Kitabı oku: «Erotikstories mit Kerstin», sayfa 2
wäre Platz gewesen, aber ich war auf sowas schlecht bis gar nicht
vorbereitet. Kumpels hier übernachten zu lassen war noch nie ein
Problem. Die waren robust und rustikal. Aber Brit? Auf einen Versuch
musste ich es trotzdem ankommen lassen. "Ich hab zwar ein Gästezimmer,
aber das ist recht spartanisch. Und ein extra Bad kann ich dir auch
nicht anbieten. Ich kann dir das Telefonbuch geben. Dann kannst du ja
mal in der Umgebung die Hotels anrufen", bot ich alternativ an.
"Hab ich ja schon", heulte sie und schniefte, "aber die verlangen
Preise, die ich nicht bezahlen kann. Über hundert Euro die Nacht wollen
die haben; und das ist nicht drin."
Irgendwie hatte ich Mitleid. "Was nun?", aber die Antwort auf diese
Frage überließ ich ihr besser.
"Am besten, ich fahre einfach nach Hause. Soll Alena doch sehen, wie sie
ohne Wagen zurechtkommt", reagierte sie bockig und schnäuzte sich.
"Mal halblang", bremste ich sie, "in dem Zustand sollte man nicht mehr
so weit fahren. Wie gesagt, ich hab nicht viel anzubieten. Das hier ist
ein Junggesellenhaushalt. Meine Haushaltshilfe kommt einmal in der
Woche. Ich hab dafür keine Zeit und auch keine Hand."
"Besser, als im Auto zu schlafen", lächelte sie und ein kleiner
Hoffnungsschimmer leuchtete in ihren Augen.
"Na gut. Dann komm mit rauf. Guck es dir aber erst an, bevor wir alles
hochtragen", sagte ich sehr bestimmt und ging vor. "Mein Tag beginnt
auch schon früh. Um fünf Uhr", ließ ich sie ebenfalls gleich wissen.
"Gegen sieben beginnt die Werkstatt - und auch die Schmiede."
"Kein Problem", kam es eher nur leise, doch ich konnte in ihrem Ausdruck
lesen, dass es doch eines war. Sie indes wollte nur raus aus dem Zoff.
Und das auch unter solchen Umständen.
"Ich wollte es nur gesagt haben", betonte ich trotzdem noch einmal.
Nach kurzer Begutachtung schleppten wir ihre Habseligkeiten in das
Zimmer und gingen nochmals in die Küche. Dort erklärte ich ihr, dass
sie sich um mich nicht kümmern müsste. Ich würde mich auch nicht um sie
sorgen können. Kurz zeigte ich ihr, wo sie was finden konnte, wenn sie
morgen frühstücken wollte, und dass sie dann alles in die Spülmaschine
einzuräumen hatte. Und plötzlich schoss mir eine Idee durch den Kopf.
"Eigentlich kommst ja wie gerufen", und legte ihr meine Misere mit
Renate und Lea in kurzen Sätzen dar. "Wenn du mir da ein wenig
Unterstützung leisten kannst, wäre das ausgesprochen großzügig."
Ihre Miene erhellte sich schlagartig. "Natürlich!", kam es, ohne einen
Moment zu zögern. "Wann öffnet ihr denn?", wollte sie auch sofort
wissen.
"Um neun; und dann bis halb eins. Dann nochmals von zwei bis sechs."
"Das mach ich", sie wirkte wie ausgewechselt.
Es war fast zehn. Ich musste ins Bett. "Wenn du noch fernsehen willst,
dann ..."
"Danke, nein. Ich hab ein Buch dabei. Außerdem bin ich müde, wenn ich
ehrlich bin."
Das brauchte sie nicht betonen. Sie sah nicht nur das aus, sondern
richtiggehend fertig. Ich war auch schlafbedürftig. Als ich im Bett
lag, kamen mir mit einem Male die aberwitzigsten Gedanken. Völliger
Blödsinn und total abwegig. Obwohl nun eine junge Frau im Haus war,
schlief ich trotzdem ein. Lea hatte ja auch schon ein paar Male hier
geschlafen, wenn es nach der Inventur oder einer spontanen Sommerparty
spät geworden war. Daher war mir das nicht ganz so fremd. Nur lag ein
paar Wände weiter eben nicht Lea.
