Kitabı oku: «Steuerstrafrechtliche Risiken in Krise und Insolvenz»

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Steuerstrafrechtliche Risiken
in Krise und Insolvenz

von

Dipl.-Finanzwirtin (FH) Bernadette Duda, LL.M.

Düsseldorf

Professor Dr. Jens M. Schmittmann

Essen

2., aktualisierte Auflage 2021

Fachmedien Recht und Wirtschaft | dfv Mediengruppe | Frankfurt am Main

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ISBN: 978-3-8005-1784-8

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Druck: WIRmachenDRUCK GmbH, Backnang

Printed in Germany

Vorwort

Die Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates (RL [EU] 2019/1023) vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie 2017/1132 (Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz; ABl. EU L 172 vom 26. Juni 2019, S. 18) hat in ganz Europa neue Impulse für die Sanierung und Restrukturierung von Unternehmen gesetzt. In Deutschland wurde durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) vom 20. Dezember 2020 (BGBl. I 2020, 3256ff.) nicht nur das Gesetz über den Sanierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) eingeführt, sondern auch die Insolvenzordnung (InsO) vielfältig geändert.

Fortan stehen Unternehmen zur Restrukturierung beginnend mit der Möglichkeit der Sanierungsmoderation nach StaRUG über die Bestellung eines Restrukturierungsbeauftragten nach StaRUG auch die bislang schon bekannten Möglichkeiten der vorläufigen Eigenverwaltung sowie des Schutzschirmverfahrens nach der InsO und schließlich auch das Insolvenzplanverfahren im eröffneten Insolvenzverfahren zur Verfügung. Damit wird die Sanierung, Restrukturierung und Insolvenz von Unternehmern noch deutlich komplexer, zumal sich auch steuerliche Fragen unterschiedlichster Art anschließen. Da den Beteiligten vielfach das Bewusstsein für ihre strafrechtliche Verantwortung in Bezug auf steuerliches Fehlverhalten fehlt, thematisiert dieses Buch die steuerstrafrechtlichen Risiken. Den Beteiligten drohen Ermittlungs- und Strafverfahren wegen des Vorwurfes steuerstrafrechtlicher Verfehlungen, wenn sie als Geschäftsleiter, aber auch als (vorläufiger) Insolvenzverwalter steuerliche Pflichten verletzen. Hinzu kommt die neue zivilrechtliche Warn- und Hinweispflicht der Rechtsanwälte, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei der Aufstellung von Jahresabschlüssen (§ 102 StaRUG)

Besondere Gefahren drohen im Insolvenzverfahren, da die unternehmenstypischen Pflichten, die der Insolvenzverwalter übernimmt, vielfältig sind. Deshalb besteht insbesondere bei Fortführung von Unternehmen in der vorläufigen Insolvenz und im eröffneten Insolvenzverfahren die Gefahr, dass er branchentypische Strafbarkeitsrisiken übersieht. Der (vorläufige) Insolvenzverwalter kann Strafbarkeitstatbestände verwirklichen, die ihm nicht präsent sind. Eine Schuldbefreiung aus Unkenntnis erfolgt nicht. Die Konsequenzen eines strafgerichtlichen Urteils erschöpfen sich regelmäßig nicht in der Verurteilung zu Geld- oder Freiheitsstrafen. Auch berufsgerichtliche Konsequenzen und ein Reputationsverlust, insbesondere auch beim Insolvenzgericht, treffen den Berater und Insolvenzverwalter häufig nicht minder schwer.

Der Berater des Geschäftsleiters und der gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter haben stets die Grenzen zu beachten, innerhalb derer sie die Beratung und Insolvenzverwaltung risikofrei durchführen können. Dazu gehören auch der professionelle Abstand zu Gestaltungsmöglichkeiten sowie die freundlich-kritische Distanz zu den Wünschen des Beratenen. Die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Ermittlungsbehörden im Zusammenwirken mit deren Bereitschaft, schwierige wirtschaftliche Felder zu betreten, sollten Geschäftsleiter, Berater und Insolvenzverwalter stets dazu anhalten, die möglichen strafrechtlichen Konsequenzen jedweder Zeit im Blick zu halten.

