Kitabı oku: «Die Anti-Aging Revolution», sayfa 2
Das richtige Intervall-Fasten
Das Ende der Illusion vom Breakfast-Skipping
Früher dachte man immer, Nahrung kennt keine Uhrzeit, es sei völlig egal, wann man den Körper füttert. Essen flog uns, im Gegensatz zu früher, irgendwann wie gebratene Tauben direkt in den Mund, warum sollte man dabei auf einen Uhrzeiger schielen? Man ahnte schon ein bisschen, dass es nicht die natürlichste Art, sich zu ernähren ist, mitten in der Nacht in die Küche zu schleichen, den Kühlschrank zu inspizieren und mit seinem halben Inhalt wieder ins Bett zu kriechen. Auch wenn der Genuss mit stundenlanger Hin- und Herwälzerei bezahlt wurde, dass diese Plünderungen ernsthaft der Gesundheit schaden würden, war einem nicht bewusst. Ist doch nur Essen, was sollte daran schlecht sein?
Mittlerweile wissen wir: Nein, es ist nicht nur Essen, und es ist ganz und gar nicht egal, wann man den Körper füttert.
Acht Stunden vor Mitternacht sollte die Tür zur Kantine geschlossen sein. 16:00 Uhr. Mund zu, das war’s für den Tag.
Damit sind alle kreativen Auslegungen des Intervallfastens hinfällig. Man muss es schon richtig machen, sonst nützt es nichts. Mehr noch, es schadet.
Wobei ich dazusagen muss:
Man kann ruhig den ganzen Tag über nichts essen. Auch das ist Teil des intermittierenden Fastens. Aber man kann nicht den ganzen Tag nichts essen und dafür dann am Abend in Mengen hineinschaufeln. Die große Gemeinschaft der Frühstücksmuffel, die vor Mittag keinen Hunger haben, aber ab dem späten Nachmittag gerne durchgehend essen würden, hatten gehofft, dass Fasten gleich Fasten ist. Außerdem würde es den meisten Menschen gesellschaftlich mehr in den Tagesplan passen. Es ist natürlich zwischenmenschlich heiterer, abends mit Freunden zusammensitzen, essen, trinken und sich unterhalten zu können.
Tja, es tut mir sehr leid. Aber spät zu essen und auf das Frühstück zu verzichten, ist das Schlechteste, was man sich antun kann. Fragen Sie Ihren Insulinspiegel.
In der Früh schüttet der Körper Insulin aus. Er macht das nicht mutwillig, er ist chronobiologisch darauf eingestellt und wartet auf Kohlenhydrate. Kriegt er keine, verwirrt ihn das, und er reagiert mit einer Entzündung.
Genauer gesagt:
Die Verlängerung des nächtlichen Fastens durch das sogenannte Breakfast-Skipping erhöht das Entzündungspotenzial der peripheren Blutzellen. Das richtige Intervallfasten mit einem guten Frühstück wirkt als Schutz gegen das metabolische Syndrom. Was logisch ist, denn das metabolische Syndrom ist auch ein Entzündungssyndrom.
Irrtümlich glauben viele, dass mit der Insulinausschüttung automatisch Hunger verbunden sein muss, und sie morgens nichts essen müssten, wenn der Magen nicht lautstark auf sich aufmerksam macht und knurrt, weil er kurzgehalten wird. Das stimmt nicht immer. Bei einer Insulinresistenz ist der Insulinspiegel auch hoch, und man hat trotzdem nicht unbedingt einen Appetit.
Kohlenhydrate, die der Körper in der Früh serviert haben möchte, sollten übrigens einen niedrigen glykämischen Index haben, also langsam verbrennen. Der Index misst, wie Kohlenhydrate auf den Blutzuckerspiegel wirken. Je höher der Wert ist, desto mehr Zucker zirkuliert im Blut.
Die Lieblingsspeise des Körpers ist dabei Vollkorn. Das ist das beste Frühstück, wenn man den Organismus fragt. Es muss nicht viel sein, gerade nur ein paar Bissen, um das Insulin zu belohnen.
