Kitabı oku: «Das pure Leben spüren», sayfa 2
WIE ALLES BEGANN – DU MUSST ES IHR SAGEN!
»Du musst es ihr sagen, sonst ist es unfair!« Mahnend sieht mich meine beste Freundin Christina an.
Ich schüttele den Kopf. »Nein, das macht sie ganz verrückt, wenn ich es ihr jetzt schon erzähle.«
Christina lässt nicht locker. »Barbara, sag es ihr. Du musst mit ihr reden, auch wenn du denkst, sie versteht dich nicht. Sie wird wissen, was du meinst.«
»Christina, ja, lass mal gut sein, ich weiß schon, wie ich das mache.«
Erst auf dem Rückweg nach Hause merke ich, dass mich ihre Worte berührt haben. Wie das Klopfen in einem hohlen Zahn mahnen sie mich. »Christina hat recht«, denke ich. »Es ist an der Zeit, mit ihr zu reden.« Also fasse ich mir gleich noch an diesem frühen Sommerabend ein Herz und stelle mich darauf ein, meiner Katze heute die Wahrheit zu sagen.
Noch bevor ich die Haustür ganz aufmache, streicht Hexe mir schon um die Beine. Sie folgt mir durch den Flur ins Esszimmer, setzt sich erwartungsvoll auf den Tisch und wartet, als ob sie wüsste, dass jetzt etwas kommt. Ihr siebter Sinn eben.
Ich fasse allen Mut zusammen, schaue sie an und beginne zu erzählen: »Hexe, wir reisen bald. Wir packen viele unserer Sachen in ein großes Auto, alles andere wird aussortiert, verstaut, verkauft und verschenkt. Und dann verlassen wir das Haus hier. Für ein paar Monate, vielleicht auch für länger. Auf unbestimmte Zeit eben.«
Meine Katze starrt mich an – ich habe keine Ahnung, was sie denkt. Empfindet sie Abenteuerlust oder eher Wehmut, vielleicht sogar Angst? Dass sie mich versteht, daran habe ich – genauso wie Christina – allerdings nicht den geringsten Zweifel.
Unsere Kommunikation war bisher immer einkanalig. Ich spreche mit Hexe, sie hört zu und antwortet dann in Katzensprache.
Ich selber bin ja innerlich ganz gemischt – weiß ich doch noch nicht, was das alles bedeuten soll. »Vorher weiß man’s nie,« tröste ich mich.
TAUFE
Pünktlich zum Ende des Trainingstages sehe ich das erste Mal das »große Schiff«, unser zukünftiges Zuhause, die Straße entlangfahren. Jetzt ist es genug – meine Geduld hat ihre Aufgabe ausreichend erfüllt. Als wäre ich über Stunden festgehalten gewesen, laufe ich aus dem Seminarraum auf den Hofplatz vor dem Hotel. Lachend und stolz zugleich sehe ich N. am Steuer des neuen Wohnmobils sitzen, sehe, wie sie auf mich zufährt.
Was für ein besonderer, aufregender Moment.
Alle sind plötzlich da, die Teilnehmer, meine Trainerkollegin für diese Woche und auch die Mitarbeiter der Hotelrezeption, die schon eingeweiht waren. Da stehen wir nun und betrachten mein neues, rollendes Zuhause.
Wir holen Sekt, ich ergreife noch mein neues Buch, welches heute auch mit der Post vom Verlag kam, und dann wird alles zusammen begutachtet, betrachtet, angeschaut und mit Sekt begossen – das neue Buch und die neue Heimat! Doppelte Freude.
Das Ende des Trainingstages verlegen wir alle gemeinsam in das Wohnmobil. Es wird schnell eng, die Teilnehmer dieser Seminarwoche kommen aus aller Herren Länder, und alle wollen dabei sein. Die Männer interessieren sich vorzugsweise für die Technik an Bord – Motor, Pumpen, Dusche etc. N. gibt eine Führung, Badezimmer, Küche und Gepäckraum. Alle berichten von ihren Assoziationen, zwischendrin lese ich etwas aus dem Buch vor, mit einfachen Worten übersetze ich ins Englische, unsere gemeinsame Sprache. Wie einfach es uns allen miteinander gelingt, diese Zeit so intensiv zu erleben. Jeder bringt etwas mit und trägt dazu bei:
»Das ist aber wirklich eng!«
»Aufregend, das möchte ich auch – einfach weg!«
»Wow, so viel Platz für dein Trainingsmaterial!«
»Und wo schläft die Katze?«
»Die Dusche ist doch super.«
»Ich würde am liebsten mitkommen.«
»Kommt ihr bei uns vorbei?«
Ein wunderbarer Abend, der sich in mein Erinnerungsalbum des Lebens tief eingräbt. Mich berührt es, wie leicht es ist, die Menschen so nah in mein Leben zu lassen – da brauche ich nichts vorzumachen. Es entsteht schnell Nähe im Miteinander, was ich mag.
