Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 34

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bb) Kein Verbraucherschutz trotz faktisch existentem „Verbrauch“

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Unabhängig von der Gefährlichkeit des einzelnen Wirkstoffs ist die „Geeignetheit“ einer Prohibition als Schutzmaßnahme vor gefährlichen Substanzen auch deswegen in Frage gestellt, weil der Staat den Konsumenten faktisch sich selbst überlässt, mangels geprüfter „Qualitätsware“ wie sie bei legalen Drogen gewährleistet ist, der faktisch existente Konsument also der Gefahr unreiner, minderwertiger Produkte ausgesetzt wird. Dagegen lässt sich auch nicht einwenden, dass Betäubungsmittel „von Natur aus gefährlich“ sind und der Staat dies durch das Verbot zum Ausdruck bringt.[321] Damit würde man der hier bereits mehrfach betonten Unterschiede zwischen den einzelnen Stoffen untereinander überhaupt nicht gerecht; der Staat muss fähig sein, die Gefährlichkeit der einzelnen Drogen dem Konsumenten differenziert zu vermitteln und gerade nicht in ihren Wirkweisen und Konsum Arten vollkommen unterschiedliche Substanzen über einen Kamm zu scheren (vgl. bereits Rn. 38). Zwar ist es zutreffend, dass der Konsument eine erste Gefährlichkeitsprognose anhand des Verbots vornimmt. Doch zum einen kann dieses Vertrauen des Gesetzgebers durch eigenes Probieren oder durch Erfahrungen in der Umwelt erschüttert werden. Zum anderen hat der Staat in diesem Zusammenhang auch zahlreiche andere Möglichkeiten, auf das Gefährdungspotential der im Umlauf befindlichen Drogen hinzuweisen (Aufklärungsarbeit und sonstige Präventionsprogramme, wie dies bei Tabak oder Alkohol bereits erste Früchte zeigt).

b) Jugendschutz

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Noch deutlicher tritt die Bedeutung eines nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsmaßstabs bei den überindividuellen Rechtsgütern zu Tage, etwa beim Jugendschutz, der aus einer Gesamtschau von allgemeinem Persönlichkeitsrecht, elterlicher Sorge und dem Gesetzesvorbehalt zum Schutze der Jugend in Art. 5 Abs. 2 GG abgeleitet wird. Man wird bereits danach fragen müssen, ob der Jugendschutz als „Stellvertreterschutz“ des Selbstbestimmungsrechts zu verstehen ist und damit jede potentiell unverantwortlich agierende Person hierunter fällt.[322] Mithin sind vor allem Maßnahmen erfasst, die den schutzlos gestellten (weil unverantwortlich agierenden) Jugendlichen vor schädlichen Einwirkungen bewahren sollen. Das Verbot einer Substanz wie Cannabis, deren Konsum vor allem im Jugendalter bleibende Schäden hinterlassen kann, lässt sich durchaus als solch eine Maßnahme verstehen. Damit verlagert man allerdings die Frage nur auf die Ebene der Erforderlichkeit, wo man zum Ergebnis gelangen muss, dass eine Beschränkung des Verbotes auf Minderjährige gleich effektiv, aber weniger freiheitsbeschränkend für Erwachsene ist. Dem wird häufig entgegengehalten, dass die freie faktische Verfügbarkeit eine andere Marktsituation und damit auch eine leichtere Zugänglichkeit für Jugendliche generiert.[323] Mit dieser Argumentation entzieht man aber dem Jugendschutz als verfassungsrechtlichen Belang die Grundlage, weil man davon ausgeht, dass die Verbotswirkung allein für Minderjährige gar keine Wirkung entfaltet;[324] anders gewendet: um Jugendschutz herzustellen, wäre damit stets auch Erwachsenenschutz erforderlich (was freilich bei legalen Drogen wie Alkohol und Nikotin keine Rolle spielen soll).

