Kitabı oku: «Systemisches Coaching», sayfa 2
VORWORT
Der erste Band dieser Reihe hat sich mit den Fragen der Beratung, der systemischen Professionalität und der Transaktionsanalyse befasst. Das Inhaltsverzeichnis von Band 1 finden Sie am Ende dieses Bandes.
In diesem zweiten Band werden nun Konzepte und Vorgehensweisen aus der Persönlichkeitsberatung und aus dem Coaching im Organisationsbereich erläutert. Dabei wurden die Konzepte ausgewählt, die sich in unserer Arbeit im Bereich Persönlichkeit und Coaching über die Jahre als entscheidend wirksam bewährt haben.
Das Spektrum reicht von vielen handwerklichen Fragen des professionellen Coachings bis hin zur Grundfrage, wie Menschen auch im Beruf das unverwechselbar Eigene finden können. Berufswege sind entscheidend wichtige Lebenswege und ihre Integration mit Karrierewegen in Organisationen und mit dem Privatleben werden in unserer »zentrifugalen Zeit« für viele Menschen zu einem immer anspruchsvolleren Kunststück.
Die vorgestellten Konzepte, Vorgehensweisen und Praxisberichte sind entsprechend vielschichtig, wie es die persönliche Auseinandersetzung mit der professionellen Persönlichkeit, mit den beruflichen Lebenswegen und Identitäten eben erfordert. Dennoch sind ihr Verständnis und ihre Nutzung nicht von einer spezifischen Vorbildung abhängig. Im Gegenteil ist es mir ein Anliegen, wertvolle Erfahrungen und Konzepte aus verschiedenen Disziplinen zusammenzuführen und allen Professionellen zur Nutzung anzubieten.
Natürlich sind Weiterbildungen in diesem Metier hilfreich, insbesondere solche, die sich undogmatisch und nahe an gesellschaftlichen Wirklichkeiten und an konkreten Lebensvollzügen bewegen. Außer mit Fach- und Kontextkenntnissen sollte die Schatzkiste der Professionalität v.a. mit aufbereiteter Lebenserfahrung und mit den Stärken der eigenen unverwechselbaren Persönlichkeit bestückt sein. Inspiration, freimütiges Ausprobieren, Umsicht und Respekt vor der Expertise der Klienten sowie Eingebundensein in eine förderliche Professionskultur sind die besten Garanten für kreative Entwicklungen bei gleichzeitigem Schutz aller Beteiligten. Ganz nebenbei sind diese Haltungen vorbildlich für die Menschen, die für die Bühnen ihres Berufs- und Privatlebens aus dieser Kiste versorgt werden sollen.
Gerade deshalb sind die vorliegenden Texte nicht unbedingt leichte Kost. Es lohnt sich, wieder und wieder auf ihnen »herumzukauen«. Dabei werden sie mehr und mehr das an Geschmack und Vielfalt entfalten, was zunächst eher intuitiv begriffen wird. Auch erfahrene Berater werden vieles in Worte gefasst finden, was ihnen in ihrer Arbeit mit Menschen begegnet und wertvoll geworden ist. Das ausführliche Inhaltsverzeichnis soll zum Schmökern einladen, dort, wo die Überschriften ansprechen.
Die Darstellung eines mehrjährigen Ausbildungsprozesses von Christiane Gérard stammt aus dem Bereich der psychotherapeutischen Beratung. Solche Berichte sind seltsamerweise selten, obwohl doch Weiterbildung ein so großer Markt ist. Die dortigen Beschreibungen innerer Vorgänge und der Beziehungen zu Lehrtrainern erscheinen vielleicht aus der Perspektive der wesentlich kürzeren, dichteren und mehr auf die Außenwelt bezogenen Weiterbildungen im Organisationsbereich wie Betrachtungen durch ein Vergrößerungsglas. Doch spiegeln sie Dimensionen, die auch im Organisationsbereich – wenn auch hintergründig – Bedeutung haben.
Nur wenige Wochen nach Erscheinen dieses Bandes geht ein weiteres Manuskript an den Verlag. Im dritten Band dieser Reihe (zusammen mit Arnold Messmer) wird das Spektrum um systemische Perspektiven der Personalentwicklung, der Organisationsentwicklung und der Kulturentwicklung in Organisationen erweitert.