Danach nehmen N. und ich uns einen Moment Zeit. Das Wohnmobil steht mittlerweile an der Straße vor dem Hotel, wir setzen uns daneben und schreiben all die Wünsche auf, die wir uns damit erfüllen möchten. Ein DIN-A-3-Blatt voller Wünsche und Träume. Und dann taufen wir das Wohnmobil auf den Namen Maggy. Maggy – der zweite Vorname meiner Tochter ist Margarete, wie der zweite Vorname meiner Mutter. Und somit wird dieser Name, der die Bedeutung Perle hat, noch einmal weitergeführt. Eine zweite Flasche muss an diesem Tag herhalten, aber der meiste Sekt läuft eh über die Fronthaube.
LOSLASSEN UND WEGGEBEN
Ich löse meinen Haushalt auf, verabschiede mich von zahllosen Dingen. Nicht einfach, aber es hilft mir, Dinge an Menschen zu geben, die ich mag. So habe ich das Gefühl, sie können dort gut weiterleben.
Anderes verkaufe ich mit Freude und Spaß. Dazu gehören mehrere Samstagmorgenflohmärkte in Hannover am Leineufer. Dort kann ich sehen, mit welcher Freude sich Kinder oder auch Erwachsene bestimmte Dinge aus meinem dort auf den ausgeklappten Tapetentischen präsentierten Fundus aussuchen. Dadurch gewinne ich eine Vorstellung, was sie damit machen oder wozu sie dies und das gebrauchen können.
Meinen großen Stofftierhai bekommt ein Kind, welches diesen gar nicht mehr loslassen will. Die vielen Tassen, die sich in vielen Jahren bei mir angesammelt haben, leben jetzt in anderen Küchen weiter.
Besondere Höhepunkte dieses Loslass-Prozesses sind die beiden Hausflohmärkte, die ich veranstalte.
Der erste wird noch recht holprig; ich habe keine Ahnung, wie ich einen solchen Verkauf über drei Etagen und gut sieben Räume managen soll. Beim zweiten ist es einfacher, zumal auch die Zimmer schon leerer sind. Viele Nachbarn sind beim zweiten Mal dabei, sie suchen sich ganz bewusst Dinge aus, und ich kann sie dadurch gut hergeben, auch mein Bett zum Beispiel.
Manches landet auch auf dem Recyclinghof in den Containern oder im Sperrmüll. Anderes gebe ich ins Soziale Kaufhaus. Das hilft Menschen, die sich keine neuen Möbel leisten können oder auch gar keine neuen Möbel haben wollen. Das gibt es ja auch noch – diese wunderbaren Taten, um dem steten Konsumwahn eins auszuwischen.
Ein ganz besonders schöner Schritt ist die Auswahl der Dinge, die mit ins Wohnmobil kommen sollen. Welche Alltagsgegenstände, welche Erinnerungen, wie z. B. Fotos, können mit und können dort auch so angebracht oder untergebracht werden, dass sie ihre angenehme und wohltuende Wirkung verbreiten können? Was wird eingelagert?
Einlagern – ein großes Stichwort. Da ich noch nicht genau weiß, wie lange ich wirklich unterwegs sein werde, weiß ich auch nicht wirklich, wie ich das mit dem Einlagern der absolut wichtigen Möbel und Dinge machen soll. Bleibe ich drei Monate, ein halbes Jahr oder sogar ein ganzes?
Aber in jedem Fall gilt es zunächst, das Haus freizuräumen, sodass es verkauft werden kann. Wo es danach hingehen soll, weiß ich noch nicht.
