Kitabı oku: «Ganztag aus der Perspektive von Kindern im Grundschulalter», sayfa 3

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Forschungsdesign

Kinder in pädagogischen Kontexten (und damit auch in der Qualitätsentwicklung) sowie in der Forschung als mit Rechten ausgestattete Akteur:innen und Mit-Konstrukteur:innen zu betrachten, ist grundlegend für den Kinderperspektivenansatz (Nentwig-Gesemann et al. 2021) und war auch in der hier vorgelegten Studie zu den Perspektiven von Kindern auf das Setting Ganztag forschungsleitend. Die Frage der Agency von Kindern ist dabei vor allem in Bezug auf die Forschungsmethoden und die Gestaltung der Beziehungen zwischen Forscher:innen und Kindern relevant: Den Kindern wurde durch die Vielfalt und Offenheit der Erhebungsmethoden und das konsequente Sich-Einlassen auf ihre Themen und Relevanzen ein hohes Maß an Selbstverantwortung und Beteiligung am Forschungsprozess ermöglicht. In einer relationalen Perspektive betrachten wir Agency – die Akteurschaft von Kindern – generell als »Ergebnis sozialer Beziehungen und Geflechte« (Kelle und Hungerland 2014: 229). Auch in Forschungssituationen und -beziehungen gilt es demnach immer wieder, kritisch zu reflektieren, welche Beteiligungs- und Einflussmöglichkeiten Kindern eröffnet werden, damit sie ihre Möglichkeiten, »sich zu äußern, gehört zu werden, sich zu beteiligen und Dinge, die sie betreffen, konkret mitzugestalten«, ausschöpfen und ein sicheres und selbstverständliches Vertrauen in ihre Agency entwickeln können (Nentwig-Gesemann und Großmaß 2017: 215).

Die Studie verortet sich methodologisch-methodisch in einer spezifisch wissenssoziologisch fundierten, praxeologisch ausgerichteten Kindheitsforschung, in deren Zentrum die Dokumentarische Methode (Bohnsack 2014, 2017; Bohnsack, Nentwig-Gesemann und Nohl 2013) steht. Die Dokumentarische Kindheitsforschung (Nentwig-Gesemann et al. 2021; Wagner-Willi, Bischoff-Pabst und Nentwig-Gesemann 2019) wendet sich nicht nur dem Modus Operandi, den situativen und übersituativen Vollzugslogiken von Praxis zu, sondern auch dessen Genese: Dabei geht es um die Frage, in welchen Erfahrungsräumen Orientierungsmuster verwurzelt sind, ob und wie sie beispielsweise mit bestimmten organisationalen Besonderheiten zusammenhängen, ob sie etwas mit dem Alter und Geschlecht der Kinder zu tun haben, ob es milieu- und sozialraumspezifische Unterschiede gibt. Dabei wird auch die Mit-Wirkung von räumlichen, materialen und zeitlichen Arrangements an der Hervorbringung bzw. Genese von Praxis in den empirischen Blick genommen. Die dokumentarische Forschung unterscheidet zudem grundlegend zwischen expliziten und impliziten Wissensbeständen, also zwischen atheoretischem und praktischem Erfahrungswissen zum einen sowie Argumentationen und bewertenden Einschätzungen zum anderen. Dies ist für die Frage nach Qualität entscheidend: Relevant ist nicht nur, was Kinder auf einer expliziten Ebene als positiv oder negativ an ihrem Ganztag wahrnehmen, sondern welche positiven und negativen Erfahrungshorizonte sich in ihren Narrationen und handlungspraktischen Vollzügen dokumentieren.

