Kitabı oku: «Systemisches Coaching», sayfa 4
1.6.4 Antithesen zum »Beeil-dich-Antreiber«
Aus der Grundfurcht des Hektikers, Wesentliches im Leben zu verfehlen, leitet sich auch die Hauptberatungsstrategie ab. Der Coach muss eine Idee, ein Gefühl entwickeln, was dem »Beeil-dich-Menschen« wichtig ist, und mit ihm gemeinsam erfolgversprechende Wege konzipieren, dies zu verfolgen.
Diese Menschen brauchen im Kontakt das Gefühl, dass der Coach etwas von dem versteht, was ihnen wesentlich ist. Nur wenn sie die Idee haben, dass sie mehr von dem bekommen, was sie suchen, wenn sie sich führen lassen, entspannen sie sich und können ihr hektisches Agieren loslassen. So können sie die Erfahrung machen, dass – obwohl weniger gesprochen wurde – ein Gewinn entstanden ist, und diese Haltung in andere Situationen übernehmen.
»Beeil-dich-Menschen« sind auch oft mit der einfachen Intervention zu beruhigen: »Ich höre dir zu«. Das müssen sie öfter hören, um es zu glauben. »Ich höre dir gern zu, nimm dir Zeit.« Und wenn sie fürchten nicht zu Ende zu kommen »Es ist OK, jetzt einen Teil von dem zu erzählen, was dir wichtig ist und zu einem anderen Zeitpunkt wieder dranzukommen«. Demgegenüber stellen die Gesprächsstrategien, das Tempo mitzugehen, als auch Versuche, zu bremsen nach dem Motto: »Jetzt seien Sie erst mal ganz ruhig«, für den Hektiker keine annehmbaren Lösungen dar.
Eine Schwierigkeit kann sich im Coaching auch dann ergeben, wenn Hektikerinnen im Entspannungszustand beginnen, den depressiven Anteil der Dynamik zu spüren. Hier kann zum einen hilfreich sein, den »Hektik-Entzug« zu planen bzw. etwas zu suchen, was in Maßen anregend ist und doch langsam zur Ruhe kommen lässt. Zum anderen kann dieser depressive Zustand auch als normale Entlastungsreaktion gedeutet werden, ein temporärer Erschöpfungszustand, der sich mit der Zeit und bei angemessener Begleitung wieder normalisiert.
Die Erlaubnis für Hektikerinnen lautet: »Du darfst dir Raum und Zeit nehmen. Schau, was für dich lebenswerte Zeit oder eine lebenswerte Arbeitswelt ist. Du darfst herausfinden, was dir wesentlich ist, du darfst daran glauben, dass andere dir zuhören können, wenn du dich traust, anwesend zu sein, in dem, was du sagst.« Manchmal muss diese Erlaubnis auch als Anweisung gegeben werden, wenn solche Menschen auf Erlaubnisse nicht mehr reagieren.
1.6.5 Ressourcen des »Beeil-dich-Antreibers«
»Beeil-dich-Menschen« können kurzfristig auf hohem Aktivationsniveau leistungsfähig bleiben und dies auch bei hoher Situationskomplexität. Sie entwickeln sogar eine gewisse Lust, auf diesem Niveau zu leisten. Diese Menschen wünscht man sich auf der Notfallstation oder bei Crashs im EDV-System. Die Deeskalation und »Erlösung« aus der Dynamik führt zu einer reif entwickelten Tugend. Der Unterschied der erlösten Position zur Antreiberdynamik liegt darin, dass das »erlöste« Verhalten nicht mehr in der »OK, wenn«-Logik steht. Es kann vielmehr kontextspezifisch gewählt werden: »Ich kann mich entscheiden, ob und wann ich mich beeile.«
1.6.6 Konterdynamik »Jetzt erst mal langsam!«
Kontrahektiker sind Menschen, die auch fürchten, dass ihnen das Wesentliche verloren geht. Sie geraten aber v.a. im Kontakt mit Hektikern reflexhaft in eine verharrende Haltung: »Jetzt erst mal langsam«. Der Hektiker neigt zum Eilen, wenn er glaubt, Wesentliches zu verfehlen, der Kontrahektiker zum Bremsen, insbesondere wenn er fürchtet, durch die Hektik anderer angesteckt zu werden. Beide leben in der gleichen Welt, nur mit verteilten Rollen. Kontrahektiker sind am ehesten daran zu erkennen, dass man beginnt den Hektikerpart zu spielen. Beide brauchen die Zuversicht, zum Wesentlichen zu kommen, um dies in angemessener Dynamik zu tun.
