Kitabı oku: «Werft eure Zuversicht nicht weg»

Yazı tipi:

Benno Elbs

Werft
eure
Zuversicht nicht weg


Nachhaltige Produktion ist uns ein Anliegen; wir möchten die Belastung unserer Mitwelt so gering wie möglich halten. Über unsere Druckereien garantieren wir ein hohes Maß an Umweltverträglichkeit: Wir lassen ausschließlich auf FSC®-Papieren aus verantwortungsvollen Quellen drucken, verwenden Farben auf Pflanzenölbasis und Klebestoffe ohne Lösungsmittel.

Wir produzieren in Österreich und im nahen europäischen Ausland, auf Produktionen in Fernost verzichten wir ganz.

Mitglied der Verlagsgruppe „engagement“

2020

© Verlagsanstalt Tyrolia, Innsbruck

Redaktion: Reinhard Maier

Fotos: www.instagram.com/bischofbenno | Alle Fotos von Benno Elbs, ausgenommen S. 123: Katholische Kirche Vorarlberg/Patricia Begle, S. 192: Foto Benno Elbs: www.mathis.studio

Umschlaggestaltung: stadthaus 38, Innsbruck

Layout und digitale Gestaltung: Tyrolia-Verlag

Lithografie: Artilitho, Lavis (I)

ISBN 978-3-7022-3887-2 (gedrucktes Buch)

ISBN 978-3-7022-3888-9 (E-Book)

Inhalt

Die große Erschütterung

Was bedroht meine Zuversicht?

Was nährt meine Zuversicht?

Wertschätzung erfahren

Sinn erleben

Schöpferische Werte

Erlebnisse bereichern

Wähle deine Einstellung

Geistige Verbundenheit

Zuwendung, Zärtlichkeit, Zeit

Einen Namen haben

In Beziehung: Tragen und Getragen-Sein

Balance von Nähe und Distanz

Eine sinnvolle Aufgabe

Vertrauen schenken

Freude bereiten

Humor und Lachen

Befreiende Tränen

Bewegung in der Natur

Wandern und Sport

Gesunder Schlaf

Reflexion und Gespräch

Im Beten Kraft und Trost finden

Narben stärken Widerstandskraft

Sakramente, heilige Zeichen

Neue und alte Hoffnungsträume: Die Bibel, eine unerschöpfliche Hoffnungsquelle

Ein Streit unter Brüdern [Josef]

Der große Aufbruch in die Freiheit [Mose]

Ein lästiger Auftrag [Jona]

In der Löwengrube [Daniel]

Die Feuerprobe [Daniel]

Der unglückliche Pechvogel [Ijob]

Die entschlossene Kämpferin [Judit]

Im Buch des Lebens nach Schätzen schürfen [Die Psalmen]

Jesus heilt – Gott rettet

Zuversichtlich weitergehen: Ein heilsamer Gang durch das Kirchenjahr

Wege bereiten, damit Gott ankommen kann [Advent]

Sternstunde der Menschheit [Weihnacht]

Segen, Vorzeichen der Liebe [Jahreswechsel]

Wen stelle ich dar? [Fest Darstellung des Herrn]

Lachen ist die beste Medizin [Fasching]

Wo bist du? [Fastenzeit]

Da gibt es nichts mehr zu feiern [Karfreitag]

Hoffnung für alle [Karsamstag]

Balsam für die Wunden [Ostern]

Dankbarkeit, Achtsamkeit, Gottvertrauen [Marienfeste]

Hoffnung und Zusage [Christi Himmelfahrt]

Der Geist des guten Wortes [Pfingsten]

Gott geht mit uns [Fronleichnam]

Der Augenblick der Nächstenliebe ist jetzt [Heiligenfeste]

Wir sind immer unterwegs [Sommer, Urlaubszeit]

Powerstrategie Dankbarkeit [Erntedank]

Heiligkeit, auch etwas für dich! [Allerheiligen]

Der „andere“ König [Christkönigsfest]

Die ohnmächtige Macht der Liebe

Zehn Wegweiser für einen Weg der Zuversicht

Bildlegenden

Die große Erschütterung

Werft also eure Zuversicht nicht weg – sie hat großen Lohn!

