Kitabı oku: «Handbuch des Strafrechts», sayfa 5
2. Weitere Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
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Die ärztliche Heilbehandlung sei hier wie folgt eingegrenzt: Unter ärztlicher Heilbehandlung wird die Tätigkeit einer Person verstanden, die nach §§ 34 ff. der Approbationsordnung für Ärzte zur Ausübung des ärztlichen Heilberufes zugelassen ist. Die für approbierte Ärzte bei ihrer Heilbehandlung geltenden Rechtsvorgaben sind dann entsprechend auf nichtärztliche Personen zu übertragen, sofern diese überhaupt in der Lage sein sollten, entsprechende Maßnahmen durchzuführen, ihr Verhalten also nicht von vornherein als Sorgfaltswidrigkeit im Sinne strafrechtlicher Fahrlässigkeitstatbestände oder als nicht konsentierte vorsätzliche Körperverletzung zu bewerten ist.[29] – Unter Heilbehandlung wird ein dem ärztlichen Heilauftrag entsprechendes ärztliches Vorgehen verstanden, also Eingriffe, die vorgenommen werden, um Krankheiten, Leiden, körperliche oder seelische Beschwerden zu verhüten, zu erkennen, zu heilen oder zu lindern. Damit kann der Untersuchungsgegenstand nur grob umgrenzt werden, da diese Anknüpfung das Thema in Abhängigkeit von den alles andere als trennscharfen Begriffen von Gesundheit[30] (und Krankheit[31]) stellt, deren mehr oder weniger weit reichende Herstellung durch die Heilbehandlung erstrebt wird. Aber auch ein Anknüpfen des Begriffes der Heilbehandlung an das Vorliegen einer medizinischen bzw. medizinisch-ärztlichen Indikation[32] würde nicht weiterführen, befindet sich der Indikationsbegriff[33] doch im Fluss, da die naturwissenschaftlich-technische Entwicklung[34] und ihre gesellschaftliche Akzeptanz den Ärzten zunehmend neue Anwendungsfelder ihrer Tätigkeit eröffnet.[35] – Schließlich wird als Bezugsobjekt ärztlicher Tätigkeit nachfolgend auf den schon bzw. noch lebenden Menschen im Sinne des Strafgesetzbuchs abgestellt.[36]
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Ausgeklammert bleibt nachfolgend die Problematik, inwieweit der ärztliche Heileingriff dem Vorsatz-Tatbestand des § 223 StGB unterliegt,[37] ferner auch die Frage, welche Voraussetzungen beim Heileingriff an eine wirksame Einwilligung des Patienten in den Heileingriff zu stellen sind.[38] Bewirkt der Arzt während seines Heileingriffs (z.B. einer Operation), dem als solchen eine wirksame Einwilligung des hinreichend aufgeklärten Patienten zugrunde liegt,[39] sorgfaltswidrig dessen Verletzung oder gar Tötung, so kommt – da der Eingriff als solcher konsentiert war – eine vorsätzliche Körperverletzung (hierfür ist der fehlende Patienten-Konsens beispielsweise in einen während seiner Operation missglückten Schnitt nicht relevant) nicht in Betracht, hingegen aber Strafbarkeit nach §§ 229, 222 StGB.[40] Sollte die Einwilligung in die Heilbehandlung (im Beispiel: in die Operation) hingegen unwirksam sein und der Patient zusätzlich durch einen unvorsätzlich begangenen Behandlungsfehler körperlich geschädigt werden, so kann Strafbarkeit nach § 223 und § 229 StGB vorliegen. Sollte hingegen im Falle unwirksamer Einwilligung in den Heileingriff fahrlässig der Tod des Patienten bewirkt werden, so wäre an eine Strafbarkeit aus § 227 StGB zu denken.[41] In derartigen Fällen entfällt aber schon die vorsätzliche Körperverletzung,[42] sofern der Arzt irrig von einer wirksamen Einwilligung ausgeht. Ein derartiger vorsatzausschließender Erlaubnistatbestandsirrtum kommt nur bei Fehlvorstellungen des Arztes über tatsächliche Umstände der Einwilligung (also etwa bei Annahme, dass die geplante Operation nicht mit besonderen aufklärungspflichtigen Risiken verbunden ist) in Betracht, während seine rechtlich fehlsame Bewertung (bspw. über seltene, aber gravierende Risiken nicht aufklärungspflichtig zu sein), lediglich einen Verbotsirrtum begründet. Schließlich muss auch die Emperie arztstrafrechtlicher Verfahren[43] ausgeblendet bleiben.