Sample

Die Samplingstrategie4– die Zusammenstellung der Stichprobe – zielte auf das Maximieren von Unterschieden der untersuchten Einheiten im Sinne eines Theoretical Sampling (Glaser und Strauss 1967). So verteilten sich die Einrichtungen räumlich auf die fünf Bundesländer Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern, wobei in Bayern in zwei und in Berlin in drei Ganztagen Erhebungen durchgeführt wurden. Es wurden Einrichtungen aus unterschiedlich großen Orten einbezogen und auch die Einrichtungsgröße variierte stark: Der kleinste einbezogene Ganztag verfügt lediglich über 25 Plätze, während der größte 440 Plätze anbietet.

Ausgewählt wurden zudem Einrichtungen mit unterschiedlichen pädagogischen und organisatorischen Profilen:

Ganztag A: Ganztagsbereich einer katholischen Europagrundschule (AWO)

Ganztag B: Freie Naturschule mit offenem Ganztagsangebot (freie Trägerin: Erzieherinnen-Eltern-Initiative)

Ganztag C: Montessori-Hort in freier Trägerschaft (Elterninitiative)

Ganztag D: Integrativer Hort an einer Halbtagsgrundschule (AWO)

Ganztag E: Waldhort in freier Trägerschaft (Erzieherinnen-Initiative)

Ganztag F: Quasi-gebundene Grundschule in städtischer Trägerschaft

Ganztag G: Hort einer Halbtagsgrundschule im Brennpunktgebiet (zwei Träger: ein städtischer und ein freier)

Ganztag H: Ganztagsbereich einer gebundenen Ganztagsgrundschule mit hohem Anteil an Familien mit Migrations- und Fluchthintergrund (freie Trägerin: Stiftung öffentlichen Rechts)

Die Konzepte der Einrichtungen unterscheiden sich sowohl auf der formalen Ebene (z.B. in Bezug auf die Art des Trägers) als auch in der praktischen Ausgestaltung. In das Sample aufgenommen wurden sowohl gebundene als auch offene Ganztagsschulen, Ganztagsschulen mit vollständig rhythmisiertem Konzept und reiner Nachmittagsbetreuung, in die Schule räumlich integrierte Ganztagsangebote und räumlich von der Schule vollständig getrennte Einrichtungen. Um die Kontraste zwischen den Einrichtungen und damit die Breite der Fälle zu verdeutlichen, werden fünf Einrichtungen kurz vorgestellt:

Der Ganztagsbereich A befindet sich auf dem Schulgelände einer offenen Ganztagsschule im Innenstadtbezirk einer Großstadt. Er wird von rund 150 Kindern und damit gut 70 Prozent der Schüler:innen der Schule besucht. Die Kinder teilen sich auf sechs Gruppenräume mit je einer verantwortlichen Fachkraft auf: Drei der Räume, in denen die Kinder an vier Tagen je nach Unterrichtsende ab 11:30 bis 16:30 Uhr und freitags bis 15 Uhr von Diplom-Sozialpädagog:innen und Erzieher:innen betreut werden, befinden sich im Erdgeschoss des Schulgebäudes und drei in einem Nebengebäude, in dem auch das gemeinsame Mittagessen stattfindet. Die Kinder erledigen in einer 45-minütigen Lernzeit ihre Hausaufgaben und können darüber hinaus zwei aus 26 möglichen AGs wählen, die montags bis donnerstags angeboten werden. Auch in den Ferien bietet der offene Ganztagsbereich Betreuung an, dann ganztägig von 8 bis 16 Uhr.