Hält man sich an die 16:8-Regel und die Sperrstunde um vier am Nachmittag, darf erst morgens gegessen werden.
Eine deutsche Studie, die sich mit dem Breakfast-Skipping und der Entzündungsreaktion des Körpers beschäftigt hat, brachte damit etwas zutage, was derzeit in der Diskussion rund um das Intervallfasten überhaupt nicht berücksichtigt wird. Wie wichtig es ist, zur richtigen Zeit zu essen.
Punkt eins, von insgesamt dreien, ist also: das Morgen-Insulin, das man nicht arbeitslos lassen sollte.
Punkt zwei: das Wachstumshormon. In der Nacht produziert der Körper der Chronobiologie folgend kein Insulin. Wird in dieser Zeit gegessen, zwingt man ihn, das Insulin aus der Reserve zu holen. Und nicht nur das. Zwischen Mitternacht und ein Uhr Früh wird das Wachstumshormon aus der Hypophyse freigesetzt. Allerdings nur dann, wenn der Glucosespiegel niedrig ist, was er nicht sein kann, wenn man um elf Uhr abends noch fleißig am Einschneiden ist. Damit verhindert man, dass das Wachstumshormon ausgeschüttet wird.
Der Idealzustand ist derselbe wie vor einer Operation: niedriger Glucosespiegel, kein Insulin, aber eine Hochproduktion des Wachstumshormons.
Das Wachstumshormon bloß in seiner wörtlichen Bedeutung zu verstehen, ist ein bisschen zu kurz gedacht. Es hilft nicht nur beim Wachsen, es ist auch für die Zellregeneration verantwortlich und damit ein körpereigener Jungbrunnen. In Amerika wird es als Anti-Aging-Wundermittel in teuren Kliniken zur Verjüngung eingesetzt. Oder zum Abnehmen. Alle zwei Tage eine Injektion, natürlich unter ärztlicher Aufsicht, und man hat vielleicht dreißig Kilo weniger.
Punkt drei: Cannabis. Der Mensch verfügt über ein endocannabinoides System, das körpereigenes Morphium produziert, wir tragen also eine eigene Quelle des Haschischwirkstoffs in uns. Ihm haben wir den Appetit zu verdanken, die Freude am Essen. Weil die Bildung dieser Cannabinoide mit dem Östrogenspiegel zusammenhängt, und sie daher nachts reduziert werden, hat man ab dem Abend weniger Lust zu essen. So hat es die Evolution vorbereitet.
So empfinden wir es allerdings heute oft nicht mehr. Und zwar deshalb, weil wir langfristig gegen den circadianen Rhythmus arbeiten, dem auch die Produktion dieser inneren Haschischwirkstoffe unterliegt. Isst man oft spät oder überhaupt mitten in der Nacht, induziert man die jetzt schlafenden Cannabinoide und ruft damit Geister wach, die man nicht wieder loswird. Körpereigenes Cannabis ist unersättlich, es macht nicht nur lange Zähne auf Pommes frites, Currywurst, Schokolade oder Chips, es möchte vor allem immer mehr und mehr davon. Man züchtet sich den Heißhunger selbst an und muss schließlich in der Nacht essen.
Unsere körpereigenen Cannabinoide sind vor allem verrückt nach Fettigem. Kennt man ihre Herkunft, weiß man, warum. Gebildet werden die Endocannabinoide nämlich nach besonders fettem Essen im Dünndarm. In einer Art Rückkoppelung können sie dann nicht genug davon kriegen und fördern die Lust auf noch mehr fettes Essen.
An sich ist diese Prozedur reines Tagwerk. Beginnt man gar nicht erst mit der nächtlichen Nascherei, ist nachts Ruhe. Sträubt man sich gegen die Chronobiologie und gewöhnt es sich an, in der Nacht den Kühlschrank zu plündern, kaut man ewig auf seiner eigenen Disziplinlosigkeit herum.
