Kitabı oku: «Die Regulus-Botschaften: Band IV», sayfa 2
2. Teil
Die Tugenden der Liebe
Wahrhaftigkeit
Meine liebe Freundin, mein lieber Freund, als erste Tugend der Liebe wollen wir die Wahrhaftigkeit nennen. Es sei an dieser Stelle klargestellt, dass es bei der Benennung der Tugenden der Liebe, wie auch bei der später folgenden Aufzählung ihrer Merkmale, nicht etwa um eine Rangordnung ihrer Bedeutung oder ihres Stellenwertes geht. Es handelt sich vielmehr um den Versuch, Attribute, die im Grunde und in Wahrheit gleichzeitig und gleichrangig nebeneinanderstehen, einzeln zu beleuchten und in einen sinnvollen Zusammenhang zueinander zu stellen.
Die erste Tugend der Liebe ist also wie gesagt die Wahrhaftigkeit. Dies bedeutet in erster Linie, dass nur dann von Liebe die Rede sein kann, wenn es sich auch um Liebe handelt. Dies scheint auf den ersten Blick selbstverständlich und kaum erwähnenswert und doch ist dem so. Es geht darum, dass wir alle dasselbe meinen, wenn von der Liebe die Rede ist, ansonsten wäre ein heilloses und verwirrendes Aneinander-Vorbeireden die logische Folge.
Liebe ist jenes Bestreben, welches das Glück des geliebten Menschen will und nichts als sein Glück.
Wie wir in den vorherigen Botschaften immer wieder betont haben, ist Liebe niemals partiell. Es gibt nicht ›ein bisschen‹ Liebe – entweder es ist Liebe ganz und gar oder aber es ist keine.
Wir setzen also nunmehr voraus, dass wir von wahrer Liebe reden. Dies schließt grundsätzlich alle pathologischen Gefühlsauswüchse aus, die diese Welt so gerne als Liebe bezeichnet und mit ihr verwechselt: Sicherheitsbedürfnis, das in Abhängigkeit entartet, Herrschsucht, die in Kontrollzwang ausufert, Egoismus, der ohne jede Rücksicht nur die Raffgier befriedigt, usw. Man kann ein Prinzip eben nicht an seinen Krankheiten erforschen und erkennen, sondern an seinen ›Gesundheiten‹. In Band I Des Menschen Wunsch und Gottes Wille und vor allem in Band III Des Menschen Weg und Gottes Licht haben wir schon viel über die Eigenschaften der Liebe gesagt. Nun fahren wir also fort in unseren Bemühungen, das Wesen der Liebe, welches das ureigene Wesen Gottes ist, zu erkunden. Die Wahrhaftigkeit der Liebe hat noch eine weitere Ebene als die der Wahrhaftigkeit in ihrem Sein: Die Liebe handelt wahrhaftig! Dies bedeutet ganz einfach ausgedrückt, dass es im Denken und Fühlen, im Reden, Handeln und im Unterlassen aus der Liebe heraus niemals Lüge, Heuchelei oder Lieblosigkeit geben kann. Liebe ist immer und ausnahmslos ganz und gar authentisch und kennt keine ›Auszeiten‹, in denen sie sich Ausnahmen erlaubt. Sie ist wie eine Spirale, die gleichermaßen sowohl tiefer in das Innen dringt als auch nach außen, zum Geliebten hin. Obwohl Liebe von ihrer göttlichen Uressenz her vollkommene Stille ist, so ist sie dennoch in ständiger Bewegung und Ausdehnung. Liebe ist der einzig mögliche Gemütszustand, in dem Du gleichermaßen euphorische Lebensfreude, ungestümen Bewegungsdrang und dennoch gleichmütigen Frieden und selige Herzensruhe empfinden kannst.