Ich danke denen, die an den Texten mitgewirkt haben und allen Mitarbeitern des Instituts für systemische Beratung Wiesloch, die weitertragen, was geworden ist und möglich gemacht haben, dass für diese Veröffentlichungen Kraft geblieben ist. Unsere Lektorin Ingeborg Weidner hat auch diesen Band sorgfältig und liebevoll redigiert.
Mein ganz privater Dank gilt meiner Frau Irene und meiner Tochter Judith, die meinen Lebensweg in Liebe mit mir gehen. Die Titelbilder der ersten fünf Bände dieser Reihe stammen von unserem Sohn Peter Schmid, den wir am 23.11.2001 im Alter von 17 Jahren der Ewigkeit überlassen mussten. Unsere Liebe und der Schmerz werden wohl für immer zu unserem Leben gehören.
Bernd Schmid
Wiesloch im März 2004
I.
KONZEPTE UND VORGEHENSWEISEN
1. ANTREIBER-DYNAMIKEN – PERSÖNLICHE INSZENIERUNGSSTILE UND COACHING 1
1.1 Einleitende Gedanken
Jede Neurose ist ein unerlöstes Talent
Das Konzept des Antreibers ist ein wertvolles Modell zur Analyse von Persönlichkeits- und Beziehungsdynamiken. Bisher wurde das Konzept vorwiegend im therapeutischen Bereich verwendet. Es eignet sich aber durchaus auch für die beratende Arbeit in Organisationen, insbesondere im Coaching. Im Folgenden wird das Konzept um systemische und ressourcenorientierte Aspekte erweitert.
Viele Menschen fühlen sich v.a. in Stress und Belastungssituationen als Menschen nicht vollwertig, geschätzt oder liebenswert. In der Regel entwickeln Menschen Strategien, diesem »Nicht-OK-Gefühl« zu entrinnen. Solche Strategien sind meist mit illusionären Ideen verbunden: »Ich wäre (wieder) OK, wenn …«. Die Ideen, repräsentiert als verinnerlichte Anweisungen, werden als Antreiber bezeichnet. Der Name »Antreiber« weist darauf hin, dass Menschen diesen »Geboten« nahezu zwanghaft folgen. Wenn sie bei einem Vortrag unter Stress geraten, glauben sie beispielsweise, keinen Fehler machen zu dürfen, um von den Zuhörern anerkannt zu werden. Die Verheißung der Antreiber bleibt aber letztlich unerfüllt. Antreiber lösen das »Nicht-OK-Gefühl« nicht, sondern verstärken oder verwalten es nur.
Taibi Kahler (1977) unterscheidet fünf Antreiber-Dynamiken:
1. Ich bin OK, wenn ich perfekt bin.
2. Ich bin OK, wenn ich stark bin.
3. Ich bin OK, wenn ich gefällig bin.
4. Ich bin OK, wenn ich mich anstrenge.
5. Ich bin OK, wenn ich mich beeile.
Während die verschiedenen Antreiber-Dynamiken in der Literatur oft als Typen beschrieben werden, wird aus systemischer Perspektive der Kontext bedeutsam, in dem der Antreiber ausgelöst wird. Niemand steht ständig unter dem Einfluss von Antreibern. Sie steuern Menschen nur in bestimmten Situationen oder bestimmten Personen gegenüber. Diese Kontextunterschiede geben bereits wichtige Hinweise für die Diagnose und Interventionen im Coaching. Wenn wir die kontextspezifischen Antreiber-Dynamiken in dieser Arbeit zum Teil dennoch zu Prototypen verdichten, so dient dies lediglich der vereinfachten Darstellung. Die beschriebenen Dynamiken werden als Merkmale persönlicher Inszenierungsstile dargestellt. Man kann sie jedoch auch als Merkmale von Teams oder größeren Organisationen beschreiben.