Dazu kommt, dass schon im Mund Geschmackssignale aktiviert werden, die dem Darm und dem Gehirn melden, dass jetzt die Freisetzung der Endocannabinoide angesagt ist. Hedonisten nennen das Vorfreude. Für die Wissenschaft sind diese Signale im Mund Auslöser eines bestimmten Ablaufs und damit interessante Ansatzpunkte.
Es gab einen Versuch, die Mundsignale zu blockieren und damit die Ausschüttung der Endocannabinoide herunterzuschrauben. Das Medikament, das den Rezeptor blockierte, hieß Acomplia, hatte aber so viele Nebenwirkungen, dass es nur zwei Jahre lang auf dem Markt war. 2008 wurde es eingezogen.
Da ist es sinnvoller, beim Schlaf anzusetzen. Einmal ganz abgesehen davon, dass man nicht isst, wenn man schläft, und Schlaf damit die natürlichste Methode gegen übermäßiges Essen ist. An der University of Chicago fand ein Forscherteam heraus, was Schlafmangel alles bewirkt.
Schläft man nicht, reißt man damit auch die Endocannabinoide aus der Nachtruhe. An sich ein sehr fürsorglicher Mechanismus: Schläft der Mensch nicht zu einer Zeit, in der er sich ausruhen sollte, dann vermutet der Körper, dass es sich bei dieser Extravaganz um Nachtarbeit handelt, um etwas Wichtiges, Dringendes, das aus einem unerfindlichen Grund nur jetzt getan werden kann. Der Körper reagiert sofort. Er glaubt, er muss sich bei Kräften halten und rüttelt die Cannabinoide auf, um für Appetit zu sorgen, damit der wache Mensch bei seiner wichtigen Arbeit in der Nacht nicht vom Fleisch fällt.
Fein, könnte man sich jetzt denken, dann gleiche ich das Schlafdefizit aus, indem ich bis Mittag im Bett bleibe. Tja, auch das ist ein Irrtum, und damit schließt sich der Kreis: Versäumten Nachtschlaf nachzuholen, geht nämlich ebenso wenig wie Breakfast-Skipping. Und es wird noch interessanter: Sogar die Fernsehabende machen dick.
Es funktioniert nach demselben Prinzip. Sitzt man vor dem Fernseher, dann sinkt der Melatonin-Spiegel. Das Schlafhormon, das bei Dunkelheit ausgeschüttet wird, damit man müde wird, lässt sich durch das blaue Licht des Fernsehers oder Computers täuschen. Es glaubt, dass noch Tag ist, und dämmert weiter vor sich hin. Bei Frauen wirkt der Melatonin-Killer blaues Licht über das Melatonin übrigens noch viel stärker. Geht man dann ins Bett, macht sich der niedrige Melatonin-Spiegel bemerkbar. Man kommt nicht zur Ruhe, kann nicht ordentlich schlafen, fabriziert ein Schlafdefizit, und schon steigen die Endocannabinoide an.
Man kann sich vorstellen, was passiert, wenn man lange arbeitet, sich dann noch einen Film anschaut und später den Kühlschrank plündert.
Intervallfasten ist also kein zeitloses Vergnügen. Will man etwas damit bewirken, kann man nicht einfach irgendwann draufloshungern. Es ist eine schwierigere Übung, als man annimmt. Und sie hat nur in gewissem Maße mit Magen, Darm und Bauch zu tun. Das eigentliche Hauptquartier des Hungers ist das Gehirn. Dort sitzt die Steuerungszentrale für das Abnehmen, die uns jede Art von Nicht-Essen so schwer macht. Denn von dort kommt das Dopamin. Jenes Glückshormon, das die Evolution dafür vorgesehen hat, uns verlässlich und ausgiebig dafür zu belohnen, dass wir dem Körper geben, was er braucht: Nahrung, um nicht zu verhungern.
Das Zeitalter des Dopamins
Die Last der Belohnung
Übergewicht ist nicht bloß das Problem einzelner Individuen. Übergewicht ist eine Epidemie. Es ist die neue Cholera.