B. Ärztliche Heilbehandlung und Fahrlässigkeitsstrafbarkeit
I. Verfehlung des ärztlichen Standards
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Generell wird der Unrechtstatbestand des Fahrlässigkeitsdelikts nicht allein durch das Erfolgsunrecht der vom Täter bewirkten Beeinträchtigung des Tatobjektes bestimmt. Folglich steht auch bei der Betrachtung der ärztlichen Verantwortlichkeit für Behandlungsfehler als fahrlässige Tötung oder Körperverletzung das Handlungsunrecht der objektiven Sorgfaltspflichtverletzung als zentrales Element des objektiven Fahrlässigkeitstatbestandes[44] im Mittelpunkt. Das Vorliegen einer Sorgfaltspflichtverletzung des Täters ist im Falle der ärztlichen Behandlung schon deshalb unerlässlich, weil hierbei Misserfolge und Komplikationen auf „der Eigengesetzlichkeit und weitgehenden Undurchschaubarkeit des lebenden Organismus“[45] und nicht auf einem Fehlverhalten des behandelnden Arztes beruhen können.[46] Da auch im Bereich ärztlicher Tätigkeit nicht jede Herbeiführung eines unerwünschten Zustandes schlechthin verboten sein kann, knüpft die strafrechtliche Reaktion – entsprechend zu anderen Lebensbereichen – an Verhaltensweisen an, die dasjenige Maß an Sorgfalt außer Acht lassen,[47] das im Zusammenleben innerhalb der Rechtsgemeinschaft billigerweise erwartet werden kann und auf das der Patient vertrauen darf. Aus dem Gebot des „neminem laede“ wird unter dem Gesichtspunkt der Fahrlässigkeitsverantwortlichkeit das Verbot, für Rechtsgüter des Patienten ein nicht mehr erlaubtes Risiko[48] zu schaffen, durch welches diese Güter in ihrem Bestand und ihrer Sicherheit beeinträchtigt werden.[49] Da jede ärztliche Behandlung mit dem Risiko verbunden ist, den Patienten hierbei zu verletzen oder gar zu töten, darf der Arzt dieses Risiko nur mittels einer Behandlung eingehen, die ihr Ziel auf möglichst schonende Art und Weise und mit möglichst geringem Risiko zu erreichen sucht.[50]
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Der durch das Patientenrechtegesetz 2013 bewirkten Kodifizierung des medizinischen Behandlungsvertrags in den §§ 630a ff. BGB kommt für die nachfolgenden Überlegungen schon deshalb keine weitere Bedeutung zu, da sich diese „Neu“-Regelung ganz überwiegend[51] darauf beschränkt hat, das von der Rechtsprechung (namentlich der zivilrechtlichen Judikatur) geprägte Arzthaftungsrecht in Gesetzesform zu gießen; der ärztliche Pflichtenkatalog im Arzt-Patienten-Verhältnis wurde von den wenigen Neuregelungen nicht berührt. Diese von Spickhoff[52] für den Bereich der bürgerlich-rechtlichen Arzthaftung getroffene Feststellung gilt auch für das – insoweit notwendigerweise jedenfalls vom Ansatz her – zivilrechtsakzessorische Medizinstrafrecht.[53] Insoweit ist bereits hier (näher dann Rn. 128 ff.) darauf hinzuweisen, dass es sich um eine asymmetrische Zivilrechtsakzessorietät handelt, wie sie namentlich vom Bereich der Untreue (§ 266 StGB) her bekannt ist:[54] Zwar kann das Strafrecht nicht ein zivilrechtlich beanstandungsfreies Verhalten sanktionieren; umgekehrt sollte aber angesichts des verfassungsrechtlich (Art. 20 Abs. 3 GG: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz[55]) vorgegebenen ultima-ratio-Gebots für den Einsatz des strafrechtlichen Instrumentariums nicht jede zivilrechtlich zu schadensersatzrechtlichen Reaktionen führende Verhaltensweise automatisch auch ärztliche Strafbarkeit nachsichziehen.