Bezüglich der Diagnose von Antreibern zeigt sich, dass es nicht ausreicht, sie an Wortfloskeln oder Gesten festzumachen, wie dies gelegentlich gelehrt wird. Wichtiger scheint, ein Gefühl dafür zu entwickeln, welche spezifische Atmosphäre durch Antreiberverhalten in einem sozialen Raum entsteht, welche emotionalen Dynamiken, Beziehungsmuster und Wirklichkeitslogiken aktualisiert werden. Jede der einzelnen Antreiber-Dynamiken erschafft eine Wirklichkeit, in die man als Gegenüber mit einiger Wahrscheinlichkeit eintritt. Oft denken Mitspieler, sie würden sich aus der Dynamik heraushalten oder etwas dagegen tun und merken nicht, dass sie dabei doch innerhalb der Logik agieren. Aus systemischer Sicht könnte man sagen, dass sich die Dynamik durch die kommunikativen und verhaltensmäßigen Beiträge der Beteiligten zirkulär stabilisiert und durch deren Ideen über Wirklichkeit aufrechterhalten wird.
Für die Arbeit im Coaching bedeutet dies, Antithesen zu formulieren, d.h. Beziehungsangebote und Wirklichkeitsvorschläge anzubieten, die nicht nur andere Spielarten innerhalb der Antreiber-Inszenierung sind, sondern eine andere Dynamik aktivieren bzw. Lösungen 2. Ordnung im Sinne Watzlawicks darstellen. Die Kenntnis der einzelnen Dynamiken und die Diagnose der eigenen Reaktion (soziale Diagnose) können helfen, nicht in die Logik der Antreiber-Inszenierung einzutreten, sondern Lösungen 2. Ordnung und damit antreiberfreie Inszenierungen zu aktivieren.
Diesen wirklichkeitskonstruktiven und beziehungsanalytischen Aspekten soll in der vorliegenden Arbeit nähere Beachtung geschenkt werden.
Wirklichkeitsanalytische Perspektive
• Wie entwerfen Menschen in Antreiber-dynamiken ihr Bild von der Welt?
• Welche Grundannahmen über sich und andere liegen ihrem Denken zugrunde?
Beziehungsanalytische Perspektive
• Wie reagieren Mitspieler auf die Beziehungsangebote der verschiedenen Antreiber-dynamiken?
• Welche Gefühle, Ideen und Verhaltensweisen werden bei ihnen ausgelöst?
© Schmid 2004
Abb. 1: Wirklichkeitsanalytische Perspektive
1.2 Antreiber 1: »Ich bin OK, wenn ich perfekt bin!«
1.2.1 Erkennungsmerkmale
Menschen in dieser Dynamik rechtfertigen sich häufig oder versuchen Dinge noch genauer und besser zu machen. Ergänzungen, Kritik und was noch zu erwägen wäre, wird gerne vorweggenommen, um vorsorglich zu verhindern, dass jemand sagt: »Du hast es nicht perfekt genug gesagt, begriffen oder getan.« Nonverbale Elemente sind ein ernster Blick sowie eine aufrechte und starre Haltung, verbunden mit einem angespannten Körpergefühl.
1.2.2 Soziale Diagnose
Beim Gegenüber entsteht durch diesen Antreiber der Eindruck, nicht gut genug zu sein. Den um Makellosigkeit bemühten Ausführungen des Perfektionisten lässt sich nichts mehr hinzufügen. Kommunikationspartner beginnen nach und nach ihre Aufmerksamkeit abzuziehen. Auf das ausgelöste Nicht-OK-Gefühl von der Qualität. »Das erreiche ich sowieso nie« oder »Ich bin nicht gut genug« reagieren manche Mitspieler mit Abwertung und Ausschluss des Perfektionisten. Oft wird im Umgang mit Perfektionisten wenig Kontakt, Beziehung und Austausch erlebt, weil dessen perfekter Arbeit nichts mehr hinzuzufügen ist. Oder man versucht in Kontakt zu kommen, wofür aber eher Begegnungsformen wie Unterordnung, Besserwissen, Relativieren oder Kritisieren nahe liegen.