1.7 Systemische Beratungsstrategien bei Antreiber-Dynamiken
Die Dienstleistung systemischer Beratung besteht darin, Unterschiede zu generieren, die für Klienten einen Unterschied machen. Eine der wichtigsten Voraussetzungen hierfür ist aus wirklichkeitskonstruktiver Perspektive, nicht in die Antreiberwirklichkeit des Klienten einzutreten, sondern die einengenden Wirklichkeits- und Beziehungsgewohnheiten des Klienten in Frage zu stellen (Schmid 1987, siehe Lit. Kap. 1, 4) bzw. eine antreiberarme Atmosphäre zu schaffen.
Eine Art, weiterführende Wirklichkeiten zu stimulieren, wird in der systemischen Beratung durch die Art der Befragung erreicht. Dabei werden durch vielfältige Fragetechniken alte Wirklichkeitsgewohnheiten der Klienten verstört und in einem gemeinsamen Kommunikationsprozess neue schöpferische Wirklichkeiten erzeugt. So kann etwa bei einer »Sei-perfekt-Dynamik« die Idee eingeführt werden, wie Menschen anders reagieren, wenn man ihnen mit der Haltung »Du darfst Fehler machen und aus ihnen lernen« begegnet.
Eine ebenso effektive Beratungsstrategie besteht darin, auf der Ebene der Beratungsbeziehung einen Unterschied zu (er-)finden. Anknüpfend an die narrative Denkrichtung (vgl. Boeckhorst 1994, siehe Lit. Kap. 1, 1) könnte man sagen, dass sich nicht nur das »Was« der gemeinsamen Erzählung, sondern auch das »Wie« verändert. Der Coach gestaltet die Beratungsbeziehung in einer Art und Weise, die zu Beziehungs- oder Wirklichkeitsgewohnheiten des Klienten einen Unterschied macht. Er erzählt nicht nur davon, dass man Fehler machen und daraus lernen darf, sondern inszeniert diese Idee gleichzeitig in der Beratungsbeziehung.
Die Herausforderung besteht darin, dass der Klient den Coach einlädt, in seinem alten Stück, seinen gewohnten Beziehungs- oder Wirklichkeitsgewohnheiten mitzuspielen. Trete ich als Coach aber unbewusst in das Stück des Klienten ein, sind die Rollen verteilt und das Drama nimmt seinen gewohnten Gang.
Wichtigster Schritt ist also zunächst, die Einladungen zu erkennen, zu spüren, welche Gefühle wach werden und welche Beziehungswelten dadurch entstehen. Diesen Vorgang haben wir als »soziale Diagnose« bezeichnet. Ich bekomme beispielsweise bei der »Sei-stark-Dynamik« Angst und glaube, den anderen klein machen zu müssen, weil ansonsten ich in Gefahr bin, klein gemacht zu werden. Meist wird diese Diagnose der inszenierten Wirklichkeitslogik mit Hilfe der Intuition geleistet (Schmid/ Hipp/Caspari 1999, siehe Lit. Kap. 1, 5).
Der nächste Schritt ist dann, sich in eine innere Haltung zu bringen, die zu der Inszenierung des Klienten einen schöpferischen Kontrast, eine Antithese bildet. Das Einnehmen antithetischer Haltungen meint, innerlich eine antithetische Wirklichkeitslogik (eine Lösung 2. Ordnung) zu aktivieren und zu stabilisieren. Dadurch schütze ich mich davor, in die Antreiberwelt einzusteigen und habe die Möglichkeit, mich antithetisch zu verhalten, ohne dass das problematische Muster benannt werden muss. Die Umstellung der Haltung und die daraus resultierende Veränderung des Verhaltens reichen oft aus, um das problematische Antreiberverhalten des Klienten in der Beratungssituation aufzulösen. Der Coach gibt dem Klienten durch seine antithetische Haltung und das daraus motivierte Verhalten eine implizite Einladung, in seine Inszenierung überzuwechseln. Nimmt der Klient diese Einladung an, hat er die Möglichkeit, die neue Qualität im Coaching unmittelbar zu erleben und damit erste positive Erfahrungen zu sammeln.