Als um kurz nach fünf der Wecker mich aus dem Schlaf holte, rauschte im
Bad das Wasser. Also schlurfte ich nach unten, um Kaffee anzusetzen und
auf Klo zu gehen. Bei meinem Weg durch die Küche haute es mich fast aus
den Latschen. Der Tisch war gedeckt, ein Frühstücksei sogar, und Duft
von frisch aufgebrühtem Kaffee zog mir in die Nase. Ich wollte es erst
nicht glauben; und doch sah ich es mit eigenen Augen. "Die hat nen
Knall", dachte ich gerade so, als sie fix und fertig angezogen in die
Küche kam. Ihr "Guten Morgen", lächelte sie mir in einer Frische
entgegen, dass es mir um mein Morgenmuffeldasein erstmals im Leben
peinlich war. "Morgen", versuchte ich einigermaßen entspannt und
ausgeschlafen zu sagen, aber es blieb nur ein Versuch.
"Na, ist wohl doch zu früh für dich", lachte sie ein wenig keck. "Das
Bad ist frei", nickte sie in Richtung der Tür.
"Mhm", murrte ich immer noch müde und schlurfte wieder zurück. An meinem
morgendlichen Rhythmus konnte auch Brit nichts ändern und ich saß um
meine Uhrzeit am Tisch. "Warum bist du so früh hoch?", musste ich dann
aber doch fragen.
"Warum nicht?", und sie wirkt ein wenig verlegen. "Vielleicht, um ...
ach, weiß auch nicht." Plötzlich schoss ihr die Röte ins Gesicht.
Ich dachte mir einfach meinen Teil und sortierte meine Gedanken für den
Tag. "Was willst du machen, bis der Laden aufmacht?", interessierte es
mich, nun schon wacher.
"Bügeln?", zuckte sie mit den Schultern und sah mich fragend an. "Genug
Wannen stehen ja im Flur oben rum", stellte sie treffsicher fest. Wie
selbstverständlich goss sie mir Kaffee in den Becher.
Das ging meiner Meinung nach doch etwas zu weit. "Willst du hier die
Hausfrau spielen?"
Meine Frage war wohl etwas zu vorwurfsvoll gestellt, denn mit weit
aufgerissenen Augen starrte sie mich mit einem Male verängstigt an.
"Nein!", kam es so bange, als hätte ich sie bedroht.
Besänftigend strich ich ihr kurz über den Handrücken. "Entschuldige. Das
war nicht so gemeint. Lass uns frühstücken", versuchte ich die
Situation zu entspannen.
Während wir aßen, hingen wir unseren Gedanken nach. Es war schon ein
komisches Gefühl, morgens nicht allein am Tisch zu sitzen.
Es war auch lange her, dass Renate und ich gemeinsam um diese Uhrzeit
hier saßen. Ich versuchte mich zu erinnern; das musste bestimmt fünf
Jahre her sein. Die Große war nun vier und die Kleine zweieinhalb. Süße
Mädels.
Ich schielte auch ab und zu zu Brit rüber. Sie schien ebenfalls weiter
weg zu sein. Versonnen starrte sie schon eine Zeit lang die Wurst an.
Eine ausgesprochen hübsche, nein, bezaubernde junge Dame. Die Haare zu
einem flüchtigen Wirbel hochgesteckt, ein paar Strähnchen hingen in
kleinen Spiralen an den Schläfen herab. Milde Züge und wache braune
Augen, an denen ich mich nicht sattsehen konnte. Ihre feinsinnige und
liebevolle Art konnte ich in ihrem Gesicht ablesen. Zierliche
Augenbrauen, fast weißblond ausgeblichen. Eine schmale, ein wenig spitz
zulaufende Nase, zartrosa weich geschwungene Lippen. Wenn sie lächelte
oder lachte, zierten ihre Wangen kleine Grübchen. Ihr schlanker Hals
ließ das Muskelspiel erkennen. Schmale Schultern, die bei mir eine Art
Beschützerinstinkt auslösten. Feingliedrige Finger, denen ich zutraute,
dass sie sehr zärtlich sein konnten. So wie ich es ihr überhaupt
zutraute, fürsorglich und anschmiegsam zu sein. Ich schreckte aus
meinen eigenen Fantasien hoch.
"Was ist?" Brit zuckte auch kurz zusammen und wirkte irritiert.
Ich fühlte mich, als sei ich in eine Falle geraten. Ich konnte ihr ja
wohl unmöglich meine Gedanken preisgeben. "Ach, nix besonderes",
versuchte ich noch halb abwesend zu sagen.
Doch die weibliche Intuition war selbst um diese Uhrzeit anscheinend
schon auf und vor allem - hellwach. "Sicher?", traf es mich mit einem
Augenaufschlag, der mich verunsicherte.
Ich ging nicht weiter darauf ein, weil ich um diese Zeit keine Lust
hatte, ihr Rede und Antwort zu stehen. Sie war mein Gast und ich hier
zu Hause. Redete ich mir zumindest ein.
"Ich hab's trotzdem gesehen", sagte sie nach einer ganzen Weile
halblaut.