1.2.3 Emotionale Dynamik, Wirklichkeitslogik und Beziehungsmuster
Perfektionisten haben das unterschwellige Grundgefühl, als Person nicht liebenswert zu sein und niemanden zu finden, der genügend Anteil an den Interessen und Ideen nimmt, mit denen sie ihr Selbstwertgefühl verbinden. Sie versuchen dann, statt dem, was sie sind, anzubieten, was sie leisten können. »Da fraglich ist, ob ihr mich schätzen könnt, biete ich eine solche Leistung, dass man ihr die Anerkennung nicht verweigern kann.« Sie glauben von anderen Menschen nur dann anerkannt zu werden, wenn sie perfekt sind und keine Fehler machen. Ihre Hoffnung ist, dass sie dann doch noch geliebt werden.
Dieses Verhalten provoziert Widerspruch und Wettbewerb. Die immer neuen Absicherungen ziehen genau das auf sich, was sie zu vermeiden suchen: Kritik an der Person oder an der Leistung, was als gleichbedeutend empfunden wird. Der Effekt, Anerkennung für Leistung zu bekommen, tritt um so weniger auf, je perfekter es versucht wird. Die Adressaten fangen sogar an, die Leistung oder das Verhalten zu kritisieren, oft mit inhaltlich fragwürdigen Argumenten. Die Kritik gilt mehr der erlebten Beziehungsdynamik als den Inhalten. Diese kommt aber in der Perfektions-Atmosphäre nicht leicht zu Bewusstsein und zur Sprache.
In der inneren Logik des Perfektionisten bedeutet diese Kritik: »Es hat deswegen nicht dazu geführt, dass sie mich lieben, weil sie selbst unfähig sind oder weil ich es noch nicht perfekt genug gemacht habe.« Dies führt wiederum zu verächtlicher Belehrung oder erneuter Anstrengung, es noch perfekter zu machen. Ertappt sich der Perfektionist dann doch noch bei einem Fehler oder verweisen andere auf Fehler, scheint die Berechtigung auf Anerkennung absolut und schlagartig verloren.
1.2.4 Antithesen zum »Sei-perfekt-Antreiber«
In der Transaktionsanalyse wurde die Intervention der »Erlauber« entwickelt. In der Coachingbeziehung wird eine Haltung eingenommen, die es dem Gegenüber ermöglicht, bestimmte Glaubenssätze (z.B.: Ich muss Perfektes leisten) aus einer fürsorglichen Position heraus aufzulösen. Die Glaubenssätze des »Sei-perfekt-Antreibers« lauten: »Ich bin nur dann OK, wenn ich perfekt bin« oder »Ich muss perfekt sein«, statt »Ich darf mein Bestes geben und das ist OK« oder »Nur durch meine Leistung kann ich wertvoll sein«, »Ich bin wertvoll durch das, was ich bin«.
Aus systemischer Perspektive handelt es sich bei Erlaubern um Botschaften, die diese Logik und ihre Verknüpfungen umkehren. Sie stellen damit Lösungen 2. Ordnung der Antreiberlogiken dar. Für den »Sei-perfekt-Antreiber« lautet die Umkehrung der Antreiber-Glaubenssätze: »Du bist wertvoll und liebenswert und ich schätze auch, dass du etwas leistest und dich bemühst, das Beste zu geben.« Eine erleichternde Botschaft an sich selbst lautet: »Ich darf auch Fehler machen und daraus lernen.«
Ein Problem ist, dass oft Mitmenschen die »erlösende« Botschaft ahnen, aber nicht realisieren, was an Tugenden in der »Sei-perfekt«-Dynamik enthalten ist. Der Perfektionist, dem die Einstellung »Lass doch mal Fünfe gerade sein« empfohlen wird, fühlt sich in seinem Sinn für Komplexität und seinem Streben nach Vollkommenheit nicht verstanden. Beides ist für ihn aber wesensgemäß und daher wichtig für das Gefühl, angemessen anerkannt zu werden. Es zeigt sich zwar als übertriebene Tugend, die damit zum Laster wird, entspricht aber dennoch einer wesensgemäßen Haltung. Allein die Erlaubnis zu geben, »Du brauchst nicht so perfekt zu sein« wäre daher keine hilfreiche Beziehungsantwort für Perfektionisten. Leicht ankoppeln können dagegen Mitmenschen, die aus einer Wertschätzung heraus das Bemühen um Genauigkeit als Dienst am Menschen und einer besseren Welt würdigen können.