Der unachtsame Umgang mit den steuerrechtlichen Pflichten in allen Verfahrensabschnitten kann nicht nur zu empfindlichen Strafen führen, sondern ebenso zur Verwirklichung von Haftungstatbeständen.

Soweit die Begriffe „Steuerpflichtiger“, „Anzeigender“, „Erklärender“ etc. verwendet werden, ist darunter neben dem Geschäftsleiter aufgrund der besonderen Pflichtenstellung auch der erklärungspflichtige Insolvenzverwalter zu verstehen.

Das Buch befindet sich auf dem Rechtsstand April 2021 und soll sowohl Insolvenzverwaltern als auch Beratern ein hilfreicher Begleiter im Schnittbereich Steuerrecht, Steuerstrafrecht, Insolvenzrecht und Restrukturierungsrecht sein.


Duisburg/Essen, Juni 2021Bernadette DudaJens M. Schmittmann

Inhaltsverzeichnis

1  Vorwort

2  Kapitel A Einleitung I. Grundlagen 1. Rechtliche Grundlagen a) Entwicklung der Insolvenzordnung b) Zweck des Insolvenzverfahrens c) Eröffnungsverfahren d) Eröffnung des Insolvenzverfahrens e) Insolvenzmasse und Gläubigerbefriedigung f) Beendigung des Insolvenzverfahrens g) Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und andere Wirkungen der Verfahrenseröffnung h) Insolvenzanfechtung i) Aufgaben des Insolvenzverwalters j) Anmeldung der Forderungen k) Restschuldbefreiung l) Insolvenzplanverfahren m) Eigenverwaltung n) Schutzschirmverfahren o) Verbraucherinsolvenzverfahren und andere besondere Verfahrensarten sowie europäisches und internationales Insolvenzrecht p) Besonderheiten durch die Corona-Steuerhilfegesetze I, II und III 2. Wirtschaftliche Bedeutung II. Akteure 1. Gutachter 2. Vorläufiger Sachwalter 3. Vorläufiger Insolvenzverwalter 4. Insolvenzverwalter 5. Sachwalter 6. Treuhänder 7. Restrukturierungsbeauftragter 8. Sanierungsmoderator 9. Steuerberater III. Krise 1. Stakeholderkrise 2. Strategiekrise 3. Produkt- und Absatzkrise 4. Ertrags- oder Erfolgskrise 5. Liquiditätskrise IV. Insolvenz 1. Einordnung 2. Insolvenzgründe a) Zahlungsunfähigkeit b) Drohende Zahlungsunfähigkeit c) Überschuldung

3  Kapitel B Perspektive des (vorläufigen) Insolvenzverwalters I. Stellung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters 1. Stellung des vorläufigen Insolvenzverwalters 2. Stellung des Insolvenzverwalters 3. Stellung des (vorläufigen) Sachwalters II. Problemfelder aus dem Zeitraum vor Insolvenzantragstellung bzw. vor Anordnung von Sicherungsmaßnahmen 1. Verfahrensrecht 2. Umsatzsteuer a) Grundsätze b) Umsatzsteuerkorrektur bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens c) Umsatzsteuerkorrektur bei Anordnung von Sicherungsmaßnahmen 3. Ertragsteuern 4. Sonstige Steuerarten III. Problemfelder aus dem Zeitraum zwischen Anordnung von Sicherungsmaßnahmen bis zur Eröffnung des Verfahrens 1. Verfahrensrecht 2. Umsatzsteuer 3. Ertragsteuern 4. Sonstige Steuerarten IV. Problemfelder aus dem Zeitraum ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Aufhebung des Insolvenzverfahrens 1. Verfahrensrecht 2. Umsatzsteuer a) Korrekturen aufgrund Rechtsprechungsänderung aa) BFH, Urteil vom 29.1.2009 – V R 64/07 bb) BFH, Urteil vom 9.12.2010 – V R 22/10 cc) BFH, Urteil vom 15.4.2015 – V R 44/14 b) Korrekturen aufgrund einer Insolvenzanfechtung c) Schädigung des Umsatzsteueraufkommens 3. Ertragsteuern a) Auflösung von stillen Reserven b) Auflösung von Rückstellungen c) Korrekturen aufgrund Insolvenzanfechtung aa) Betriebsvermögensvergleich bb) Einnahme-Überschuss-Rechnung d) Zwangsverwaltung 4. Sonstige Steuerarten V. Problemfelder aus dem Zeitraum nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens 1. Verfahrensrecht 2. Umsatzsteuer 3. Ertragsteuern 4. Sonstige Steuerarten