Ganztag B ist eine freie Schule mit natur- und inklusionspädagogischem Schwerpunkt, die von einer Erzieherinnen-Eltern-Initiative gegründet wurde. Die Schule bietet rund 140 Plätze an und befindet sich in einer Kleinstadt. In der Schule wird nicht strikt zwischen Unterricht, Freizeit oder Lernzeit unterschieden. Die Kinder besuchen die Schule in der Kernzeit von 7 bis 15 Uhr, wobei das Ganztagsangebot in einer Verlängerung bis 16 Uhr (an einem Tag auch 16:30 Uhr) besteht, welches sich inhaltlich nicht von dem Rest des Tages unterscheidet und in denselben Räumen stattfindet. Über den Tag hinweg bieten die Lehrer:innen und pädagogischen Fachkräfte verschiedene Angebote an, die auch den Lehrplan allgemeinbildender Schulen abdecken und die die Kinder zu einem gewissen Teil verpflichtend besuchen. Jedes Kind stellt sich allerdings in Absprache mit einem Mentor oder einer Mentorin einen eigenen, rhythmisierten Wochenplan zusammen, in dem sich individuelle, selbstbestimmte Arbeitszeiten mit dem Besuch von Angeboten und Freizeit abwechseln. Es gibt keine Hausaufgaben und Kinder können nach Rücksprache den Tag auch gänzlich selbstbestimmt gestalten. An einem Tag der Woche wird ein Waldausflug angeboten. Zu zwei Zeitpunkten ist das Mittagessen in der schuleigenen Mensa möglich.

Ganztag C ist ein Hort in einem Randbezirk einer Metropole, der von einer Elterninitiative getragen wird. Er bietet rund 40 Plätze vor allem für Kinder aus einer nahe gelegenen Grundschule an. Diese legen nach dem Unterricht einen Fußweg von etwa zehn Minuten zur Einrichtung zurück, wo sie je nach Schulschluss mittags ankommen und dann den Nachmittag bis maximal 18 Uhr verbringen. Der Hort verfügt über ein zweistöckiges Gebäude mit verschiedenen Räumen inkl. Turnhalle sowie über ein großes Außengelände. Dort befinden sich zudem mehrere kleinere Wohnhäuser, in denen ein sozialer Träger betreutes Wohnen für Jugendliche anbietet, die das Außengelände teilweise mitnutzen. Die Kinder werden von vier pädagogischen Fachkräften betreut und von einer Köchin mit Mittagessen versorgt, das sie einnehmen können, wenn sie von der Schule kommen. Die Fachkräfte räumen in Absprache mit den Eltern Zeit für die Hausaufgabenbetreuung ein und bieten darüber hinaus verschiedene AGs an.

Ganztag F ist eine Ganztagsschule in einer Mittelstadt in städtischer Trägerschaft. Die Schule wurde vor wenigen Jahren von einer gebundenen zu einer offenen Ganztagsschule, wobei sich nur wenig änderte: Die Kinder werden während der Kernzeit von 8 bis 15:15 Uhr (freitags bis 12:30 Uhr) fast ausschließlich von Lehrkräften betreut. Der Tag ist rhythmisiert, wobei die Unterrichtszeit überwiegt. So findet beispielsweise für die Dritt- und Viertklässler:innen von 8 bis 11:30 Uhr Unterricht statt, der lediglich von einer 25-minütigen und einer zehnminütigen Pause sowie für einen Teil der Kinder montags von 8 bis 9:30 Uhr durch ein Werkstattangebot unterbrochen wird. Vor der Mittagspause zwischen 11:45 um 12:30 Uhr sind zudem entweder Angebote oder eine Übungs- und Lernzeit vorgesehen, welche auch in den Klassenräumen unter Aufsicht stattfinden. Für das Mittagessen bestehen drei Optionen: Manche Kinder besuchen die Mensa, einige bringen etwas von zu Hause mit und essen meistens draußen und ein Teil der Kinder geht zum Essen nach Hause und kehrt dann für den Nachmittag zurück, der von 13:45 bis 15:15 Uhr noch einmal entweder aus Unterricht, Lernzeit oder Angeboten besteht. Prinzipiell können die Familien anschließend ein zusätzliches Betreuungsangebot bis 17 Uhr in Anspruch nehmen, für das ein eigener Raum in der Schule zur Verfügung steht. Dieses Angebot wird aber nur von wenigen Familien genutzt.

Eine Besonderheit stellt schließlich der Ganztag E – ein Waldhort – dar. Das dortige Konzept sieht vor, dass 25 Kinder jeden Tag nach einer Zeit aus flexiblem Mittagessen, fester Hausaufgabenzeit und Freispiel über mindestens zweieinhalb Stunden mit zwei hauptamtlichen Fachkräften im Wald verbringen.