Wie wir gesehen haben, ist Liebe aufrichtige, ehrliche Liebe oder aber sie ist gar keine. Liebe verheimlicht nichts, warum sollte sie? Jede Äußerung der Liebe ist frohe Botschaft. Menschen, die sich aufrichtig lieben, haben keine Geheimnisse voreinander, denn sie wollen keine. Liebe verschenkt sich ganz und will immer ganz und gar den ganzen Menschen. Blindes Vertrauen ist die erste und logische Begleiterscheinung der Liebe. Wo nichts gesagt und getan werden muss, da ist bereits alles gesagt und getan. Wir haben an vielen Punkten unserer vorherigen Überlegungen von der Selbstliebe gesprochen. Auch und ganz besonders im Aspekt der Wahrhaftigkeit kommen wir erneut nicht umhin, uns der Selbstliebe zuzuwenden. Wahrhaftigkeit dem Nächsten gegenüber kann immer nur da und dort gedeihen, wo sie auf dem Nährboden der Selbstliebe wächst. Welcher Mensch wagt es, seinem geliebten Partner diejenigen Wesensanteile offenzulegen, für die er sich selbst verurteilt? Und welcher Mensch verurteilt nicht im Nächsten die Charakterzüge, für die er sich selbst verachtet? Wir wollen bei all unseren Betrachtungen niemals aus den Augen verlieren, dass die Selbstliebe immer und unfehlbar das Maß aller Dinge bleibt, erst recht das Maß aller Liebe zum anderen. Vorbehaltlose Selbsterforschung ist und sollte das beglückendste und spannendste Abenteuer sein, das Du in Deinem Leben erfahren kannst. Furchtlose Selbsterforschung führt immer zu Selbsterprobung und damit zu einer sehr intimen Erfahrung mit dem eigenen Selbst. Dort, wo die Selbstsuche einhergeht mit Angst vor ungeahnten Tiefen, da geht es immer um abgespaltene Anteile des Selbst, die bereits im Vorfeld abgespalten wurden und ein scheinbares Untergrunddasein führen, weil Selbstverurteilung –oder zumindest die Furcht davor – immer vermieden werden will. Nun, diese Verurteilung mag, oberflächlich betrachtet, aus dem Bewusstsein ferngehalten werden, im Grunde und in Wahrheit ist sie es nie. Was nicht im eigenen Selbst vorbehaltlos angeschaut, akzeptiert, ja geliebt wird, das wird im anderen wahrgenommen und verurteilt. Bewusstsein ist, es kann nie ausgelöscht oder unwirksam gemacht werden, es kann transformiert, geheilt, ›gesund geliebt‹ werden. Was aber von der Liebe berührt wird, das wird mit anderen, neuen Augen gesehen. Im Bewusstsein der Liebe ist jede Verurteilung ewig unmöglich. Und somit schließt sich der Kreis und wir sind wieder bei der Wahrhaftigkeit. Selbstliebe bringt unfehlbar das Bewusstsein des eigenen Wertes hervor, auf dem jedes Selbstvertrauen fußt. Dies macht die Wahrhaftigkeit in jeder liebenden Beziehung zur Selbstverständlichkeit. Wo Selbstvertrauen regiert, da sind dem Vertrauen in den anderen Tür und Tor geöffnet. Verurteilung wird immer nur dort erwartet und gefürchtet, wo es an Selbstakzeptanz mangelt. Ein Mensch, der mit sich selbst im Reinen ist, ist unangreifbar und bleibt immer unantastbar und völlig intakt in seinem Selbstwert. Ein solchermaßen sich selbst liebender Mensch birgt immer Segen und Bereicherung für sein Lebensumfeld, kann und wird er doch unfehlbar diese Selbstliebe an alle anderen weitervermitteln, indem er sie ausdrückt und vorlebt. Liebe bringt immer nur Segen hervor und wirkt in alle Richtungen gleichzeitig. Somit stimmt also auch der Umkehrschluss: Wo das liebevolle Feedback des anderen die Selbstliebe bestätigt und nährt, da werden sowohl die Selbstliebe als auch die Nächstenliebe erneut gestärkt und vermehrt. Und so dreht sich die Liebesspirale stetig und wunderbar in alle Richtungen weiter, höher, tiefer.
»Wo eine Wahrheit nicht aus Liebe
ausgesprochen wird,
da ist die Liebe selbst die Lüge.