Die gewichtige Feststellung stammt nicht von mir, sie ist aus dem Editorial des New England Journal of Medicine. Schaut man sich die Statistiken und die globale Verbreitung der überschüssigen Kilos an, erscheint der Vergleich nicht übertrieben. Was die Fettleibigkeit betrifft, liegen vor allem die USA und Saudi-Arabien im tiefroten Bereich.
Bei einem Kongress berichtete Professor Gerhard Prager, eine international gefragte Kapazität in Sachen Adipositas am Wiener AKH, von einem seiner schwersten Fälle, die längst keinen Seltenheitswert mehr haben. Prager ist Spezialist für Magen-Bypass-Operationen, die letzte Möglichkeit, extremer Fettleibigkeit beizukommen. Sein Patient kam aus Saudi-Arabien und musste mit einem Militärflugzeug eingeflogen werden. Anders hätten seine zweihundert Kilo nicht transportiert werden können. Der Mann war nicht mehr imstande zu gehen. Er musste liegend, samt Bett, ins Flugzeug geschoben, von dort von einem Spezialtransport zum AKH gefahren und, immer noch im selben Bett, ins Krankenzimmer gerollt werden. Auf diesem Bett musste der Professor ihn auch operieren, für einen OP-Tisch war der Patient zu fett.
Bislang waren die Amerikaner im Spitzenfeld der schwersten Menschen der Welt, jetzt hat Saudi-Arabien sie überholt. Der Abstand zu Österreich oder Deutschland wird stetig dünner. Menschen mit Übergewicht sind längst in der Mehrheit. In den vergangenen zehn, fünfzehn Jahren stieg die Zahl so verlässlich wie rapide an. Gerade dieser Tage wurde eine Statistik veröffentlicht, nach der siebzig Prozent der Volksschüler zu dick sind. 70 Prozent!
Die Frage ist also:
Warum ist man gerade in den reichsten Ländern dieser Erde gewichtsmäßig so arm dran?
Meine Antwort darauf lautet:
Weil wir in einem dopaminergen Zeitalter leben.
Was immer wir tun, das im weitesten Sinn dem Überleben und der Erhaltung der Art dienen kann, es wird auf jeden Fall einmal Dopamin ausgeschüttet. Sex, Essen, Trinken und was sonst noch dazu beiträgt, die Menschheit nicht aussterben zu lassen, alles wird mit dem Glückshormon belohnt, damit wir ja nicht auf die Idee kommen, damit aufzuhören. Das hat sich die Evolution genial ausgedacht.
Allerdings hat sie nicht damit gerechnet, dass wir jemals in so einem Überfluss leben würden wie heute. Sonst hätte die Natur dem Dopamin beigebracht, wann genug auch einmal genug ist. Diese Grenze kennt das Glückshormon nicht, und es wird sie auch nie erreichen. Es will mehr. Immer mehr. Mehr. Und mehr.
Wir haben nicht bloß arterhaltenden Sex, wir treiben es, wie es uns gefällt. Wir essen nicht mehr nur, was der Körper braucht, wir stopfen alles in uns hinein, ob es uns guttut oder nicht. Wir trinken nicht, wir saufen. Wir wollen uns nicht mehr nur wohlfühlen, wir wollen rund um die Uhr Spaß haben. Und weil sich das Dopamin nie zufriedengibt, mit dem, was es bekommt, sind wir auf der ständigen Suche nach den nächsten Kicks nicht mehr aufzuhalten. Wir sind süchtig. Nach allem. Besitz, Gefühl, Genuss. Das ist es, was die Welt belastet. Wir tragen das Zuviel am eigenen Leib mit uns herum und wollen trotzdem noch mehr.
Mit diesem Suchtverhalten erleben wir derzeit ein hedonistisches Zwischenspiel. Und das kann möglicherweise vorbei sein, bevor das Jahrhundert endet.