1. Bewertungsmaßstab (Facharztstandard)
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Entsprechend zu anderen Lebensbereichen (bspw. im Straßenverkehr) ist zur Bestimmung der Sorgfaltswidrigkeit auf das Leitbild eines besonnenen und umsichtigen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises[56] abzustellen. Da medizinische Maßnahmen besonders ernste Folgen für wichtige höchstpersönliche Güter nach sich ziehen können und der Patient regelmäßig die Zweckmäßigkeit oder Fehlerhaftigkeit der ärztlichen Handlung nicht beurteilen kann und deshalb nicht gegenzusteuern vermag, sind an das Maß der ärztlichen Sorgfalt hohe Anforderungen zu stellen.[57]
a) Facharztstandard
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Entspricht die vorgenommene Behandlung nicht den Qualitätsanforderungen, die von einem Facharzt auf dem betreffenden Gebiet erwartet werden können,[58] so handelt er pflichtwidrig.[59] Dieser sog. Facharztstandard richtet ärztliches Verhalten an den Vorgaben aus, die zum Behandlungszeitpunkt in der ärztlichen Praxis infolge medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnis und ärztlicher Erfahrung als akzeptiertes Vorgehen angesehen werden.[60] Dieser Standard[61] beruht also sowohl auf wissenschaftlich gesicherter Erkenntnis und Erfahrung[62] als auch auf der Anerkennung dieses Wissensstandes in der Praxis des Medizinbetriebs. Aus wissenschaftlichen Erkenntnissen allein folgt noch kein Standard, an den die strafrechtliche Bestimmung der Sorgfaltswidrigkeit anknüpfen könnte.[63] Wenn auch das Rangverhältnis der Elemente, die diesen Standard bilden, noch nicht endgültig geklärt ist – der Aspekt wissenschaftlicher Evidenz erfährt zunehmende Betonung[64] –, so hat sich bislang auch im Strafrecht kein anderer sinnvoller Anknüpfungspunkt für die Bestimmung berufsspezifischer Sorgfalt des Arztes ergeben.[65] So werden mit dem Facharztstandard als Vermittlungsbegriff zwischen der abstrakten Vorgabe des Rechts (Sorgfaltspflichtverletzung) und dem konkreten Geschehen[66] die Anforderungen umschrieben, die an einen besonnenen und pflichtbewussten Arzt in der konkreten Situation bei einer Betrachtung der Gefahrenlage ex ante zu stellen sind.[67] Hierbei kann der jeweils einzuhaltende Standard angesichts der körperlichen und psychischen Besonderheiten jedes Patienten sowie seiner möglichen Begleiterkrankungen von vornherein keinen fest umrissenen Inhalt („Kochbuchmedizin“) haben; vielmehr eröffnet er einen Korridor für die ärztliche Behandlung zwischen optimaler und noch ausreichender Behandlung (zur Therapiefreiheit Rn. 27 ff.).[68]
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Diese Anknüpfung an einen Facharztstandard darf nicht als formelle Qualifikationsanforderung für die Rechtmäßigkeit ärztlichen Handelns missverstanden werden. Es handelt sich vielmehr um ein materielles Kriterium, das die rechtlich gebotene Qualität ärztlicher Behandlung am Maßstab eines Facharztes dieser Fachrichtung ausrichtet.[69] Entspricht eine ärztliche Behandlung diesem Standard, so handelt auch ein formell mangels Facharztprüfung nicht entsprechend qualifizierter Arzt nicht sorgfaltswidrig.[70] Während es in derartigen Fällen im Bereich zivilrechtlicher Arzthaftung zu Lasten des Arztes zu einer Beweislastumkehr in Bezug auf den ursächlichen Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Gesundheitsschaden kommt,[71] ist der Verstoß gegen dieses formelle Kriterium strafrechtlich nicht relevant. Allerdings wird mitunter für einen Arzt, der einen Noch-nicht-Facharzt anleitet und überwacht, eine derart formelle Qualifikation gefordert; begründet wird dies damit, dass diese anleitende und beaufsichtigende Tätigkeit über einen Noch-nicht-Facharzt eine besondere Kompetenz, Souveränität und Verantwortung erfordere.