Kitabı oku: «Jenseits der Tür», sayfa 2
Der Friedhof
Wie jeden Tag zur selben Zeit hatte ich meinen Lieblingsplatz auf dem Friedhof eingenommen. Ich wartete auf den seltsamen Mann, der mir, seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte. Ein Verdacht hatte sich in mir ausgebreitet und ich wollte der Sache nun endlich auf den Grund gehen. Es war ein überraschend warmer Frühlingsspätnachmittag und die Sonne stand tief am Himmel. Vögel zwitscherten, die Hecke, die Sträucher und die Bäumchen auf den Gräbern, alles hatte bereits das erste zarte Grün hervorgebracht. So saß ich da und wartete.
Die Bank, auf der ich für gewöhnlich saß, steht an einem sanft ansteigenden Hang, an einem breiten Weg zwischen den Grabreihen und bietet eine schöne Aussicht über den Friedhof.
Von hier konnte ich gut den Eingang sehen, während sich hinter mir die älteren Gräber, vor allem die Grüfte der vornehmeren Familien, bis zu einer dicht gewachsenen Hecke erstrecken.
Ich mochte den vorderen Teil, der auf den ich gerade sehe. Es ist der freundlichere Teil an diesem Ort. Die älteren Gräber sind oft ungepflegt. Häufig wurden die letzten Mitglieder der dort bestatteten Familien schon vor langer Zeit beigesetzt. Wilde Pflanzen hatten sich ihre Plätze gesucht. Aus zersprungenen Grabplatten wuchs Löwenzahn, wilder Efeu und anderes Gestrüpp und Unkraut. Dicke Wurzeln hatten Grabeinfassungen sowie Grabsteine verschoben. Bei Nebel und nachts war es ein unheimlicher Ort. Ich mied ihn, so gut es ging.
Während ich so meinen Gedanken nachhing, hatte ich ihn und sein plötzliches Erscheinen, wie gewöhnlich, nicht bemerkt. Er musste über die Gabe verfügen, sich völlig lautlos an Menschen heranpirschen zu können. Was für ein ausgezeichneter Jäger er doch geworden wäre.
"Wie geht es Ihnen heute?", fragte er ohne seinen Blick von der sich uns bietenden Aussicht abzuwenden. Ebenfalls wie üblich hatte er Brotkrumen in einer Papiertüte für die Vögel dabei. Seine Linke griff automatisch hinein und verstreute mit jedem Wurf eine kleine Menge Krümel auf dem kiesigen Weg. Vögel aller Art versammelten sich augenblicklich um uns und ein wildes Durcheinander an Geräuschen umgab uns. Nach einer kurzen Weile, wir hatten uns während der Fütterung leise verhalten, waren die Brotreste aufgebraucht und die letzten Vögel pickten nach vereinzelten Krumen trockenen Brotes, sagte mein Gast:
"Sie sind jeden Tag hier!"
Eine Feststellung.
"Sie wissen es doch. Sie sind es doch auch!"
"Ja, das stimmt."
Wir schwiegen wieder. Dann:
"Aber wissen Sie, ich hab keine Wahl."
"Ach?"
"Ich bin an diesen Ort gebunden, aber warum kommen Sie Tag für Tag hierher?"
"Wissen Sie, ich habe da eine Theorie."
"Ach? Wollen Sie diese mit mir teilen?"
Ich betrachtete meinen Freund, denn als solchen sah ich ihn nach unseren vielen Gesprächen, die wir an diesem Ort, auf dieser Bank geführt hatten, und antwortete:
"Sie sind das Objekt meiner Theorie!"
"Ich?"
Er lachte und er griff in seinen Mantel, um eine Pfeife herauszuholen. Er drückte den Tabak fest, entzündete ihn mit einem Streichholz und zog genüsslich daran. Weißer Rauch drang aus seiner Nase und seinem Mund. Da er schwieg, redete ich weiter:
"Ich habe mir über Sie eine Theorie zurecht gebastelt und hoffe, Sie können diese bestätigen oder widerlegen."
"Ich werde es versuchen!", schmunzelte er und zog wieder an seiner Pfeife.
"Also? Ich höre?"
"Sie sagen, Sie seien an diesen Ort gebunden. Warum?"
"Wir alle müssen doch zu einem Ort gehören."
"Aber ein Friedhof?"
"Auch nicht schlechter als andere Orte."
"Aber auch nicht besser!"
"Das sagen ausgerechnet Sie? Welche Orte meiden Sie, dass Sie so oft zu mir auf den Friedhof kommen?"