"Wie? Was?", holte sie mich zurück. Meine Gedanken waren in den
vergangenen Minuten tatsächlich beim Tagesablauf gewesen. Jetzt wusste
ich im ersten Moment gar nicht, was sie wollte.
"Ich hab's gesehen", wiederholte sie nur.
"Was?", ich war mir keiner Schuld bewusst.
"Na ja, deine Blicke", und ihre Wangen bekamen wieder diese niedliche
rosa Färbung.
Ich schluckte. "Frauen!", schoss es mir durch den Kopf und fühlte mich
das zweite Mal an diesem Morgen nicht sonderlich wohl in meiner Haut.
Entweder war ich total aus der Übung oder ein Vollidiot. Wohl eher ein
Trottel. Außer "Schlimm?" fiel mir auch nichts Passendes ein.
Sie lächelte. Sie lächelte mich einfach an, legte mir ihre Hand kurz auf
meinen Handrücken und schüttelte nur ganz sachte den Kopf und ließ mich
wieder los. Was hätte ich in dem Moment gegeben, ihre Hand noch eine
kleine Weile länger spüren zu dürfen.
Irgendwie schämte ich mich ein wenig, sie heimlich betrachtet zu haben.
Andererseits genoss ich ihre Anwesenheit und natürliche Schönheit. Ich
mochte sie einfach gern anschauen. Warum also nur verstohlen? Warum
nicht einfach so? Ich tat es einfach. Was war schon dabei? Sie
beantwortete meinen Blick. So wie ich die ihren, erforschte sie meine
Augen. Bildete ich es mir etwa nur ein? Doch dann legte sie wieder ihre
Hand zurück auf meine. Diesmal ganz weich. Sie strich mir sanft über
meine raue Haut. Es war keine Fantasie, wir näherten uns an und dann
waren wir dicht voreinander. Ein letzter fragender Blick von uns räumte
letzte Zweifel für diesen Moment aus. Sie schloss die Augen. Nur eben
berührten sich unsere Lippen. Ich war wie elektrisiert. Und doch
schenkte sie mir einen zarten Augenblick.
Wieder sahen uns wieder an. Diesmal anders. Ihre braunen Seelenfenster
glänzten im Schein der Lampe.
Ein lautes Krachen beendete abrupt unseren Hauch einer Zärtlichkeit.
"Die Werkstatttür", sagte ich leise, "mein Altgeselle. Kurt Friedrichs.
Nicht erschrecken, wenn er gleich reingepoltert kommt", konnte ich noch
erklären, als die Tür aufging und sein bassiges "Moin" wie eine hohle
Bowlingkugel durch den Raum rollte. "Moin", antwortete ich, doch Kurt
blieb wie angewurzelt in der Tür stehen. Er starrte Brit an, als würde
E.T. persönlich bei mir am Tisch sitzen.
Mit heftigem Kopfschütteln glotzte er mich blöd an und blubberte: "Ich
komm noch mal rein", weg war er; aber nur kurz, um nochmals die Tür
ganz vorsichtig aufzumachen und um die Ecke zu schielen. "Moin",
flüsterte er jetzt nur noch.
"Blöder Clown, du", lachte ich ihn an. "Brit, der ist so. Mach dir
nichts draus. Wenn der erst mal seine zehn Kilo in der Hand hat, kann
man mit ihm auch reden", grinste ich dreist in seine Richtung.
"Sach an", und er sah uns wechselnd irgendwie irritiert aber auch ebenso
amüsiert an. "Du? Um die Uhrzeit? Mit ner Frau? Mit ner hübschen Deern
sogar?", zog er die Worte in seiner besten Hamburger Manier durch die
Küche.
"Kurt, halt die Klappe", ordnete ich mit leicht gelangweilter
Oberlehrerhaftigkeit an. "Hol dir nen Kaffee und setz dich hin. Mach
das, was du jeden Morgen machst. Hier sitzen, Kaffee trinken und mir
komprimiert den Inhalt der Bildzeitung erzählen. Mach alles so, wie
jeden Morgen. Geht das wohl?"
Er grinste wie ein Honigkuchenpferd. "Kloor. Dat lett sik maken."
Es dauerte nicht lange und meine Mannschaft war versammelt. Kurt setzte
noch die obligatorische Kanne Kaffee auf und alle warteten gespannt,
dass ich nun was von mir gab. "Darf ich vorstellen? Sie ist Brit.
Renate ist krank und fällt bis wenigstens kommenden Samstag aus. Lea
hat Urlaub und ist seit zwei Tagen bereits auf Korsika. Also hab ich
sie gestern in einer Art Eileinstellung engagiert." Ich konnte sehen,
wie ihr Tonnen Steine vom Herzen fielen. "Brit ist Glasmalerin, kommt
aus Osnabrück und macht hier eigentlich Urlaub", fügte ich nur der
Wahrheit wegen an.
