Kitabı oku: «Gesprochenes Portugiesisch aus sprachpragmatischer Perspektive»
Bernd Sieberg
Gesprochenes Portugiesisch aus sprachpragmatischer Perspektive
Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung 11
Herausgegeben von Daniel Reimann (Duisburg-Essen) und Andrea Rössler (Hannover)
Narr Francke Attempto Verlag Tübingen
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E-Book-Produktion: pagina GmbH, Tübingen
ePub-ISBN 978-3-8233-0089-2
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Inhalt
Danksagung
Agradecimentos
Vorwort vom Herausgeber
Vorwort vom Autor
1. Einleitung
2. Zur Situation der Gesprochenen-Sprache-Forschung in Portugal und Brasilien
3. Benutzte Korpora, Transkriptionen, Abkürzungen und weitere Hinweise
4. Theoretisch-methodischer Rahmen der Untersuchung
5. Beschreibung im Parameter ‚Rolle‘5.1 Sequenzierung der Rede5.1.1 Rederechtssignale5.1.2 Adjazente Strukturen5.1.3 Zusammenfassung5.2 Engführung der Orientierungen5.2.1 Sprachliche und tonale Zeichen zur Engführung5.2.2 Adjazente Strukturen5.2.3 Zusammenfassung5.3 Aggregative Rezeptionssteuerung5.3.1 Operatoren in ‚Operator-Skopus-Strukturen‘5.3.2 Tópicos Marcados5.3.3 Construções de Clivagem5.3.4 Zusammenfassung
6. Beschreibung im Parameter ‚Zeit‘6.1 Aggregative Strukturierung des Informationsflusses6.1.1 Zusammenfassung6.2 Einfache Verfahren der Einheitenbildung6.2.1 Reaktive6.2.2 Zusammenfassung6.3 Zeitgewinn zur Überwindung von Pausen und Formulierungsschwierigkeiten6.3.1 Überbrückungsphänomene6.3.2 Zusammenfassung
7. Beschreibung im Parameter ‚Situation‘7.1 Verfahren zur Markierung von Direktheit in Redewiedergabe7.1.1 Direkte und indirekte Redewiedergabe und die Formen ihres Zusammenspiels7.1.2 Zusammenfassung
8. Beschreibung im Parameter ‚Code‘8.1 Informationsübermittlung durch Einbeziehung von Zeichen …8.1.1 Nonverbale Mittel und graphostilistische Zeichen zur Emotionalisierung des Diskurses8.1.2 Zusammenfassung
9. Beschreibung im Parameter ‚Medium‘9.1 Bildung von Sprecheinheiten9.1.1 Phonische Worte9.1.2 Zusammenfassung
10. Anwendung der Erkenntnisse für den ‚Portugiesisch als Fremdsprachenunterricht‘
11. Schlussbemerkungen
Bibliographische Hinweise
Quellen aus dem Internet
Glossar – Zentrale Begriffe aus der germanistischen GSF und Erklärung auf Portugiesisch
Danksagung
Zunächst einmal möchte ich dem ‚Conselho Científico‘ der ‚Faculdade de Letras‘ der ‚Universidade de Lisboa‘ danken, der mir das Sabbatjahr zugestanden hat, in dem ich mein Buch schreiben konnte. Dieser Dank schließt auch den damaligen Direktor unserer Abteilung, Herrn Professor Gerd Hammer ein, der sich in diesem Sinn für mich eingesetzt hatte.
Sehr wichtig für meine Arbeit war auch die Unterstützung des ‚Centro de Linguística da Universidade de Lisboa‘ (CLUL). Hier danke ich speziell Frau Professorin Amália Mendes, die mir den Zugang zum ‚C-ORAL-ROM-Korpus‘ ermöglicht hat und mir bei einigen Zweifeln mit ergänzenden Informationen zur Seite gestanden hat.