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Es ist auch nicht gesichert, dass infolge einer kontrollierten Freigabe für Erwachsene der Konsum durch Jugendliche „absehbar ansteigt“.[325] Abgesehen davon, dass man im Bereich der Tabak- und Alkoholprävention erste Erfolge erzielt (und man diesen Möglichkeiten bei solch einer Prognose die Wirksamkeit a priori abspricht), belegen zahlreiche Realexperimente bzw. Befunde, dass eine Legalisierung bzw. Entkriminalisierung nicht zwingend zu einem Anstieg des Drogenkonsums führen muss.[326] Besonders deutlich wird dies in Ländern,[327] die ursprünglich eine repressive Drogenpolitik pflegten (so ist die Lebenszeitprävalenzrate in Portugal nach der Entkriminalisierung im Allgemeinen gesunken;[328] hingegen hat die Zahl der Verkehrsunfälle unter Einfluss von Marihuana zugenommen[329]). Zudem ändert die Verfügbarkeit schließlich nichts daran, dass der Cannabiskonsum bei Jugendlichen überwiegend episodenhaften Charakter hat.[330] Zuletzt wird darauf hingewiesen, dass die Einführung einer Altersgrenze eine Verschiebung der Zielgruppe des illegalen Marktes bewirken könnte.[331] Dies mag zutreffen, doch darf hierbei nicht aus dem Blick geraten, dass es sich um eine wesentlich kleinere Zielgruppe handelt und es auch wesentlich schwieriger sein dürfte, diese „unentdeckt“ zu erreichen (was in Relation, dass die Hauptzielgruppe u.U. zu großen Teilen „wegbricht“ in Kauf genommen werden könnte).

c) Organisierte Kriminalität und Schwarzmarkt

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Ähnliche Erwägungen lassen sich auch hinsichtlich des Gemeinschaftsbelangs „Bekämpfung der Organisierten Kriminalität“ anbringen. Schließlich wird diesbezüglich das Argument ins Spiel gebracht, dass das Verbot den Schwarzmarkt erst generiere und damit den Nährboden für organisierte Kriminalität schaffe. Soweit man sich vor Augen führt, dass der Drogenhandel weltweit die Haupteinnahmequelle der organisierten Kriminalität darstellt, erscheint das Argument, die organisierte Kriminalität werde sich dann auf andere Geschäftszweige konzentrieren, kaum stichhaltig.[332] Außerdem ist es empirisch noch nicht geklärt, welche Effekte die Trennung von Märkten auf den Schwarzmarkt hat.[333] Niemand wird noch ernsthaft behaupten wollen, dass Modifikationen der lex lata – gleich welcher Art – zur Auflösung des Schwarzmarktes führen würden.[334]

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Wenn dann dennoch betont wird, dass eine Aufhebung der Prohibition den Schwarzmarkt nicht beseitigen werde, kommt auch hier wieder das typische Argumentationsmuster zum Vorschein. Erwägungen, die für eine Teillegalisierung sprechen, werden aufgrund vermeintlicher Schwächen zurückgewiesen, ohne dass damit die eigene Haltung bekräftigt wurde.[335] Gleiches gilt, wenn es heißt, die Gesundheitskosten würden ansteigen[336] (ohne zu berücksichtigen, dass im Gegenzug die Strafverfolgungskosten sinken[337]) oder es könnten schwere Gesundheitsschäden nicht verhindert werden (ohne zu betonen, dass sie in Relation zum geltenden Recht zumindest vermindert werden könnten; dies wird man nach den ersten Erfolgen minimaler harm reduction Maßnahmen nicht ernsthaft in Frage stellen können).[338]