1.8 Wurzeln des Antreiber-Konzepts
Das Konzept der Antreiber stammt aus der Transaktionsanalyse. Die erste Beschreibung der Antreiber stammt von Kahler (1977, siehe Lit. Kap. 1, 2). Sie wurden dort als Verhaltensweisen beschrieben, die Verhaltens- und Erbebensketten einleiten. Am Endpunkt dieser Ketten würden Glaubenssätze bestätigt, die zu problematischen Lebensentwürfen (Skripts) und deren Vollzug gehörten. Die Antreiber selbst wurden eher durch Verhaltensmerkmale beschrieben. In der weiteren Entwicklung der Transaktionsanalyse wurden die Antreiber in verschiedene Kontexte gestellt, z.B. als fehlgeleitete Versuche, Grundbedürfnisse zu befriedigen (Köster 1999, siehe Lit. Kap. 1, 3).
Hier werden Antreiber von solchen Überlegungen losgelöst als Stile beschrieben, die innere und äußere Wirklichkeiten charakterisieren und für die hilfreiche Varianten in normalen gesellschaftlichen Kontexten gefunden werden können.
1 Unter Mitarbeit von Joachim Hipp
2. ICH-DU- UND ICH-ES-TYPEN 1
Das Modell der Ich-Du- und ICH-ES-Typen unterscheidet zwei Grundarten, wie Menschen sich selbst stimmig und wertvoll erleben und auf diesem Hintergrund Beziehungen zu Menschen und Dingen gestalten. Während dem Ich-Du-Typ in einer Beziehung der Aspekt der Bezogenheit auf den anderen wesentlich ist, ist es dem ICH-ES-Typ das Thema, auf das sich eine Beziehung hin ausrichtet. Beide Aspekte sind für das Gelingen sowohl einer Privat-, als auch einer Professionsbeziehung gleichermaßen wichtig. Um eine Beziehung zu erlösen, gehört sowohl, dass man zu dem anderen als Menschen als auch zu seinen Themen ja sagen kann. Wenn möglich sollte man auch Themen teilen, um die herum der andere sein Leben organisiert bzw. die in seinem Leben eine Rolle spielen. Nur zum anderen Menschen ja sagen zu wollen, aber seine Themen abzulehnen, ist in längerfristigen Beziehungen schwierig.
2.1 Ich-Du-Typ
Der Ich-Du-Mensch definiert sich wesentlich über seine unmittelbaren Beziehungen zu anderen Menschen. Er ist mit sich selbst im Einklang und fühlt sich wertvoll, wenn seine Beziehungen ›stimmen‹.
Begegnet ein Ich-Du-Typ einem anderen Menschen, so sind seine Grundfragen:
• Bist du für mich attraktiv?
• Interessierst du dich für mich als Person?
• Sind wir uns sympathisch?
• Können wir uns vertrauen?
Wenn wir beide in genügendem Umfang zueinander ja sagen können, wird eine Beziehung zwischen uns möglich. Ich sage ja zu dir, du sagst ja zu mir. Lass’ uns auf dieser Basis als Partner/in, Kollege/in, Kunde/in, Berater/ in, Freund/in etc. zusammen sein.
Abb. 2: Ich-Du-Menschen in Interaktion
Wenn diese Fragen für zwei Ich-Du-Menschen positiv geklärt sind, können sie in einem zweiten Schritt auch eine »gemeinsame Sache« einbeziehen: gemeinsame Unternehmungen, ein Thema oder eine gemeinsame Arbeit. Auf der Basis unserer gegenseitigen Zuneigung können wir jetzt überlegen, was wir zusammen machen wollen.
Abb. 3: Ich-Es-Menschen in Interaktion«
Dies ist für Ich-Du-Typen jedoch nicht beziehungsnotwendig, sondern eher eine willkommene Zugabe. Die Anwesenheit, Nähe und Bezogenheit auf die andere Person bleibt wesentliche Basis für die Beziehung und das eigene Selbstwertgefühl.
Ich-Du-Menschen sortieren ihre Welt nach Menschen und gruppieren entsprechende Themen um sie herum. In der Theatermetapher ausgedrückt sind es Menschen, die auf die Bühne gehen und im Miteinander-Spielen, eine zu ihnen passende Inszenierung erbasteln. Regie, Drehbuch und Sujet werden sekundär beschrieben. Kann das Sujet mit diesen Menschen nicht abgehandelt werden, geht es verloren.