Ein weiteres „Dankeschön“ gilt Herrn Prof. Hardarik Blühdorn vom IDS Mannheim, ohne dessen Insiderwissen es mir nicht möglich gewesen wäre, das ‚Kapitel 2‘ „Zur Situation der Gesprochenen-Sprache-Forschung in Portugal und Brasilien“ in dieser Ausführlichkeit zu schreiben.
Mein ganz besonderer Dank aber gilt Herrn Conrad Schwarzrock. In einer ganz entscheidenden Phase meiner Arbeit, in der sich die Probleme dermaßen anhäuften, dass ich – auch aus gesundheitlichen Erwägungen – nahe daran war, von meinem Projekt Abstand zu nehmen, hat Herr Schwarzrock es verstanden, mir Mut zu machen und mir neue Motivation für die Weiterführung meiner Arbeit verliehen. Außerdem hat Herr Conrad Schwarzrock meine Texte gegengelesen und sie von sprachlichen Fehlern und stilistischen Unebenheiten befreit. Ohne seine Hilfe würde der Text in der Form, wie er jetzt vorliegt, nicht existieren.
Zum Schluss richtet sich mein Dank noch an Prof. José Pinto de Lima von der Germanistischen Abteilung der ‚Faculdade de Letras de Lisboa‘, der mir mit Ratschlägen und Korrekturen bei der Ausarbeitung des Glossars behilflich war.
Agradecimentos
Em primeiro lugar, gostaria de agradecer ao Conselho Científico da Faculdade de Letras da Universidade de Lisboa por me ter concedido a licença sabática anual, que me permitiu escrever o meu livro. Agradeço também ao Prof. Doutor Gerd Hammer, Diretor do nosso Departamento de Estudos Germanísticos, pelo seu apoio institucional.
Agradeço ainda o apoio do ‚Centro de Linguística da Universidade de Lisboa‘ (CLUL), que foi decisivo para a realização do meu trabalho. Agradeço em especial à Prof.ª Doutora Amália Mendes, que possibilitou o acesso ao Corpus ‚C-ORAL-ROM‘ e me ajudou com as suas informações.
Agradeço ainda ao Prof. Doutor Hardarik Blühdorn do IDS de Mannheim; sem o seu contributo de especialista não me teria sido possível escrever com tanto detalhe o ‚capítulo 2‘ „Sobre a situação do estudo da língua falada em Portugal e no Brasil“.
Ao Dr. Conrad Schwarzrock cabe um agradecimento muito especial. Numa fase decisiva do meu trabalho, em que os problemas se acumularam de tal forma que, também por razões de saúde, estive perto de abandonar o meu projeto, o Dr. Schwarzrock soube dar-me coragem e uma nova motivação para continuar o meu trabalho. Além disso, o Dr. Schwarzrock reviu os meus textos, eliminando falhas na grafia e no estilo. Sem a sua ajuda, o texto não teria a forma final, que agora apresenta.
Agradeço ainda ao Prof. Doutor José Pinto de Lima do Departamento de Estudos Germanísticos da ‚Faculdade de Letras da Universidade de Lisboa, que me ajudou na elaboração e revisão do ‚glossário‘.
Vorworte von Herausgeber und Autor
War die linguistische Pragmatik für die „kommunikative Methode“ des Fremdsprachenunterrichts der 1970er Jahre eine zentrale Bezugsdisziplin, so verlor sie in den folgenden Jahrzehnten nicht nur innerhalb der linguistischen Forschung, sondern auch in der Fremdsprachenforschung zunächst an Bedeutung. Trotz grundlegender Beibehaltung des kommunikativen Grundanliegens, das freilich nicht mit letzter Konsequenz verfolgt wurde, wurden andere Handlungs- und Forschungsfelder wie Lernerorientierung und Interkulturalität zentral für die Theoriebildung und Erforschung fremdsprachlicher Lehr-/Lernprozesse der 1980er und 1990er Jahre.