Ich dachte kurz nach. War es so? Mied ich andere Orte und fand mir keinen Besseren als einen Friedhof? Ein kühler Wind strich durch die langen Reihen der Gräber und mich fröstelte.
"Ich kann heute nicht lange bleiben.", sagte mein Freund.
"Ach?"
"Hab noch was zu erledigen."
Er stand auf, sah mich kurz an und meinte:
"Sie sollten auch gehen. Kommen Sie nicht mehr hierher. Es ist kein guter Ort zum Verweilen!"
"Kein guter Ort? Es ist friedlich hier. Ich mag die Aussicht. Ich werde noch ein wenig hier sitzen."
"Aber die Sonne geht unter."
"Denken Sie, ich habe Angst im Dunkeln?"
"Haben wir das nicht alle? Angst im Dunkeln?"
"Sie sprechen da nicht für mich."
"Dann hören Sie auf meinen Rat: Meiden Sie den Friedhof. Gehen Sie. Am besten sofort und um Gotteswillen, niemals sollten Sie nachts hier sein."
"Sie sind ein abergläubischer Mensch?"
"Ich bin ein vorsichtiger Mensch."
Er erhob sich, sah mich an, sagte:
"Nun, ich hoffe wir sehen uns morgen wieder?"
"Davon gehe ich aus. Übrigens?"
"Ja?"
"Wie heißen Sie?"
"Meinen Namen wollen Sie wissen?"
"Wir kennen uns nun schon eine Weile und ich halte meine Frage nicht für vermessen. Nun?"
"Seamus. Seamus O"Dara."
"Seamus also. Und?"
"Was denn noch?"
"Wollen Sie denn gar nicht wissen, wie ich heiße?"
"Frank. Frank Dooley! Guten Abend."
Damit verließ er mich und ich betrachtete noch eine Weile die Sonne, wie sie hinter dem Horizont verschwand. Woher kannte Seamus meinen Namen? Ich hatte ihm sicher bei einer früheren Begegnung meine Visitenkarte gegeben.
Wolken zogen auf und aus dem feuchten Boden kroch ein klammer Nebel. Die Vögel waren verstummt und wichen nun den Tieren der Nacht.
Ich musste eingenickt sein, denn als ich wieder zu Sinnen kam, war es stockfinster. Aus der Hecke hinter mir hörte ich einen Kauz rufen. Der Nebel stand jetzt dichter und der Mond konnte kaum durch die Wolken dringen. Das wenige Licht ließ die Grabsteine lange Schatten werfen.
Ich erhob mich, sah mich um. Ärger wallte in mir auf. Wollte ich doch bei Tageslicht meiner Theorie nachgehen. Mir war kalt und es war dunkel und während ich so fröstelnd dastand und meine Hände durch heftiges Aneinanderreiben zu wärmen versuchte, hatte ich einen Einfall. Ich ging zu einem der Gräber, sah mich kurz um und griff nach der kleinen Laterne mit der flackernden Kerze, die jemand für seinen verstorbenen Liebsten zurückgelassen hatte. Es war nicht viel Licht, aber für meine Zwecke war es mehr als ausreichend. Ich wollte gerade losgehen und meinen Plan umsetzen, als ich ein lautes Knacken hörte. Es kam von hinter mir, aus dem älteren Teil des Friedhofs. Sofort fuhr ich herum und blickte ängstlich in die Dunkelheit. Wie sehr doch der Mut, den wir bei Tageslicht haben, in der Dunkelheit archaischen Ängsten weicht!
Das spärliche Licht der Kerze drang nur wenige Schritte weit in die Dunkelheit vor. Da! Wieder ein Knacken. Diesmal aber rechts von mir. Wieder fuhr ich herum und machte einen Schritt zurück. Dann lauschte ich, wagte kaum, zu atmen. Nach wenigen Herzschlägen entließ ich die Luft meinen Lungen und schalt mich einen Toren. Ich lächelte. Hatte mich der alte Seamus mit seiner Angst vor Friedhöfen angesteckt? Sicher nicht. Wahrscheinlich trieb ein Dachs sein Unwesen auf diesem Friedhof.