Jede Tasse, jeder Brief, jedes Buch, alles nehme ich im Laufe des Ausräumens in die Hände, um es nach unterschiedlichen Kategorien zu sortieren:
•kann auf den Müll
•wird verschenkt
•wird verkauft
•soll mit ins Wohnmobil
•kommt ins Basislager bei N.s Eltern
•wird eingelagert
•wird im Garten in der Feuerschale verbrannt
Immer wieder packt mich eine Versonnenheit, eine Verlangsamung, ein Dahinträumen, wenn mich der Gegenstand, den ich da gerade in den Händen halte, an etwas Bestimmtes erinnert: Kisten voller Liebesbriefe, die Briefe, die ich meiner Mutter von der langen Neuseelandreise schickte, die ersten Schuhe meiner Tochter, das Pixibuch vom Schellenursli, welches mich an meine Stiefmutter erinnert, diverse Muscheln und Steinsammlungen aus den verschiedensten Urlauben, Milchzähne meiner Tochter, ein Schnipsel Gummiband, eine bunte Perlenkette, Spielfiguren, Bernsteinschmuck aus Moskau, ein Topflappen, den meine Tochter voller Geduld für mich gehäkelt hat.
Und so hangele ich mich von Gegenstand zu Gegenstand, von Erinnerung zu Erinnerung.
Will ich die Dinge weiter um mich haben? Werde ich sie vermissen, wenn ich sie einlagere? Brauche ich sie wirklich noch? Manchmal laufen mir die Tränen über die Wangen, so sehr gehen mir die Erinnerungen nach. So viel Leben liegt schon hinter mir, so viel Fülle, so viele Menschen, so viele Erfahrungen, Ereignisse, Eindrücke … Ich kann gar nicht mehr damit aufhören, die Flut an Erinnerungen um mich herum auszubreiten wie den weiten Stoffumhang eines Mantels. Einen Mantel, wie ich ihn als Kind vor Augen hatte, wenn ich an einen König oder eine Königin dachte. Eingehüllt sitze ich in diesen Erinnerungen.
In diesen Momenten verliere ich das Zeitgefühl. Die Zeit im Jetzt verwebt sich auf undurchsichtige Weise mit der von früher, die Erinnerungen vermischen sich, die eine löst die andere aus. Nur punktuell kann ich sie beeinflussen, sie kommen und gehen, laden sich gegenseitig ein. Die eine berührt mich mehr, die andere betrachte ich fast von außen, wie die Zuschauerin eines Filmes oder Theaterstückes.
Ab und an kommt die Katze vorbeigestrichen und schnuppert an den Dingen, die ich bereits in die Kisten gelegt habe oder die noch ausgebreitet auf der Holzbank liegen. Als wüsste sie, wie besonders diese Stunden sind, schmiegt sie sich an meine Beine.
Noch nie war mir so sehr bewusst, wie stark Gegenstände mit Erinnerungen zusammenhängen. Natürlich, sie sollen erinnern, dazu sammeln wir sie ja auch, dafür kaufen wir ja auch Reiseandenken oder nehmen uns einen Stein vom Strandspaziergang mit. Aber dass sie in Anbetracht eines möglichen Verschwindens aus dem eigenen Leben (z. B. durch Verschenken, Verkaufen oder Wegschmeißen) noch einmal so sehr nach Aufmerksamkeit rufen, das hätte ich nicht gedacht.
Nein, sie rufen ja nicht wirklich. Ich höre ihnen vielmehr zu, während ich sie in die Hände nehme und ihnen meine geballte Aufmerksamkeit schenke. Das hatte ich lange nicht. Es ist schön, diese Erinnerungen zu haben – auch ohne diesen oder jenen Gegenstand. Ich habe ja alles in meinem Kopf, also brauche ich nicht so viel.
Manches hat seine Zeit gehabt und soll nun verbrannt werden, hat ausgedient. Oder ich will es einfach nicht mehr. Mit dreißig wollte ich einige Briefe unbedingt aufbewahren, da hatten sie eine ganz wichtige Funktion. Nun, fast zwanzig Jahre später, dürfen sie getrost in Flammen aufgehen. »Alles hat seine Zeit«, sage ich mir immer wieder. Auch das hier. Ein langer Prozess ist es, dieses Heraussortieren, dieses Mich-frei-Machen von so viel Ballast.
UND NUN? ANNEHMEN DES SCHICKSALS
Aber warum musste ich denn überhaupt packen und aussortieren?
Da hatte es einen Ruck gegeben, eine Veränderung in meinem Leben. Eine Unterbrechung des Alltags. Ein Ruf im Sinne der Heldenreise.