Erst in den vergangenen fünfzehn Jahren wurde der Fremdsprachenunterricht, man mag ihn in einem Versuch der Historisierung als neokommunikativ bezeichnen, in der Folge der Veröffentlichung des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen, unter den Vorzeichen von Bildungsstandards und „Mündlichkeit“ wieder gezielt und beinahe vorrangig an den funktionalen kommunikativen Kompetenzen ausgerichtet. Der linguistischen Pragmatik kommt daher als wesentlicher Bezugsdisziplin der Fremdsprachendidaktik seit etwa der Jahrtausendwende in zunehmendem Maße wieder an neuerlicher Bedeutung zu. Dieser Bedarf wird indes derzeit weder von der Linguistik in ausreichendem Maße bedient noch von der Fremdsprachenforschung in dem eigentlich wünschenswerten Maße nachgefragt.
Die portugiesische Sprache scheint ihrerseits in den deutschsprachigen Bildungssystemen eine vollkommen vernachlässigte Größe zu sein: Portugiesisch spielt an den Schulen nur eine marginale Rolle – die Zahl der Schulen, an denen Portugiesisch als Fremdsprache als Leistungskurs belegt werden kann, beläuft sich in der gesamten Bundesrepublik Deutschland auf unter zehn. An den Universitäten gestaltet sich die Situation nicht merklich besser, hier wurde das Ausbildungsangebot seit den 1990er Jahren, als es nicht zuletzt in der Folge des EU-Beitritts Portugals zunächst eine Ausweitung erfahren hatte, tendenziell eher reduziert. Unabhängig von der kulturellen Bedeutung Portugals für Europa, Brasiliens, Angolas und weiterer lusophoner Regionen müssten gerade auch heute so häufig angeführte ökonomische Argumente eigentlich eine stärkere Berücksichtigung des Portugiesischen im deutsch(sprachig)en Bildungswesen anregen: zwar ist das Spanische als Weltsprache unumstritten, das Französische scheint als bevorzugte Partnersprache innerhalb Europas gerade angesichts der Krise(n) Europas unbedingt auch politisch wieder zu stärken, und das Italienische als Landessprache eines der bedeutendsten Wirtschaftspartners Deutschlands (wiederum ungeachtet der essentiellen kulturellen Bedeutung Italiens für Europa) verdient ebenfalls mehr Beachtung als es derzeit erhält. Dennoch: Portugiesisch ist mit Abstand die am zweit meisten gesprochene romanische Sprache – deutlich vor dem Französischen und Italienischen –, Brasilien ist beinahe hälftig am deutschen Außenhandelsvolumen mit Lateinamerika beteiligt, Angola ist eine schillernde, aber unübersehbare Größe innerhalb Afrikas. Bei allem Respekt für das Französische, Spanische und Italienische: Das Portugiesische sollte im deutschsprachigen Raum auf jeden Fall mehr Augenmerk erfahren, mehr erlernt und beforscht werden, als dies im Moment der Fall ist.
Vor diesem Hintergrund ist es äußerst begrüßenswert, dass sich mit Bernd Sieberg ein seit über drei Jahrzehnten an der Universität Lissabon tätiger germanistischer Linguist der Aufgabe verschrieben hat, beide aufgezeigte Desiderata miteinander zu verbinden: das vorliegende Werk stellt letztlich den Entwurf einer linguistischen Pragmatik am Beispiel des Sprachenpaars Deutsch und Portugiesisch mit einer Perspektivierung auch auf die Sprachvermittlung dar. Es bereichert die Pragmatik des Portugiesischen und den Portugiesischunterricht um ein beeindruckendes Kompendium.
Dass Bernd Sieberg sein Werk der Reihe Romanistische Fremdsprachenforschung und Unterrichtsentwicklung zur Verfügung gestellt hat, freut mich sehr. Ich wünsche dem Band die breite Rezeption innerhalb der linguistischen Pragmatik, der Lusitanistik und der Fremdsprachenforschung, die er verdient!