Eine Beziehungsstörung erlebt der Ich-Du-Mensch in erster Linie dann, wenn er das Gefühl hat: Der andere bejaht mich nicht mehr in der Beziehung. Sobald dieses Gefühl entsteht, ist die Arbeit an einer gemeinsamen Sache in Frage gestellt. Er versucht dann als erstes zu klären: Magst du mich noch? Bedeute ich dir noch, was ich dir bisher bedeutet habe? Wenn es dem anderen gelingt, deutlich zu machen: Ja, das bedeutest du mir noch, kann der erste sagen: Gut, dann können wir auch in der Sache, die wir gerade betreiben, weitermachen.
Unter zwei Ich-Du-Menschen ist dies in der Regel kein Problem. Entweder sie bestätigen sich: Du bedeutest mir noch genug. Oder sie wissen: Wir haben einen Beziehungskonflikt und müssen unsere Ich-Du-Beziehung klären. Sie werden dann ihre Beziehungsintensität und/oder -qualität verändern. Entweder lösen sie ihre Beziehung oder sie erneuern sie in dieser Auseinandersetzung. Dann können sie diese fortsetzen, und sich anschließend den Dingen zuwenden, die aufgrund der Krise ihre Bedeutung verloren hatten.
Die Gefahr der beziehungsorientierten Typen ist, dass sich ihre Beziehung um sich selbst dreht, wenn sie sich nicht über ein Thema zum Ausdruck bringt. So wie ein Mensch sich selbst zum Schoßhündchen wird, wenn er nur sich zum Interessensgegenstand hat, so wird auch eine Beziehung sich selbst zum Schoßhündchen. Eine Beziehung kann nur konstruktiv sein, wenn sie auch ein Thema hat, das beide interessiert. Deshalb ist es wichtig, dass die beziehungsorientierten Menschen lernen, sich auf etwas auszurichten, das über »nur du bist mein Thema« hinaus reicht.
2.2 Ich-Es-Typ
Der »Ich-Es-Mensch« erlebt sich selbst stimmig und wesentlich über die Orientierung auf ein für ihn interessantes Thema oder eine herausfordernde Aufgabenstellung hin. Er fühlt sich mit sich selbst im Einklang, wenn er sich für eine Sache begeistern, ein Thema durchdringen oder eine Aufgabe meistern kann.
Trifft er auf einen anderen Menschen, so sind seine Grundfragen:
• Interessierst du dich auch für das, wofür ich mich interessiere?
• Hast du ein für mich interessantes Thema, eine Fragestellung, eine Aufgabe anzubieten?
• Können wir irgendwo ›gemeinsame Sache machen‹?
Wenn wir auf dieser Ebene der Sachorientierung genügend Gemeinsamkeiten erfinden, kann dies die Basis für unser Zusammengehen als Partner/ in, Kollege/in, Kund/in, Berater/in etc. sein.
Abb. 4: Ich-Es-Menschen in Interaktion: Thema«
Wenn unsere gemeinsamen Interessenlagen geklärt sind und tragen, kann sich daraus mit der Zeit auch eine intensivere persönliche Beziehung entwickeln. Dies ist aber für zwei ausgeprägte Ich-Es-Typen, die sich auf diese Weise treffen, nicht notwendig, sondern eher eine schöne Zugabe und Ergänzung.
Basis bleiben die gemeinsamen Interessen, seien es ein gemeinsames Projekt im Berufsfeld oder ein gemeinsam gepflegtes Hobby im Privatbereich. Wenn themenorientierte Menschen gute Begegnungen haben, wird ihre Beziehung über das Thema in einer Weise auch intim. Ohne das Thema hätte sie allerdings keine Attraktion. Andererseits kann ein themenorientierter Mensch an der Beziehung zu jemandem interessiert sein, der ihm zunächst nicht besonders sympathisch ist, wenn ihn dessen Thema interessiert.