Ich besann mich auf meinen Plan und wollte diesen mit System umsetzen. Zunächst wollte ich, beginnend mit den Gräbern in der Nähe des Tores, alle Reihen abgehen. Der Name, den ich suchte, war mir nun bekannt. Seamus O"Dara! Ich war mir sicher, dass es sich bei ihm nur um ein Gespenst handeln konnte. Er erschien jeden Tag zur gleichen Zeit, sprach ein paar Worte um dann wieder zu verschwinden. Niemals sah ich ihn den Friedhof betreten oder diesen verlassen und niemals hatte ich gesehen, dass er etwas anderes als seine Pfeife zu sich genommen hätte. Und heute bestätigte er meine Theorie, als er sagte, er sei an diesen Ort gebunden. Mich selbst für meinen Scharfsinn beglückwünschend, war ich am Tor angelangt. Es war leider verschlossen, so dass ich, um den Friedhof später verlassen zu können, vermutlich über die Mauer klettern oder durch die Hecke im älteren Teil schlüpfen musste.
Vor mir erstreckten sich zahllose Gräber. Einige davon schön bepflanzt, andere wiederum waren verwahrlost. Nicht so schlimm, wie diejenigen oben, aber offensichtlich kümmerte sich hier jemand nur halbherzig um seine Verstorbenen.
Ich strich durch die Reihen und ließ den kleinen Lichtkegel der Laterne über die eingravierten Namen gleiten. Soweit ich auch schaute, es gab keinen Seamus O"Dara. Nach ungefähr eineinhalb Stunden hatte ich den gesamten jüngeren Teil des Friedhofs abgesucht. Es blieb nur noch der alte Teil mit seinen Grüften.
Ich drehte mich um und besah das Feld mit seinen Mausoleen, verfallenen Gräbern und verwachsenen Bäumen. Ein wildes Durcheinander bot sich meinem Blick und das kleine Licht, dass ich bei mir hatte, machte es nur noch schlimmer. Worauf sein Schein auch fiel, es verwandelte sich kraft meiner Vorstellung in bewegte Bilder, Kreaturen und Fratzen. Ja, ich gestehe es, ich hatte Angst bekommen. Meine Suche war erfolglos verlaufen. Was hatte ich mir dabei nur gedacht? Ein Gespenst? Wahrscheinlicher war, dass er mich nur verwirren wollte, dass er sich einen Streich mit mir machen wollte, als er sagte, er sei an diesen Ort gebunden. Er hatte geahnt, was ich im Schilde führte. Er musste sich über mich informiert haben. Es gab ja nur mich, Frank Dooley, der größte Spiritist der Stadt, der öffentlich gewettet hatte, bei seinen Séancen ein echtes Gespenst auftreten zu lassen. Nur war mir dies bislang nicht gelungen. Bis heute. Heute hätte ich ihn finden können - den endgültigen Beweis. Eine Séance auf dem Friedhof zur rechten Zeit am rechten Ort, das Erscheinen des alten O‘Dara, es hätte sich alles gefügt.
Was war das?
"Hallo? Ist da jemand?"
Erschrocken von einem knurrenden Geräusch war ich herumgefahren und ließ den Kegel der Laterne die Dunkelheit vor mir erhellen. Es war aber nichts zu sehen.
Da war es wieder!
Hinter diesem Grab. Ganz eindeutig ein Knurren! War es ein Hund, der hier nach Knochen grub? Nun, warum auch nicht? Knochen gab es hier in allen Größen und Formen zuhauf!
"Ksch! Kschksch!", machte ich und warf mit ein paar Kieseln auf den Grabstein, hinter dem ich das Geräusch vermutete.
Da bewegte sich etwas. Es kam aus dem Schatten des Grabsteins getreten.
Auf das, was sich nun aus der Dunkelheit schälte, war ich nicht vorbereitet:
Eine Kreatur, etwas größer als ein Hund, auf alle viere gebeugt trat vor mir auf den Weg. Die Hinterbeine waren lang und knickten in der Mitte unnatürlich ab. Seine Vorderläufe waren kürzer, aber kräftig und endeten in Messerlangen Krallen. Der Kopf der aberwitzigen Kreatur war lang und schmal mit spitzen Ohren wie der eines Schakals. Doch es fehlten die Augen! Eine lange, gespaltene Zunge hing aus seinem Maul, in dem mehrere Reihen gelber Zähne, nass vom Speichel, im Schein der Laterne glänzten. Was bei allen Engeln war dies für ein Monstrum? Kein Haar am ganzen Körper, der fahlrosa schimmerte. Unter der Haut sah man bei jeder Bewegung die Muskeln zittern. Es knurrte und seine Zunge zuckte wie die einer Schlange aus seinem Mund. Nahm es Witterung auf? Die fehlenden Augen ließen mich folgern, dass es sich um eine nachtaktive Kreatur handeln musste. Aber was war es?