4  Kapitel C Organisation und Zuständigkeit der Strafverfolgungsbehörden in Steuersachen I. Aufgaben und Befugnisse der Straf- und Bußgeldsachenstelle 1. Aufgaben und Abgrenzung zur Staatsanwaltschaft 2. Befugnisse der Straf- und Bußgeldsachenstelle II. Aufgaben und Befugnisse der Steuerfahndung 1. Erforschen von Steuerstraftaten durch die Steuerfahndung (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) a) Aufgaben der Steuerfahndung b) Befugnisse der Steuerfahndung 2. Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen in Steuerstrafsachen (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO) a) Aufgaben b) Befugnisse aa) Auskunftsersuchen bb) Urkundenvorlage 3. Aufdeckung und Ermittlung unbekannter Steuerfälle (§ 208 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AO) sowie Steueraufsicht a) Aufgaben b) Befugnisse aa) Umsatzsteuer-Nachschau bb) Lohnsteuer-Nachschau

5  Kapitel D Verhältnis des Steuerstrafverfahrens zum Besteuerungsverfahren (§ 393 AO) I. Rechtsstellung des Steuerpflichtigen im jeweiligen Verfahren 1. Verbot der Selbstbelastung 2. Beschleunigungsgebot

6  Kapitel E Täterschaft und Teilnahme I. Abgrenzung Täterschaft und Teilnahme II. Grundsatz zur Täterschaft 1. Alleintäterschaft 2. Mittelbare Täterschaft 3. Mittäterschaft III. Grundsatz zur Teilnahme 1. Anstiftung gemäß § 26 StGB 2. Beihilfe gemäß § 27 StGB IV. Täterbegriff im Steuerstrafrecht 1. Steuerhinterziehung durch Handeln gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 2. Steuerhinterziehung durch pflichtwidriges Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO V. Täterbegriff im Ordnungswidrigkeitenrecht

7  Kapitel F Materielles Steuerstrafrecht I. Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO II. Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO III. Schätzung im Steuerrecht 1. Einzelne Schätzungsmethoden 2. Bewertung IV. Schätzung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren 1. Kriterien für die Anwendung und die Durchführung der Schätzung im steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren 2. Bedeutung der einzelnen Schätzungsmethoden 3. Strafschätzung 4. Einwendungen gegen die Schätzung und ihre Würdigung 5. Argumentationshilfen für die Verteidigung

8  Kapitel G Taterfolg der Steuerverkürzung gemäß § 370 Abs. 4 Satz 1 AO I. Anmeldungssteuern 1. Umsatzsteuer a) Umsatzsteuerverkürzung auf Zeit/auf Dauer b) Umsatzsteuerbetrug aa) Ablauf bb) Beteiligte Personen und die steuerlichen und strafrechtlichen Auswirkungen (1) Missing Trader (2) Buffer (3) Distributor 2. Lohnsteuer II. Veranlagungssteuern 1. Einkommensteuer/Körperschaftsteuer 2. Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer III. Nicht gerechtfertigte Steuervorteile IV. Kompensationsverbot V. Vorsätzliches Handeln

9  Kapitel H Steuerordnungswidrigkeiten I. Leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO II. Steuergefährdung gemäß § 379 AO III. Gefährdung der Abzugsteuern gemäß § 380 AO IV. § 26a Abs. 2 UStG (neue Rechtslage) V. Schädigung des Umsatzsteueraufkommens gemäß § 26b UStG – seit dem 1.7.2021 gem. § 26a Abs. 1 UStG VI. § 26c UStG