d) Fazit

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Unabhängig davon, ob man den legitimen Zweck des Eingriffs im Jugendschutz allein, in der Gesundheit des Einzelnen oder – wie das BVerfG – in dem nicht von Drogen beeinträchtigten Zusammenleben sieht, deutet die Ausgestaltung des Eingriffs dahin, dass der mittels Strafandrohung unterbundene Konsum bzw. die Verbreitung von Drogen verhindert werden und die Entstehung einer Abhängigkeit verhindert werden soll.[339] Fokussiert man sich nun auf die Frage, inwiefern die Prohibition samt den daran knüpfenden Sanktionsnormen die Konsumgewohnheiten in der Gesellschaft beeinflusst, um die Geeignetheit[340] bzw. Angemessenheit[341] des Verbots auszuloten, steht man als Adressat der Verbotsvorschrift, welche die Geeignetheit anzweifelt, hinsichtlich des Prüfungs- und Darlegungsmaßstabs vor dem bereits beschriebenen Dilemma.[342] Man kann zunächst zahlreiche Erwägungen anstellen, die gegen solch eine Wechselwirkung von Verbot und Konsumverhalten sprechen und diese auf eine empirisch gesicherte Datenlage stützen; etwa auf die ununterbrochen steigende Verfügbarkeit bei gleichzeitig sinkenden Preisen illegaler Drogen aufmerksam machen.[343] Außerdem könnte man hervorheben, dass die Illegalität der Droge nur ein erster „Konsumprädiktor“ ist, der selten dauerhaft Bestand hat (wie dies bereits so eben zum Ausdruck kam), weil Cannabiskonsum normativ „als private Angelegenheit definiert wird“ und „das strafrechtliche Verbot für diese Entscheidung keinerlei Rolle“ spielt (vielmehr weitere Faktoren wie Konsum- und „Konsumenten“-Erfahrung, Religionszugehörigkeit/Weltanschauung, Alter/Geschlecht/Bildung/Wohnort etc.).[344]

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Doch lässt man bereits eine Überzeugung von einer irgendwie gearteten „Auch-Geeignetheit“ genügen, wird man derlei Erwägungen als nicht fundierte Behauptungen zurückweisen, vor allem die epidemiologische Vergleichbarkeit von Ländern ohne sanktionsbewehrten Verboten wegen abweichender sozialer Rahmenbedingungen verneinen. Selbst wenn man davon ausginge, dass diese „Verneinung“ kriminologisch bzw. soziologisch schlicht unhaltbar ist, wird die Überzeugung, dass die Sanktionsbewehrung „auch-geeignet“ ist, weiterhin ausreichen. Hat man die Geeignetheit allerdings hinter sich, befindet man sich auf der Ebene der Erforderlichkeit wieder auf „sicheren Gefilden“, da man sich nun im Anschluss schlicht auf seine Einschätzungsprärogative stützen und vertreten kann, dass in Relation zur Sanktionsbewehrung kein „gleich effektives“ Mittel zur Verfügung stehe. Das Auswahlermessen des Gesetzgebers betrifft dann die geltende Rechtslage und (scheinbar weit entfernte) Alternativen, die man kaum abschätzen kann. Mit der Vermutung, andere (nicht exemplifizierte) Konzepte könnten die Verbreitung nicht ebenso gut verhindern, wird der aktuelle Zustand legitimiert. Das ist schon in Anbetracht des Umstands, dass verschiedene Alternativen in Betracht gezogen werden müssen, problematisch, aber vor allem verfassungsrechtsmethodisch eine Bankrotterklärung, da man auf diese Weise jedes bereits existente Gesetz legitimieren kann.

3. Betäubungsmittelrecht de lege ferenda

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Die Tatsache, dass die Argumente gegen eine Legalisierung den derzeitigen Rechtszustand nicht zugleich bekräftigen, müsste Anlass genug sein, die Überprüfung, ob gleich geeignete, aber weniger einschneidende Mittel existierten, zuzulassen, mithin das „Sozialexperiment“ des Verzichts auf das Strafrecht. Damit würde man nicht nur dem Bürger ein Stück Freiheit zurückgeben und Vertrauen in die Rechtsgemeinschaft signalisieren, sondern könnte bereits nach kurzer Zeit auf (evidenzbasierte) Forschung zurückgreifen. Zudem sind gesetzgeberische Schritte nicht unumkehrbar. Eine Teillegalisierung bzw. Entkriminalisierung stellt keine Einbahnstraße dar; verspielt der Bürger das Vertrauen, besteht wiederum die Möglichkeit das Verbot erneut zu erlassen. Dass sich der Einfluss des gesetzgeberischen Eingriffs wahrscheinlich erst langfristig bemerkbar machen wird, spricht nicht gegen derartige Vorstöße, sondern macht deutlich, dass kurzfristig ohnehin keine erheblichen Gefahren für die Gesellschaft bzw. Rechtsgemeinschaft zu prognostizieren sind.