Ich-Es-Menschen sortieren die Welt also nach Themen und die Menschen um die Themen herum. In der Theatermetapher ausgedrückt sind es Menschen, die eine Idee von einem Sujet haben, dazu ein Drehbuch schreiben und sich für die Inszenierung Menschen suchen, die dazu passen. Wenn sich die Menschen nicht mehr für die Inszenierung eignen, gehen sie allerdings verloren. Ich-Es-Typen wollen ihre Dimension in die Ich-Du-Welt tragen und sie notfalls kolonialisieren. Dagegen wollten Ich-Du-Typen Ich-Es-Typen zum Beisammensein gewinnen. Notfalls setzen sie sie dazu emotional unter Druck. Ich-Es-Typen organisieren ihr Beisammensein nach den Vorhaben. Ich-Du-Typen organisieren ihre Vorhaben aus dem Beisammensein heraus und soweit sie damit verträglich sind.
Für einen Ich-Es-Typ entsteht eine Beziehungsstörung dann, wenn er das Gefühl bekommt: Der andere interessiert sich nicht mehr für die Sache, auf die wir uns verabredet haben. Oder der andere lässt mangelndes Interesse an meinen Themen erkennen oder ich habe das Interesse an seinen Schwerpunkten verloren.
Wenn die gemeinsame Bezogenheit auf ein Thema gestört wird, ist für ihn auch schnell die Bezogenheit auf die Person gestört. Der Themenorientierte will dann zunächst sicherstellen, ob die gemeinsame Beziehung zu dem Thema weiterverfolgt werden kann. Wenn das nicht der Fall ist, dann verliert er das Interesse an der Beziehung. Denn wenn der Bezug zum Thema nicht herstellbar ist, weiß er nicht, warum er in eine Beziehung investieren sollte. Er möchte zuerst die themenorientierte Basis der Beziehung wiederherstellen. Erst dann interessiert ihn die Frage, ob sie als Personen eine Attraktion zueinander haben und wie sie damit umgehen wollen.
Wenn sich zwei Menschen mit der gleichen Präferenz treffen, gibt es gewöhnlich keine Verständigungsprobleme, sie senden und empfangen ›auf der gleichen Wellenlänge‹. Das heißt nicht, dass sie keine Probleme miteinander haben können, nur haben sie die gleiche Art, nach einer Lösung zu suchen.
Die Gefahr der themenorientierten Beziehungstypen besteht darin, dass sie dazu neigen, aufgrund mangelnder Bezogenheit im anderen ausschließlich einen Konkurrenten zu sehen. Entweder meiden sie sich deswegen oder sie eskalieren destruktiv, indem beide darum kämpfen, dass sich der andere für sein Thema interessieren möge. Denn jeder hält sein Thema für das bessere, interessantere oder relevantere. Sie müssen vor allen Dingen lernen, bei allem Interesse, das eigene Thema voranzubringen, sich auch für den anderen und seine Themen zu interessieren und sich gegenseitig darin wertzuschätzen.
2.3 Wenn Ich-Du-Typ und Ich-Es-Typ zusammentreffen
Wenn Ich-Du-Typ und Ich-Es-Typ zusammentreffen, entsteht meist eine eigenartige Mischung von Faszination und Unverständnis.
Je nachdem, zu welchem Grundtyp ich von meiner eigenen Präferenz her eher neige, finde ich die eigene Orientierung normal und selbstverständlich, den anderen Typus dagegen eher ›unangemessen‹, ›fremd‹ und ›schwer nachvollziehbar‹.
Ich-Du-Typen beschreiben Ich-Es-Typen leicht als unnahbar, kühl, ›nur im Kopf‹, sachlich, beziehungslos und im Extremfall ›Menschen verachtend‹.
Ich-Es-Typen erleben aus ihrem eigenen Bezugsrahmen heraus Ich-Du-Typen eher als ›zu nah‹, ›unsachlich‹, desinteressiert am Thema, im Extremfall ›in Beziehungsduselei verfangen‹.
Zugleich fühlt sich ein Ich-Es-Typ von der warmherzigen und zugewandten Art des Ich-Du-Menschen angezogen und ›bedrängt‹. Einem Ich-Du-Typ imponiert die aufgabenbezogene Klarheit des Ich-Es-Menschen, wobei er sich von dem ›unpersönlichen Stil‹ zugleich abgestoßen fühlt.