Aber warum rief ich dieses Projekt eigentlich ins Leben? Was war der Anlass?
Mein Haus, das ich einstmals für meine Tochter und mich gekauft hatte, teilte ich später, blauäugig, verliebt und ein wenig eingetrübt durch eine gewisse rosarote Brille, mit einem anderen Menschen und lebte eine kleine Weile mit diesem Menschen zusammen.
Noch Jahre nach der Trennung gab es so etwas wie einen Rosenkrieg, der trotz diverser Friedensangebote kein Ende fand. Das Haus, einstmals ein wunderschöner Heimathafen, wurde zum Spekulationsobjekt. Eine Auszahlung war für mich zum damaligen Zeitpunkt nicht möglich, die Zahlen überstiegen mein Budget und meine Möglichkeiten.
Vor meinem geistigen Auge sah ich es schon: Plötzlich wird das geliebte Haus verkauft, und ich muss raus, vermutlich muss ich dann »schnell« raus und habe noch keinen neuen Platz. Und ein neues Haus konnte ich mir nicht leisten, mein Kapital war noch in dieser jetzigen Immobilie gebunden.
Und mein Herz blutete, denn keine neue Wohnsituation, die ich mir ausmalte, hielt dem Vergleich mit meinem Haus stand, in dem ich das erste Mal in meinem Leben für mehr als 10 Jahre gelebt hatte.
Eine fatale Situation, wie ich damals fand. Ich war traurig, fühlte mich in der Falle sitzend, ungerecht behandelt, als Opfer und bemitleidenswert. Aber ich hatte wirklich keine Idee, wo ich hinwollte. Dort im Ort bleiben, wo ich dann immer am alten Haus vorbeilaufen sollte? Nein, das nicht.
Eine Krise? Das Schicksal, das an die Tür klopft? Eine Chance, ein neuer Schritt?
Menschen, die Herausforderungen und Schwierigkeiten annehmen und sie als Chance für eine Veränderung sehen, diese Menschen wissen, dass solche Herausforderungen zum Leben dazugehören, und sie wissen, dass es normal ist, dass etwas ihr Denken und Fühlen durcheinanderbringt, es sie tiefer als gewöhnlich erschüttert. Sie haben erfahren, dass es sogar gut ist, diese Erschütterung zuzulassen. Anschließend aber wird eine Neusortierung und Neuordnung ihrer eigenen Welt möglich, ihrer Gefühle, Werte, Glaubenssätze und Gedanken.
Die ersten Schritte sind dabei für mich die Akzeptanz und das Eingeständnis, dass ich ratlos bin, dass ich »NOCH keinen Namen habe« für das, was sich da Neues außerhalb meiner Komfortzone befindet. Ich erlaube mir, meine üblichen und normalen Antworten nicht zuzulassen, sondern einen neuen Raum zu öffnen: Ich weiß noch nicht, was kommt. Und gehe weiter, zuversichtlich, vertrauensvoll, Schritt für Schritt.
Die Schritte gehen in den Übergang – in einen unklaren, nicht bekannten Raum. Namenlos – ohne Konturen. Unklar, nicht gezeichnet, neu. Ein neues Ufer, ein neuer Weg.
Und der Schritt in den Übergang scheint mir klar und das Sinnvollste der Welt – denn es gibt keine Antwort auf die Frage nach dem Wohin.
Das komplette Loslassen ist eine Antwort. Und damit eine Einladung, beherzt und zuversichtlich ins Ungewisse zu gehen. Das Schicksal anzunehmen, nimmt mich einerseits ein, andererseits füllt mich allein diese Haltung mit Kraft und Zuversicht aus.
»Wege entstehen im Gehen.« Und dies war ein neuer Weg. Zumindest für mich.
Jammern und Klagen, Opferallüren hingegen machen Menschen unfrei, sie geben anderen die Schuld – oder ehrlicher ausgesprochen die Verantwortung für ihre Situation und ihr Schicksal. Das hätte ich wahrlich tun können – doch es hat und hätte mich nicht weitergebracht.