Im Kontakt mit dem Perfektionisten entsteht aber eben leicht ein Nicht-OK-Gefühl, aus dem heraus man nicht die Souveränität hat, ihn in seiner – wenn auch unerlöst erscheinenden – Tugend zu würdigen. Im eigenen OK-Gefühl angekratzt, versucht man, ihn den eigenen Vorstellungen von Beziehung zu unterwerfen oder zumindest in der vorgetragenen Überlegenheit zu demontieren. Notwendig ist aber eine liebende Haltung und die Würdigung der Wesensart des Perfektionisten.
1.2.5 Ressourcen des »Sei-perfekt-Antreibers«
Wie oben bereits angeklungen, haben Perfektionisten einen Sinn für Vollkommenheit. Sie sind in der Regel, was ihren Lebensvollzug und ihr Denken anbelangt, sehr gut organisiert und können beispielsweise leicht komplexe Systeme begreifen oder bedienen. Bei der Flugsicherung und im Operationssaal etwa wünscht man sich Personen dieses Schlages. Wichtig ist darauf zu achten, dass sie diese Tugend in Dingen leben, die ihnen wichtig sind, und in einem Maß, dass sie dabei in ihrer Menschlichkeit nicht verloren gehen.
1.2.6 Konterdynamik: »Alles egal«
Von Konterdynamik spricht man, wenn sich jemand zwar an der Logik einer Dynamik ausrichtet, aber versucht, ihr durch verneinendes Verhalten auszuweichen. Zyniker sind z.B. oft hoffnungslose Idealisten. Perfektionisten flüchten sich gelegentlich in »Alles egal«-Haltungen, wenn sie den Versuch, durch Perfektsein zu wesensgemäßer Würdigung zu kommen, aufgeben. Sie bilden dann eher Gegenpole zu »aktiven« Perfektionisten und ziehen deren »Förderung« oder Kritik bezüglich Ansprüche und Leistung auf sich. Beide sind sich jedoch ähnlich und profitieren von den gleichen Antithesen.
1.3 Antreiber 2: »Ich bin OK, wenn ich stark bin!«
1.3.1 Erkennungsmerkmale
Menschen in dieser Dynamik versuchen innere Bewegtheit zu verbergen. Sie verwenden Sprache und Sprechweise, um eigene Stärke und Unangreifbarkeit zu vermitteln. Es scheint, als gingen sie zur eigenen Empfindsamkeit und der anderer auf Distanz. Sie erwecken einen eher angespannten Eindruck, als wollten sie ihre Umgebung im Auge behalten um jederzeit »gewappnet« zu sein. Sie tun dies u.a. durch aufrechte Haltung, etwas maskenhafte Gesichtszüge, gelegentlich monotone Stimme und Gestik.
1.3.2 Soziale Diagnose
Der »Sei-stark-Antreiber« führt dazu, dass sich die Mitspieler unter Druck gesetzt fühlen, evtl. Angst bekommen oder wütend werden. Sie treten ein in eine Szene, in der es um Kampf, Kontrolle und Überlegenheit geht. Manche Mitspieler/innen kämpfen mit, antworten mit Gegenkontrolle, andere ziehen sich ängstlich zurück oder beschwichtigen. Die Beziehungswirklichkeit, in die Mitspieler/innen eingeladen werden, lautet: »Wer nicht aufpasst, wird verlieren, sich unterwerfen oder kontrollieren lassen und jede muss dafür sorgen, dass sie es nicht ist.« Es handelt sich also um ein Beziehungs-Nullsummenspiel, bei dem die eine verliert, wenn die andere gewinnt. Man fühlt sich in Konkurrenz als distanzierenden »Kampf gegeneinander« und nicht als bezogenes »Messen aneinander« hineingezogen. Um nicht zu verlieren, möchte man sich selbst stark und ungreifbar machen. Man verliert den Impuls sich in menschlicher Begegnung erreichbar zu machen oder sich den anderen zu nähern.
