Kitabı oku: «Hot kisses and a gun», sayfa 4
»Auch ein … Mann mit Ausstrahlung.« Van Dyke verdrehte die Augen. »Wir brauchen aber einen blonden …«
Denise lachte auf. »Ach, Onkel Jons absurde Vorstellung vom perfekten Cast! Nein, wir brauchen einen Frauenschwarm, der auch in der Rolle eines Männerliebenden immer noch sexy wirkt.«
Marcus rollte ein Schauer über den Rücken. Sie sagte es absolut wertungsfrei, wodurch sie in seiner Wertung enormen Aufwind bekam. Natürlich schmeichelte ihn auch der Rest. Die Männer betrachteten ihn nun kritisch.
»Das Risiko ist zu groß«, beschied Cleever, seufzte dann aber. »Allerdings läuft uns auch etwas die Zeit davon. Wenn wir in zwei Wochen mit dem Dreh beginnen wollen, brauchen wir zumindest einen vollständigen Cast.«
»Ja, jeder Tag Verzug bedeutet Unkosten, die uns den Garaus machen werden.« Mendelson sortierte seine Unterlagen und sah nur ganz kurz an Marcus herab. »Wäre nicht schlecht, wenn wir zumindest eine Alternative in der Hinterhand hätten.«
Damit reduzierten sie ihn zum Lückenfüller, aber er konnte sich wohl nicht beschweren, wenn dies hieß, dass sie ihm eine Chance gaben. Trotzdem musste er seine Stimmbänder klären, um nicht an dem Kloß in seinem Hals zu ersticken.
»Wir haben noch etwas Zeit, aber ich muss mich anschließen.« Van Dyke seufzte. »Ich will zumindest die Nebenrollen sicher besetzen.« Er musterte Marcus, wobei sich seine Stirn runzelte. »Fangen wir an. Denise, bist du vorbereitet?«
»Nein.« Sie zuckte die Achseln.
Marcus streckte die Hand mit dem Skript aus. »Hier.«
Sie nahm das Papier und rollte es aus, um schnell über die Zeilen zu fliegen. »Ah. Die Szene.« Sie zwinkerte ihm zu. »Ich improvisiere.«
Marcus nahm überrumpelt den Text zurück. Sie wendete sich ab und fuhr sich durch die blonde Mähne. »Okay, ich bin ein bedauernswertes Mädchen vom Lande, von ihrem Bruder unterdrückt und über beide Ohren verliebt in einen Taugenichts.«
Marcus lachte auf. Zwar kannte er das Skript nicht, aber die Zusammenfassung klang pathetisch.
Denise wuschelte sich das Haar auf, was Marcus besonders fragwürdig fand. Er hatte die Schwester Wayne Kleins nicht als Vamp gesehen, sondern als Backfisch, der sich Hals über Kopf in den ersten passenden Kerl verliebte. Aber er wollte sich nicht in ihre Interpretation einmischen. Stattdessen konzentrierte er sich auf seine eigene Einfindung in seine Rolle. Er schloss die Augen, atmete tief durch und stellte sich vor, dass die sengende Hitze von Arizona sich auf ihn herabsenkte. Er stand in der Scheune. Der Geruch nach frischem Heu, Stroh und Pferden hing in der Luft und auch die passenden Geräusche stellte er sich vor. Hufgestampfe, Wiehern, vielleicht auch ein Summen von Mücken und anderen Insekten?
Er streckte sich.
»Mr Steele!«, sprach Denise ihn mit hoher Stimme an. Sie legte die Hände aneinander und hob sie an die Wange. »Ich habe Sie überall gesucht!«
Marcus runzelte die Stirn. Der Originaltext war anders.
»Miss Klein.« Er nickte ihr reserviert zu. »Wie kann ich Ihnen helfen?« Sie drehte sich in der Hüfte von links nach rechts.
»Da fiele mir schon etwas ein.« Sie warf ihm einen dieser Blicke zu, die schüchtern und kokett zugleich wirken sollten.
Marcus räusperte sich. »Nun?« Er trat an ihr vorbei und tat so, als nähme er einen Sack auf und würfe ihn sich über die Schuler. »Sie entschuldigen hoffentlich, es gibt noch so viel zu tun.«
»Oh. Es ist Mittagszeit. Werden Sie Ihre Arbeit denn nicht unterbrechen? Kommen Sie doch zu mir in die Küche und …« Sie verstellte ihm den Weg, sodass er fast in sie hineinlief. Marcus streckte die Hand aus und stabilisierte sie am Ellenbogen. Denise nutzte es, um sich ihm an die Brust zu werfen.
»Oh Mr Steele, ich muss Ihnen gestehen …« Sie drückte sich mit ihrem gesamten Körper an ihn. »… dass ich Ihnen nah sein möchte.«
Marcus beugte sich zur Seite, um den imaginären Sack zu Boden gleiten zu lassen, dann schob er Denise sacht von sich. »Miss Audrey, bitte. Sie bringen mich in Schwierigkeiten.« Marcus gab seiner Stimme einen Hauch von Härte in einem Meer an Mitgefühl.