[72] Aber auch in derartigen Fällen sollte darauf abgestellt werden, ob der zu überwachende Nicht-Facharzt bei seiner konkreten Behandlung den materiellen Anforderungen an fachärztliche Tätigkeit entsprochen hat. Sollte dies nicht der Fall sein, dann ist allerdings unabhängig von der formellen Qualifikation des überwachenden Arztes dessen Strafbarkeit möglich.[73]
aa) Leitlinien und Standard
(1) Sondernormen
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Auch im Bereich ärztlichen Handelns bestimmt sich die rechtlich maßgebliche Sorgfalt nach dem Verhalten besonnen und gewissenhaft Handelnder, so dass auch hier die für den Berufskreis des Täters geltenden Rechtssätze und Verkehrsgepflogenheiten zu beachten sind. Für die Bestimmung der zu fordernden Sorgfalt bei der strafrechtlichen Fahrlässigkeitshaftung kommt den diesbezüglichen Sondernormen auch nichtgesetzlicher Natur indizielle Bedeutung zu, die für den jeweiligen Verkehrskreis spezifische Anforderungen an sorgfaltsgemäßes Verhalten aufstellen.[74] Mehr als diese indizielle Bedeutung ist ärztlichen Richt- und Leitlinien[75] aber nicht zuzusprechen.[76] Andernfalls läge eine unzulässige Selbstentmachtung des Gesetzgebers zugunsten nicht legitimierter Privater vor.[77] Diese Wirkung, die aber keineswegs mit einer richterlichen Bindung im Wege eines antizipierten Sachverständigengutachtens in eins gesetzt werden darf,[78] kommt als Dokumentation redlicher Praxis nicht nur im zivilrechtlichen Haftpflichtprozess, sondern auch im Strafverfahren eine Rationalisierungsfunktion zu.[79] Eine richterliche Inbezugnahme bei der Bestimmung ärztlicher Sorgfaltspflicht kann aber keineswegs im Wege einer strikten und vorbehaltslosen Anbindung an die Maßstäbe erfolgen,[80] die sich außerhalb des staatlich gesetzten Rechts entwickelt haben. Vielmehr ist eine richterlich kontrollierte Rezeption geboten:[81] Der Rechtsanwender übernimmt diese außerrechtlich gebildeten „Normen“ nicht unmittelbar, sondern hat sie unter dem Blickwinkel der normativen Schutzzielbestimmung der von ihm anzuwendenden Generalklausel zu überprüfen, vorliegend also unter dem Blickwinkel der die Rechtsgüter Leben bzw. Gesundheit/Körperintegrität des Patienten schützenden Generalklausel der Sorgfaltswidrigkeit in den §§ 222, 229 StGB. Auf diese Weise bleibt der auch verfassungsrechtlich gebotene Vorrang der staatlich gesetzten Rechtsordnung vor privater Rechtsetzung gewahrt. Die medizinisch herausgebildeten Standards wirken mithin informativ und nicht normativ.[82] Eine unbesehene Inbezugnahme von außergesetzlichen Regelungssystemen würde hingegen letztlich eine faktische Delegation von Rechtsetzungsmacht[83] an hierfür demokratisch nicht Legitimierte (hier also bspw. an die Bundesärztekammer oder an medizinische Fachgesellschaften) bedeuten. Eine entsprechende Delegation wäre nicht mit den verfassungsrechtlichen Schutzpflichten des Staates für grundrechtlich geschützte Güter seiner Bürger zu vereinbaren.