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Die Palette denkbarer Neukonzeptionen (Entkriminalisierung, Legalisierung) kann und muss an dieser Stelle auch nicht detailliert dargestellt werden;[345] der Gesetzgeber sollte sich jedoch im Klaren sein, dass zahlreiche Baustellen der Drogenpolitik angegangen werden können, ohne das geltende System in Frage zu stellen. Neben einer Implementierung weiterer harm-reduction-Maßnahmen (wie z.B. dem drug-checking[346]), sollte über eine deutlichere Abkoppelung der medizinischen Versorgung nachgedacht, ein garantierter Zugang zur Notfallmedizin, insbesondere Naloxon-Kits[347] gewährleistet und auf verbesserte Bedingungen für Drogenabhängige in der Haft hingewirkt werden.[348] In Drogennotfällen sollte sich die Strafandrohung auf diejenige, die aus der Verletzung der Hilfspflicht resultiert (§ 323c StGB, ggf. §§ 212, 13 StGB), beschränken, mithin sollte der gemeinsame Konsument nicht aus Angst vor Aufdeckung des eigenen Drogenbesitzes davon absehen, Menschenleben zu retten.[349]

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Auch was den Handel angeht, besteht, wie sich aus den Ausführungen bei Rn. 60 ff. ergeben haben dürfte, dringender Handlungsbedarf. Die mit der ausufernden Auslegung des Handeltreibens einhergehenden dogmatischen Friktionen erfordern eine gesetzgeberische Klarstellung. Die Qualifikationstatbestände müssen neu geordnet, die Versuchs- und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit auf wenige (dogmatisch sinnvolle) Fälle beschränkt werden.[350] Darüber hinaus oder alternativ ist über spezifische Strafzumessungsvorschriften nachzudenken, welche Strafrahmenverschiebungen für in der Rechtsprechung bereits anerkannte Konstellationen beinhalten, etwa beim Handeln als Kurier, bei einem geringen Gewinn oder bei der Eigenschaft als „social supplier“.[351] Den Anfang könnte man mit der Einfügung einer tätigen Reue Vorschrift (in einem neuen § 30c BtMG-E) machen, welcher den „Rücktritt“ vom Handeltreiben einerseits, die besondere Situation des agent provocateur bzw. Lockspitzels andererseits angemessen erfasst.[352]

E. Strafprozessuales

I. Strafprozessrecht und „Giftsachen“

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Der illegale Betäubungsmittelumsatz gehört zu den wichtigsten Umsatzquellen und Betätigungsfeldern der Organisierten Kriminalität. Typisches Charakteristikum schwerer Betäubungsmittelkriminalität ist das gebietsübergreifende Operieren von Rauschgiftverteilerringen, welche rechtliche Lücken und tatsächliche Defizite der jeweiligen Orte zu Profitzwecken planend einsetzen und sich zu eigen machen. Das Zerschlagen derartiger Vereinigungen und Banden erfordert die volle Bandbreite an strafprozessualem Instrumentarium, welches das Verfahrensrecht zur Verfügung stellt; von längerfristigen Observationen über TKÜ-Maßnahmen bis hin zum Einsatz verdeckter Ermittler. Zahlreiche, für sonstige Kriminalitätsfelder paradigmatische Entscheidungen zum Strafprozessrecht (etwa diejenige zur rechtsstaatswidrigen Tatprovokation[353] oder zu den Anforderungen an den Tatverdacht bei Hausdurchsuchungen[354]) ergingen im Kontext der Verwirklichung betäubungsmittelstrafrechtlicher Tatbestände. Und schließlich ergeben sich aus der Struktur der Betäubungsmitteldelikte Besonderheiten im Hinblick auf den prozessual zu ermittelnden Stoff (frühe Tatbestandsvollendung, zahlreiche Tathandlungen, mehrere Beteiligte ohne Haupttäter etc.); freilich würde aber eine umfassende Darstellung strafprozessualer Spezifika in „Giftsachen“ den vorliegenden Rahmen sprengen[355] und wäre auch im Übrigen wenig ergiebig, da die Phänomenologie eines Kriminalitätsgebiets die prozessualen Maßstäbe – etwa die Anforderungen, die an einen Tatverdacht bei Bagatelldelikten wie dem Erwerb von Betäubungsmitteln zum Eigenkonsum zu stellen sind – gänzlich unberührt lässt. Insofern wird im Folgenden auf eine lose Zusammenfassung strafprozessualer Leitlinien, die im Kontext des Betäubungsmittelrechts entstanden sind, verzichtet und stattdessen ausschließlich die, allein den Tatbeständen des Betäubungsmittelstrafrechts vorbehaltene, strafprozessuale Einstellungsvorschrift des § 31a BtMG skizziert.