Essen, im Januar 2018 Daniel Reimann
Das Interesse an der gesprochenen Sprache und ihrer Erforschung begann zur Zeit meiner akademischen Ausbildung als Germanist mit dem Schwerpunkt Sprachwissenschaft, die ich in Deutschland an der Universität Bonn in den Jahren von 1973 bis 1983 erfahren habe. Dort nahm ich bereits in den späten 70er Jahren an einem Projekt zur Erforschung der gesprochenen deutschen Sprache teil1. Sowohl die schriftliche Arbeit zu meinem Ersten Staatsexamen von 1980 als auch meine Dissertation von 1983 hatten die gesprochene Sprache und den Gebrauch der Vergangenheitstempora ‚Perfekt und Imperfekt‘ zum Thema. Dann begann ich 1984 meine Arbeit als DAAD-Lektor an der Germanistischen Abteilung der ‚Faculdade de Letras da Universidade de Lisboa‘ (FLUL). In diesen Jahren hat mich mein Interesse an der ‚Gesprochenen Sprache Forschung‘ (GSF) immer begleitet und mich auch in den fast zwei Jahrzehnten meiner Tätigkeit als Lektor – die ersten fünf Jahre als DAAD-Lektor – immer wieder zu kleineren Arbeiten in diesem Forschungsbereich veranlasst, obwohl ich in Lissabon meine Zeit und Energie überwiegend dem Unterricht der deutschen Sprache widmete.
Das Interesse an vergleichenden Arbeiten ‚Deutsch-Portugiesisch‘ erwachte erst relativ spät Anfang der 2000er Jahre, zu einer Zeit, als sich mit der Anerkennung meines deutschen Doktorexamens mein akademischer Status in Portugal änderte. Damit ergab sich auch die Möglichkeit, erneut mehr in meine Forschungstätigkeit zu investieren. Die Ausgangslage eines Dozenten zwischen zwei unterschiedlichen Sprachkulturen und Wissenschaftstraditionen führten dann auch wie selbstverständlich zu einer Reihe von Studien im kontrastiven Bereich ‚Deutsch-Portugiesisch‘2. Meiner persönlichen Überzeugung zufolge handelt es sich bei diesem Schritt in Richtung vergleichende Sprachforschungen nahezu um eine Pflicht für Akademiker, die das Privileg genießen, parallel an zwei verschiedenen Sprach- und Wissenskulturen teilhaben zu dürfen.
In derselben Phase meiner beruflichen Laufbahn ergab es sich durch persönliche und eher zufällige Kontakte, dass ich das Modell des Nähe- und Distanzsprechens von Ágel / Hennig kennenlernte, das sich wiederum an dem der Romanisten Koch / Oesterreicher ausrichtet und sich m.E. aktuell als herausragendes ‚Werkzeug‘ zur systematischen Beschreibung gesprochener Sprache gerade und besonders auch für kontrastive Studien erweist3. Dieses Modell und seine Vorstellungen sollten von diesem Zeitpunkt an einen Großteil meiner weiteren Arbeit im Bereich der Sprachwissenschaft und auch im Bereich kontrastiver Studien orientieren. Auch für die vorliegende Arbeit bildet es die methodisch-konzeptuelle Basis.
Bei der Beschäftigung mit der GSF des Portugiesischen wurde relativ schnell deutlich, dass es unterschiedliche geopolitische Ausgangssituationen und Forschungstraditionen sind, die einen entscheidenden Einfluss auf die GSF ausüben. Die Bundesrepublik der 70er Jahre war auch im akademischen Bereich wesentlich geprägt durch die Nachwehen der Aufbruchsstimmung der 68er Generation und die sozialliberale Koalition zwischen SPD und FDP der frühen 70er Jahre, die sich an Ideen wie ‚Mitbestimmung‘, ‚Bildungsreform‘ und ‚sozialer Gerechtigkeit‘ ausrichtete. Die Auswirkungen einer entsprechenden Bildungs- und Hochschulpolitik sowie die zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel rückten auch in der Germanistik und Linguistik – von nun an gebrauchte man statt des antiquierten Begriffs der ‚Sprachwissenschaft‘ bevorzugt den der ‚Linguistik‘ – neue Forschungsschwerpunkte und Projekte in den Vordergrund von Lehre und Forschung, zu denen neben der Soziolinguistik auch die Dialektologie sowie die gesprochene Sprache gehörten. Darum kann es nicht verwundern, dass die GSF in den folgenden 80er Jahren und bis heute enorme Fortschritte gemacht hat und sozusagen als ein Aushängeschild germanistischer Forschungen angesehen werden darf. Mit dem ‚Institut für Deutsche Sprache‘ (IDS) in Mannheim und seinen in den letzten Jahren aufgebauten Korpora zur gesprochenen Sprache4 besteht zudem eine ideale Ausgangsposition für Korpus basierte Forschungen auf dem Gebiet der germanistischen GSF.