[84] Die bei der Einpassung von Problemlösungen, die im gesellschaftlichen Bereich staatsfern entwickelt wurden, in die für alle verbindliche Rechtsordnung (hier also: bei der Rezeption ärztlicherseits gebildeter Richt- bzw. Leitlinien) zu beachtenden Kautelen haben folgendem Umstand Rechnung zu tragen: Bei dieser Verfahrensweise handelt es sich keineswegs um eine begrüßenswerte Selbstbeschränkung des Gesetzgebers, der bei seinem Zurücktreten hinter gesellschaftliche Selbstregulation der Nachrangigkeit staatlicher Problemlösung (Subsidiarität) vorbildlich Rechnung trüge. Ließe man nämlich die medizinische Profession allein über das erlaubte Maß der für den Patienten zulässig zu setzenden Risiken entscheiden, so läge eine mit der Schutzpflicht des Staates für grundrechtlich geschützte Güter des Einzelnen nicht mehr vereinbare Kompetenzübertragung an Private (Neokorporatismus) vor.[85] Es kann nicht Angelegenheit einer Profession sein, selbst die Voraussetzungen festzulegen, unter denen ihre Mitglieder in Rechtsgüter Dritter eingreifen dürfen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der namentlich den ärztlichen Standesorganisationen staatlicherseits verliehenen Autonomie. Diese beschränkt sich auf die Regelung eigener Angelegenheiten. Diese berufsständische Regelungshoheit endet aber dann, wenn hierdurch grundrechtliche Positionen insbesondere bei Dritten betroffen sind.[86] Eine unbesehene Gleichsetzung von richtlinien- bzw. leitlinienkonformem Verhalten mit fehlender strafrechtlicher Sorgfaltswidrigkeit verbietet sich im Übrigen bereits aufgrund der unterschiedlichen Ordnungsfunktionen einer binnenfunktional wirkenden ärztlichen „Normsetzung“ einerseits, der Allgemeingültigkeit staatlichen Rechts andererseits.[87]
(2) Haftungsrecht und medizinischer Standard
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Da auch das zivil- und strafrechtliche Haftungsrecht auf den medizinischen Standardbegriff rekurriert,[88] ist letztlich jede rechtliche Entscheidung zunächst von der – durch die ärztliche Profession selbst definierten[89] – medizinisch-normativen Aussage abhängig, dass eine Behandlung dem Standard entspreche. Folglich stellt letztlich auch die rechtliche Bewertung der Ordnungsgemäßheit einer Behandlung eine Mischung von medizinischer Qualitätskontrolle und deren Rezeption in den rechtlichen Rahmen des zivil- und strafrechtlichen Haftungsrechts dar.[90] Angesichts des Rekurrierens des Haftungsrechts auf den medizinischen Standard steht letztlich jede rechtliche Entscheidung in Abhängigkeit zu einer normativ geprägten medizinischen Aussage,[91] die Behandlung entspreche dem Standard.[92] Dies ändert aber nichts daran, dass der in diesen medizinischerseits gesetzten „Sondernormen“ enthaltene Pflichtenkanon mit dem strafrechtlich gebotenen Pflichtenstandard zwar korrelieren kann; er vermag ihn aber nicht allein zu determinieren.[93] Bei diesem interdisziplinären Entscheidungsprozess über die Bildung strafbelegter Handlungsvorgaben hat das Recht die Letztentscheidungsbefugnis![94]
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Hiermit soll nicht die Rationalisierungsfunktion[95] von Leitlinien im Haftungsprozess bestritten werden: In ihnen kommt nicht nur eine individuell-ärztliche, sondern eine institutionell-ärztliche Bewertung zum Ausdruck.