II. Die besondere Einstellungsvorschrift des § 31a BtMG

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§ 31a Abs. 1 BtMG ergänzt die Einstellungsvorschriften der §§ 153 ff. StPO bzw. verdrängt diese sogar in bestimmten Fällen als lex specialis. Die Vorschrift lässt sich spätestens seit dem Cannabis-Beschluss des BVerfG (Rn. 107) als verfassungsrechtliche Krücke des Betäubungsmittelstrafrechts bezeichnen, da das BVerfG die Aufrechterhaltung des generellen Verbots des Umgangs mit kleineren Mengen zum „Eigenbedarf“ gerade mit der Möglichkeit begründet hat, das Verfahren bei Bagatellen einzustellen. Doch konnte die Vorschrift diese Funktion bis heute kaum zufriedenstellend erfüllen, was auf ihre Ausgestaltung als Opportunitätsvorschrift zurückgeht; so wird auf die Einstellung wegen geringer Mengen in der Praxis (in einigen Ländern fast) nur im Falle des Erwerbs und Besitzes von Cannabis zurückgegriffen, obwohl der Wortlaut sich keinesfalls auf diese Droge (oder „weiche“ Drogen) beschränkt, vielmehr auf eine Betäubungsmittel und einen großen Tathandlungskatalog (u.a. auch auf die Einfuhr und den Anbau) Bezug nimmt.

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Die Opportunität verhindert (anders als bei § 29 Abs. 5 BtMG)[356] auch eine Konkretisierung der einzelnen Merkmale im Wege der Rechtsfortbildung. Dies und der Umstand, dass es eine Frage der drogenpolitischen Einstellung im jeweiligen Bundesland einerseits, sowie justizieller Ressourcen andererseits ist, wie mit der Opportunität umgegangen wird,[357] mag zu dem bereits vom BVerfG monierten „Nord-Süd-Gefälle“ geführt haben, das sich bis heute noch in unterschiedlichen Einstellungspraktiken manifestiert. Hieran ändert eine Vereinheitlichung auf dem Papier, nämlich durch eine Angleichung der Gewichtsgrenzen nichts (6 g bei Cannabis in den meisten, aber nicht allen Bundesländern). Abweichungen können sich schließlich nicht nur in der Behandlung von Cannabiskonsum bzw. anderen Drogen (bzw. auch in unterschiedlichen Festlegungsmodellen; während in einigen Ländern das sog. Obergrenzenmodell präferiert wird, haben sich andere Länder für das Untergrenzenmodell[358] entschieden) ergeben, sondern manifestieren sich vor allem auch in der vollkommen divergierenden Behandlung von „Wiederholungstätern“.[359]

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Überwiegend gilt das Obergrenzenmodell,[360] wonach bis zur festgesetzten Menge von einer geringen Menge ausgegangen werden kann.


Land Menge (Obergrenze)
Baden-Württemberg
Brandenburg 3 Konsumeinheiten
Bayern 6 g Gewichtsmenge (!)
Nordrhein-Westfalen 10 g Gewichtsmenge
Rheinland-Pfalz 10 g Gewichtsmenge
Schleswig-Holstein 30 g Gewichtsmenge