Ich wich zurück und sah mich nach etwas um, das ich als Waffe benutzen konnte. Aber ich konnte nichts erkennen. In meiner Not griff ich nach einem Stein und wollte ihn bereits nach der Kreatur werfen, als ich bemerkte, dass es sich um einen Schädel handelte. Es war ein Schädel, der zum Teil noch von Fleisch bedeckt war. Da sah ich das Blut an den Krallen des Wesens. Es schwang seinen Kopf nach links und rechts, die Zunge zuckte und schmeckte in der Luft. Dann setzte es sich in Bewegung und kam geradewegs auf mich zu. Langsam. Sein Knurren wurde lauter und ich wich schneller zurück. Ich umrundete das Grab, hinter dem ich die Kreatur aufgeschreckt hatte, und sah zu meinem Entsetzen, dass es zur Hälfte aufgescharrt worden war und Stücke eines Menschen, zum Teil verfault und zum Teil gefressen, in der aufgewühlten Erde lagen. Von hier war also dieser Schädel. Ich hatte das Monstrum bei seinem nächtlichen Mahl gestört. War dieses grässliche Etwas der Grund, weshalb mich Seamus warnte, die Nacht hier zu verbringen? Es konnte mich wittern und folgte mir. Ich schlich von Grabstein zu Grabstein, rüttelte an verrosteten Ketten vor alten Türen, die Zugänge zu Grüften sicherten. Es war sinnlos. Mein Vorsprung wurde geringer, je länger ich versuchte zurückzuweichen.
Also entschied ich mich für eine verzweifelte Tat: Wenn ich mich umdrehte, der Kreatur meinen Rücken zuwandte, dann sah ich die Hecke. Wenn ich schnell genug laufen würde, hätte ich eine Chance, mich durch eine Lücke der Hecke zu zwängen, bevor mich ihre scharfen Krallen zu packen bekämen. Ich griff nach ein paar Kieseln, der Kopf des Untiers zuckte augenblicklich in meine Richtung. Dann warf ich die Steine, soweit ich konnte, und sie prasselten auf verschiedene Grabsteine und Platten. Sofort sprang es in die Richtung der Geräusche und ich hörte sein wütendes Fauchen und schnappen. Dann wandte ich mich um und rannte, so schnell ich konnte.
Ich war gerade zwei, vielleicht auch drei Meter weit gekommen, als ich über eine Wurzel stolperte und ins Straucheln kam. Beim Versuch, mich abzustützen, prellte ich mir meine Hand und meine Schulter an einem großen Grabstein. Es tat höllisch weh. Dennoch unterdrückte ich einen Schrei und blieb ruhig liegen. Kein Geräusch kam aus meiner Lunge. Meine Augen waren weit aufgerissen und starrten in die Dunkelheit. Da! Ich hörte die Schritte, wie sie auf mich zukamen. Klack! Klack! Klack!
Dann dieses zischelnde Geräusch der Zunge und das Knurren. Es war direkt neben mir, eine Reihe Grabsteine lag zwischen uns. Ich wagte nicht, mich zu bewegen.
Nach einer endlosen Minute hatte sich das Wesen von mir entfernt, so dass ich endlich wieder wagen konnte zu atmen. Die Luft sog ich langsam und so leise es ging in meine Lungen. Meine Schulter pochte, meine Hand brannte und mein Herz raste wie verrückt.
Aber wie durch ein Wunder war ich der Kreatur entkommen. Ich suchte nach der Laterne, die ich beim Fall verloren hatte. Glücklicherweise hatte der Himmel etwas aufgeklart, so dass der Mond meine Sicht verbesserte. Da! Ich griff vorsichtig danach und zog eine Schachtel Streichhölzer aus meiner Tasche. Das Anreißen des Kopfes kam mir unnatürlich laut in der Stille vor und ich fürchtete, die Kreatur würde gleich über mich kommen, doch es blieb still.
Ich getraute mich, entspannter zu atmen, und sah mich um. Ich saß auf einem Grab, mein Rücken lehnte an einem Grabstein. Ich schwenkte die Laterne um und schob mich etwas zur Seite um den Namen des bedauernswerten Menschen, der unter mir lag, lesen zu können. Und in diesem Augenblick wurde mir alles klar! Ich wollte lachen, als sich neben meinem Kopf die Zunge des Untiers zeigte. Sie hatte mich gefunden, aber es spielte keine Rolle mehr. Auf dem Grabstein, der Name, es war MEIN Name, der dort eingemeißelt war. Ich war das Gespenst, das keine Ruhe fand. Da sah ich den Kopf der Kreatur, war es ein Ghul, direkt vor mir. Ich lachte. Ich lachte, so laut ich nur konnte, dann wurde mein Kopf von hunderten scharfer Zähne mit einem lauten Knirschen zerbissen und es wurde endlich dunkel ...