Denise schüttelte den Kopf und versuchte, ihm den Arm um den Nacken zu schlingen, was Marcus aber unterband. »Nein, Wayne schätzt Sie sehr. Und ich auch. Ich wünsche mir …«
»Miss Audrey!«, unterbrach er sie nun fester, wobei er ihre Oberarme umklammerte. »Kommen Sie zur Vernunft.«
Nun sollten sich Tränen in ihren Augen zeigen, aber so tief steckte Denise sichtbar nicht in ihrer Rolle. Auch das Schluchzen klang nicht echt. »Aber ich liebe Sie!«, äußerte sie theatralisch.
Marcus keuchte, sein Widerstand erlahmte gerade genug, dass sie ihn erneut umschlingen und auch ihren Mund auf seinen drücken konnte. Ein Kuss war jedoch nicht Teil des Skripts. Marcus presste die Lippen aufeinander, damit sie den Kuss nicht intensivieren konnte, und stieß sie so schnell von sich, als hätte sie plötzlich in Flammen gestanden. Er liebte ihren Bruder und konnte nichts mit Mädchen anfangen, ganz gleich wie hübsch sie waren. »Nicht!« Wie sollte er Wayne gegenübertreten und ihm seine Liebe offenbaren, nachdem der hiervon Wind bekommen hatte? Nein, er musste diese Situation jetzt und hier klären. Also musste er Ruhe bewahren, auch wenn er aufgebracht war. Sein Herz klopfte wild in seiner Brust und Ärger mischte sich mit Frustration.
Denise fing sich am Schreibtisch ab. Sichtbar irritiert.
»Es tut mir leid!«, versicherte Marcus, um die Wogen zu glätten, und er streckte zwar die Hand nach ihr aus, berührte sie aber bewusst nicht, auch wenn er nah genug bei ihr stand. »Audrey, ich kann Ihre Gefühle nicht erwidern.« Er räusperte sich, da seine Stimme bedeckt klang. »Ich mag Sie, aber … Mein Herz …« Er stockte vor dem großen Geständnis. »Gehört einer anderen Person.«
Denise keuchte und riss die Augen auf. »Sie lieben …«
»Eine wundervolle, großherzige und noble Person. Ja. Ich verstehe, wie niederschmetternd meine Worte für Sie sein müssen. Allein die Vorstellung, mein Herzensmensch könnte meine Gefühle nicht erwidern …« Marcus legte so viel Schmerz in seine Stimme, dass sie brach und er schlucken musste, um fortzufahren. Der Moment war schlicht zu intensiv, aber er konnte sich nicht zurücknehmen. Es war zu spät, um sich zu zügeln, nun musste er die Intensität halten und es zu einem passenden Abschluss führen. »… zermalmt mir die Eingeweide«, fuhr er fort. Er krümmte sich leicht und ballte die Faust, die noch nach ihr ausgestreckt war. »Ich wünschte, Audrey, dass ich Ihnen diesen Schmerz ersparen könnte. Ich wünschte, dass ich Ihre Liebe erwidern könnte, aber das wird niemals möglich sein.« Die Spannung war unerträglich, trotzdem wartete er mit der letzten Eröffnung noch einen Augenblick länger, bevor er die Worte aussprach, die man nicht von der Person hören wollte, die einem die Welt bedeutete. »Sie sind wie eine Schwester für mich.«
Denise riss die großen Augen noch weiter auf. Ihre Hände flogen zu ihrem Mund und wieder schluchzte sie. Plötzlich stürmte sie auf ihn zu, schubste ihn zur Seite und rannte weiter.
Marcus entließ den Atem, denn sie waren am Ende ihrer Vorstellung angelangt. Er rieb sich den Nacken und warf den Ballast der Rolle ab. Eine Liebeserklärung, auch wenn sie nicht direkt an die Person gerichtet worden war, der sie galt.
Seine Haut prickelte und sein Magen schwankte, so intensiv waren seine Gefühle und es dauerte bedeutend länger, zu sich selbst zurückzufinden, als gewöhnlich. Er räusperte sich wieder. Wow. Er hätte nicht gedacht, dass er sich in diesen Moment einfühlen könnte, schließlich war er nicht mehr der Typ, der sein Herz verschenkte. Er behielt lieber die Kontrolle über sein Sehnen und räumte den Ladys nicht die Macht ein, ihn bis in die Grundfeste zu erschüttern.
Denise war zurück und hängte sich an seinen Hals. Sie lachte überschwänglich. »Wer hätte gedacht, dass ich noch einmal eifersüchtig auf meinen Bruder sein würde?« Sie zwinkerte, bevor sie ihre Lippen mit seinen verschmolz. Marcus’ erster Impuls war, sie wieder von sich zu schieben. Er liebte Wayne! Allerdings fand die Realität gerade noch rechtzeitig zurück in seinen Fokus und er schlang stattdessen die Arme um die sexy Kollegin, um den Kuss zu erwidern. Eine zweite Einladung schlug er sicher nicht aus!