Weil Wahrheit immer der Liebe dient,
enttarnt sie Lieblosigkeit.«
Regulus
Treue
Meine liebe Freundin, mein lieber Freund, als einer weiteren Tugend der Liebe wollen wir uns nun der Treue zuwenden. Ganz allgemein gesprochen stellen sich die Menschen unter dem Begriff ›Treue‹ mitunter unterschiedliche und verschiedene Wesenszüge und Lebenskonzepte vor. So mancher von Euch ist in dem grundlegenden Irrtum gefangen, die Treue zum Selbst stünde in unvereinbarem Widerspruch mit der Treue zum anderen. Im Grunde und in Wahrheit gibt es nur ein einziges Prinzip von Treue, das wirklich und wahrhaftig sinnvoll ist und unfehlbar glücklich macht: Die Treue zur Liebe selbst!
Wer der Liebe zu sich selbst wie auch aller Liebe aus sich selbst heraus treu bleibt, der wird nie und nimmer in eine verfängliche, widersprüchliche oder unhaltbare Situation kommen. Wo wirklich Liebe ist, da sind die Bedürfnisse, Wünsche und Ziele niemals in Widerstreit miteinander. Die Selbstliebe gebietet immer die Treue zum eigenen Wesen.
Treue zum eigenen Sosein kann auch Kompromiss bedeuten, der auf Liebe begründet niemals wie ein Opfer anmuten kann, sondern freudig gegebenes Geschenk ist. Im Zuge der in Mode gekommenen ›Selbstverwirklichungshysterie‹ (Anm. der Verfasserin: Scherzhaft gesagt) wird vielerorts das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Wenn Treue zu sich selbst zu Erstarrung und Sturheit mutiert, ist sie gewiss fehlverstanden. Hier wird oftmals der Gesamtkontext aller Persönlichkeitsmerkmale außer Acht gelassen und die Liebe übergangen, wo sie doch ursprünglich das Fundament allen Handelns sein sollte. Treue zu sich selbst impliziert die Treue zu allen eigenen Werten. Ihr könnt nicht behaupten, Ihr liebt die Natur und ehrt sie nicht. Ihr könnt nicht behaupten, Ihr liebt Eure Kinder und lasst sie nicht los. Ihr könnt nicht behaupten, Ihr liebt Euren Partner und erfreut Euch nicht in jedem Augenblick an ihm. Ihr könnt nicht behaupten, Ihr liebt Gott und sucht Ihn nicht. Treue ist gelebte Liebe, Treue ist ›Liebe zum Anfassen‹.
Treue ist Konsequenz im Sein und Liebe ist hochgradig konsequent.
Wie wir anfangs sagten, gibt es für die Liebe keine ›Auszeiten‹, die Liebe kennt keine blinden Flecken, in denen sie unwirksam wäre. Im Zuge der vielgerühmten sogenannten sexuellen Befreiung in den letzten Jahrzehnten – wir sprachen in Band I Des Menschen Wunsch und Gottes Wille davon – wurde und wird der Begriff der Treue immer wieder neu und anders definiert. Verwirrung und Unsicherheit machten sich allenthalben breit, wo doch Aufklärung das erklärte Ziel hatte sein sollen. Das Bestreben, die Sexualität von der Treue zu trennen und abzuspalten und die Treue auf eine doch recht dubiose und diffuse zwischenmenschliche psychoemotionale Ebene einzugrenzen, wird niemals fruchten, Gott sei Dank!
Treue ist nicht der ›Preis‹ der Liebe, Treue ist ihr wärmender Umhang, ihr tiefstes Glück und ihr süßestes Geheimnis. Die Treue ist das Zuhause der Liebe. An dieser Stelle sei betont, dass es uns nicht um Verurteilung geht, wie es uns nie um Verurteilung geht, es geht nicht um Moral, sondern vielmehr um ein Verständnis der Dinge. Was wir wirklich verstehen, das verurteilen wir nicht!