Was ihr braucht, ist Ausdauer, damit ihr den Willen Gottes erfüllt und die Verheißung erlangt.

Hebräer 10,35–36

Wie ein emsiger, quirliger Ameisenhaufen schien diese Welt eben noch. Alles ist pausenlos in Bewegung. Groß und Klein, Jung und Alt gehen eifrig ihren Aufgaben nach – in Schulen und Kindergärten, Betrieben und Geschäften, bei der Hausarbeit und beim Einkaufen, Reisen, Unterhaltung und Vergnügen, Erholung und Sport …

Und dann. Auf einen Schlag ist alles ganz anders. Ein winzig kleines Virus, ein zehntausendstel Millimeter groß, versetzt die Welt in den Ausnahmezustand. Rigorose Ausgangsbeschränkungen werden verordnet. Schulen und Universitäten, Gaststätten und Beherbergungsbetriebe, Museen und Theater müssen schließen. Menschenansammlungen werden verboten, Sportveranstaltungen, Konzerte und sogar Gottesdienste abgesagt. Das System wird heruntergefahren. Abstandhalten ist nun Pflicht. Betrieben wird Homeoffice nahegelegt, andere müssen ihre Tätigkeit reduzieren oder gänzlich stoppen. Eingespielte Abläufe und Beziehungen geraten ins Stocken oder kommen zum Stillstand. Es ist fast, als ob die Gesellschaft, ja die ganze Welt mit einem Schlag in ein künstliches Koma versetzt wird.

Das darf doch nicht wahr sein! SARS oder Ebola waren weit weg und sind irgendwann aus der Wahrnehmung entschwunden. Epidemien können vielleicht in Afrika oder in Asien aufkommen, aber doch nicht bei uns in Europa! Mit unserem Standard an Wissenschaft, Forschung, Medizin und Technik wissen wir uns gegen solche Bedrohungen zu schützen. Wir haben doch alles unter Kontrolle und im Griff. Oder doch nicht so ganz? So vieles in unserer Welt erschreckt und verunsichert uns: Terroranschläge, Flüchtlingsströme, Gewalt und Kriege, Katastrophen und Unwetter, Umweltzerstörung und Epidemien, Hunger und Armut, die ungleiche Verteilung der Güter.

Unsicherheit und Angst kommen auf. Panikkäufe setzen ein. Weltuntergangsstimmung macht sich bei manchen breit. Börsenkurse gehen auf Talfahrt. Die Wirtschaft kommt ins Trudeln. Hunderttausende Menschen in Österreich, weltweit viele Millionen, stehen von heute auf morgen ohne Job da, Selbstständige ohne Einkommensmöglichkeit und solider Absicherung blicken bang in ihre Zukunft. Andere wiederum nehmen es ganz locker und feiern erst recht Partys.

Gleichzeitig werden aber auch manche positiven Seiten der Krise sichtbar. Die verordnete Entschleunigung schenkt auch Ruhe. Trotz physischer Distanz wird ein persönliches Nahesein spürbar. Manche Werte werden neu entdeckt. Wichtiges wird nebensächlich, bisher Unwichtiges birgt neue Qualitäten. Die gepeinigte Umwelt kann aufatmen. Sogar leidige Verkehrsstaus sind plötzlich Vergangenheit. Spontane Solidarität und Hilfsbereitschaft entstehen. Vergessene „Heldinnen und Helden des Alltags“ werden wahrgenommen und einmal medial gewürdigt. Hoffnung und Freude werden geteilt. Dankbarkeit lebt auf.