Stattdessen handelte ich im Rahmen meiner wirklichen Möglichkeiten, vertraute also meiner Selbstwirksamkeit. Das Schicksal annehmen heißt nicht, alles über sich ergehen zu lassen. Ganz im Gegenteil – stattdessen das Steuerrad in den Händen spüren, das Beste aus dem machen, was da ist. Und dazu gehört es auch, die Erschütterung anzunehmen. Nehme ich sie nicht an, kann ich sie auch nicht überwinden. Sie ist der Garant dafür, dass es anders wird, dass es einen Unterschied zum Vorher gibt und dass Routine und übliche Gewohnheiten der Gedanken Reißaus nehmen.
Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass diese Erschütterung sehr hilfreich ist, um aus dem gewohnten Muster auszusteigen und das Neue zuzulassen und anzunehmen. Tun wir das nicht, steigen wir allzu schnell in die gewohnten Bahnen von Denken und Handeln.
Damals hatte ich noch keine Vorstellung. Doch wollte ich handeln und einen Weg finden, der zugleich eine Lösung ist.
Denn ich hatte auch viele Verantwortlichkeiten, so zahlte ich weitaus mehr für den monatelangen Leerstand des Hauses als für eine normale Miete, zudem gab es noch andere finanzielle Verbindlichkeiten.
Meine Tochter wurde immer größer, sie zog zu ihrem Vater, und plötzlich stellte ich fest: Ich bin ja frei!
Wow. Und dann suchte ich nach Lösungen, die alles Bisherige ausschlossen. Zurück in die Normalität? Nein, lieber nicht!
Und so einfach ist eine Mietwohnung nicht, denn ich brauche immer auch Arbeitsräume, ein Lager für mein Material, eine Katzenklappe, sodass meine Katze ganz nach ihrem Gusto ein- und ausgehen kann. Und wenn ich ehrlich bin, dann bin ich auch so etwas wie ein Freigeist, ein Licht-, Wasser- und Luftwürmchen, wie mich Freunde nennen. Ich liebe es, draußen im Garten auf der Terrasse zu schlafen, auf dem Rasen zu zelten, Feuer zu machen und so oft und lange wie möglich draußen zu sein.
Meine Sorge war, so einen Ort so schnell nicht wieder zu finden.
Doch ich steckte nicht den Kopf in den Sand, sondern erhob – ganz gegenteilig – den Blick.
Und suchte dort, wo ich noch nie gesucht hatte.
Kennen Sie die Geschichte vom verlorenen Schlüssel?
Eine Geschichte von Nasreddin, einem Mullah, über den viele Geschichten erzählt werden.
Nasreddin hatte beim abendlichen Heimweg seinen Hausschlüssel verloren. Er suchte und suchte und konnte ihn einfach nicht finden.
Seine ausführliche Suche erregte die Aufmerksamkeit seiner Nachbarn, von denen sich einige zu ihm gesellten, um ihm bei der Suche beizustehen. Doch auch ihre Bemühungen waren vergeblich, bis einer von ihnen Nasreddin fragte, wo ungefähr er glaube, den Schlüssel verloren zu haben.
»Ach, das war dort drüben!«, sagte der Mullah mit verblüffender Sicherheit und wies auf einen dunklen Winkel nahe dem Haus.
»Und warum suchen wir dann hier?«, fragten erbost die Nachbarn.
»Weil es hier hell ist«, erwiderte Nasreddin.
So machte ich mich daran, dort zu suchen, wo ich bisher noch nicht gesucht hatte, wo es aber dunkel war. Das war das unbekannte Land.
Für mich besteht das Leben nicht ausschließlich aus Glücksmomenten, und Glück ist meines Erachtens auch nicht der ausschließliche Lebenszweck bzw. -sinn. Vielmehr sehe ich die große Lebenskunst darin, auch – oder sogar gerade – aus den schweren Situationen und Zeiten das Gute herauszuarbeiten.
Ich sehe mich darin durch eigene Erfahrungen und durchlebte Krisenphasen bestätigt, die mich zu der Person gemacht haben, die ich bin. Und ähnlich mag es Ihnen gehen, denn Sie haben Ihre eigenen Erfahrungen gemacht.
Zudem finden wir eine Bestätigung in der Wissenschaft: Viele von Ihnen werden den Film »Matrix« kennen. Der Filmhandlung zugrunde liegt das Gedankenexperiment von Robert Nozick, einem amerikanischen Philosophen, der Mitte der 1970er-Jahre in einem Buch sein gedankliches Experiment veröffentlicht hatte: Er befragte Probanden, ob sie sich an eine Maschine anschließen lassen möchten, die ihnen ausschließlich glückliche und angenehme Gefühle verschaffen würde. Auch wenn es keinen wahrnehmbaren Unterschied zwischen Realität und Experiment geben würde, lehnten die meisten Befragten ab und bevorzugten ein reales Leben voller Aufs und Abs! Letztere scheinen also in der allgemeinen Wahrnehmung ganz natürlich dazuzugehören.