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Neben dem Umgang mit einer geringen Menge setzt § 31a BtMG im Übrigen eine geringe Schuld des Beschuldigten voraus (der Wortlaut ist unpräzise, entlarvend ist es für das Betäubungsmittelrecht jedenfalls, wenn § 31a BtMG vom „Täter“ spricht): angenommen wird dies insbesondere bei einer festgestellten Drogenabhängigkeit des Beschuldigten, wobei auch Mehrfachtäter nicht per se vom Anwendungsbereich des § 31a Abs. 1 S. 1 BtMG ausgeschlossen sind (ansonsten drohte eine Diskrepanz zu § 31a Abs. 1 S. 2 BtMG, der sich auf Abhängige bezieht, die in Drogenkonsumräumen illegale Drogen besitzen und keine Strafverfolgung in diesem Rahmen befürchten sollen[362]). Zudem darf kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bestehen, was regelmäßig durch das Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 31a BtMG indiziert wird. Eigenständige Bedeutung hat dieser Passus nur, wenn die Handlung trotz geringen Schuldgehalts einen Öffentlichkeitsbezug aufweist (mittelbare Fremdgefährdung[363] durch Konsum an jedermann zugänglichen Örtlichkeiten, z.B. im Kindergarten, Krankenhaus oder in der Schule).[364] Zuletzt muss der Beschuldigte eine Eigenverbrauchsabsicht aufweisen, die nicht gegeben ist, wenn man sich das Betäubungsmittel mit Dritten teilen will; denkbar bleibt hingegen eine Einstellung, wenn die Drogen gemeinsam angekauft wurden, um einen günstigeren Preis zu erzielen.[365]

F. Internationales

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Die supranationalen Rechtsquellen des Betäubungsmittelrechts kamen bereits im Rahmen der Ausführungen zur Geschichte der Drogengesetzgebung zur Ansprache. In diesem Zusammenhang wurde darauf aufmerksam gemacht, dass dem europäischen Recht (trotz Existenz zahlreicher Maßnahmepakete) wenig bis gar keine Bedeutung zukommt: Die Staaten gehen drogenpolitisch ihre eigenen Wege, was das Beispiel des Umgangs mit neuen psychoaktiven Substanzen deutlich gemacht hat. Obwohl der kriminalpolitische Ursprung der Problematik im Europarecht lag (Arzneimittelbegriff, Rn. 43 ff.) und man auf europäischer Ebene umgehend dazu überging, an einer Richtlinie hinsichtlich des Umgangs mit neuen psychoaktiven Substanzen zu arbeiten (die Kommission legte unlängst einen Richtlinienentwurf vor, der insbesondere die Aufnahme bestimmter Stoffe, abhängig von Verbreitungsgrad und Toxizität, in einer Durchführungsverordnung vorsieht[366]), verabschiedete der deutsche Gesetzgeber sein eigenes Regelwerk, freilich mit der Bereitschaft, dieses Gesetz entsprechend anzupassen, wenn die Richtlinie erst einmal ihre Wirkung entfaltet.

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Man darf auch nicht aus den Augen verlieren, dass die supranationalen und europarechtlichen Maßnahmen (wie bspw. eine Richtlinie gemäß Art. 83 Abs. 1 AEUV) vornehmlich Mindestvorgaben hinsichtlich einer Regulierung beinhalten, während im Hinblick auf sonstige Maßnahmen allenfalls Empfehlungen gemacht werden können. So ähneln sich zahlreiche Drogengesetze auf der ganzen Welt und Europa in ihrer äußeren Ausgestaltung zwar häufig (kleinere technische Unterschiede ergeben sich meist in der Auflistung der Tathandlungen, der Platzierung der Strafvorschriften innerhalb oder außerhalb des Kernstrafrechts sowie im Hinblick auf die Konkretisierung des Betäubungsmittelbegriffs mittels Positivliste), doch ergibt sich nicht selten schon aus den Strafandrohungen sowie aus der zusätzlichen Einbeziehung oder Streichung einzelner Tathandlungen (Konsum) ein drogenpolitischer Drift. Blickt man dann auf den Umgang der Kriminalisierung von Konsumenten in Ländern wie Portugal, Niederlande, Tschechien einerseits, Deutschland, Frankreich und Dänemark andererseits wird deutlich, dass ein gemeinsamer „Ursprung“ überhaupt nichts mehr zu bedeuten hat, vielmehr – soweit man sich überhaupt zu derartigen „Umwegen“ gezwungen sieht – sowohl auf sanktionsrechtlicher als auch strafprozessualer Ebene nachjustieren kann.