Werft eure Zuversicht nicht weg

Im Brief an die Hebräer erinnert Paulus diese an Leiden, Beschimpfungen und Bedrängnisse früherer Tage, die sie dadurch ertragen konnten, „da ihr wusstet, dass ihr einen besseren und bleibenden Besitz habt“ (Hebr 10,34). Und er bestärkt sie – und damit auch uns – in dieser Widerstandskraft der Hoffnung: „Werft also eure Zuversicht nicht weg“ (Hebr 10, 35). Gerade wenn ich niedergeschlagen bin, wenn ich nach einer Enttäuschung aufgeben und alles hinschmeißen möchte, dann klingt dieses Bibelwort in meinen Ohren wie ein trostvoller und Mut machender Aufruf: „Wirf deine Flinte nicht ins Korn!“ oder „Jetzt bloß nicht das Handtuch werfen!“ Denn das ist die Erfahrung vieler Menschen in einer Durststrecke: Wenn ich versuche, einfach Schritt für Schritt weiterzugehen, kommt irgendwann wieder der Punkt, an dem ich ein Licht sehe.

Was nährt unsere Hoffnung?

Für mich, so wie für viele Christinnen und Christen, ist das Wort Gottes in der Bibel eine unerschöpfliche Quelle der Hoffnung und damit eine kräftigende spirituelle Nahrung. Sie vermag Kraft und Ausdauer in allen noch so dunklen und schweren Situationen des Lebens zu schenken. Ein paar Beispiele:

Das Volk Israel, das aus der Knechtschaft und Unterdrückung im reichen Ägypten ausbricht, die Flucht durch das Rote Meer wagt und 40 Jahre durch die Wüste zieht, um das Land seiner Sehnsucht zu erreichen. Bis zum heutigen Tag ist diese Hoffnungserzählung eine Quelle, aus der nicht nur das Volk der Juden Kraft und Mut schöpft.

Josef, den seine eifersüchtigen Brüder vernichten wollen, ihn in eine Zisterne werfen und als Sklaven nach Ägypten verkaufen. Hier wird er zum Berater des Pharaos und in einer Hungersnot rettet er später seine Brüder (vgl. Gen 37.39–47).

Die drei jungen Männer im Feuerofen, deren vertrauensvoller Lobgesang auf Gott sie vor den vernichtenden Flammen des Feuers beschützt (vgl. Dan 3).

Daniel, der in seinem festen Gottvertrauen unbeschadet in der Löwengrube überlebt (vgl. Dan 6).

Hiob, der gerechte und rechtschaffene Mensch, der seine Familie, all seinen Wohlstand und seine Sicherheiten, sogar seine Gesundheit verliert, setzt dennoch unerschütterlich sein Vertrauen ganz auf Gott. So wendet sich schließlich alles wieder zum Guten, ja sein Leben wird noch reicher als zuvor.

Der Prophet Jona, der seinem Auftrag entfliehen möchte, der reichen Stadt Ninive den Untergang zu verkünden. Bei seiner Flucht über das Meer gerät das Schiff in einen Sturm, Jona wird von den Seeleuten über Bord geworfen, um das Meer zu beruhigen. Doch ein Walfisch verschlingt ihn und speit ihn nach drei Tagen wieder an Land. Nun erst erfüllt Jona seinen Auftrag.

Judit, die entschlossene Kämpferin, die das Volk Israel durch ihren Mut, ihre kluge List und ihr Vertrauen auf Gott vor der Vernichtung durch das Heer der Assyrer rettet.

Das Buch der Psalmen ist eine kostbare Trost-, Kraft- und Hoffnungsquelle. Hier darf man bitten, klagen, fluchen, schreien, loben, danken, hier kann man in jeder Lebens- und Gemütslage Vertrauen, Zuversicht und Hoffnung tanken.