Nicht, weil wir es vielleicht nicht überleben würden, das auch. Vor allem aber, weil es sich nicht rechnet. Wir haben einen Wohlstand in Mitteleuropa, der jeden, unabhängig davon, was er arbeitet und wie viel er verdient, reich macht, und das ist der Sozialstaat. Das Sozialsystem ist der Reichtum im alten Europa. Und das ist nicht ewig haltbar. Wenn wir hier nicht umschichten, frisst sich das System selbst auf.
Das Zeitalter des Dopamins belohnt sich zu Tode. Das ständige Mehr ist ein übersattes Zuviel. Wir haben uns bereits in den drei zivilisationsdynamischen Leitsätzen des deutschen Philosophen Peter Sloterdijk verheddert.
Erstens. Es werden in den Menschenkörpern der wohlhabenden Hemisphären ständig mehr Fettreserven aufgebaut, als durch Bewegungsprogramme und Diäten abzubauen sind.
Zweitens. Es werden weltweit mehr Abfälle aus Konsum und gesellschaftlichen Lebensformen generiert, als sich in absehbarer Zeit in Recyclingprozessen resorbieren lassen.
Drittens. Es werden im Gang der Liberalisierung mehr Hemmungen fallen gelassen, als durch Hinweise auf frühere Zurückhaltung und Fairnessregeln domestiziert werden können.
Deshalb greife ich auf einen neuen Begriff zurück. Ein Stichwort, das ich für die einzig wirksame Waffe halte, mit der wir den Kampf gegen das Monstrum des Immer-noch-mehr-Wollens, der letztlich der Kampf gegen uns selbst ist, gewinnen können.
Ich propagiere das Dopamin-Fasten.
Wir sollten dem Dopamin die Flügel stutzen, die es uns so gern zu verleihen vorgibt. Wir sollten uns zusammennehmen. Wir sollten uns einschränken. Wir sollten endlich genug davon haben, nicht genug bekommen zu können.
Der Verzicht auf das, was wir unbedingt haben wollen, ist nur die halbe Sache. Die andere Hälfte ist die schwierigere: der Verzicht auf die Belohnung.
Insbesondere im Hinblick auf das Abnehmen wird es ohne Dopamin-Fasten nicht gehen. Das Überleben und die Reproduktion, die beiden heiligen Aufgaben der Natur, sind von der Nahrung abhängig und stark mit dem Belohnungshormon gekoppelt. Wie stark, sehen wir an den größten Verführern, die wir auf Schritt und Tritt im Alltag auf den Fersen und damit auf den Hüften haben: Salz, Zucker, Kohlenhydrate.
Sie sind Appetitverstärker und spielen in unserer Überflussgesellschaft teuflisch zusammen: Sie machen uns noch mehr Lust auf das, worauf wir ohnehin schon zu viel Appetit haben.
Dopamin-Fasten
Die Evolution hat das Dopamin erfunden, um Verhaltensweisen wie Essen, die der Erhaltung unserer Art dienen, mit Glücksgefühlen zu belohnen. Sie hat sich das ganz wunderbar ausgedacht, doch seit wir Menschen nicht mehr durch die Urwälder streifen und hoffen müssen, gemeinsam ein Tier zu erlegen oder Beeren, Nüsse oder Pilze zu finden, gibt es da ein Problem.
Ich habe das vergangene Weihnachten an mir selbst beobachtet. Ich esse so gut wie nie Süßigkeiten, doch eine Patientin schenkte mir Bonbons, und als ich nach den Feiertagen in die Ordination kam, nahm ich mir ausnahmsweise eins. Am nächsten Tag wollte ich wieder eins haben. Ein Bedürfnis, das ich so nicht kannte, und das zeigt, wie rasch unser Dopamin-Kreislauf neue Möglichkeiten, besser auf Touren zu kommen, nutzt.