Bedingt durch die unterschiedlichen politischen und soziogeographischen Rahmenbedingungen – die portugiesische Nelkenrevolution von 1974 lag erst gerade einmal zehn Jahre zurück – befand sich die Erforschung des gesprochenen Portugiesisch Mitte der 80er Jahre in einer gänzlich anderen Situation, die sich kurz folgendermaßen beschreiben lässt. Linguistische Ansätze zur Soziolinguistik, die mittel- oder unmittelbar auch die gesprochenen Sprache (GS) in den Aufmerksamkeitsfokus gerückt hätten, waren in Teilen der älteren aber immer noch einflussreichen Generation portugiesischer Philologen auch noch Jahre nach der Revolution verpönt, wie eine Formulierung von Scott-Rosin (1984, 259) verdeutlicht:
Zudem verstellte lange Zeit die Vorstellung von einer diastratisch relativ homogenen portugiesischen Sprache, die vor 1974 aus ideologischen Gründen gefördert wurde, den Blick auf die tatsächlichen sprachlichen Varianten und verhinderte damit die notwendige Diskussion um die Sprachnorm.
Einer Öffnung für eine Beschäftigung mit dem aktuellen mündlichen Sprachgebrauch schien auch das Selbstverständnis vieler portugiesischer Philologen skeptisch gegenüberzustehen, wie bereits Boléo 1954 beklagte (Boléo 1974, 269): „O estudo da linguagem viva, actual, tem sido impedido, nalguns países, designadamente Portugal, por um lamentável preconceito: o de que o filólogo se deve debruçar principalmente sobre assuntos antigos“.
Trotzdem begann 1970 relativ früh die Arbeit an einem ersten Korpus des gesprochenen Portugiesisch, deren Ergebnisse vom ‚Centro de Linguística da Universidade de Lisboa‘ (CLUL) unter dem Titel ‚Português Fundamental. Métodos e Documentos‘ 1987 publiziert wurden. Die Erstellung weiterer Korpora und Studien auch zur gesprochenen Sprache folgten in Portugal aber besonders auch in Brasilien (siehe auch Kapitel 2). Dass es trotzdem immer noch an Erkenntnissen zum gesprochenen Portugiesisch mangelt und bestimmte Aspekte dieses Forschungsbereichs unberücksichtigt blieben bzw. unter einem methodisch-konzeptionellen Ansatz erfolgen, der wenig zur ihrer Erhellung beiträgt, hat m.E. verschiedene Gründe. Zu ihnen zählen, dass die entsprechenden Korpora vorrangig Studien zur Phonetik und Geolexikologie dienen. Dieser von der portugiesischen Forschung eingeschlagene Weg wird allerdings vor dem Hintergrund der historischen Entwicklung und geographischen Situation Portugals mit seiner Vielzahl von diatropischen Varianten außerhalb des Kontinentalportugiesischen durchaus verständlich.