Viele Ratgeber, Seminare, Onlinekurse etc. beschäftigen sich aktuell mit Themen wie Gelassenheit, Entspannung und Stressmanagement. Ich möchte lediglich einen Aspekt herausgreifen, der mir wichtig scheint: Annehmen ist in meinen Augen ein aktiver Prozess, hat nichts mit Abwarten oder Aussitzen zu tun.
Im Akzeptieren und Annehmen liegt so viel Kraftvolles, um dieses pure, unverwechselbare Lebensgefühl zu bekommen.
In dem Augenblick, in dem wir etwas annehmen und akzeptieren, gegen das wir uns vielleicht sogar lange gewehrt haben, bekommen wir Kraft und Macht. Macht über uns und unser Leben. Wir brauchen keine Täuschungen mehr. Wir sehen klar.
Das Nicht-wahrhaben-Wollen und das Sich-Rausreden kostet Energie.
Sie kennen vielleicht diesen Satz »Denk nicht an einen rosa Elefanten«? Er soll Folgendes verdeutlichen: Wenn wir uns einen rosa Elefanten vorstellen, dann stellen wir uns erst einen Elefanten vor, den machen wir uns dann »irgendwie« rosa, um uns dann anschließend diesen Elefanten wegzudenken. Anstatt dass er verschwindet, taucht er immer wieder auf. Und wir denken ihn dann absichtlich weg. Doch er taucht irgendwie immer wieder auf.
Ähnlich ist es mit den Situationen, die wir nicht wahrhaben wollen.
Aber: Auch wenn etwas unlösbar erscheint, gibt es immer eine Lösung. Vielleicht erkennen wir die Lösung einfach nur noch nicht. Und manchmal ist es eben Akzeptanz.
Denn eine der häufigsten Ursachen für Glücksgefühle, für Freude, Zuversicht, aber auch Krisen ist das Fragen nach dem Sinn des Lebens.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist quasi angeboren. Auch unser Gehirn beschäftigt sich konsequent mit der Sinnsuche.
Was gibt es alles zu akzeptieren, wenn wir an das Leben denken?
So viel Gutes und Schönes, was wir erleben: Eingebunden in Familien und andere soziale Systeme, die uns Halt geben, von denen wir ein Teil sind.
Wir leben im Frieden, in einer gewissen Form von Wohlstand, wir können reisen, haben Freizeit, können so vieles machen, was uns guttut und gefällt.
Kennen Sie das auch, wenn Sie vor Glück oder Freude weinen?
Manchmal ist es gar nicht so leicht, einfach zu akzeptieren, dass man glücklich ist, dass man den besten Partner der Welt hat oder anderes mehr, was uns guttut.
Neben all den Situationen und Ereignissen des Alltags, die viele Menschen als gut oder schön bewerten, gibt es aber auch noch Herausforderungen, wie z. B. noch nicht gelöste Probleme oder Situationen, die wir noch als schwer oder unlösbar wahrnehmen und bewerten.
Wenn wir eine Situation erleben, von der wir denken, dass wir nicht ausweichen können, wie eine Trennung, der Tod eines nahestehenden Menschen oder eine beunruhigende Diagnose, dann durchlaufen Menschen oft folgende Phasen. Ich kenne sie aus der Arbeit mit sterbenden Menschen, und im Ursprung stammen die Definitionen dieser Phasen von Elisabeth Kübler-Ross, einer bedeutenden Psychiaterin und Sterbeforscherin.
1.Nicht-wahrhaben-Wollen. Verdrängung und Hoffnung mischen sich mit dem Wunsch nach Klarheit, Genauigkeit und Transparenz. Im Tenor jedoch möchten Menschen die neue Situation nicht annehmen. Sie wollen es noch nicht wahrhaben.
2.Zorn und Auflehnung. Sie sind der Aufgabe noch nicht gewachsen und lehnen sich dagegen auf. Aggressivität, Zorn und Trotz sind übliche Mittel, sich gegen das Schicksal zu wehren.