Die Heilungen Jesu spannen sich wie ein rettender Bogen durch alle vier Evangelien: unheilbar Kranke, Aussätzige, Blinde, Stumme, Gelähmte, von quälenden Lasten Besessene werden wieder gesund und heil, ja selbst Tote kehren zurück ins Leben. Jesu Auferstehung und seine Zusage „Ich bin mit euch alle Tage bis zum Ende der Welt“ (Mt 28,20) sind Quelle und Bestätigung dieser Hoffnung.

Von großen Nöten und Verunsicherungen spricht auch das Wort Gottes in der Bibel an vielen Stellen: „Die Sonne wird sich verfinstern und der Mond wird nicht mehr scheinen; die Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kräfte des Himmels werden erschüttert werden“ (vgl. Mk 13,24f). Manchmal tut sich uns erst auf den zweiten oder dritten Blick ein Lichtschimmer am Horizont auf. Denn genau in diese zerrissene, zerbrochene, unheile Welt kommt Gott als Licht und Heil.

Optimismus – Pessimismus – Zuversicht

In den Wochen und Monaten der einschneidenden Covid-19-Maßnahmen habe ich mit vielen Menschen über den Inhalt dieses Buches und das Thema Zuversicht gesprochen, auch mit einem Psychotherapeutenkollegen. Seine erste Frage war: Worin besteht denn der Unterschied von Optimismus, Zuversicht und Pessimismus? Ulrich Schnabel hat darauf eine treffende Antwort parat: „Eingängig lassen sich die Unterschiede zwischen Optimismus, Zuversicht und Pessimismus anhand der berühmten Parabel von den drei Fröschen illustrieren, die in einen Topf Sahne fallen. Der Pessimist denkt: ‚O je, wir sind verloren, jetzt gibt es keine Rettung mehr.‘ Sagt’s und ertrinkt. Der Optimist hingegen gibt sich unerschütterlich: ‚Keine Sorge, nichts ist verloren. Am Ende wird Gott uns retten.‘ Er wartet und wartet und ertrinkt schließlich ebenso sang- und klanglos wie der Erste. Der dritte, zuversichtliche Frosch hingegen sagt sich: ‚Schwierige Lage, da bleibt mir nichts anderes übrig, als zu strampeln.‘ Er reckt also den Kopf über die Sahneoberfläche und strampelt und strampelt – bis die Sahne zu Butter wird und er sich mit einem Sprung aus dem Topf retten kann.“1

Zuversicht ist also nicht eine leere Hoffnung, sondern meint auf der einen Seite den klaren Blick auf den Ernst der Situation, gleichzeitig aber auch, sich nicht davon lähmen zu lassen und die verbleibenden Spielräume und Möglichkeiten zu nutzen, die manchmal größer und manchmal kleiner sind. Zuversicht heißt also, mit diesem Blick von Hoffnung in die Zukunft zu schauen.

Zum Aufbau dieses Buches

Zunächst soll uns der Blick auf das, was Zuversicht bedroht und zerstört, sensibel machen für die Gefährdungen dieser lebenswichtigen Haltung. Im zweiten Abschnitt geht es darum, bewusste Schritte in Richtung Zuversicht kennenzulernen. Sie ist einerseits ja ein Gefühl, aber auch eine Haltung, die wächst und konsequent gelernt werden kann. Im dritten Teil lade ich zu einem besinnlichen Gang durch die Heilige Schrift ein, die eine unerschöpfliche Quelle von Zuversicht sein kann. Sie erzählt uns von Rettung und Zuversicht in den aussichtslosesten Lebenslagen. Der vierte Teil versteht sich als eine Art Zuversichts-„Trainingscamp“ für alle Tage des Jahres. Im christlichen Kirchenjahr sehe ich alle menschlichen Themen und Fragen angesprochen. Ein Gang durch das Kirchenjahr kann Quellen der Zuversicht freilegen.