Den Hauptgrund für das Desiderat aber sehe ich in der Vergangenheit einer Forschungstradition, die sich in den letzten Jahrzenten recht einseitig formal-strukturalistischen Konzepten der Sprachbeschreibung – unter den gegebenen politischen Umständen jener Zeit aus Gründen ihrer ideologischen Unverfänglichkeit vielleicht auch verständlich5 – verschrieben hatte, die in angloamerikanischen Vorbildern ihre historischen Wurzeln haben, wobei ein Blick in die bis dato herausgegebenen Referenzgrammatiken zur portugiesischen Sprache 6 genügt, um diesen Eindruck zu bestätigen. Andere Perspektiven auf ‚Sprache‘ hingegen werden vernachlässigt. Dazu gehört die mit der Pragmatik verbundene Sicht, die eine Einbindung von Sprechen in reale Situationen und die hieraus erwachsenen sprachlichen Beschränkungen und Möglichkeiten zum Ziel ihrer Untersuchungen machen würde. Genauso bleibt die Beschreibung derjenigen sprachlichen Mittel weitgehend unbeachtet, die der Herstellung und der Regelung von sozialen Beziehungen zwischen den Gesprächspartnern und ihren Interessen dienen, bzw. sie findet keinen Einlass in die entsprechenden Grammatiken.
Trotz dieser Umstande bin ich mir der Außergewöhnlichkeit und vielleicht auch des Risikos bewusst, ein methodisches Konzept samt seiner Grundbegriffe und Terminologie, das seinen Ursprung in der germanistischen Sprachwissenschaft hat und bisher vornehmlich auf die Erscheinungen der deutschen Sprache angewandt wurde, auf das Portugiesische zu übertragen. Die oben beschriebenen Desiderate, die Universalität des von mir benutzten Erklärungsmodells sowie die Überzeugung, dass Forschungstätigkeit eine ihrer wichtigsten Aufgaben darin sehen sollte, die Grenzen zwischen unterschiedlichen Ländern, Sprachen und Wissenschaftstraditionen zu überwinden, verleihen mir jedoch die Überzeugung richtig zu handeln. Hinzu kommt, dass ich meine Arbeit in erster Linie als Vorschlag verstehe, die bereits gewonnenen Erkenntnisse, die inzwischen durch portugiesisch-brasilianische Forschungen zur gesprochenen Sprache zusammengekommen sind, auf der Basis eines zusätzlichen Konzepts systematisch zu ordnen und ihnen eine zusätzliche Ausgangsposition für zukünftige Arbeit zur Seite zu stellen. Damit verbinde ich die Hoffnung, dass es auf diesem Weg gelingen könnte, gesprochenem Portugiesisch zukünftig die Einschätzung und den Stellenwert zukommen zu lassen, die dieser Variante verbaler Verständigung wirklich angemessen ist.
Interessierte portugiesische Leser werden sich zudem, falls sie nicht über genügend Deutschkenntnisse für eine entsprechende Lektüre dieses Buches verfügen, mit Fug und Recht die Frage stellen, warum ich dieses Buch nicht auf Portugiesisch geschrieben habe und somit einem weitaus größeren Leserkreis zugänglich hätte machen können. Tatsächlich war dieses auch mein ursprüngliches Ziel. Ein portugiesischer Text wäre tatsächlich sinnvoller gewesen: Dieses Vorgehen kann ich nur so rechtfertigen, dass ich auch bereits viel Aufwand und Energie in eine portugiesische Version meiner Arbeit gesteckt hatte. Diese Arbeit war gekennzeichnet durch zeitraubendes und teilweise problematisches Übersetzen von zahlreichen Vorstellungen, Begriffen und Termini, die ihren Ursprung in der germanistischen GSF haben. Die ersten Kapitel hatte ich trotzdem bereits auf Portugiesisch geschrieben, bis zu dem Zeitpunkt, an dem meine zweisprachige Assistentin und potentielle Mitautorin aus dem Projekt ausstieg. Angesichts der bereits vorangeschrittenen Zeit – ich musste mein Sabbatjahr zur Arbeit am Buch nutzen und hatte im Bemühen um eine portugiesische Version meines Buches bereits viel Zeit verloren und Energie eingebüßt – blieb mir keine andere Wahl, als im Widerspruch zu meinem ursprünglichen Plan das Buch auf Deutsch weiterzuschreiben7.