Insgesamt haben 165 Kinder im Alter zwischen sechs und zehn Jahren, bzw. in Berlin und Brandenburg bis zwölf Jahren, an der Studie teilgenommen.

Erhebungsmethoden

Inspiriert durch den multimethodischen Ansatz des Mosaic Approach5 (Clark 2017) und aufbauend auf dem differenzierten Methodenschatz, der in der Studie »Kinder als Akteure der Qualitätsentwicklung in KiTas« entwickelt und erprobt worden ist (Nentwig-Gesemann et al. 2021), wurden den Ganztagskindern maximal mögliche Freiräume eröffnet, ihre Erfahrungen, Orientierungen und Einschätzungen zum Ausdruck zu bringen.

Das Prinzip der Offenheit und der möglichst geringen (und dann in den Analysen immer mitinterpretierten und -reflektierten) Eingriffe der Forscher:innen in den Relevanzrahmen und die Ausdrucksweisen der Kinder gewährleistete ein hohes Maß an Gültigkeit, also an Angemessenheit und Adäquanz, mit der empirisch tatsächlich das Erfahrungswissen der Kinder rekonstruiert werden konnte.6 Die eingesetzten Erhebungsmethoden werden im Folgenden kurz vorgestellt.

Die Gruppendiskussion ist ein für die Kindheitsforschung besonders geeignetes Verfahren, das sich variabel den jeweiligen verbalen Ausdrucksweisen von Kindern unterschiedlichen Alters anzupassen vermag (Nentwig-Gesemann 2010; Nentwig-Gesemann und Gerstenberg 2014). Die Kinder, die an der Studie teilgenommen haben, konnten die für sie wichtigen Themen im Ganztag aufgreifen und diese in ihrer alltäglichen Sprache und der gewohnten Form der Interaktionsorganisation bearbeiten (Nentwig-Gesemann 2010: 6).

Ein besonderer Fokus auf Freundschaften und soziale Beziehungen der Kinder untereinander wurde in dialoggestützten, narrativen Interviews zum Thema »Freundschaft im Ganztag« gelegt (Weltzien 2012). Dabei erzählten immer zwei, in Ausnahmefällen auch drei Kinder, die sich selbst als Freund:innen bezeichneten, von ihren gemeinsamen Erfahrungen und Erlebnissen im Ganztag.

Malbegleitende Gespräche (Bakels und Nentwig-Gesemann 2019) boten den Kindern die Möglichkeit, sich an einen ruhigen Ort zurückzuziehen und mit den Forscher:innen ins Gespräch zu kommen. Möglich war, sich sowohl in den Prozess des Malens zu vertiefen und damit in eine symbolische Sprache, in der auch implizites, präreflexives Wissen ausgedrückt werden kann, als auch intensive, dialogorientierte Gespräche mit den Forscher:innen zu führen.

Die Methode Kinder fotografieren ihren Ganztag wurde in Anlehnung an die »Autofotografie« von Deinet (2009: 78 f.) entwickelt: Je zwei Kinder erhielten eine Kamera, mit der sie abwechselnd ihre Lieblingsorte, »blöde Orte«, Rückzugsorte oder interessante Orte fotografieren sollten. Im Anschluss wurden die digitalisierten Fotos gemeinsam mit den Kindern angeschaut, um mit ihnen – fotobasiert – über ihre Erfahrungen, Aktivitäten und Sichtweisen ins Gespräch zu kommen.

Schließlich wurde den Kindern in einer separaten Forschungsstation eine Briefbox samt Materialien (Karteikarten, Stifte, Stempel, Aufkleber mit Smileys) zur Gestaltung von Briefen zur Verfügung gestellt. Die Kinder wurden gebeten, Ideen, Kritik, Wünsche oder Lob zu formulieren und diese (anonym) als »Briefe« in die Box zu werfen.