Moralische Entrüstung ist niemandem dienlich, am wenigsten dem, der sich ihrer bedient, denn sie gründet nie auf Liebe. Moralische Entrüstung bestätigt die Rechtschaffenheit, und zwar nicht etwa die des sich in Entrüstung Ergießenden, sondern vielmehr die des angeblichen ›Missetäters‹. (Anm. der Verfasserin: Scherzhaft gesagt).
Ein liebendes Herz stört sich nicht an moralischen Prinzipien, ein liebendes Herz handelt nach ethischen Prinzipien und Werten. Wo es dem Menschen weit mehr um Moral als um Ethik geht, da hat die Bedeutung der Form längst die des Inhaltes verdrängt und somit die wirklichen Werte ausgehöhlt, sinnentleert und schließlich ad absurdum geführt.
Ein ›untreuer‹ Mensch ist kein ›schlechter‹ Mensch. Ein ›untreuer‹ Mensch ist auch kein freier Mensch. Ein ›untreuer‹ Mensch ist auf der Suche nach sich selbst. Wir sollten und dürfen niemals die grundlegende und vollkommene Schuldunfähigkeit des Menschen vergessen. Wo Schuld wahrgenommen wird, kann immer nur Irrtum und Illusion sein. Wann immer der Mensch ein Urteil fällt, da ist er auf dem Holzweg.
So sind wir denn bei jenem Aspekt der Treue, der den meisten von Euch wohl die größten Schwierigkeiten bereitet, der Treue zu Eurer Menschlichkeit. Die verständnisvolle und liebende Akzeptanz der eigenen Menschlichkeit führt immer und unfehlbar zur Erkenntnis der eigenen Göttlichkeit, denn Gott ist im Menschen, wie der Mensch in Gott ist!
Gerechtigkeit
Meine liebe Freundin, mein lieber Freund, was ist Gerechtigkeit? Gerechtigkeit – und darin sind wir uns wohl alle einig – bedeutet, dass jedem Menschen das ihm Zustehende zufließen sollte. Nun sind wir uns wohl ebenso einig darin, dass jeder Mensch das ihm Zustehende, einmal abgesehen von den großen gemeinsamen Lebensthemen, individuell und für sich selbst, vollkommen persönlich und anders definiert.
Des Menschen grundsätzlichstes, höchstes und allererstes Recht ist das Recht auf seine Individualität, auf seine absolut ausnahmslose Einmaligkeit. Es ist des Menschen heiliges Recht, wie das jeden Wesens in der Schöpfung, ganz und gar er selbst zu sein. Dieses Recht ist so unantastbar und fundamental, weil Gott selbst Dich schuf, so zu sein, wie Du bist. Nur ein Blinder im Herzen kann glauben, einen Menschen verurteilen und somit Gott ins Unrecht setzen zu können. Er muss also im Irrtum über sich selbst sein, denn Irrtum über sich selbst hat unentrinnbar Irrtum über den anderen zur Folge. Verurteilung ist immer nur da und dort möglich, wo ein Mensch ohne Liebe angeschaut wird. Wo dem Blick die Liebe fehlt, ist immer Fehlurteil. Liebe ist immer gerecht, denn Liebe urteilt nie.
Wie wir gesehen haben, ist Liebe die Wahrnehmung von Vollkommenheit. Die wohl irrigste und dümmste Redensart dieser Welt ist die Behauptung, dass Liebe blind mache. Als ob das nicht genug des Unsinns wäre, wird dem noch eines hinzugefügt in der Annahme, Liebe sei naiv, wehrlos, einfach auszubeuten und zu missbrauchen. Nun, da stellt sich doch die Frage, warum Ihr alle dennoch nach ihr sucht und strebt? (Anm. der Verfasserin: Scherzhaft gesagt).
Der Mensch fühlt die Wahrheit über die Liebe weitaus deutlicher, als er sie erklären und beschreiben könnte. Liebe ist nicht wehrlos, weil sie keine Wehrhaftigkeit braucht, Liebe ist vollkommen unangreifbar. Kann es einen besseren Schutz geben? Liebe ist Omnipotenz, sie ist weder blind noch naiv.