Allein die Tatsache, dass sie so halb vom Fach war, ließ die Gesichter
sofort wesentlich entspannter aussehen. Meine Mannschaft stellte sich
selbst vor und ich räumte währenddessen den Tisch ab. "So! Mädels,
Jungs, ich bezahl euch nicht fürs Quatschen. Und ab", wie jeden Morgen
scheuchte ich sie aus der Küche, wenn ich meine Tagesplanung an diesem
Tisch komplettierte. Nur Brit bekam ich da nicht unter. Sie konnte
eigentlich noch bis wenigstens Viertel vor neun ausruhen oder lesen.
Ich musste um acht los zur Bank und Wechselgeld holen. Noch hatte ich
über eine Stunde Zeit, meinen Bürokram zu machen.
"Danke", sagte sie leise, stand auf und gab mir einfach so ein Küsschen
auf die Wange. Auf meine Nachfrage, was sie jetzt machen wollte,
lächelte sie einfach entwaffnend und sagte: "Bügeln."
Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. "Dann mach, wenn es deine
Erfüllung ist."
Der Tag flog buchstäblich dahin.
Einmal nur musste ich mit in den Verkaufsraum und ihr bei einer Beratung
zur Seite stehen. Die restliche Zeit hatte sie alles allein
bewerkstelligt. Selbst als ich zum Mittag in die Küche kam, hatte sie
irgendwie und irgendwann Essen gekocht. Aber nicht nur für zwei
Personen. Die ganze Belegschaft wurde kurzerhand abgefüttert. Ich kam
aus dem Staunen nicht mehr heraus. Selbst der Tagesabschluss der Kasse
lag vorbereitet auf dem Tresen.
Abends saßen wir recht abgekämpft im Wohnzimmer. "Na?", fragte ich,
"schaffst du das wohl die eine Woche?"
"Warum nicht? Das ist zwar was ganz anderes, aber es macht mir wirklich
viel Spaß." Ihre Antwort kam sehr ehrlich bei mir an.
"Warum meldet sich deine Schwester eigentlich nicht", das hatte ich
schon den ganzen Nachmittag vor, sie zu fragen.
Als hätte ich bei ihr einen Schalter umgelegt, verlor ihr Gesicht
jegliche Freude. "Sie hat mich auf dem Handy angerufen. Und sie ist
stinksauer, weil ich den Wagen habe. Aber das Geld konnte sie mir nicht
überweisen, weil sie ihre Unterlagen fürs Onlinebanking natürlich nicht
dabei hat. Wie es weitergeht, weiß ich auch noch nicht." Sie sah nicht
nur besorgt aus. "Ich hab irgendwie Angst vor ihr." Und bei diesem Satz
konnte ich es auch sehen.
"Brit, ihr seid immerhin Schwestern. Da gibt es auch in dem Alter
manchmal Streit", versuchte ich einigermaßen besonnen zu sagen. "Meine
Schwester und ich sind auch nicht immer einer Meinung. Das ist normal."
"Ja, das sagst du. Aber wir wohnen auch zu Hause in einer WG zusammen.
Und sie hat mir Sachen an den Kopf geworfen ... ich weiß nicht, wie ...
", und wieder rollte eine erste Träne.
"Gibst du mir mal bitte dein Telefon?", bat ich ruhig. Auch wenn mich
das im Normalfall nichts anging, hier wollte ich versuchen, als eine
Art Mentor einzuschreiten. Wortlos reichte sie mir das Handy. Aus der
Anruferliste fischte ich mir den Namen raus und rief an.
"Na du blöde Schnepfe. Komm gefälligst wieder her", keifte es mir aus
dem Apparat entgegen.
"Guten Abend", sagte ich betont ruhig und entspannt. Wie erwartet, blieb
es still auf der anderen Seite. "Ich denke, wir sollten uns mal in Ruhe
unterhalten", redete ich in meiner gewählten Art weiter, "denn so ist
das keine Basis."
Alena hatte sich wohl von diesem kleinen Schock erholt, denn sie giftete
sofort los: "Die kann mich hier aber nicht einfach sitzen lassen. Die
hat gefälligst ..."
"Gar nichts hat sie gefälligst", schnitt ich ihr das Wort ab. "Denn so,
wie du redest, ist es eher Gossensprache. Bitte sage mir aus deiner
Sicht, was zwischen euch vorgefallen ist. Deine Schwester ist dabei
völlig egal. Ich will deine Meinung. Die aber sachlich. Bitte",
forderte ich sie mit Bestimmtheit auf.