3.Verhandlung mit dem Schicksal. Nun möchten sie verhandeln, noch einmal einen Versuch starten, Pläne schmieden. Es ist ein Versuch, mit der Situation zurechtzukommen.
4.Depression. Oder auch Resignation, Zeit zu trauern, der Enttäuschung oder Ähnlichem Raum zu geben. Die Menschen wissen, dass sie Abschied zu nehmen haben. Von Ideen, Glaubenssätzen, Menschen, Lebensentwürfen, Besitz, Gewohnheiten. Leben.
5.Innere Ruhe. Nach der schrittweisen Akzeptanz entsteht eine innere Ruhe, die Menschen wissen, woran sie sind. Die Angst weicht der Weisheit und Klarheit, sie sind handlungsfähig. Die Wahrheit wird akzeptiert.
Dieses Modell kann für viele Menschen eine Art roter Faden sein, an dem sie sich orientieren können, wenn etwas in ihr Leben kommt, von dem sie denken, dass sie ihm nicht ausweichen können.
Hier wird auch wieder deutlich, dass die innere Einstellung entscheidend ist, wie Menschen Ereignisse beurteilen. Und welche Möglichkeiten sie dann zum Handeln sehen.
Wie kann es gelingen, etwas anzunehmen?
Wie erkennen wir, ob wir etwas ändern können, oder ob es darum geht, etwas zu akzeptieren, um dann die weiteren Schritte zu gehen, die wir gehen wollen?
Das ist eine alte Frage, wie folgendes Gebet zeigt.
»Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«
Das Akzeptieren einer Situation oder eines Ereignisses gelingt, indem wir uns dem, was wir als Tatsache betrachten, schrittweise nähern.
Und es gehört dazu, zu erkennen, dass wir uns fortwährend unsere eigene Realität schaffen. Das wissen Sie.
Jeder hat seine Landkarte der Welt. Aber nicht jeder hat seinen Weg darauf klar gezeichnet. Viele der Umwege sind sichtbar geworden. Wenn Sie die Karte neu ausbreiten, neue Wege suchen, ist das Terrain bekannter und Ihr Rucksack leichter.
Einer der wichtigsten Schritte hin zum Akzeptieren und Annehmen ist, sich selber frei von einer Wertung unbeteiligt zu beobachten. Also einfach nur wahrzunehmen, was ist. Und das, was wir über uns wahrnehmen, anzunehmen.
Beobachten Sie einfach. Und dann schauen Sie weiter. Sie haben die Möglichkeit, sich all das anzuschauen und es dann bewusst anzunehmen.
Manches Mal spreche ich auch vom Durchschreiten. Wenn ich etwas Schweres erlebe, dann kann ich es nicht gleich mit voller Wucht akzeptieren, ich kann es aber schrittweise tun, als durchschritt ich es. Tag für Tag, Nacht für Nacht setze ich mich damit auseinander – immer sind die Portionen gerade so groß, wie ich sie bewältigen und in mir zulassen kann. Nicht bewertend versuche ich erst einmal zu verstehen und zu ahnen, was es eigentlich ist und was es für mich bedeutet. Ich weiß mittlerweile sehr gut, dass ein Sich-dagegen-Auflehnen nicht lohnt, das Annehmen bringt mir viel mehr Kraft, denn ich mache mir nichts vor, belüge mich nicht selber, um dann später womöglich enttäuscht zu sein. Kämpfen, wenn es notwendig sein sollte, kann ich dennoch.
Eine großartige Möglichkeit, unnötigen Ballast nicht mehr länger mit sich herumzutragen, ist es, sich von Gedanken, Interpretationen und Erinnerungen zu befreien, die belastend sind.
Einer der wertvollsten und einfachsten Wege dahin, ist zu erkennen, was das Gute an einer Situation ist. Dabei helfen Fragen wie:
•Wozu ist das gut?
•Was darf ich hier lernen?
•Was habe ich davon?
Sie helfen allesamt, eine – vorerst als schwierig bezeichnete Situation – eher anzunehmen und sich mit ihr auszusöhnen.
Die Frage nach der guten Absicht jedoch hilft mir seit Langem, auch wenn ich die Antwort nicht immer gleich habe, so vertraue ich jedoch darauf, dass sie sich einstellt.
