissen gegeben.»

«Dann muss ich in Zukunft beim Schlatter um Erlaubnis bitten, wenn ich spinnen will?»

«So wird es nicht sein. Wir müssen mit ihm reden. Zuerst wollte er alles nehmen, sogar die Sachen in der Küche. Ich habe ihm erklärt, dass das nicht geht, nicht die Dinge, die du täglich brauchst. Die Wiege hat er uns auch dagelassen.»

«So. Reden müssen wir mit ihm.»

Verenas Fassungslosigkeit ist Wut gewichen, Wut auf den Schlatter und auf ihren Mann. Dass dieser sich aber auch niemals wehrt, dass er ein jedes Mal nachgibt. Bis wann will er es schaffen, dem Schlatter die fünfundvierzig Franken zurückzuzahlen? Er wird es nicht schaffen. Nicht jetzt. Nicht im Herbst. Nicht einmal bis zum Winter.

Ohne ihren Mann weiter zu beachten, verlässt Verena die Stube und geht auf die Suche nach Schlatter. Eine halbe Stunde später sind Spinnrad und Schusterwerkzeug wieder auf ihrem Platz. Obwohl sie eben gerade mit dem Schlatter richtig Streit gehabt hat, ist Verena zufrieden. Sie haben Schulden bei Schlatter und wohnen in seinem Haus, aber das ist kein Grund, klein beizugeben. Nicht bei einem, der beständig den Herrn in seiner Rede führt. Und schliesslich melkt sie ihm die Kühe.

Jakob sitzt derweil am Tisch und schabt mit dem Fingernagel Russ von der Lampe. Den Jakob wird sie in Zukunft immer wieder daran erinnern müssen, dass der Stuhl, auf dem er sitzt, nicht mehr ihm gehört. An solche Dinge denkt der nämlich lieber nicht.

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