Um auch aus der unmittelbaren Praxis im Ganztag Rückschlüsse auf die Orientierungen der Kinder ziehen zu können, wurde zusätzlich fokussiert teilnehmend beobachtet (Heinzel et al. 2010; Krüger 2006). Die dokumentarische Auswertung der Beobachtungsprotokolle von Situationen beim Mittagessen, bei den Hausaufgaben und im Freispiel ermöglichte – ergänzend zu den gesprächsorientierten Erhebungsverfahren – die Rekonstruktion von Interaktionsqualität, also der Qualität der interaktiv hervorgebrachten Beziehungen zwischen den Kindern sowie zwischen ihnen und den pädagogischen Fachkräften.

Dokumentarische Methode

Das in den jeweils zweitägigen Feldaufenthalten gesammelte Material wurde mit der Dokumentarischen Methode (Bohnsack 2014, 2017; Bohnsack, Nentwig-Gesemann und Nohl 2013) interpretiert. Kernziel der Methode ist, Implizites explizit zu machen. Dabei bilden sich habituell entfaltende Praktiken und die überwiegend impliziten Erfahrungswissensbestände der sozialen Akteur:innen den Kern der Interpretationsarbeit. Der rekonstruktive, erkenntnisgenerierende Interpretationsansatz ermöglichte, typische – also immer wiederkehrende – Dimensionen von guter Qualität im Ganztag aus dem Material herauszudestillieren. Zentral für die Kontrolle der Standortverbundenheit der Forscher:innen ist das Prinzip der fallinternen und fallübergreifenden Komparation: Dieses sichert ab, dass nicht die (z.B. theoriegeleiteten) Perspektiven der Forschenden den Analysefokus lenken, sondern empirisch generierte Vergleichsfälle, die auf Gemeinsamkeiten und Unterschiede hin befragt werden.

Zum einen wird das empirische Material daraufhin befragt, was auf der Ebene des immanenten Sinns, auf einer inhaltlich-thematischen Ebene, ausgedrückt wird – es wird formulierend interpretiert. Wir haben hier viel darüber erfahren, was für die Kinder überhaupt relevante Themen sind, was ihnen (un-)wichtig ist und wie sie bestimmte Dinge im Ganztag erleben und bewerten.

Zum anderen fragt der zentrale Arbeitsschritt der reflektierenden Interpretation nach dem Dokumentsinn: Welche handlungsleitenden Orientierungen, Relevanzen, Wertorientierungen und Deutungsmuster, welches Erfahrungswissen dokumentiert sich in Inhalt und Form einer Erzählung, einer Bezugnahme aufeinander im Gespräch, eines Briefes, einer Fotografie, einer Zeichnung, einer Handlungs- oder Interaktionssituation? Auf dieser Interpretationsebene haben wir uns den grundlegenden Bedürfnissen, Orientierungen und Anliegen der Kinder zugewandt, die diese begrifflichtheoretisch so nicht selbst ausdrücken können.

Die komparative Analyse ist ein fundamental wichtiges Arbeitsprinzip der Dokumentarischen Methode: Lassen sich typische, homologe Muster erkennen, die bei der Bearbeitung verschiedener Themen bzw. bei verschiedenen Akteur:innen immer wiederkehren, also fall- und situationsübergreifend sind? In der vorliegenden Studie führte das kontinuierliche interpretative Vergleichen von thematisch ähnlichen Sequenzen aus den unterschiedlichen Erhebungen am Ende zu einem verdichteten und empirisch gesättigten Bild dessen, was aus der Perspektive der einbezogenen Kinder wichtige Dimensionen eines guten Ganztags sind.