So möchte das vorliegende Buch zu einem realistischen Blick auf unser Leben ermutigen und gleichzeitig die lebenswichtige Haltung der Selbsttranszendenz (Viktor Frankl) einüben. Diese Grundhaltung beinhaltet, dass jede und jeder von uns in ein größeres Ganzes hinein verwoben ist, das uns trägt und hilft, unseren Weg mit Zuversicht zu gehen: das große Ja Gottes zu jeder und jedem von uns.

Alles ist Teamarbeit

Auch an diesem Buch waren viele beteiligt, die mitgearbeitet, Ideen und Anregungen beigetragen, Fehler behoben und Fehlendes ergänzt haben. Ihnen allen danke ich von Herzen: Andreas Maier, Barbara Moser-Natter, Christian Marte, Gaby Hudelist, Manfred Böhler, Margit Maier, Maria Graber, Philipp Supper, Reinhard Maier, Veronika Fehle.

1Ulrich Schnabel, Zuversicht. Die Kraft der inneren Freiheit und warum sie heute wichtiger ist denn je, München 32018.

Was bedroht meine Zuversicht?

Du kannst Gott nicht beleidigen, es sei denn, du schadest dir selbst oder dem anderen.

Thomas von Aquin

Eine verhaute Schularbeit, Streit mit den Geschwistern, die Freundin oder der Freund macht Schluss, die Stimmung am Arbeitsplatz ist im Keller, eine Kündigung, ein Unfall, eine lebensbedrohliche Krankheit, ein lieber Mensch stirbt … Verunsicherung, Krisen, Sackgassen, Versagen, Scheitern, Stürme gehören unweigerlich zum Leben. Sie belasten uns. Die Erfahrung von Leid drückt uns nieder.

Die einen sehen in solchen Ereignissen eine Herausforderung, kämpfen dagegen an oder versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Anderen wieder scheint es Hoffnung und Zuversicht zu rauben. Sind Unglück und Leiderfahrungen die Ursache dafür oder stecken vielleicht andere Haltungen dahinter, wenn wir die Zuversicht verlieren?

Wenn wir dieser Frage nachgehen, dann kommen wir nicht um den Begriff der Wurzelsünden herum. Damit sind Haltungen gemeint, die wir als „Laster“ bezeichnen. Sie sind zerstörerisch, weil sie den Menschen in seiner Lebensentfaltung hemmen und schädigen. Thomas von Aquin würde sagen: „Du kannst Gott nicht beleidigen, es sei denn, du schadest dir selbst oder dem anderen.“ Das ist mit dem Begriff der Sünde gemeint: Ich schade mir selbst oder dem anderen. Was aber sind nun Haltungen, die Zuversicht zerstören?

Kränkung

Kränkungen trüben unser Lebensglück. Sie sind wie schmerzhafte Stiche, lösen Enttäuschung und Leid aus und bestimmen so auf negative Weise das Schicksal vieler Menschen. Nichts zerstört die Lebensqualität und die Stimmung mehr, als wenn unser Selbstwertgefühl durch Kränkungen zerstört wird. „Was kränkt, macht krank“, weiß ein bekanntes Sprichwort. Niemand ist gegenüber Kränkungen resistent. Kein Mensch kann sich vor Kränkungen ganz schützen.

Eine bewusste Demütigung oder quälendes Mobbing können tief verwunden. Sogar ein ohne böse Absicht gesagtes Wort kann als kränkend empfunden werden. Kränkungen sind subtile Verletzungen, sie erschüttern das Selbst. Schon der Arzt und Psychotherapeut Alfred Adler (1870–1937) meinte zu einer Zeit, als physische Gewalt noch weitgehend toleriert wurde, dass eine als ungerecht empfundene Ohrfeige das Lebensschicksal eines Menschen entscheidend beeinflussen könne. Eine Kränkung, die die Tiefe der Seele berührt, ist eine zerstörerische Energie, die sich auf viele Bereiche des Alltags auswirkt. Kränkung zerstört das Grundgefühl von Zuversicht.