Was sie mir dann erzählte war im Prinzip nichts Neues. Nur eben aus der
anderen Perspektive. Die ganze Vorgeschichte mit dem Freund erfuhr ich
auch am Rande. Zwar gingen da die Ansichten auseinander, aber ich
konnte mir mein Bild machen. Als Alena mit ihren teilweise trotzdem
beleidigenden Äußerungen und Erklärungen am Ende war, wollte ich
wissen: "Wem von euch gehört denn der Wagen?"
"Ihr. Ich hab kein Auto. Ich brauch auch keins. Ich hab noch nicht mal
einen Führerschein. Trotzdem ist das unfair", zickte sie immer noch.
"In gewisser Weise ist das von Brit unfair, ja. Aber sie ist dir aus dem
Weg gegangen. Bezeichnend war für mich auch schon, wie du dich am
Telefon gemeldet hast. Klar, du bist sauer. Aber du kannst nicht
einfach über die Menschen bestimmen wollen, wie es dir in den Kram
passt. Weder über deine Schwester und schon gar nicht über mich. Für
deine Schwester ist der Urlaub eh gelaufen. Du hast die Wohnung
wahrscheinlich für den Rest der Zeit sowieso für dich. Da ich weiß, wo
die Wohnung liegt, kann ich dir sagen, dass dort alle 20 Minuten ein
Bus fährt. Zwar nicht bis spät in die Nacht, aber du kannst fast
überall hinkommen. Von meiner Werkstatt und dem Laden hältst du dich
besser fern. Ihr solltet euch beide erst mal runterkühlen. Und komm
nicht auf die Idee, irgendwelchen Blödsinn anzustellen. Du bist
erwachsen, also verhalte dich auch so. In den nächsten Tagen melde ich
mich wieder. Solange ist Brits Telefon aus. Gute Nacht," beendete ich
das Telefonat, ohne auch nur noch eine Silbe von ihr hören zu wollen.
Wie angekündigt, schaltete ich das Handy aus. "Hier. Die wird
hoffentlich in sich gehen", reichte ich es ihr zurück.
"Ich glaube nicht", schniefte sie leise. "Die bringt es fertig und fährt
mit der Bahn nach Hause und schmeißt alle meine Sachen weg." Wie ein
Häufchen Elend hockte sie da.
"Na komm! Nun geht deine Fantasie aber wirklich mit dir durch."
"Nee, ganz bestimmt nicht!", und bei diesem Satz bekam sie einen kalten
Blick, der nichts Gutes erahnen ließ. "Vor Wut hat sie schon mal mein
Notebook genommen und es auf den Boden krachen lassen. Nur, weil sie
ihren Willen nicht gekriegt hat. Ich hatte noch nicht mal was damit zu
tun."
"Scheiße", rutschte es mir raus und ich begann, meine Gedanken neu zu
sortieren. "Warte eben", und holte mein Telefon aus dem Büro. "Bist du
sicher, dass sie das fertigbringt? Ganz sicher?"
Die Angst stand nicht nur in ihren Augen, als sie zaghaft nickte.
"Und es kann nicht sein, dass ..."
"Die überfällt die blinde Raserei", heulte sie plötzlich los. "Ich
fürchte mich vor ihr, Stefan. Ich hab echt Angst."
Noch war ich einigermaßen wach, und mit ein paar Tassen Kaffee würde das
auch noch besser werden. Nachdenklich knetete ich mein Kinn und meinte:
"Ich lege dir jetzt einfach mal meine Überlegungen aus. Ich glaube dir.
Aber wir wissen nicht ob, und wenn, wann es außer Kontrolle gerät. Es
gibt derzeit wenig Möglichkeiten, dein Hab und Gut zuretten. Außer, ich
organisiere jetzt ein paar Sachen und wir fahren in einer Stunde mit
dem Firmensprinter los. Dann könnten wir mitten in der Nacht in
Osnabrück sein. Wir könnten ein paar Stunden schlafen und dann deine
Sachen aus der Wohnung schaffen. Was hast du überhaupt?", fiel mir zum
Glück noch ein.
"Mein Zimmer. Bett, Schrank. Eben, was in einem Zimmer so drin ist. Der
Rest gehört Alena. Ich hab ein Zimmer, sie zwei. Bad und Küche ist
nicht viel. Aber wo willst du damit hin?"
"Tja, das ist eben das Problem", stöhnte ich weiter grübelnd und schlug
das vor, was mir so spontan in den Sinn kam: "Nachbarn? Deine Eltern?
Oder ..."
"Vergiss die Nachbarn", schluchzte sie verzweifelt, "und unsere Eltern
wohnen in Passau."