Dieser Kreislauf kann dabei eine fatale Dynamik entwickeln. Denn je mehr Dopamin unser Gehirn ausschüttet, desto größer wird unser Bedürfnis danach. Dopamin regt also unser Verlangen nach noch mehr Dopamin an. Irgendwann drehen wir uns in einer Belohnungsspirale, die verschiedene Industriezweige konsequent nutzen: Die Lebensmittelindustrie, die Unterhaltungsindustrie, die Alkohol- und die Tabakindustrie, die Glücksspiel- oder die Sexindustrie. Wir sind stärker als jede Generation vor uns mit Dopamin überschwemmt und wir werden dabei leicht zu Dopamin-Sklaven, gesteuert von einem ursprünglich überlebenswichtigen evolutionären Mechanismus, den unsere Überflussgesellschaft pervertiert hat.
Dopamin-Fasten bedeutet, unsere körpereigene Produktion von Dopamin für eine bestimmte Zeit zu drosseln. Warum sollten wir das tun? Weil das eine Art Entgiftungs-Kur für unser Gehirn ist. Dopamin-Fasten reinigt unser Gehirn, lässt es zur Ruhe kommen, entspannt es, und macht es so bereit für neue Aufgaben. Ohne solche Pausen hängen wir in der Dopamin-Spirale nicht nur fest, sie dreht sich auch immer schneller und wir brauchen immer mehr Dopamin-Kicks, woher immer wir sie auch beziehen.
Wobei der Begriff Dopamin-Fasten die Sache eigentlich nur ungenau beschreibt. Denn schließlich nehmen wir Dopamin nicht zu uns und können daher auch nicht im eigentlichen Sinn darauf verzichten. Wir können nur die Reize reduzieren, die es in unserem Körper ausschüttet. Es geht beim Dopamin-Fasten also vor allem darum, entweder für eine bestimmte Anzahl von Tagen in der Woche oder für eine bestimmte Anzahl von Stunden pro Tag Verhaltensweisen beziehungsweise Konsumgewohnheiten einzustellen, die wir für uns als problematisch erkannt haben.
Es geht dabei nicht nur um Essen, sondern um alle Dopaminquellen, insbesondere um jene, denen wir besonders willenlos ausgeliefert sind und die uns am ehesten unserer Selbstkontrolle berauben. Das kann neben Essen etwa auch Sex sein, Alkohol, Spielen, Chatten, Einkaufen … also alles, das uns am Ende auch süchtig machen kann. Auf diese Dinge zu verzichten, ist schwer, keine Frage.
Mir fällt dazu eine Geschichte ein, die die Suchtmediziner am Wiener Anton-Proksch-Institut ihren Patienten erzählen. Sie behandeln an dieser größten europäischen Suchtklinik neben Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit auch sogenannte nicht stoffgebundene Abhängigkeiten wie Spielsucht, Chatsucht, Internetsucht oder Kaufsucht. Die Geschichte, die ich meine, handelt von Odysseus und den Sirenen.
Sirenen sind in der griechischen Mythologie Vögel mit Frauenköpfen, die mit ihrem bezaubernden Gesang vorübersegelnde Seeleute auf die Insel lockten, um sie dort zu töten. Odysseus kannte diese Gefahr. Als er sich mit seinem Schiff der Insel näherte, verstopfte sich deshalb seine Mannschaft die Ohren mit Wachs, während er selbst sich an einen Mast binden ließ.
Als er die wunderschönen Stimmen der Sirenen hörte, wurde er fast verrückt vor Sehnsucht und befahl seinen Leuten, ihn loszubinden. Die konnten ihn wegen ihrer verstopften Ohren aber zum Glück nicht hören, weshalb Odysseus unbeschadet an den Sirenen vorübersegelte, während ihr Gesang in der Ferne verklang. Er selbst und seine Männer waren gerettet.
Dopamin-Fasten heißt, sich selbst an den Mast zu binden und zu akzeptieren, dass einige Tage der ungestillten Begierden, des Unwohlseins und der Leere vor einem liegen, aber auch zu vertrauen, dass dieser Druck mit der Zeit nachlässt.