Vielleicht mögen Sie es ausprobieren und sich diese Fragen in herausfordernden Situationen stellen. Womöglich entdecken Sie auch, wie sich Ihnen plötzlich mehr Verantwortung, mehr Macht und damit auch mehr Möglichkeiten erschließen.
Mit diesen Fragen im Gepäck können wir besser annehmen und akzeptieren.
Denn in allem, was ist und war, liegen Botschaften, die wir immer wieder ganz unterschiedlich interpretieren und beurteilen können.
Es gibt Menschen, die denken, dass nichts, was ihnen widerfährt, umsonst war, dass alles eine Bedeutung hat und einen Sinn ergibt. Auch wenn sie diesen vielleicht erst Jahre später erkennen.
Ein Nein blockiert in diesem Fall – ein Ja öffnet die eigenen Türen. Solange wir uns, unsere geschaffene Wirklichkeit und unseren bisherigen Lebensweg ablehnen, verstärken wir weiterhin das Unangenehme darin und verbrauchen dafür sogar jede Menge kostbare Energie. Wir nutzen die Energie, um zu blockieren, statt in den Fluss zu kommen. Das ist sinnlos. Das Beobachten des eigenen Verhaltens, der eigenen Bewertungen, der Gefühle und Gedanken, die entstehen und hochkommen, aus einer inneren Distanz heraus, verschafft Abstand, Klarheit und Weite beim Betrachten. Schrittweise können wir dann häufiger Ja zu uns sagen. Seien Sie neugierig auf Ihre Reaktionen und was Sie entdecken: »Oh, interessant, schau einmal an, wie ich das bisher gemacht habe.«
Es gibt eine Menge Menschen, denen gelingt es leicht, Situationen im Leben hinzunehmen. Sie verfügen über eine ausgeprägte Resilienz. Eine ihrer besonderen Haltungen und Einstellungen ist die Akzeptanz und das Annehmenkönnen.
Menschen mit Resilienz nehmen vieles hin: Unglück, Enttäuschung und Widrigkeiten sehen sie als unvermeidliche Teile des Lebens. Sie gehören dazu wie das Salz in der Suppe. Ohne dieses Salz schmeckt die Suppe eben nicht. In der Gabe der Akzeptanz steckt das Annehmen dessen, was jetzt da ist. Menschen, die Akzeptanz als Gabe haben, sehen sogar einen Nutzen in der Mehrdeutigkeit und Vielschichtigkeit von Situationen oder Ereignissen, selbst scheinbare Widersprüche werden von ihnen akzeptiert. Es gelingt ihnen, obwohl sie nicht sofort eine Erklärung oder Bewertung parat haben, warum das nun gut oder falsch sei.
Menschen mit einer ausgeprägten Resilienz lassen sich nicht so leicht von Schicksalsschlägen berühren.
Sie erkennen an, dass Krisen und Schwierigkeiten zum Leben gehören; dass es normal ist, dass etwas ihr Denken und Fühlen durcheinanderbringt, es tiefer als gewöhnlich erschüttert. Sie haben erfahren, dass es nicht gut ist, diese Erschütterung nicht zuzulassen, denn sonst fehlt ihnen die anschließend notwendige Neusortierung und Neuordnung ihrer eigenen Welt, ihrer Gefühle, Werte, Glaubenssätze und Gedanken.
Es kann sein, dass Menschen diese Erschütterung von sich fernhalten, doch dann verhindern sie womöglich das Annehmen der Situation, eine Realisierung und Verarbeitung des Geschehenen, sowie ihre individuelle Anpassung an die veränderte Situation. Das kann eine anschließende Integration dieser Erfahrung ins eigene Leben erschweren. Im Umgang mit anderen Menschen zeigt sich die Akzeptanz auch darin, dass wir sie gewähren lassen. Die Gefühle, Gedanken und Reaktionen anderer sind deren Sache.
Und natürlich wissen auch Sie, dass wir andere Menschen nicht ändern können, aber wir können lernen, sie in ihrem jeweiligen Verhalten zu akzeptieren, und uns an der Vielfalt der Menschen und ihrer Modelle der Welt erfreuen. Sie sehen, zu welcher reifen Sicht und Gelassenheit Menschen gelangen können, die es geschafft haben, eigene Projektionen wegzulassen, um klarer zu sehen.
Annehmen und Akzeptieren ist eine der allergrößten Kraftquellen für ein intensives, pures Leben. Es macht unseren Lebensweg zu unserem.
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