"Was ist denn wirklich wichtig von dem, was du hast." Jetzt wollte ich
es genau wissen.
"Meine Anziehsachen, Notebook und Drucker. Bettzeug. Um die Matratze
wäre es schade. Die ist fast neu", und sie zählte die Liste weiter auf.
Ich änderte meinen Plan. "Brit, nun beruhige dich doch erst mal. Alena
wird noch schmollen - oder zur Besinnung kommen. Jedenfalls fährt heute
kein Bus mehr bei ihr. Eine Taxe kostet bis nach Eutin wenigstens 80
Euro. Wir machen Folgendes. Wir fahren morgen früh zu deiner Schwester.
Aber mit meinem Wagen. Dann werde ich sie mir noch mal Aug in Aug zur
Brust nehmen. Sollten wir sie morgen nicht antreffen, können wir mit
dem Wagen los und sehen, was wir retten können. Jetzt noch aufbrechen,
nur auf einen Verdacht hin, ist mir zu wage. Reicht das für dich?" Ich
vermutete, ihr war in dieser Situation alles recht. Verstört kauerte
sie mit angezogenen Beinen im Sessel und rieb fröstelnd über ihre Arme.
"Komm, Brit, lassen wir es nicht zu spät werden. Morgen der Tag kann
lange dauern."
Nach dem Frühstück erklärte ich meinen Angestellten die veränderte
Situation. Kerstin würde sich um den Laden kümmern. Die anderen hatten
ihre Aufgaben. Gegen neun fuhren wir los und trafen Alena an, als sie
gerade den Tisch abräumen wollte.
"Da bist du ja endlich!" Wie eine speiende Cobra fuhr sie ihre Schwester
ohne ein freundliches Wort einer Begrüßung an.
"Brit. Du gehst bitte sofort wieder in den Wagen!", ordnete ich an und
trat ohne Einladung in die Wohnung, schob Alena einfach auch hinein und
schloss die Tür. "So, jetzt reden wir mal Tacheles", drückte ich sie
auf ihren Stuhl am Frühstückstisch. "Wie du mit deiner Schwester
umgehst, ist nicht normal. Hast du irgendein Problem?"
"Die brauch jemanden, der ihr sagt, wo es langgeht. Die kann doch nix
alleine."
"Das ist nicht DIE sondern immer noch Brit. Klar?", wurde ich jetzt
laut. "Dann lass mich mal hören, was sie nicht kann."
"Ach, Brit ist nur lieb. Solange es Hausarbeit ist oder um ihre
Glasmalerei geht, klappt alles. Den Rest muss ich machen. Da kommt sie
mit nichts zurecht. Dann muss ich immer alles für sie machen. Sowas
eben alles", maulte sie mürrisch und sprühte schon fast wieder zornig.
"Also ein blondes Dummerchen in deinen Augen", provozierte ich sie
direkt.
"Ich bin auch blond. Aber nicht doof", rechtfertigte sie sich.
"Ich hab nicht gesagt doof, sondern dumm", stelle ich klar.
"Nee, aber ...", wollte sie gerade wieder explodieren.
"Hör zu, Alena", erstickte ich ihren Ausbruch im Keim, "ihr seid beide
auf hundertachtzig. Jede für sich. Ich halte es wirklich für eine gute
Lösung, wenn du dich hier wieder auf ein Normalmaß runterschraubst.
Brit kühle ich bei mir ab. Mit Arbeit. Wenn ihr euch jetzt zusammen
aussprechen wollt, wird alles nur noch schlimmer. Lasst euch drei oder
vier Tage Zeit. Die Andere nicht sehen und nicht hören. Auch möglichst
nicht an sie denken. Mach einfach dein Ding; was auch immer du machen
willst. Du bist hier einigermaßen mobil und kommst überall hin. Ich
biete dir auch an, dass wir beide zusammen einen Tag lang irgendwo
hinfahren. Ich will nichts von dir und auch nichts von Brit. Kannst du
dir vorstellen, dass es etwas Ruhe in die Sache bringt, bevor wir uns
dann zu dritt an einen Tisch setzen?" Ich hatte sie zwar bevormundet,
aber es erschien mir momentan die einzige Möglichkeit zu sein, sie
irgendwie miteinander zu versöhnen. Aber ich hatte sie belogen. Doch
ich musste diese Notlüge benutzen.
"Ja", antwortete sie kleinlaut. "Ja. Ich denke, das ist eine gute Idee."
Ich versuchte ihr in die Augen zu sehen, sie wich jedoch aus. Darum
hakte ich nochmals nach: "Alena. Wirklich? Und du versprichst mir,
keinen Blödsinn anzustellen?"
"Ja", aber meinem Blick hielt sie immer noch nicht stand.