In Europa ist der Begriff Dopamin-Fasten noch neu, doch in den USA hat er sich bereits im Bewusstsein bestimmter Kreise etabliert. Vor allem die Macher des Silicon Valley, die alles geben, um die Welt in ihrem digitalen Sinne voranzutreiben und für die Selbstoptimierung deshalb eine besonders hohe Bedeutung hat, schwören darauf. Sie betreiben das Dopamin-Fasten bis hin zum völligen Reizentzug.
»In Onlineforen oder auf YouTube-Videos ist Dopamin-Fasten schon seit Monaten ein Thema, doch erst seit ein paar Wochen macht der Begriff die Runde durch amerikanische Medien als neue Entdeckung ehrgeiziger Start-up-Gründer und Tech-Unternehmer auf Selbstoptimierungsmission«, berichtete die Tageszeitung Die Welt im November 2019. Mit anderen Worten: Die technischen und wirtschaftlichen Vordenker unserer Zivilisation haben bereits erkannt, wie sehr sie davon profitieren, wenn sie ihre ständige Dopamin-Jagd beenden.
Die Welt-Redakteurin Silvia Ihring in ihrem Artikel weiter: »Das Problem, das die Idee von Dopamin-Fasten so populär macht: Im modernen Alltag läuft die Dopaminmaschine quasi auf Hochtouren. Man scrollt sich minutenlang durch Instagram, wird von E-Mail- und Newsalerts abgelenkt, snackt sich durch die Langweile und ballert den Kopf mit Musik, Podcasts oder Serien zu. Leere Minuten gibt es kaum noch und der Mensch verliert sich in der Dopaminjagd, gewöhnt sich ungesunde Verhaltensweisen an, stets in Erwartung des nächsten Kicks…«
Die positiven Folgen des Dopamin-Fastens beschreibt etwa Cameron Sepah, Psychologieprofessor an der Universität von San Francisco in seiner Anleitung dafür. »Indem wir Gewohnheiten einstellen, die für eine extrem hohe und vor allem wiederholte Dopaminausschüttung verantwortlich sind, ermöglichen wir es unserem Gehirn, dass es sich erholt und saniert«, schreibt er darin.
Die New York Times berichtete über drei Start-up-Gründer, die während des Dopamin-Fastens ihre Wohnung nur für kurze Spaziergänge verlassen, hungern und sich anschweigen. Einer von ihnen soll sogar einer alten Bekannten, die er auf der Straße traf, aus dem Weg gegangen sein, um die Dopamin-Ausschüttung durch die positive Aufregung zu vermeiden.
Die New York Times schrieb eher amüsiert über dieses Phänomen, doch so lächerlich ist es nicht. Denn den mönchischen Aspekt konsequenter Zurückhaltung bei irdischen Verführungen bewusst in unser Leben zu integrieren, wäre nicht nur Detox für unser Gehirn, Sauerstoff für unsere Seele und eine hervorragende Demenz-Prophylaxe. Es würde auch unsere Perspektive auf uns selbst und das Leben regelmäßig zurechtrücken.
Doch eins der großen Probleme unserer traumhaften Welt ist es nun einmal, dass sie so verführerisch ist. Wo und wie also mit dem Dopamin-Fasten anfangen? Überlegen Sie sich, wo Sie die Dopamin-Spirale am ehesten packt. Was sind Ihre Sirenen? Essen? Spielen? Sex? Einkaufen? Surfen? Chatten? Binden Sie sich an den Mast Ihres Schiffes und verzichten Sie bewusst darauf. Verzichten Sie gleichzeitig auf die Verführungen, bei denen es Ihnen leichter fällt. Wenn Sie besonders konsequent sein wollen, verzichten Sie auf alle äußeren Reize. Legen Sie einen bestimmten Zeitraum dafür fest. Eine bestimmte Zeit im Jahr, einen bestimmten Tag in der Woche oder bestimmte Stunden am Tag.
Das Wort Selbstoptimierung mag in einer narzisstischen Gesellschaft einen unangenehmen Beigeschmack bekommen haben, aber lassen Sie sich davon nicht beirren. Sie werden sehen, es wirkt. Es wird Sie bewusster, sicherer und klarer im Denken machen. Es wird Sie stärker machen.
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