10  Kapitel I Ablauf des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens I. Ermittlungsanlass II. Einleitung des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens III. Durchsuchung beim Insolvenzverwalter als Dritten gemäß § 103 StPO IV. Abschluss des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens 1. Einstellung und Absehen von Verfolgung a) Einstellung gemäß § 170 Abs. 2 StPO b) Einstellung gemäß § 153a StPO 2. Antrag auf Erlass eines Strafbefehls gemäß § 400 AO 3. Vorlage an die Staatsanwaltschaft gemäß § 400 AO 4. Strafzumessung

11  Kapitel J Das Recht der Selbstanzeige I. Wirksamkeitsvoraussetzungen 1. Anzeigender 2. Anwendungsbereich 3. Adressat der Selbstanzeige 4. Formen der Selbstanzeige 5. Inhalt der Selbstanzeige a) § 371 Abs. 1 Satz 1 AO aa) Alle Steuerstraftaten bb) Eine Steuerart cc) Unrichtige oder unvollständige Angaben dd) Steuerlich erhebliche Tatsachen ee) Voller Umfang b) § 371 Abs. 1 Satz 2 AO aa) Verjährung bb) Berichtigungsverbund 6. Besonderheiten a) Widerruf/Änderung der Selbstanzeige b) Teilselbstanzeige c) Selbstanzeige in Stufen d) Schätzung e) Ankündigung einer Selbstanzeige II. Sperrgründe 1. Anordnung der Außenprüfung a) Adressatenkreis b) Bekanntgabe der Prüfungsanordnung c) Sachlicher und zeitlicher Umfang der Außenprüfung 2. Bekanntgabe der Verfahrenseinleitung 3. Erscheinen des Amtsträgers der Finanzbehörde zur Außenprüfung a) Umfang der Sperrwirkung b) Amtsträger der Finanzbehörde c) Erscheinen zur steuerlichen Prüfung 4. Das Erscheinen des Amtsträgers zur Ermittlung der Steuerstraftat/Ordnungswidrigkeit a) Amtsträger b) Umfang der Sperrwirkung 5. Umsatzsteuer- und Lohnsteuer-Nachschau a) Umsatzsteuer-Nachschau b) Lohnsteuer-Nachschau c) Kassen-Nachschau d) Ausweisen des Prüfers e) Umfang der Sperrwirkung 6. Tatentdeckung a) Begriff der Tatentdeckung b) Kenntnis der Tatentdeckung 7. Steuerhinterziehung über 25.000 € a) Umfang der Sperrwirkung b) Weiteres Verfahren 8. Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung 9. Einschränkung der Sperrwirkung 10. Sonderregelung für Steueranmeldungen a) Bekanntgabe der Prüfungsanordnung/Erscheinen zur steuerlichen Prüfung b) Tatentdeckung c) Steuerhinterziehung über 25.000 € d) Besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung e) Zahlung der Steuern f) Weitere Steuerarten g) Umsatzsteuer-Jahresanmeldung III. Nachzahlungspflicht 1. Verpflichteter Personenkreis a) Tatbeteiligte b) Begünstigte c) Dritte 2. Steuern und steuerliche Nebenleistungen a) Hinterzogene Steuer b) Hinterziehungszinsen gemäß § 235 AO c) Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO 3. Nachzahlungsfrist IV. Absehen von der Verfolgung gemäß § 398a AO 1. Zuständige Behörde 2. Voraussetzungen a) Steuern und Zinsen b) Geldbetrag aa) Staffeltarif bb) Hinterzogene Steuer cc) Hinterziehungsbetrag c) Kompensationsverbot 3. Verpflichteter Personenkreis 4. Anwendungszeitraum 5. Einstellung des Verfahrens 6. Besonderheiten a) Zahlungsfrist b) Aufnahme des steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens c) Folgen bei unvollständiger Zahlung des Zuschlags 7. Schlussbetrachtung zum Absehen von der Verfolgung V. Einzelfragen 1. Fremdanzeige 2. Leichtfertige Steuerverkürzung 3. Konkurrenzfragen a) Rücktritt vom Versuch b) Berichtigung gemäß § 153 AO VI. Nebenfolgen VII. Checkliste zur Selbstanzeige VIII. Bewertung und Ausblick

12  Literaturverzeichnis

13  Stichwortverzeichnis

Kapitel A Einleitung

I. Grundlagen

1

Im folgenden Abschnitt werden im Überblick die (1.) rechtlichen Grundlagen sowie (2.) die wirtschaftliche Bedeutung von Insolvenzverfahren dargestellt.