Jeder hat ein Gespür dafür, dass der andere für ihn eine wesentliche Ergänzung sein könnte mit der Chance, die eigene Einseitigkeit auszugleichen. Beide erleben im anderen den Pol der eigenen Persönlichkeit, der dem eigenen Bewusstsein ferner steht, damit zugleich fremd, weniger steuerbar und unheimlich. Beide sehnen sich, meist sehr unbewusst, auch danach, die andere Dimension zu entwickeln und eigenständig zu leben.
Beide Typen sind demnach gleichberechtigte und gleichwertige Präferenzen, sich selbst mit dem Zentrum der eigenen Person verbunden und stimmig bezogen auf den Rest der Welt zu fühlen. Beide können sehr gehaltvolle und wertvolle Beziehungen führen und diese gestalten. Allerdings konstituieren sie Beziehung auf unterschiedliche Weise.
Beide Präferenzen sind als Erlebens- und Verhaltensmöglichkeiten in jedem Menschen angelegt, werden aber mit deutlich unterschiedlicher Gewichtung erlebt und gestaltet.
Weil sich Ich-Du- und Ich-Es-Menschen oft auf eine ambivalente Art von einander angezogen und abgestoßen, fasziniert und fremd fühlen, gehen sie oft eine private oder auch eine Arbeitsbeziehung ein. Der Kontrakt, den sie meinen geschlossen zu haben, sieht allerdings aus den jeweiligen Bezugsrahmen der beiden sehr unterschiedlich aus.
Der Ich-Du-Mensch interpretiert den Kontrakt so: Du wirst dich für mich interessieren. Der Ich-Es-Mensch: Du wirst mit mir gemeinsame Sache machen. Die anfängliche Verliebtheit oder die gemeinsame Faszination von der Sache schafft den notwendigen Raum, damit die Beziehung erst einmal wachsen kann, obwohl die beiden sich eigentlich in einem »Kontraktirrtum« befinden. Irgendwann, wenn die Faszination nachlässt und Ernüchterung eintritt, wundern sich beide, dass sich der andere so ganz anders organisiert und beispielsweise in kritischen Situationen andere Themen oder Fragen in den Vordergrund rückt. Sie merken dann nicht, dass für jeden die Beziehung andere konstituierende Merkmale hat und deshalb sehr grundsätzlich neu befragt werden muss. Stattdessen beginnen sie oft, sich zu polarisieren und sich in gegenseitigen Schuldzuweisungen zu fangen.
Der Ich-Du-Typ deutet eine schlichte, sachbezogene Nachfrage – zunächst vielleicht nur als Missverständnis – im Sinne von: Und wie es mir damit geht, interessiert dich gar nicht, und antwortet: Dir geht es ja immer nur um die Sache! Dabei hat schon Immanuel Kant gesagt: Der Mensch darf niemals Mittel allein sein, sondern er muss immer auch das Ziel sein. Und jetzt entdecke ich, dass du mich nur gebrauchen willst. Dich interessiert ja nur dein Thema und ich bin dir ganz egal. Dass du so wenig beziehungsfähig bist, hätte ich nicht gedacht.
Der Ich-Es-Typ kann daraufhin den Gegenpol besetzen: Ich habe gedacht, du trägst wirklich inhaltlich mit, was wir gemeinsam erarbeitet haben, und jetzt willst du immer nur gemocht werden. Du willst immer Zeit mit mir haben, aber diese Zeit wird leicht unproduktiv. Du engagierst dich in der Zusammenarbeit, wenn du mich magst, aber du kannst nicht bei der Sache bleiben, wenn es uns gerade nicht so gut miteinander geht. Das ist mir zu viel Gefühlsduselei. Du hältst dich für besonders menschlich, aber die Art und Weise wie du als Führungskraft deinen Job machst, erzeugt für so viele Menschen schlechte Verhältnisse, dass es naiver Egoismus ist, sich allein von Ich-Du-Sympathien leiten zu lassen.
Jede/r fühlt sich vom anderen verraten und geht in sein/ihr Extrem, aus dem meist nur noch schwer eine neue Begegnung möglich ist. Denn jede Seite hat eben auch andere vertrauensbildende Maßnahmen, auf deren Grundlage Interesse aneinander neu geweckt werden könnte.