Liebe muss nicht großmütig und gönnerhaft ›Fehler‹ übersehen, wie die Welt es so oft darstellt, weil es für die Liebe keine Fehler gibt. Liebe kann und will nichts als lieben, es ist nicht ihr Bestreben zu verändern. Was als vollkommen wahrgenommen wird, bedarf keiner Korrektur. Liebe kann weder ausgebeutet noch missbraucht werden, weil sie sich ewig verschenken will. Das höchste Glück der Liebe ist ihre Annahme. Wer das Geschenk der Liebe annimmt, der gibt ein noch größeres Geschenk zurück.
Liebe will sich verausgaben, daraus lebt und mehrt sie sich. Nun, was hat dies alles mit Gerechtigkeit zu tun? Liebe ist vollkommen gerecht, weil sie immer alles gibt und dennoch gleichzeitig und gleichermaßen alles bei sich selbst und für sich selbst behält. Nie wird ein liebender Mensch seinem Gegenüber das Recht auf sein ureigenstes Sosein absprechen. Was der geliebte Mensch auch immer will, braucht, wünscht oder bezweckt, er ist in seinem Sosein vollkommen verstanden und wird auf seinem Weg mit Freuden begleitet. Liebe ist deshalb vollkommen gerecht, weil sie nie manipulieren, kontrollieren, beherrschen oder gar verändern will.
Liebe ist Loslassen, Zulassen, Freiraum-Schaffen. Liebe will beobachten, kennenlernen, erforschen und Nähe genießen. Wo das Glück im Sosein des anderen begründet liegt, da liegt es auch im Dabei-Belassen. Nie kann eine Persönlichkeit sich freier, vorbehaltloser, ungehinderter und intensiver entwickeln, als wenn sie in ihrem individuellen Sein vollkommen akzeptiert, respektiert und anerkannt wird. Nichts bewirkt so leicht und mühelos Veränderung wie das Nicht-verändern-Wollen. Auch in diesem Aspekt ist die Liebe vollkommen gerecht, denn wer könnte sich anmaßen, eines anderen Wegweiser zu sein?
Liebe zeigt keine Wege, Liebe ist der Weg.
Da Liebe nicht wertet, kann sie eine Situation niemals über- oder unterschätzen. Sie will das, was der andere für sich will, denn Liebe respektiert in jedem Augenblick den Standpunkt des Geliebten und damit seine individuelle und ureigene Persönlichkeitsentwicklung. Wo der Egoismus gerne Ratschläge erteilt, die meist mehr Schläge sind als Rat (Anm. der Verfasserin: Scherzhaft gesagt), da erteilt Liebe immer nur Rat und Ermutigung zur Selbstliebe. Entgegen der irrigen Meinung der Welt, guter Rat sei teuer, sei Euch ans Herz gelegt, dass guter Rat unendlich billig und einfach ist. Der Rat zur Selbstliebe ist der ewig beste und einzig unfehlbare Rat, den Ihr jemals einem anderen wie auch Euch selbst erteilen könnt. Justitia scheint nur blind.
Wie wir in Band I Des Menschen Wunsch und Gottes Wille ausführlich behandelt haben, bekommt der Mensch nicht etwa das, was er verdient, sondern das, was er will. Jeder Mensch verdient alle Liebe und alles Glück der Welt, denn dies zu leben schuf Gott den Menschen und die Welt. Nur die Selbstliebe kann den Menschen dorthin führen und geleiten, dies für sich selbst zu erreichen und zu erschaffen.
Und somit dürfen wir, wenn wir von Gerechtigkeit sprechen, niemals die Gerechtigkeit Dir selbst gegenüber außer Acht lassen. Wer sich selbst nicht liebt, der hat sich schon Unrecht getan. Selbstgerechtigkeit, im ureigenen Sinn des Wortes, gründet sich auf liebevoller, sanftmütiger Akzeptanz der eigenen Persönlichkeit und so, wie Du sie Dir selbst vorlebst und erlaubst, so gibst Du sie auch weiter. Was Segen ist für Dich selbst, ist immer auch Segen für alle anderen.