... Wie jeden Tag zur selben Zeit hatte ich meinen Lieblingsplatz auf dem Friedhof eingenommen. Ich wartete auf den seltsamen Mann, der mir, seit Tagen nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte ...
ENDE
Die Begegnung
"Seit 150 Jahren
verschwinden unter mysteriösen
Umständen zunehmend
Menschen in den US amerikanischen
Nationalparks"
"Ich will das aber nicht hören!", keifte Sarah Edwin, ihren Mann, wütend an. Sie mochte den Country-Song, der gerade im Radio lief, nicht.
"So eine Scheiße ist das! Und seit 30 Meilen hör ich nichts anderes. Ich hasse diesen Song."
Offensichtlich!
"Ich hasse diese ganze Musikgattung!"
Edwin Poole nahm es gelassen. Die beiden waren seit mehr als 30 Jahren verheiratet. Glücklich? Das wohl nicht immer, aber meistens kamen sie ganz gut miteinander aus. Sarah Luise fummelte genervt am Drehregler des alten Autoradios. Lautes Pfeifen, dann weißes Rauschen kam viel zu laut aus den beiden Lautsprechern.
"So weit am Ende des Spektrums gibt es keine Radiosender mehr, Schatz.", sagte Edwin und warf einen kurzen Blick in den Rückspiegel. Hinter ihm erstreckte sich eine fade Landschaft, die eintönig Felder und kleine Waldstücke zeigte. Unterbrochen wurde die Monotonie der Landschaft durch gelegentlich dekorativ platzierte Farmanwesen mit obligatorischem Windrad. Edwin stellte sich vor, wie es sich laut quietschend im Wind drehte.
"Da! Das ist Musik!", rief Sarah Luise freudig.
Auch das noch. Pat Boone trällerte verliebt "April Love". Ein Himmel voller Geigen. Wie schrecklich.
"Schön!", sagte Edwin und widmete seine Aufmerksamkeit wieder der Straße, die vor ihnen lag. Am Horizont senkte sich die Sonne bereits, bald würde es dunkel werden. Er betätigte den Lichtschalter seines Studebaker Champion.
„Ich liiiieeebe Pat Boone!“, trällerte Sarah und drehte den Lautstärkeregler auf Maximum.
"Das weiß ich doch, Schatz!"
"Jetzt sei doch nicht so grummelig. Ich verstehe überhaupt nicht, warum du Pat Boone nicht magst. Er singt phantastisch. Er sieht gut aus. Er ist nett."
"Du kennst ihn nicht."
"Was soll das wieder heißen?"
"Du kennst Pat Boone?"
"Nicht persönlich!"
"Aber?"
"Aber aus dem Radio. Und dem Fernsehen. Da ist er immer nett."
"Tennessee Ernie Ford ist auch nett."
"Das weißt du nicht."
"Da hast Recht. Ich weiß es nicht."
"Du bist ihm schließlich nie begegnet."
"Genau wie du niemals Pat Boone begegnet bist."
"Das ist wieder mal typisch!"
"Was denn?"
"Das du einen Streit, völlig grundlos, vom Zaun brichst."
"Ich breche einen Streit vom Zaun?"
"Grundlos!"
"Ich sagte doch nur, dass du Pat Boone nie begegnet bis."
"Genauso wenig wie du Tennessee Ernie Ford!"
"Das hab ich auch nie behauptet!"
"Ach halt doch einfach deinen Mund!"
"Mach ich Schatz."
Edwin drehte Mister Boone etwas leiser und sah kurz zu seiner Frau. Sie hatte ihr Haar, das bereits grau zu werden begann, unter einem pastellfarbenen Tuch verborgen. Die Brille hielt sie in ihren Händen, die gefaltet in ihrem Schoß lagen.
"Sag jetzt nichts! Ich bin immer noch böse mit dir!"
Sie drehte ihren Kopf nach rechts und sah aus dem Fenster.
"Eine herrliche Landschaft!"
"Etwas monoton, findest du nicht?"
"Monoton? Du bist ein ewiger Nörgler. Meine Mutter hatte recht, was dich anging. Sie hielt dich damals schon für einen unverbesserlichen Nörgler."