Der Ich-Es-Mensch möchte zunächst sichergestellt haben, dass sie noch auf das gleiche Interessengebiet verabredet sind. Anschließend kann er auch darüber reden, was sie tun können, damit es ihnen auch beziehungsmäßig wieder gut miteinander geht und sie miteinander in Harmonie sind. Wenn das Gegenüber sich bei dieser »Interessen-Klärung« nicht gültig, gemäß dem Bezugsrahmen des Ich-Es-Menschen, positionieren kann, hat dieser auch kein Interesse an der (Neu-) Gestaltung der zwischenmenschlichen Beziehung.
Der Ich-Du-Mensch möchte, gemäß seiner Präferenz, als erstes geklärt wissen, dass er im Gefühlsleben des anderen einen wichtigen Platz einnimmt. Bevor das nicht gesichert ist, erscheint ihm eine Klärung der anstehenden Sache unbedeutend und nicht geeignet, das (Beziehungs-) Problem zu lösen.
Sofern solche Präferenzunterschiede in Partnerschaften vorkommen – solche Menschen heiraten sich gerne, weil jede/r mit dem ›Sinn für Ergänzung‹ gut wählt – gibt es in musterhafter Regelmäßigkeit Beziehungskrisen, in denen sich beide in ihre jeweilige Einseitigkeit zurückziehen. Irgendwie finden sie dann wieder zueinander, oft ohne wirklich Verständnis für das Geschehen zu entwickeln.
Für den Ich-Du-Menschen ist die Beziehung wieder gut, wenn er das Leuchten der Zuneigung in den Augen des anderen wiederentdecken kann. Dann erwacht auch das Interesse an der Zusammenarbeit wieder. Der Ich-Es-Mensch freut sich, wenn die gemeinsame Sache wieder in den Vordergrund rückt und kann sich damit dem Gegenüber auch als Mensch wieder öffnen. Beides geschieht jedoch meist nicht in dem Maße, wie es sich das Gegenüber in neuer Hoffnung wünschen würde – und ein neuer Kreislauf von Erwartung, Stillhalten, Enttäuschung, Groll und Schuldzuweisungen nimmt seinen Lauf.
Viel gelitten wird in dieser Art auch im Bereich sexueller Vollzüge:
Während der Ich-Du-Typ gemeinsam gelebte Sexualität als Ausdruck und Höhepunkt inniger Bezogenheit erlebt und definiert, der viele andere Arten der Annäherung und persönlichen Wertschätzung vorauszugehen haben, ist für den Ich-Es-Typ der sexuelle Vollzug eine lustvolle gemeinsame Sache, die Nähe, Öffnung für den anderen, Tiefe der Gefühle und Bezogenheit erst wachsen lässt. Für ihn/sie wäre dies also eher der Ausgangspunkt intensiver Begegnung und gemeinsamer Entfaltung.
In der Polarisierung fühlt sich der Ich-Du-Typ von einem solchen Anliegen von Ich-Es-Typen bestenfalls »nicht wirklich als Person gemeint«, im schlimmsten Fall »missbraucht«. Darauf reagiert er mit Rückzug oder Hinhalten. Der Ich-Es-Typ hingegen fühlt sich in seiner Orientierung »auf das eine« diskriminiert, oft schuldig, zieht sich nun seinerseits zurück (oder hat bereits die erste Annäherung aufgegeben), sodass auch die langsame Annäherung, die der Ich-Du-Typ bräuchte, damit unterbunden wird. Beide bleiben enttäuscht, manchmal verzweifelt zurück, weil sie trotz redlichen Bemühens keinen Weg finden, der ihnen und dem anderen gerecht wird.
Theoretisch wäre das Zusammenspiel zwischen einem beziehungsorientierten und einem themenorientierten Typ eine ideale Kombination. Jeder trägt ein für eine Beziehung notwendiges Elemente in die Beziehung: Der Ich-Du-Typ stünde für Bezogenheit, der Ich-Es-Typ für ein Thema. Im Konflikt kommt es zwischen diesen Präferenztypen jedoch zu schwer überbrückbaren Auseinandersetzungen, weil jeder Voraussetzungen hat, unter denen er ein Minimum an Vertrauen hat und hofft, das zu bekommen, was er in der Beziehung braucht. Das ist dann so, wie bei gescheiterten Friedensverhandlungen.
Die Lösung kann nur darin bestehen, dass jede/r sich im Laufe seines/ ihres Lebens zunehmend selber klärt:
• Welcher Art ist meine Ich-Es-Orientierung und wie bedeutsam ist sie mir in meinen Beziehungen?