Natürlich schränkt ein Buch, das auf Deutsch sprachliche Erscheinungen des Portugiesischen beschreibt, den potentiellen Leserkreis erheblich ein. Als mögliche Nutznießer für ein Buch, das auf Deutsch (Metasprache) sprachliche Ausdrücke und Strukturen des Portugiesischen (Objektsprache) analysiert, verbleiben aber immerhin noch Lehrende und Lernende aus dem Bereich der Romanistik und komparatistischen Linguistik an deutschen, portugiesischen, brasilianischen sowie anderen ausländischen Universitäten. Dabei wird allerdings vorausgesetzt, dass diese potentiellen Leser über hinreichende Sprachkompetenz in beiden Sprachen verfügen.
Zum Schluss dieses Vorwortes sei mir noch folgende kritische Bemerkung erlaubt, die im Zusammenhang mit dem in diesem Beitrag angestrebten Ziel einer Wissensvermittlung zwischen unterschiedlichen Wissenschaftstraditionen steht. Es ist unbestritten, dass inzwischen Englisch als ‚Lingua Franca‘ bei internationalen Konferenzen und anderen Formen wissenschaftlicher Zusammenkünfte die Rolle zukommt, als ‚Vehikel‘ das Verständnis zwischen Teilnehmern unterschiedlicher Länder und Sprachen zu ermöglichen. Diese Leistung betrachte ich allerdings mit einem gewissen Vorbehalt. Wenn man von einem Begriff des ‚Verstehens‘ ausgeht, wie es Diltheys8 für den Begriff der Geisteswissenschaften definiert, setzt ein solches Verstehen voraus, dass dieser Wissenstransfer von Wissenschaftlern – im hier vorliegendem Fall sind speziell Sprachwissenschaftler gemeint – vorgenommen wird, die ihre Erkenntnisse auf der Grundlage von Begriffen vermitteln, die sich bei ihnen selber als Ergebnis ihres sinnlichen Nacherlebens und kognitiven Nachvollziehens der zu thematisierenden sprachlichen Phänomene herausgebildet haben. Diese Voraussetzung gilt für den Bereich beider Sprachen und Wissenschaftstraditionen, zwischen denen ein solcher Transfer vorgenommen werden soll. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ein Linguist, der wie ich in der germanistischen GSF ‚groß geworden ist‘ sich das Ziel setzt, den Begriff ‚Überbrückungsphänomene‘ mittels des Begriffs ‚hesitações‘ ins Portugiesische zu übersetzen, sollte er in der Lage sein, diesen Begriff in beiden Sprachen und Wissenschaftstraditionen sowohl ‚kognitiv‘ als auch ‚sinnlich‘ nachzuvollziehen. Nur so kann es ihm gelingen, wirklich passende Begriffe einander zuzuordnen. Dazu gehört die Kenntnis der theoretischen Kontexte (Sekundärliteratur), in denen diese Begriffe jeweils gebraucht werden. Bedingung für ein solches ‚Verstehen‘ im Sinne Diltheys ist es aber auch ‚nachzuempfinden‘ zu können, welche Assoziationen Begriffe und Termini der Sprachwissenschaft auslösen, wenn sie von deutschen bzw. portugiesischen Muttersprachlern gebraucht werden. Der oberflächliche Wissenstransfers durch einen dritten vermittelnden Begriff wie den des englischen ,hedges words‘ stellt m.E. dabei nur eine Ausflucht und Scheinlösung dar. Er garantiert keineswegs, dass portugiesische Sprecher wirklich verstehen, was nun mit dem deutschen Begriff ‚Zögerungssignal‘ gemeint ist, wenn sie ihn über den Umweg des Begriffs ‚hedges words‘ kennenlernen. Auch aus dieser Perspektive gewinnt die vorliegende Arbeit an Bedeutung und rechtfertigt die viele Mühe und Zeit, die ich in sie investiert habe.