1. Rechtliche Grundlagen
a) Entwicklung der Insolvenzordnung

2

Das Insolvenzverfahren ist in der Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I 1994, S. 2866), die zuletzt durch Art. 6 Abs. 8 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3328) geändert worden ist, geregelt.

3

Die Insolvenzordnung ist gemäß § 335 InsO i.V.m. Art. 110 Abs. 1 nach Maßgabe des Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Insolvenzordnung vom 5.10.1994 (BGBl. I 1994, S. 2911), das zuletzt durch Art. 7 des Gesetzes zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3328) geändert worden ist, in Kraft getreten.

4

Durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz – SanInsFoG) vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3256) wurde das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz – StaRUG) geschaffen sowie eine Vielzahl von Gesetzen geändert.

5

Durch das Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz werden nicht nur die Anforderungen an Krisenfrüherkennung und Krisenmanagement bei haftungsbeschränkten Unternehmensträgern gesetzlich geregelt, sondern erstmals auch im deutschen Recht ein Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen ohne die obligatorische Eröffnung eines Insolvenzverfahrens geschaffen. Ebenfalls neu ist die Einführung einer Sanierungsmoderation sowie der gesetzlichen Regelung zu Frühwarnsystemen.

6

Die Änderungen in der Insolvenzordnung betreffen neben Fragen der gerichtlichen Zuständigkeit (§ 3 Abs. 2 InsO und § 3a Abs. 4 InsO) die Möglichkeit der Durchführung einer hybriden Gläubigerversammlung gem. § 4 InsO i.V.m. § 128a ZPO. Zudem sollen Insolvenzverwalter gem. § 5 Abs. 5 InsO ein elektronisches Gläubigerinformationssystem vorhalten, mit dem jedem Insolvenzgläubiger, der eine Forderung angemeldet hat, alle Entscheidungen des Insolvenzgerichts, alle an das Insolvenzgericht übersandten Berichte, welche nicht ausschließlich die Forderungen anderer Gläubiger betreffen, und alle die eigenen Forderungen betreffenden Unterlagen in einem gängigen Dateiformat zur Verfügung gestellt werden können.

7

Neu ist auch der gesetzlich geregelte Anspruch auf ein Vorgespräch gem. § 10a InsO hinsichtlich der Eigenverwaltung, der Eigenverwaltungsplanung, der Besetzung des vorläufigen Gläubigerausschusses, der Person des vorläufigen Insolvenzverwalters oder Sachwalters, etwaiger weiterer Sicherungsanordnungen und der Ermächtigung zur Begründung von Masseverbindlichkeiten bei Schuldnern, die mindestens zwei der drei in § 2a Abs. 1 InsO genannten Voraussetzungen erfüllen.

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Die bisherigen Bestimmungen zur Massesicherungspflicht (§ 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG, § 130a Abs. 1 HGB, auch i.V.m. § 177a Satz 1 HGB und § 99 GenG) wurden zum 1.1.2021 ohne Übergangsregelung aufgehoben und eine Neuregelung in § 15b InsO zu Zahlungen bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung geschaffen, die sich zwar an der bisherigen Regelung orientiert, allerdings auch erhebliche Neuerungen mit sich bringt. Gem. § 15b Abs. 1 InsO dürfen die Geschäftsleiter insolvenzantragspflichtiger Rechtsträger nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung keine Zahlungen mehr vornehmen, es sei denn, dass diese mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Gem. § 15b Abs. 2 InsO gelten Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes dienen, grundsätzlich als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar. Dies gilt nach § 15b Abs. 3 InsO nicht, wenn der für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt verstrichen ist und der Antragspflichtige keinen Antrag gestellt hat.