1.3.3 Emotionale Dynamik, Wirklichkeitslogik und Beziehungsmuster
Die Angst in der »Sei-stark-Dynamik« ist es, in emotional bedeutsamen Situationen nicht stabil zu sein, wenn man sich nicht starr macht bzw. zu kollabieren, wenn man Kontrolle loslässt. Man erwartet, als Person und in den eigenen Anliegen nicht berücksichtigt zu werden, wenn man sich nicht dafür stark macht. Entsprechend schwer ist es dann, das eigene Angewiesensein auf nicht beherrschbare Menschen und Geschehnisse zu akzeptieren. Gefühlsmäßige Bezogenheit und Sich-Einlassen auf Menschen und Vorgänge ohne Kontrolle werden als Unterwerfung und Schwäche missverstanden. Von der Umwelt werden weder Verantwortung mit menschlichem Maß noch Fürsorglichkeit, sondern rücksichtloses Verhalten und harte Herausforderungen erwartet. Dies wird als (diffuse) Bedrohung erlebt, wogegen man meint, sich mit entsprechenden Haltungen schützen oder durchsetzen zu müssen.
Mit diesen Grundannahmen kann man anderen auch gar nicht erst die Chance lassen, eigene empfindsame Anliegen zu erkennen und zu berücksichtigen. Die provozierte Kampfdynamik nährt auch dann, wenn man sich in der stärkeren Position erlebt, unterschwellige Angst, es könnte mal nicht so sein. Erlebte Berücksichtigung eigener Anliegen wird nicht als freiwilliges Entgegenkommen und Friedfertigkeit erlebt, sondern als Wirkung der eigenen Sei-stark-Dynamik: »Wäre ich nicht fit gewesen, hätte der andere mich untergekriegt.« Die Sehnsucht nach Aufgehobensein, Entgegenkommen und Fürsorge bleibt ungestillt.
1.3.4 Antithesen zum »Sei-stark-Antreiber«
Das Bedürfnis, anderen zu vertrauen und durchlässig zu sein und damit gute Erfahrungen zu machen, bleibt in der Antreiber-Dynamik unversorgt. Dazu, wie diesem Bedürfnis in der Sei-stark-Dynamik begegnet werden kann, gibt es aber einige Missverständnisse. Am intensivsten reagieren gefühlvolle Menschen auf »Sei-stark-Menschen«. Sie wünschen sich von ihnen, sie mögen sich doch mal fallen lassen oder Emotionen zeigen. Dies wird jedoch oft in einem emotionalen Stil verlangt, der eher nicht ihrer Wesensart entspricht, oder sie missverstehen Wünsche in dieser Weise. Sie haben oft leisere Gefühlsregungen und diskrete Arten, sich in Beziehungen einzulassen. Sie sind sich aber der Gleichwertigkeit dieses Stils nicht gewahr und meinen »mehr« bringen oder sich an den Stilen anderer messen lassen zu müssen. »Sei-stark-Menschen« nützten Situationen, in denen ohne Anspruch konkret und mit ihrem Sicherungsbedürfnis verträglich erläutert wird, was es gerade meint, sich zu öffnen und anzuvertrauen und welche Abstufungen hier möglich und erlaubt sind. Wenn einmal eine emotionale Erschütterung geschieht, ist die Verarbeitung eines solchen Erlebnisses entscheidend. Es kann als Niederlage mit nachträglichem Katzenjammer erlebt werden. Es kann auch als erleichternd erlebt werden. Allerdings ist wichtig darauf zu achten, dass damit nicht ungeeignete Maßstäbe an Gefühlsintensität und Emotionalität in Beziehungen bestärkt werden. Nicht die Intensität von Gefühlen ist hier entscheidend, sondern deren Gehalt.
Wichtig im Kontakt ist, dass Mitspielerinnen nicht aus Schwäche weich und liebevoll sind, sondern aus Stärke. Wenn der »Sei-stark-Mensch« beim Gegenüber nur eine ängstlich-beschwichtigende Sanftheit wahrnimmt, straft er dies mit Verachtung. Das ist nicht die Art der Begegnung, die ihn interessiert.
Die Erlaubnis für die »Sei-stark-Dynamik« lautet: »Du darfst offen sein und vertrauen. Du bist mit dem zu dir passenden Gefühls- und Beziehungsstil wertvoll und liebenswert. Daneben schätze ich deine kraftvolle Art, dich für Menschen und Anliegen einzusetzen.«