Einsamkeit

Abstand halten, Ausgangsbeschränkungen, Quarantäne – Isolation war während der Corona-Krise eine völlig neue, allgegenwärtige Erfahrung. Das Wahren physischer Distanz hat medizinisch eine große Bedeutung erlangt. Um die Virusverbreitung einzudämmen, mussten die Menschen eine wochenlange Isolation in Kauf nehmen – mit negativen Folgen.

Liebesentzug und Zurückweisung sind massive Verletzungen des Menschen, die Zuversicht zerstören. Die Urangst, zu wenig oder nicht geliebt zu sein, kann zu Verunsicherung, tiefer Depression und Krankheit führen. So kann das Gefühl der Ablehnung durch Vater und Mutter tiefe Wunden in der Seele schlagen. Aufmerksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung sind kostbarer als Gold. Sie sind eine Quelle des Selbstwertgefühls und damit eine lebenswichtige Voraussetzung für Urvertrauen, Zuversicht und Glück. Dazugehören dürfen ist der tiefste Wunsch jedes Menschen.

Neid und Gier

„Leben und leben lassen“, so lautet eine Volksweisheit. Eine Ursache von Ausgrenzung und Demütigung ist oft der Neid und die Gier. Soziale und wirtschaftliche Krisen bringen diese Verhaltensweisen wieder neu zum Vorschein, wie manche Panikkäufe in den ersten Tagen der Corona-Maßnahmen gezeigt haben. Als eine unerträgliche, ja fast unmoralische strukturelle Kränkung empfinde ich es, wenn Menschen Pensionsbezüge von 30.000 Euro monatlich erhalten, während andere mit 870 Euro auskommen müssen. Solch eklatante Ungleichheiten, ja Ungerechtigkeiten sind Ursache von Demütigung und Zurücksetzung, sie schüren Neid und Zorn. Die Erfahrung, zu kurz zu kommen und ständig draufzahlen zu müssen, bildet zudem den Nährboden für Feindbilder. Im politischen Leben sehen wir, dass solche Gefühle gerne auch für Wahlpropaganda instrumentalisiert werden. Sich einerseits ungerecht behandelt zu fühlen und andererseits in einer Haltung von Gier und Neid ständig dem Noch-mehr-haben-Wollen nachzurennen, zerstört einen dankbaren und zuversichtlichen Blick auf das Leben.

Unmäßigkeit

Eine Krise, ob sie nun persönlich ist oder kollektiv wie die Corona-Krise, kann uns bewusst machen, was wir wirklich zu einem guten Leben brauchen. Sie kann uns vielleicht auch zur Einsicht führen, dass eine intelligente Reduktion unserer Ansprüche uns letztlich glücklicher macht. Vielleicht zeigt sie uns auch, dass ein überhitzter Konsum, der oft nahe bei dem liegt, was die Theologie als „Unmäßigkeit“ bezeichnet, sowohl die Natur als auch die innere Zufriedenheit und damit die Zuversicht der eigenen Seele zerstört. Zufrieden kann ich auch dann sein, wenn ich meine Ansprüche nicht ins Unendliche steigere, sondern wenn ich es verstehe, ein für mich und meine Mitwelt gut verträgliches Maß einzuhalten. „Es gibt erfülltes Leben trotz vieler unerfüllter Wünsche.“2


Angst

Wir leben in einer Zeit mit vielen Ängsten. Sicherheiten von gestern sind verloren gegangen. Angst lähmt, macht eng, schnürt die Luft zum Atmen ab. Dabei hat sie durchaus eine lebenswichtige Warnfunktion. Sie kann aber auch den Blick für die Wahrnehmung der Realität verzerren, das Selbstwertgefühl zerstören, nüchternes Denken beeinträchtigen und die Bereitschaft, sich Neuem neugierig zuzuwenden, hemmen. Und sie ist ein Mittel der seelischen und sozialen Unterdrückung, von Einzelnen wie auch von gesellschaftlichen Gruppen.