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Die Erstattungspflicht findet nunmehr ihren Platz in § 15b Abs. 4 InsO. Neu ist die Regelung dahin, dass sich die Ersatzpflicht für den Fall, dass der Gläubigerschaft der juristischen Person ein geringerer Schaden entstanden ist, auf den Ausgleich dieses Schadens beschränkt, wobei dafür den Geschäftsleiter die Darlegungs- und Beweislast trifft. Der Verzicht der juristischen Person auf Erstattungs- oder Ersatzansprüche oder einen Verzicht der juristischen Person über diese Ansprüche ist unwirksam, es sei denn, dass der Erstattungs- oder Ersatzpflichtige zahlungsunfähig ist und sich zur Abwendung des Insolvenzverfahrens mit seinen Gläubigern vergleicht. Die Ansprüche verjähren nunmehr gem. § 15b Abs. 7 InsO in fünf Jahren. Bei börsennotierten Gesellschaften verjähren die Ansprüche in zehn Jahren, § 15b Abs. 7 InsO.

10

Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus § 15b Abs. 8 InsO hinsichtlich der steuerrechtlichen Zahlungspflichten. Die Verletzung steuerrechtlicher Zahlungspflichten soll gem. § 15b Abs. 8 Satz 1 InsO nicht vorliegen, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO oder der Überschuldung nach § 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die Antragspflichtigen der Insolvenzantragspflicht nachgekommen sind. Wird der Insolvenzantrag verspätet gestellt, gilt die Regelung nur für die nach Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder Anordnung der vorläufigen Eigenverwaltung fällig werdenden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis. Diese Regelungen gelten gem. § 15b Abs. 8 Satz 3 InsO nicht, wenn das Insolvenzverfahren aufgrund einer Pflichtverletzung des Antragspflichtigen nicht eröffnet wird.

11

Die Insolvenzantragsfrist wird in § 15a InsO nunmehr modifiziert. Für zahlungsunfähige insolvenzantragspflichtige Rechtsträger bleibt es bei der Antragsfrist von drei Wochen. Bei überschuldeten Rechtsträgern wird die Frist auf sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung verlängert.

12

Bei den Insolvenzgründen der drohenden Zahlungsunfähigkeit gem. § 18 InsO und der Überschuldung gem. § 19 InsO werden die Prognosezeiträume gesetzlich geregelt. Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit ist gem. § 18 Abs. 2 InsO in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen. Bei der Überschuldung ist gem. § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO darauf abzustellen, ob die Fortführung des Unternehmens in den nächsten 12 Monaten nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.

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Umsatzsteuerverbindlichkeiten, sonstige Ein- und Ausfuhrabgaben, bundesgesetzlich geregelte Verbrauchsteuern, die Luftverkehr- und Kraftfahrzeugsteuer sowie die Lohnsteuer des Insolvenzschuldners, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters oder vom Schuldner nach Bestellung eines vorläufigen Sachwalters begründet worden sind, gelten gem. § 55 Abs. 4 InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeiten.

14

In den Vorschriften über die Bestellung und Entlassung des Insolvenzverwalters sowie den Vorschriften über den Insolvenzplan werden erhebliche Neuregelungen vorgenommen, insbesondere in Bezug auf gruppeninterne Drittsicherheiten.

15

Einer umfassenden Neuregelung werden die Vorschriften über den Schutzschirm, die vorliegende Eigenverwaltung sowie die Eigenverwaltung unterworfen.

16

Nach dem Grundsatz in § 270 Abs. 1 InsO ist der Schuldner berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, wenn das Insolvenzgericht dies anordnet. Im Verbraucherinsolvenzverfahren ist gem. § 270 Abs. 2 InsO eine Eigenverwaltung unzulässig.

17

Die Eigenverwaltung kommt gem. § 270a Abs. 1 InsO nur auf Antrag des Schuldners, dem eine Eigenverwaltungsplanung beizufügen ist, in Betracht. Eine vorläufige Eigenverwaltung gem. § 270b InsO setzt voraus, dass die Eigenverwaltungsplanung des Schuldners vollständig und schlüssig ist sowie keine Umstände bekannt sind, aus denen sich ergibt, dass die Eigenverwaltungsplanung in wesentlichen Punkten auf unzutreffenden Tatsachen beruht. Das Gericht kann den vorläufigen Sachwalter, der in der vorläufigen Eigenverwaltung zu bestellen ist, gem. § 270c InsO beauftragen, bestimmte Berichte zu erstatten. Zudem kann das Gericht gem. § 370c Abs. 4 InsO anordnen, dass der Schuldner Masseverbindlichkeiten begründen darf.