"Deine Mutter hasste jeden, der sich mit dir eingelassen hat. Das würde sie immer noch tun, wenn sie nicht die Güte besessen hätte, vor unserer Hochzeit zu sterben."
"Du sagst das so, als hätte dir das gefallen."
"Hat es ja auch!"
"Du hast meine Mutter gehasst?"
"Sogar dein Vater hat deine Mutter gehasst!"
"Der war ja auch mit ihr verheiratet!"
"So wie ich mit dir!"
"Was soll das heißen?"
"Nichts. Ich wollte nur Konversation machen."
"Konversation machen nennst du das? Du ziehst über meine liebe kranke Mutter her.“
"Sie ist tot. Seit über 30 Jahren!"
"Aber davor war sie krank. Du bist aber auch ein Pedant."
"Ein Pedant?"
"Ein nörgelnder alter Pedant. Meine Mutter hatte mich gewarnt."
"Das hatte sie."
"Und was hab ich gemacht?"
"Mich geheiratet!"
"Ich habe dich geheiratet. Oh, Gott im Himmel! Wie sehr danke ich dem Allmächtigen, dass sie das nicht mehr miterleben musste."
"Was nicht mehr miterleben?"
"Dich. Und wie du ihre einzige Tochter behandelst."
"Aber ich tue doch nichts!"
"Genau. Du behandelst mich wie Nichts!"
Das nahm Edwin als Schlusswort für eine völlig sinnlose Unterhaltung. Sie fuhren mit fast 60 Meilen die Stunde weiter, während sich die Dämmerung über die Landschaft legte. Der Mond ging links von Ihnen auf. Es war eine sternklare Nacht.
"Schön, wie die Sterne funkeln. Nicht wahr Schatz?"
"Richte deinen Blick auf die Straße, Edwin."
"Wenn du meinst."
Schweigend ließ er das Hereinbrechen der Nacht auf sich wirken. Die Sterne wurden mehr und bald funkelte ein wahres Lichtermeer über ihnen. Pat Boone wurde von Andy Williams abgelöst, der "Somewhere my Love" schmetterte. Noch so ein Song, der Edwin nervte. Heimlich drehte er etwas leiser. Sarah Luise ließ ihn gewähren. Sie seufzte bloß. Ihre Art, ihm zu sagen, dass sie nicht begeistert war.
Gerade als Edwin vom ewigen Gleichklang des Motors und den Schlagern aus dem Radio langsam aber sicher in den Schlaf gelullt wurde, riss ihn ein Schrei Sarahs aus der meditativen Versenkung, in die er gesunken war.
Verdammt. Er musste aufpassen. Das hätte leicht schiefgehen können.
"Was ist, mein Schatz?"
"Da!", sagte Sarah lediglich und zeigte nach draußen.
"Was ist d …?“
Edwin trat auf die Bremse. Wenige hundert Meter vor ihnen senkte sich ein gleißendes Licht langsam auf die Straße. Es musste aus dem Nichts aufgetaucht sein, denn Edwin hatte es nicht näherkommen sehen.
"Es war ganz plötzlich da!", stotterte Sarah und packte Edwins rechten Arm.
"Ganz ruhig mein Schatz. Alles wird gut!"
"Wie kannst du sagen, dass alles gut wird? Weißt du was das da draußen ist?"
"Nein.", gab er zu.
"Wie kannst du also sagen, dass alles gut wird? Wenn du doch gar nicht weißt, was auf uns zukommt?"
"Was soll uns schon passieren?"
"Was uns passieren soll? Das Gleiche, was so vielen, vielen Menschen in der gleichen Situation vor uns passiert ist. Man wird uns entführen!"
"Wer wird uns entführen?"
"Die Marsmenschen!"
"Die Marsmenschen?"
"Oder eben Menschen von einem ganz anderen Planeten. Es ist doch völlig egal, wie unsere Entführer heißen werden!"
"Schatz, ich habe dir schon mehrmals gesagt, dass deine Magazine nicht gut für dich sind."
"Das kannst du ja gerne den Außerirdischen da draußen erklären, wenn sie dich auf einem Untersuchungstisch liegen haben, um dir Rektalsonden einzuführen."
"Ich bezweifle, dass Außerirdische die weite Reise machen, um an mir eine Darmspiegelung vorzunehmen."
"Wart‘s nur ab."
"Schatz, es gibt dafür eine ganz rationale, plausible Erklärung."
"Gut. Dann erklär es mir. Plausibel und rational. Was ist das da draußen?"