[96] Dies ändert aber nichts daran, dass für die (straf)rechtliche Bewertung die Verfehlung des in casu gebotenen Standards maßgeblich ist: Der Schritt vom allgemeinen Standard zum individuellen Fall, also die Standardanwendung im Einzelfall, bedarf einer individuell-sachverständig unterstützten Bewertung,[97] weil namentlich Leitlinien ihrerseits begründete Abweichungen erlauben oder sogar gebieten. Diese Entscheidung hat der regelmäßig sachverständig beratene Rechtsanwender zu treffen, dem es ermöglicht wird, anhand von Richt- und Leitlinien eine gewisse Plausibilitätskontrolle der Aussagen des Sachverständigen vorzunehmen. Die Abweichung von einer den Standard korrekt abbildenden Richt- oder Leitlinie stellt aber nie automatisch einen Behandlungsfehler dar,[98] da die medizinische Plausibilität der Gründe für die Abweichung im Einzelfall über die Korrektheit oder Fehlerhaftigkeit der Behandlung entscheidet. Der Standard trifft eine Aussage „über die Behandlung von Kollektiven, nicht von Individuen“.[99] Liegt konkret eine unbegründete Abweichung von einer Richt- oder Leitlinie vor, so vermag dies dann nur im Zivilrecht eine Vermutung zugunsten des Patienten hinsichtlich der Kausalität des Behandlungsfehlers für die Rechtsverletzung auszulösen, sofern es sich um einen groben Behandlungsfehler[100] handelt.[101] Im Strafrecht gilt für die zur Tatbestandsverwirklichung erforderliche Kausalität und Zurechnung zwischen dem Behandlungsfehler, der die Sorgfaltswidrigkeit begründet, und der Patientenbeeinträchtigung hingegen der in-dubio-Grundsatz.[102] Ohnehin ist der Einwand durchaus ernstzunehmen, dass eine (zunehmende) Vielzahl derartiger, vom Arzt in sein Kalkül einzubeziehender Vorgaben seine Eigenverantwortung schwächt und damit letztlich dem Wohl des Patienten zuwiderzulaufen droht.[103]
(3) Leitlinien-Verstoß und Standard-Verfehlung
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Gegen eine starre Gleichsetzung von Verstößen gegen die von der medizinischen Profession[104] gesetzten Richt- und Leitlinien mit einer Verfehlung des einzuhaltenden Standards bestehen ohnehin Bedenken,[105] da derartige Vorgaben nicht stets gesteigerten wissenschaftlich-methodischen Anforderungen genügen (bspw. fehlende oder zweifelhafte Evidenz ihrer Grundlagen, mitunter mangelhaftes Verfahren ihrer Erstellung, insbesondere bezüglich der Auswahl der Experten, ggf. fehlende Aktualität sowie mitunter Nichtbeachtung in der Praxis), von sich inhaltlich widersprechenden Leitlinien ganz zu schweigen. Die im medizinischen Binnenbereich gebräuchliche Unterscheidung von Leit- und Richtlinien[106] (sowie sonstigen Empfehlungen der BÄK oder medizinischer Fachgesellschaften) ist für die strafrechtliche Verantwortlichkeit ohne Belang,[107] da es entscheidend auf die – in casu festzustellende – Verfehlung des Standards ohne Vorliegen einer diese Abweichung gestattenden oder gar gebietenden Ausnahmesituation ankommt. Mit den Worten des 6. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs: „Handlungsanweisungen in Leitlinien ärztlicher Fachgremien oder Verbände dürfen nicht unbesehen mit dem medizinischen Standard gleichgesetzt werden. Dies gilt in besonderem Maße für Leitlinien, die erst nach der zu beurteilenden medizinischen Behandlung veröffentlicht worden sind. Leitlinien ersetzen kein Sachverständigengutachten. Zwar können sie im Einzelfall den medizinischen Standard für den Zeitpunkt ihres Erlasses zutreffend beschreiben; sie können aber auch Standards ärztlicher Behandlung fortentwickeln oder ihrerseits veralten (w.N.).“[108] Derartige Vorgaben können nicht unbesehen mit dem zur Beurteilung eines Behandlungsfehlers festzustellenden medizinischen Standard gleichgesetzt werden.[109] Sie können kein Sachverständigengutachten ersetzen und nicht unbesehen als Maßstab für den Standard übernommen werden.[110]