»Gerechtigkeit ist nichts anderes
als die Nächstenliebe der Weisen.«
Gottfried Wilhelm Leibniz
Mitgefühl
Meine lieber Freund, meine liebe Freundin, Mitgefühl, nicht etwa Mitleid, ist eine der tragenden Säulen der Liebe. Liebe ist das drängende Streben nach Verschmelzung und Einheit, im Geiste wie auch im Herzen. Liebe strebt danach, das Leben des anderen mit ihm zu teilen. Verbindung und Gemeinsamkeit zu leben ist jedes Menschen tiefstes Bedürfnis, denn die Einheit von Alles-was-Ist ist ein der Natur aller Schöpfung inhärenter Seinszustand.
Alles, was ›natürlich‹, also von Gott vorgegeben ist, ist unwiderstehlich in seiner Anziehungskraft. Der ewig unveränderliche Urzustand der vollkommenen Schöpfung will wiedererkannt werden. So sehr dieser Schöpfungszustand der Einheit von und mit Alles-was-Ist auch bedroht oder sogar zerstört anmuten mag, so war er es doch nie. Die Wirklichkeit kann niemals gefährdet sein, denn es kann keine Macht außerhalb der göttlichen, allumfassenden und vollkommen reinen Liebe geben.
Der Mensch strebt nach Einheit und Verschmelzung in Liebe. Er fürchtet kaum etwas so sehr wie das Alleinsein oder gar die Einsamkeit. Räumliche Trennung macht den Menschen noch nicht einsam, das Sich-unverstandenFühlen macht den Menschen einsam. So kann auch nur Liebe, die immer Mitgefühl anstrebt und sucht, die Brücke vom Individuum zum Nächsten schlagen.
Liebe ist ›von Natur aus‹ neugierig, sie will das Geliebte verstehen und es in seinem Sosein begreifen, ihm nachempfinden und ihm somit nachspüren können. Das ist Einswerdung im Geiste und im Herzen. Den feinen und doch so folgenschweren Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleid haben wir an anderer Stelle bereits beleuchtet. Hier sei kurz daran erinnert, dass Mitleid aus der Rückerinnerung an das eigene Leid herrührt und somit die vermeintliche eigene Schwäche zementiert. So erhält Mitleid den Status quo beim anderen. Anstatt zu heilen, vermittelt es Ausweglosigkeit.
Mitleid ist im Grunde und in Wahrheit immer eine getarnte Form von Selbstmitleid. Es meint nicht wirklich den anderen und somit meißelt es bei beiden den Glauben an das eigene Unglück in Stein, anstatt Hoffnung, Trost und Erlösung zu bringen. Mitleid ist passiv, wohingegen das Mitgefühl hochgradig aktiv wirkt. Mitgefühl fußt auf Liebe, auf Selbstlosigkeit und somit auf ehrlichem Interesse für die Belange des anderen.
Wer Mitleid hat, redet, wer Mitgefühl hat, hört zu.
Liebe versteht alles, weil sie alles verstehen will. Sie will wissen, wie es ist. Liebe will die Dinge nicht anders sehen, als sie sind, denn Verschmelzung und Einheit zwischen zwei Menschen sind immer nur im Hier und Jetzt möglich, also in der vorbehaltlosen Anerkennung und Akzeptanz des Istzustandes.
Wo Leid gelindert werden soll, muss es erst einmal anerkannt werden. Nichts tröstet und ermutigt einen leidenden Menschen so sehr wie Mitgefühl. Wo Mitleid den Menschen in seinem Elend erstarren lässt, da mobilisiert echtes Mitgefühl ungeahnte Kräfte und Reserven, denn erfahrene Liebe ist immer auch aktive und konkrete Rückerinnerung an die Selbstliebe. So setzt Mitgefühl heilerische Kräfte ungeahnten Ausmaßes frei, denn die Liebe verfehlt nie ihr Ziel, das ewig das Glück und nichts als das Glück des anderen ist.
»So mancher scheint beim ersten Blick
verschlossen, starr und eisig kühl,
doch birgt sein Herz für den, der sucht,
den reichsten Schatz an Mitgefühl.«
Wilhelm Jordan