"Gut. Dann fahre ich jetzt wieder zurück und wir treffen uns am Samstag.
Ich hole dich ab. Wenn du vorher mit mir reden willst, ist hier meine
Mobilnummer." Zum Abschied reichte ich ihr die Hand, doch sie ging nur
widerwillig darauf ein.
"Wir fahren", sagte ich fest überzeugt, als ich zu Brit in den Wagen
stieg.
"Wohin?" Sie hatte sich noch nicht beruhigt, wirkte verstört und
ängstlich.
"Nach Osnabrück. Ich traue ihr keinen Meter über den Weg. Entschuldige,
wenn ich das so sage, aber sie ist mir nicht geheuer. Hast du deine
Schlüssel dabei?"
"Ja, ich hab alles. Aber was ist mit deiner Arbeit? Das geht doch vor",
sorgte sie sich.
"Zerbrich dir nicht meinen Kopf. Ich kann auch noch abends arbeiten. Ich
störe höchstens nur dich, doch damit musst du dann mal ein paar Tage
leben. Mach dir lieber Gedanken, wo in deiner Nähe ein Baumarkt ist.
Wir brauchen Umzugskartons. Du kannst deine persönlichen Sachen alle
hier reinkriegen, davon bin ich überzeugt. Auf deine Möbel musst du
dann mal verzichten", legte ich ihr weiter aus, während ich zielstrebig
die Autobahn ansteuerte.
Viel redeten wir nicht mehr, obwohl die Fahrt lang war. Glücklicherweise
floss der Verkehr auch in den Baustellen zügig. Am Zielort loste sie
mich direkt vor einen Heimwerkermarkt und wir erstanden ein Zehnerpack
Kartons. Noch auf dem Parkplatz baute ich den Wagen zu einem geräumigen
Lastesel um. Wenige Handgriffe, und die drei Einzelsitze waren
weggeklappt.
Eine recht freundliche Wohnung erwartete mich. Dass hier nur Mädchen
lebten, sah sogar ich auf den ersten Blick. Geschmackvoll und über all
verspielte Dekoration. Doch ich konnte es nicht genießen und trieb Brit
zur Eile an. Ich hatte keine Begründung; einfach das, was man
bezeichnete, es im Urin zu haben. Während sie besonnen und doch zügig
packte, schleppte ich die Matratze ins Auto. Bei etwas über zwei Meter
Ladelänge in meinem SUV war das zum Glück kein Problem. Vorsichtshalber
spannte ich das Gepäcknetz hinter den Vordersitzen und konnte die
ersten Kartons runterwuchten. Schlag auf Schlag ging es zügig voran.
Nach etwas über einer Stunde standen nur noch die Möbel im Zimmer.
Ich musste an meinen Ausdruck "Dummerchen" denken. Dabei war sie
wirklich lieb. Das sagte ja auch ihre Schwester; meinte das aber
sicherlich nicht so, wie ich es empfand. Brit war intelligent, stets um
andere besorgt und lieb; sich selbst hielt sie zurück. Dazu war sie
einfach das, was ich mir unter meiner Traumfrau immer vorgestellt
hatte. Nicht nur an den Äußerlichkeiten machte ich das fest. Wenn sie
in meiner Nähe war, war es irgendwie ein wenig wärmer.
Ich schleppte weiter Kartons und suchte einen Weg, ihr etwas
Freundliches zu sagen, aber in der Situation konnte ich es nicht. Es
kam mir jedoch dann vor, sie auszunutzen oder die Situation
auszunutzen. Vielleicht ergab sich ja eine Möglichkeit in ein paar
Tagen, wenn etwas Ruhe eingekehrt war. Ihre letzten Teile verschwanden
im letzen Karton. Maßarbeit. Noch zwei Klappkörbe mit etwas
persönlicher Deko und sie war fertig. Sprichwörtlich.
"Das hab ich mir gedacht", keifte eine bekannte Stimme hinter mir, als
ich gerade die Kofferraumklappe zumachte. "Heimlich die Bude
leerräumen!"
"Moment", stellte ich mich ihr in den Weg, "du hast mir versprochen,
keine Sachen zu machen. Aber du konntest mir ja noch nicht einmal in
die Augen sehen. Darum bin ich mit Brit los. Und wie ich sehe, hat mich
mein Gefühl nicht getäuscht."
"Ich bin nur los, weil sie mir in der Werkstatt sagten, du wärst den
ganzen Tag weg. Und Brit wäre mit dir weg. Da gab es nur diese eine
Möglichkeit", schrie sie mich zornig an.