Ob mich eine konkrete Angst quält oder diffuse Ängste, beides lässt die Zuversicht kleiner werden. Manche Ängste werden ausgelöst durch äußere Gefahren, andere gehen vielleicht auf unverarbeitete psychische Belastungen zurück. Sie wurden vielleicht durch ein Ereignis ausgelöst, haben sich aber dann zu freischwebenden Ängsten entwickelt, die ich mit mir herumschleppe. Manche Ängste sind gesellschaftlich bedingt, wie die Angst um den Arbeitsplatz oder den Wohlstand, wieder andere betreffen die persönliche Situation, etwa die Angst vor Krankheit, vor dem Verlust von Angehörigen, vor dem Tod. Und es gibt viele Ängste, die z. B. durch politische Strategien oder einflussreiche globale Konzerne und Machthaber erzeugt werden. Wer Geld, Macht und Einfluss hat, kann sich die anderen durch Angstmache klein und fügsam halten. Und dann gibt es noch viele Ängste, die gesichtslos sind, deren Ursachen oft ein Geheimnis bleiben.

Von einer heute weit verbreiteten „Ketzerei der Angst“ hat Cesare Zucconi von der Gemeinschaft Sant’Egidio beim Diözesanforum 2019 in Dornbirn gesprochen. Sie lege die Hoffnung in Ketten und lösche den prophetischen Geist aus, der aus dem Evangelium entspringt.3 Angst ist ein schlechter Ratgeber. Sie führt zu Reaktionen, die das gute Lebensgefühl und die Zuversicht zerstören. Angst ist aber auch ein Instrument, mit dem Stimmung gemacht werden kann, wenn wir an Diskussionen im Zusammenhang mit der sogenannten Flüchtlingskrise oder an manche Statements während der Corona-Krise denken.

In den Stürmen des Lebens

Herausforderungen, schwere Bürden, Erfahrungen von Leid, Katastrophen und Schuld können Zuversicht bedrohen und im Rückblick dennoch zu Lernerfahrungen werden, die auch Wertvolles in sich bergen. Auch die Bibel berichtet von Stürmen. Jesus fährt mit seinen Jüngern ans andere Ufer des Sees. Auf der Fahrt schläft er ein. Ein Sturm kommt auf, das Wasser schlägt in das Boot und in Todesangst wecken die Jünger Jesus auf. Der gebietet dem Sturm und den Wellen Einhalt und Stille tritt ein. Und zu seinen Jüngern sagt er nur: „Wo ist euer Glaube?“ (vgl. Lk 8,22–25).

Der Sturm steht in der Bibel nicht nur für Bedrängnisse und Gefahren, er ist auch das Zeichen schlechthin für den Geist Gottes, der weht, wo er will. Sturm, das ist auch Chance und Aufbruch. Mit Jesus im Boot ist der Sturm nicht mehr eine todbringende Gefahr, sondern Zeichen für die Herausforderungen, denen wir auf diesem neuen Weg begegnen. Dann ist im Sturm etwas vom Geist Gottes spürbar, der aufrüttelt und frischen Wind bringt. Weit schlimmer als ein Sturm ist eine Flaute, wenn gar kein Lüftchen geht, sich nichts bewegt und nichts da ist, das mich antreibt. Entscheidend im Sturm ist es, die Segel richtig zu setzen. Segler wissen es zu nützen: Mit Gegenwind kann man ganz gut vorankommen.

2Dietrich Bonhoeffer, Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Gütersloh 22017, S. 359.

3Vgl. Wohin geht das Christentum? Vortrag von Cesare Zucconi beim Diözesanforum Feldkirch am 11. und 12. Oktober 2019. https://www.kath-kirche-vorarlberg.at/organisation/pastoralamt/links-dateien/wohin-geht-das-christentum-vortrag-cesare-zucconi