"Zunächst mal das Offensichtliche: Es ist ein Licht, das sich gerade anschickt, auf der Straße aufzusetzen. Vielleicht ist es ja auch ein Kugelblitz?!“
"Ha! Ein Kugelblitz? Edwin Poole, bist du völlig von Sinnen? Ein Kugelblitz mit dem Durchmesser eines kleinen Hauses?"
"Gut, das ist vielleicht nicht die beste aller Erklärungen, aber...“
"Das ist überhaupt keine Erklärung!"
Mittlerweile hatte die riesige Kugel aus Licht auf der Straße aufgesetzt. Das Licht erlosch und eine gewaltige stahlblaue Sphäre auf drei schmalen Füßen ruhte vor Edwin und Sarah Luise Poole auf der Landstraße nach Roswell, New Mexico.
"Und jetzt?"
"Soll ich aussteigen?", fragte Edwin unschlüssig.
"Und mich alleine hier zurücklassen? Das würde dir gefallen was?"
Plötzlich flammten zwei grelle Scheinwerfer an dem runden Objekt auf und richteten sich auf den weißen Studebaker.
"Ich kann nichts sehen!", sagte Edwin und schirmte seine Augen mit der Hand ab.
"Da...da öffnet sich etwas. Eine Luke. Da öffnet sich eine Luke!"
"Bist du sicher, Schatz?"
"Natürlich bin ich mir sicher. Da schiebt sich eine Art Treppe aus dem Innern..."
Sie hatte recht. Zwischen den beiden Scheinwerfern hatte sich eine Tür zur Seite geschoben und eine Treppe erschien, die langsam Richtung Straße glitt. Mattes weißes Licht fiel aus der rechteckigen Öffnung auf die Treppe und dann erschien der Umriss einer aufrecht gehenden Person im Durchgang. Jemand schickte sich an, das Objekt zu verlassen. Jemand, der sehr groß zu sein schien.
Edwin drückte den Knopf für die Türverriegelung.
"Denkst du, das wird sie aufhalten?"
"Dafür sind diese Türverriegelungen doch gemacht, oder etwa nicht?"
"Ich bezweifle, dass jemand bei Studebaker an so etwas gedacht hat, als er die Türverriegelung eingebaut hat. Das hält vielleicht ein paar Gauner in Downtown Manhattan davon ab meine Tasche zu klauen, aber doch sicher keine außerirdischen Wesen und ihre Strahlenwaffen."
"Wir wissen noch gar nicht sicher ob es Außerirdische sind und wenn ja, ob sie überhaupt Strahlenwaffen haben."
Ein Blitz zuckte in der Hand des großen Wesens, das mittlerweile die Treppe herabgestiegen war, auf und der linke Rückspiegel des Studebakers war verschwunden.
"Gut. Er hat wohl eine Strahlenwaffe!"
Die Gestalt richtete einen länglichen Gegenstand auf den Wagen und kam langsam näher.
"Was jetzt? Edwin, unternimm etwas!"
"Was soll ich denn unternehmen? Soll ich ihn mit deinem Eiersalatsandwich bewerfen? Vielleicht vertreibt ihn ja der Gestank!"
"Nicht in diesem Ton, Edwin. Nicht in diesem Ton."
Edwin und Sarah starrten gebannt auf die sich nähernde Gestalt.
"Hörst du das?"
Edwin lauschte angestrengt.
"Ja. Das ist ..."
"Eine Polizeisirene! Wir sind gerettet!"
"Wahrscheinlich hat der örtliche Sheriff das helle Licht gesehen und ist sofort losgefahren, um zu sehen, was sich da abspielt."
Sarah war es völlig egal, warum der Sheriff unterwegs gewesen ist oder ob es eine Streife der State Police war. Hauptsache es kam ihnen jemand zu Hilfe. Jemand, der eine Waffe trug. Sie hatte Edwin oft für seine Weigerung Waffen zu tragen kritisiert, aber er hatte ja nie hören wollen. Ab heute würde er sicher anders darüber denken.
Edwin sah im Innenrückspiegel wie sich das typische Rot-blaue-Warnlicht der Polizei aus der Dunkelheit schälte. Das Fahrzeug kam schnell näher und die Gestalt vor dem Studebaker blieb abrupt stehen.
"Da! Er ist stehen geblieben!"
"Ich hab es gesehen, Sarah. Ich hab es gesehen!"
So starrten sich die Gestalt, Sarah und Edwin einige Augenblicke durch die Windschutzscheibe an. Die Gestalt, die nun nah genug war, um sie klar zu erkennen, trug einen roten Overall mit einem silbernen Gürtel und einem matt schimmernden Helm. Das Visier funkelte grün im Licht der Scheinwerfer. Ein Gesicht war dahinter nicht zu erkennen.