Aus ihrer Handtasche lugte eine Ecke der Fahrkarte. Ehe sie auch nur
reagieren konnte, hielt ich das Stück in der Hand. "Und was ist das?",
zielsicher zeigte ich auf das Verkaufsdatum. "Gestern!", schnaubte ich
wütend, "gestern hast du dir schon die Karte gekauft und wolltest uns
heute in Sicherheit wiegen. Hinterlistig und heimtückisch bist du.
Berechnend. Deswegen konntest du mir heute auch nicht in die Augen
sehen und mir nicht wirklich die Hand geben. Alena, das war's ja dann
wohl." Abfällig warf ich die Karte zu Boden und drehte mich um.
"Bleib hier, du Miststück", zeterte sie schreiend, griff augenblicklich
nach Brit und zerrte an ihr herum.
Jetzt platzte mir der Kragen. Auch wenn ich bisher meine Kräfte gut im
Zaum hatte, ein Schmid konnte nicht nur zuschlagen. Der konnte auch
beherzt zupacken. Und ich packte zu. Während ich Alena auf Abstand
hielt, flüchtete Brit ins Auto. Noch ein letztes Mal nahm ich mir
dieses Scheusal ganz dicht vor Augen: "Ein Ton noch oder eine
Handbewegung gegen deine Schwester oder mich und du wirst es bitter
bereuen!", knurrte ich sie leise an, "sehr bitter. Und wage es ja
nicht, irgendwelche Sachen von ihr anzufassen!" Ich stieß sie von mir
weg und stieg ebenfalls zügig ein. Der Fausthieb, der mein Auto treffen
sollte, schlug ins Leere.
Ich fuhr einfach drauf los. Neben mir saß ein heulender und völlig
aufgelöster Engel. Doch noch musste ich zusehen, außer Reichweite zu
kommen. Ein paar Straßenecken reichten da nicht aus. Stur folgte ich
den Anweisungen meines Navigationssystems. Rauf auf die Autobahn und
sofort den erst besten Parkplatz wieder runter. Ich schoss aus dem Auto
und zerrte Brit fast heraus. Ich musste sie in die Arme nehmen, ihr
Halt und Geborgenheit geben. Ihr einfach zeigen, dass nun alles in ihr
zur Ruhe kommen konnte. Sie hatte ein Teil ihres Lebens dagelassen.
Aber das waren nur Sachen. Ihre Seele, die musste jetzt lernen, dass
diese Tyrannei ein Ende hatte. Nur sehr langsam fand sie ihr
Gleichgewicht. Wortlos standen wir die ganze Zeit da. Und ebenso
schweigsam stiegen wir auch wieder ein. Vielleicht ahnte sie ja, was
ich für sie empfand. Sie jetzt aber auch noch damit zu überschütten,
das konnte ich nicht.
Als wir bestimmt schon über hundert Kilometer gefahren waren, kam ein
ganz leises "Danke" bei mir an. Ich sah kurz zur Seite und ich sah
meine Brit lächeln. Seit geraumer Zeit stumm und dann dieses liebe
Lächeln. Ich tastete nach ihrer Hand und führte sie zu meinem Mund. Auf
jede Fingerkuppe gab ich ihr einen kleinen Kuss. Worte traute ich mich
nicht, zu sagen.
Sie war ruhiger geworden. "Aber was mache ich mit meiner Arbeit?",
fragte sie mit einem Male unvermittelt. "Irgendwann ist doch mein
Urlaub zu Ende."
"Tja Brit", wie sollte ich ihr helfen? "Lass doch jetzt einfach die Zeit
ins Land gehen. Mach dir doch nicht schon wieder neue Gedanken", riet
ich ihr und tastete noch einmal nach ihrer Hand. "Wie sieht es aus mit
einem Kaffee und einem Happen essen? Da vorn kommt eine Raststätte",
mir knurrte wirklich der Magen und erste Müdigkeit setzte nach all der
Anspannung auch ein.
"Oh ja. Was essen wäre nicht verkehrt."
Wir fuhren raus. Einen Moment saßen wir noch schweigend im Wagen und
sahen uns an. Braune Augen, die unermessliche Wärme und Güte
ausstrahlten, erforschten mein Gesicht. Suchten sie etwas darin? Als
würden wir uns ohne Worte verstehen, stiegen wir beide aus. Ich war mir
nicht sicher, ob ich es durfte, doch ich wollte ihr wenigstens zeigen,
dass ich mich als ihre Stütze anbot. Zart aber bestimmt ergriff ich
wieder ihre Hand und drückte sie sanft.
Plötzlich blieb sie stehen und hielt mich schweigend zurück. Wieder sah
sie mich mit diesem Blick an, der mich so tief berührte. "Ich mag dich,
Stefan."
Sie sagte diese Worte mit einer Zärtlichkeit, dass es mir die Sprache
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.