4Aufgrund der Corona-Pandemie war es nicht möglich, wie geplant zwei weitere Einrichtungen in das Sample aufzunehmen. Die letzte Erhebung fand bis kurz vor den Schulschließungen im März 2020 statt. Eingeflossen sind zudem Daten aus zwei Berliner Grundschulen, die in einem Lehrforschungsprojekt zum Thema »Hortqualität aus Kindersicht« mit Studierenden der Alice Salomon Hochschule Berlin erhoben wurden (Ganztage G und H).

5Die Grundidee des Ansatzes ist, verschiedene Methoden zur Datenerhebung einzusetzen, die sich an den Themen, Relevanzen und (non)verbalen Ausdrucksweisen der Kinder orientieren, und das gesammelte Material dann wie ein Puzzle zu einem Gesamtbild zusammenzusetzen.

6Zu Gütekriterien qualitativer Kindheitsforschung vgl. Nentwig-Gesemann 2010, 2013.

Ergebnisse: Qualitätsbereiche und -dimensionen aus der Perspektive von Kindern im Grundschulalter auf ihren Ganztag

Dem Prinzip der komparativen Analyse folgend, konnten die – mit den Interpretationsprinzipien der Dokumentarischen Methode – herausgearbeiteten Ergebnisse zu folgenden vierzehn Qualitätsdimensionen von guter Qualität im Ganztag aus der Perspektive von Kindern verdichtet und auf der Ebene von vier Qualitätsbereichen noch einmal abstrahiert werden. In der sequenziellen Anordnung der folgenden Übersicht kommt keine Hierarchisierung zum Ausdruck – die Bereiche stehen vielmehr gleichwertig nebeneinander.

Tabelle 2: Gute Qualität im Ganztag – 14 Qualitätsdimensionen in vier Qualitätsbereichen


1. Die Gestaltung positiver pädagogischer Beziehungen (Beziehungen zwischen Kindern und Pädagog:innen)
1.1 In Lern- und Arbeitssettings von Pädagog:innen unterstützt werden, die aufmerksam und respektvoll an die Interessen und Bedarfe von Kindern anknüpfen
1.2 In Alltagssituationen mit Pädagog:innen in Beziehungen interagieren, die von Emotionalität, Vertrauen und Ebenbürtigkeit gekennzeichnet sind
1.3 Sich in ernsten Konfliktsituationen auf Pädagog:innen verlassen können, die verständnisvoll und fair intervenieren und den Kindern helfen, Strategien für ein friedliches und demokratisches Miteinander zu entwickeln
1.4 An der Gestaltung eines »schönen« Ganztags beteiligt sein, mitreden und mitbestimmen
2. Die Gestaltung einer positiven Peer-Kultur (Beziehungen unter Gleichaltrigen)
2.1 »Wild« spielen: sich gegenüber anderen behaupten, sich mit anderen messen und in der Gruppe selbst tragfähige Regeln entwickeln
2.2 Sich zurückziehen, sich unterhalten und soziale Beziehungen verhandeln
2.3 Sich einen Ort aneignen und Fantasiespiele spielen
2.4 Freund:innen haben, Freundschaft erleben und sich auf Freund:innen verlassen können
3. Die produktive Bearbeitung von Themen und Aufgaben der mittleren und späten Kindheit
3.1 (Noch) Verbotenes tun und Grenzen austesten
3.2 Zerstreuenden, unterhaltsamen und entspannenden Aktivitäten nachgehen
3.3 Handlungspraktischen Tätigkeiten lang anhaltend nachgehen und sich in Situationen mit Ernstcharakter bewähren
3.4 Sich in riskante, herausfordernde Bewegungsaktivitäten und in (kompetitive) Bewegungsspiele vertiefen
4. Die Erweiterung des Bildungsraums Ganztag in die Natur und die Außenwelt
4.1 Naturerfahrungen machen
4.2 Ausflüge machen und die Außenwelt erfahren

Die vierzehn Qualitätsdimensionen sind sehr nah an den Perspektiven der Kinder formuliert – sie speisen sich unmittelbar aus dem empirischen Material und damit aus den rekonstruierten Erlebnissen und Erfahrungen, Aktivitäten und Praktiken, den expliziten und impliziten Orientierungen der Kinder. Die vier Qualitätsbereiche wurden hingegen auf einer abstrakteren Ebene formuliert: Sie stellen eine kondensierte Ergebniszusammenfassung dar, die die thematisch-inhaltliche Nähe verschiedener Dimensionen in Clustern abbildet.