• In welchen Kontexten spielt diese Orientierung eine größere Rolle als in anderen?
• Welcher Art ist meine Ich-Du-Beziehungsseite?
• Wie kann ich beide stimmig mit den jeweils betroffenen Personen und ihren Anliegen zusammenbringen?
Es geht also darum, sich eine Art »Beziehungs-Portfolio« zu gestatten und dieses zu gestalten. Es geht darum, sicherzustellen, dass man nicht von einer Beziehung alles erwartet, denn damit ist jede/r Beziehungspartner/ in überfordert. Nötig ist, dass beide Partner ein echtes Verständnis davon gewinnen, dass sie in dieser Beziehung von ihren Präferenzen und Orientierungen her unterschiedlich sind. Nötig ist auch, dass sie lernen, diese Unterschiede als gleichwertig gelten zu lassen, auch wenn ihnen das immer wieder schwerfallen sollte. Sie müssen anerkennen, dass sie zusammen nur dann auf Dauer bzw. immer wieder harmonieren können, wenn jeder in dem Bereich, der ihn nicht vorrangig interessiert, Denk-, Fühl- und Verhaltensweisen entwickelt, die der andere als für sich genügend befriedigend erlebt, um den eigenen vorrangigen Bereich wahrgenommen, gewürdigt und bedient zu sehen.
Die Schwierigkeit ist, dass Menschen normalerweise kein derartiges pragmatisches Verhältnis zu Beziehungen haben. Sie wollen, dass der andere sie liebt, schätzt und würdigt, wie sie sich selbst würdigen wollen (bzw. dies von einem anderen ersehnen). Auch erteilen sie anderen Würdigung nach ihren Maßstäben und wundern sich, wenn dem anderen die Augen nicht so leuchten, wie sie ihnen selbst leuchten würden, wenn sie eben dies sehen, hören oder fühlen würden.
Das heißt, beide brauchen ein gewisses Maß an Umsicht und Erkennen: Das braucht der andere. Und darauf ist es wichtig, dass ich mich beziehe, um Anschluss an ihn zu gewinnen, nicht zuletzt um meine Präferenz mit ihm leben zu können. Wenn ich meine Vorliebe zuerst und vorrangig durchsetzen will, kann es sein, dass ich den anderen als Menschen oder sein Interesse verliere. Dann fehlt auch die Grundlage für meine Beziehungspflege bzw. die gemeinsame Sache.
In der Annäherung muss sowohl der Ich-Du-orientierte als auch der Ich-Es-orientierte Mensch lernen, von der eigenen Präferenz Abstand zu nehmen und sich auf die Andersartigkeit des Gegenüber einzustellen. Voraussetzung dafür ist, dass beide aufhören, sich gegenseitig in ihren Sicht- und Verhaltensweisen zu diffamieren. Stattdessen müssen sie anfangen, sich von ihren Vorlieben und ihren Hintergründen zu erzählen. Sie müssen lernen, dies ohne Anspruch auf Zustimmung zu tun, nur im Bemühen sich zu verstehen im Sinn einer Bezugsrahmenerweiterung. In einem dritten Schritt wäre zu prüfen, wo jeder dem anderen auf seinem Annährungsweg entgegenkommen kann, obwohl es sich etwas ungewohnt anfühlt und bisher vielleicht intern auch als ›sich etwas vergeben‹ oder ›sich verleugnen‹ gedeutet wurde. So können beide mit der Zeit einen größeren GestaltungsSpielraum in ihrer Beziehung gewinnen, gepaart mit wachsendem Respekt vor der Andersartigkeit und dem Bemühen des anderen um gelingende Begegnung.
Ein wesentlicher Aspekt von Begegnungskompetenz sowohl in privaten als auch in professionellen Beziehungen ist somit das Vermögen, der eigenen Neigung zu widerstehen. Man muss die Kraft aufbringen, maßvoll und integrativ dem anderen soweit entgegenzukommen, wie er es braucht, um seinerseits entgegenkommen zu können. Bei aller Präferenz, die jedem natürlich in seiner Eigenart zusteht, muss man die Bereitschaft entwickeln, sich an die Beziehungsandersartigkeiten des Gegenübers anzuschließen. Dadurch erhält man relative Freiheit in bestimmten Beziehungsebenen und Rahmen.