18

Das bisher in § 270b InsO a.F. geregelte Schutzschirmverfahren wird nunmehr in § 270d InsO geregelt. Die vorläufige Eigenverwaltung wird gem. § 270e InsO aufgehoben, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen insolvenzrechtliche Pflichten verstößt oder Mängel der Eigenverwaltungsplanung nicht fristgerecht behoben werden oder sich die Erreichung des Eigenverwaltungsziels als aussichtslos erweist.

19

Bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist die Eigenverwaltung gem. § 270f Abs. 1 InsO anzuordnen, es sei denn, eine vorläufige Eigenverwaltung wäre nach § 270b InsO nicht anzuordnen oder nach § 270e InsO aufzuheben.

20

Die Eigenverwaltung wird nach § 272 Abs. 1 InsO aufgehoben, wenn der Schuldner in schwerwiegender Weise gegen insolvenzrechtliche Pflichten verstößt oder die angestrebte Sanierung sich als aussichtslos erweist. Weiterhin kommt eine Aufhebung auch durch Beschluss der Gläubiger in Betracht.

21

Im Zuge der COVID-19-Pandemie wurde die Insolvenzantragspflicht mehrfach modifiziert. Aktuell gilt gem. Art. 10 SanInsFoG, dass vom 1.1.2021 bis zum 31.1.2021 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags für Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt ist, die im Zeitraum vom 1.11.2020 bis zum 31.12.2020 einen Antrag auf Gewährung staatlicher Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben (§ 1 Abs. 3 Satz 1 COVInsAG).

22

Durch das Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 vom 15.2.2021 (BGBl. I 2021, S. 237) wurde die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verlängert. Vom 1.1.2021 bis zum 30.4.2021 ist die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags gem. § 1 Abs. 3 COVInsAG für die Geschäftsleiter solcher Schuldner ausgesetzt, die im Zeitraum vom 1.11.2020 bis zum 28.2.2021 einen Antrag auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt haben. War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, gilt die Regelung auch für Schuldner, die nach den Bedingungen des staatlichen Hilfsprogramms in den Kreis der Antragsberechtigten fallen. Dies gilt nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht oder die erlangbare Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.

23

Hintergrund ist Folgender: Durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht vom 27.3.2020 (BGBl. I 2020, S. 569) war das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Pandemie-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG, BGBl. I 2020, S. 569) geschaffen worden, mit dem zunächst unter bestimmten Voraussetzungen die Insolvenzantragspflicht bis zum 30.9.2020 ausgesetzt worden ist, es sei denn, die Insolvenzreife beruhte nicht auf den Folgen der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie oder es bestanden keine Aussichten darauf, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.1

24

Durch das Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes vom 15.9.2020 (BGBl. I 2020, S. 2016) wurde die Insolvenzantragspflicht wegen Überschuldung vom 1.10.2020 bis zum 31.12.2020 gem. § 1 Abs. 2 COVInsAG weiter ausgesetzt.

25

Durch das Gesetz zur weiteren Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens und zur Anpassung pandemiebedingter Vorschriften im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins- und Stiftungsrecht sowie im Miet- und Pachtrecht vom 22.12.2020 (BGBl. I 2020, S. 3328) wird den Vorgaben der Europäischen Union aus Restrukturierungsrichtlinie folgend die Abtretungsdauer zur Erlangung der Restschuldbefreiung gem. § 287 Abs. 2 InsO auf drei statt bisher sieben Jahre verkürzt. In den Fällen, in denen dem Schuldner auf Grundlage eines nach dem 30.9.2020 gestellten Antrags einmal Restschuldbefreiung erteilt worden ist, beträgt die Abtretungsfrist in einem erneuten Verfahren fünf Jahre, sodass die auf drei Jahre verkürzte Frist lediglich einmal in Anspruch genommen werden kann.

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551 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9783800593903
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