Bei den Qualitätsbereichen und -dimensionen handelt es sich um idealtypische Zusammenstellungen: Selbst empirische Schlüsselsequenzen – also solche, in denen sich die Orientierungen der Kinder in besonders fokussierter Art und Weise dokumentieren – können meist nicht ausschließlich einer Qualitätsdimension oder einem Bereich zugeordnet werden, sondern weisen zuweilen mehrere Querverbindungen zu unterschiedlichen Dimensionen und/oder Qualitätsbereichen auf (darauf wird in den folgenden empirischen Kapiteln jeweils verwiesen).

Bei der Darstellung der Qualitätsbereiche und -dimensionen wurde darauf verzichtet, sie direkt in schon bestehende gegenstandstheoretische Konzepte einzuordnen. Das Ziel der Rekonstruktionsarbeit ist zunächst, die Eigenständigkeit der Kinderperspektiven, der Erfahrungen, Praktiken und Orientierungen der Kinder, für sich stehen und sprechen zu lassen. Auf die zweifelsfrei interessante und weiterführende gegenstandstheoretische Verortung und Diskussion jeder einzelnen Qualitätsdimension muss aus Platzgründen in diesem Forschungsbericht verzichtet werden.

Der Analyse liegt ein komplexer, komparativ angelegter Prozess zugrunde, in dem das Material fortlaufend nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden durchforstet wurde, wobei sich die Ebene des Vergleichens vom Konkreten zum Abstrakten verlagerte: Während zu Beginn noch stärker inhaltlich-thematisch ähnliche Sequenzen miteinander verglichen wurden, bezog sich die Komparation zunehmend auf die Ebene der impliziten Wissensbestände der 165 in die Studie einbezogenen Kinder. Durch den kontinuierlichen Vergleich, also die Suche nach minimalen und maximalen Kontrasten, konnte die Rekonstruktion der Kinderperspektiven – im Sinne typischer Erfahrungen, Praktiken und Orientierungen – vorangetrieben werden. Dieser Prozess der Typenbildung bzw. Generalisierung mündete dann in ein verdichtetes und empirisch gesättigtes Tableau von Qualitätsdimensionen. In einer weiteren Kondensierung, die auf dem kontinuierlichen Vergleichen auf Ebene der Dimensionen beruhte, kristallisierten sich schließlich die vier Qualitätsbereiche heraus.

Die Darstellung in den folgenden Kapiteln folgt nicht der rekonstruktiven Forschungslogik, die sich über die reflektierende Interpretation von Fällen (hier: einzelnen Sequenzen verschiedenen Datenmaterials) und die Komparation erst zu einer stabilen Typenbildung hinarbeitet; stattdessen werden die empirischen Analysen mit einer zusammenfassenden Beschreibung des Qualitätsbereichs eröffnet, die die jeweiligen (zwei bis vier) Qualitätsdimensionen einschließt und den Charakter eines einführenden Abstracts hat. Dann wird jede einzelne Dimension zunächst allgemein – in ihrer analytischen Abstraktion – beschrieben und schließlich wird anhand konkreter Beispiele und ihrer dokumentarischen Interpretation nachvollziehbar gemacht, wie die Erkenntnisse aus dem Material heraus generiert werden konnten. Um Einblick in den Datenkorpus zu geben, der der Rekonstruktion der jeweiligen Qualitätsdimension zugrunde liegt, wurden je zwei bis vier empirische Beispiele ausgewählt, in denen sich der Kern der Dimension in besonderer Dichte und Breite dokumentiert.

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