Edwin und Sarah atmeten beide erleichtert aus, als neben ihrem Wagen ein Polizeiwagen zum stehen kam. Es war tatsächlich der Sheriff, so stand es auf der Wagentüre. "Sheriff Office Roswell".
Der große beleibte Mann im Polizeiwagen tippte sich an einen breitkrempigen Cowboyhut und bedeutete Edwin die Scheibe herab zu kurbeln.
"Er will, dass du das Fenster öffnest."
"Ach will er das?"
Edwin kurbelte und der Sheriff fragte aus seinem Auto heraus:
"Mam, Sir, alles in Ordnung bei Ihnen?"
"Das möchte ich nicht behaupten. Da ist ein fremdes Wesen, dass uns entführen will!"
"Mam, beruhigen Sie sich. Ich bin ja jetzt hier. Bleiben Sie in Ihrem Wagen und verlassen Sie ihn nicht. Ich kümmere mich darum."
"Haben Sie die Nationalgarde informiert?", fragte Edwin.
"Sir, ich regle das. Dies ist mein Bezirk!"
Der Sheriff stieg aus seinem Wagen, knallte die Tür zu, zog sich die Hose über den dicken Bauch und ging auf die Gestalt vor dem Studebaker zu.
Das Rot-blaue-Licht des Streifenwagens wurde von dem sphärischen Objekt reflektiert und zauberte so bizarre Schattenbilder auf die wenigen umliegenden Bäume.
"Was hat er vor?"
"Warum flüsterst du Sarah? Der Fremde kann dich nicht hören und falls doch, kann er dich, als Fremder aus einer anderen Welt, gar nicht verstehen."
"Psst. Ich will hören, was der Sheriff sagt."
Dieser war bis auf wenige Schritte an die fremde Gestalt herangetreten, die Rechte lässig auf dem Knauf seines 38ger Revolvers gelegt.
"Sir!", hörte man ihn durch das noch immer herunter gekurbelte Fenster.
"Sir, ich muss Sie bitten, sich unverzüglich in Ihr Gefährt zu begeben."
"Er schickt ihn weg?"
"Was dachtest du denn, was er macht? Ihn zum Tee einladen?"
"Still Sarah!"
Die Gestalt, die bislang ihren Gegenstand auf den Studebaker gerichtet hatte, ließ diesen nun langsam sinken.
"So ist es gut!", sagte der Sheriff.
"Wir wollen alle keinen Ärger! Jetzt machen Sie kehrt und verlassen Sie diese Straße. Diese Leute haben Ihnen nichts getan! Verstehen Sie? Es gibt hier nichts zu holen!"
Die Gestalt schien unschlüssig zu sein. Sie drehte sich halb zu dem großen gelandeten Objekt. Eine weitere Person erschien in dessen Tür und winkte seinem Kameraden zu.
"Was geht da vor?", wollte Sarah wissen.
"Offenbar will er seinem Begleiter etwas mitteilen."
"Sir, was haben Sie da?"
Der Sheriff ging an dem Fremden vorbei, auf denjenigen zu, der am oberen Ende der Treppe stand.
"Sir, wenn ich das mal sehen dürfte?“
Er nahm etwas aus den Händen des Fremden entgegen. Es sah aus wie bedrucktes Plastik. Die beiden schienen sich zu unterhalten.
"Was haben die beiden zu bereden?"
"Wieso können die beiden überhaupt miteinander reden?"
"Sei still, ich will das hören!"
Von dem Gespräch zwischen Sheriff und dem Fremden, zu dem sich jetzt auch der von der Straße gesellte, drangen nur einzelne, rätselhafte Fetzen ins Innere des Studebakers.
"... müssen sich irren... keine ... seit ... Lizenzen ... Aufseher ... oberste ... Behörde. Kann ... nicht"
"Da. Der Sheriff kommt zurück!"
"Das sehe ich auch, Schatz."
"Mam, Sir!"
Wieder tippte sich der Sheriff an den Hut und schob diesen mit einer gekonnten Bewegung aus seiner Stirn, während er sich zum Fenster des Studebakers herab beugte, die Finger in die Gürtelschlaufen seiner Hosen eingehakt.
"Ist alles in Ordnung, Officer?", frage Sarah.
"Es ist alles in bester Ordnung. Die beiden haben eine Lizenz."
Edwin war verwirrt.
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.