Kapitel 6
»Wer ist jetzt der geheimnisvolle Newcomer, von dem überall gesprochen wird?«, fragte Charlie Uma leicht genervt. Gerade wurde er in der Maske für den Dreh der ersten Szene vorbereitet. Zu gerne hätte er vorab ein paar Informationen erhalten, die über den Tratsch und Klatsch hinausging.
Ja, über den Kerl wurde bereits getuschelt. Der weibliche Teil der Crew seufzte bloß, lief mit glasigen Augen herum und war zu nichts zu gebrauchen. Die Männer am Set hingegen brachten ihren Neid zum Ausdruck, weil der Neue anscheinend bei Denise gelandet war. Was auch erklärte, warum der Unbekannte die Rolle ergattert hatte.
Die Maskenbildnerin erwiderte seinen Blick im Spiegel. »Er heißt Marcus Lovett und ist wohl der attraktivste Mann, den ich jemals gesehen habe«, erklärte sie schwärmerisch. Dann überzog leichte Röte ihre Wangen. »Natürlich erst nach dir.«
»Natürlich«, brummte er verstimmt. Konkurrenz belebt das Geschäft, sagte man. Er hatte dazu eine etwas andere Meinung. »Wenigstens darf ich den harten Kerl spielen. Soll der Softie halt die Fans kriegen, die auf Sensibelchen stehen. Dank seines blonden Schopfes spricht er auch optisch andere Frauen an.«
»Diesbezüglich gab es wohl eine kleine Änderung.«
»Betreffend der Frauen, die gerne eine Nacht mit mir verbringen würden, obwohl sie genau wissen, dass ich nur mit Männern rummache?«, fragte er.
Uma lachte auf. »In gewisser Weise. Everett Steele wird doch nicht von einem blonden Mann gespielt. Marcus Lovett und du haben viel gemeinsam.«
Abrupt drehte er sich auf seinem Stuhl herum, sodass Uma beinahe mit der Puderquaste in sein Auge gekommen wäre. »Nicht blond? Was soll das denn bedeuten?«
»Der neue Everett ist dunkelhaarig wie du.« Rasch ging die Maskenbildnerin in Deckung. Sie arbeitete wohl lange genug mit ihm zusammen, um zu ahnen, dass er diese Entwicklung überhaupt nicht witzig fand.
»Wie kommen Van Dyke, Cleever und Mendelson auf diese verdammt dämliche Idee?« Er sprang auf. »Dunkelhaarig und gutaussehend? Das passt überhaupt nicht zur Rolle. Und warum nehmen sie denn keinen Rotschopf? Haben sie mit dem Kerl vielleicht noch etwas ganz anderes vor? Sind sie auf der Suche nach jemandem, der mich ersetzen soll?«
»Niemand kann dich ersetzen«, versicherte Uma kleinlaut.
Er fixierte sie aus zusammengekniffenen Augen. »Keine Schmeichelei, Uma. Das ist der falsche Zeitpunkt. Weil wir mit den Innenszenen beginnen, muss ich den Kerl gleich abknutschen. Dabei würde ich ihm am liebsten den Hals umdrehen. Soll ich vielleicht meinen Nachfolger ausbilden?«
»Bestimmt hatten die Caster keinen Hintergedanken. Jeder weiß, dass du der Beste in deinem Job bist. Sie schätzen dich und besetzen dich regelmäßig für gute Rollen. Lovett hat diese Chance erhalten, weil jemand ein gutes Wort für ihn eingelegt hat. Das hat mit dir überhaupt nichts zu tun. Also beruhige dich und erlaube mir, dich für den Dreh vorzubereiten.«
Ungeduldig riss er sich das Tuch, das seine Kleidung vor Schminkeflecken schützen sollte, vom Kragen. »Ich bin hübsch genug. Während ich mich auf die Suche nach dem Neuling mache, der an meinem Stuhl sägt, stellst du ein paar Nachforschungen an. Denise hatte angeblich ihre Finger im Spiel. Finde heraus, ob sie ihm das Casting ermöglicht hat oder ob er noch andere Freunde hat, die ihm Starthilfe geben. Ich muss meinen Feind besser kennenlernen.«
Mit besorgtem Gesichtsausdruck griff Uma nach seinem Arm. »Du weißt, dass du dich auf mich verlassen kannst. Wir haben schon einige stürmische Drehs überstanden. Am ersten Tag wirst du immer von Zweifeln geplagt. Du hast Probleme damit, dich in deine Rolle zu finden. Also atme erst einmal tief durch. Akzeptiere deine Unsicherheit und das Chaos in deinem Inneren, weil du deine Rolle und dein wahres Leben noch nicht voneinander getrennt hast. Dank deiner wie immer intensiven Vorbereitung hat die Verwandlung bereits begonnen. In dir drin steckt bereits Wayne Klein, der sich Sorgen um seine Zukunft macht und der spürt, dass er an einem Scheideweg ist. Gleich kannst du dieser Mann werden und vor der Kamera brillieren. Im Augenblick bist du aber noch Charlie Walker. Und der muss nicht befürchten, dass er sein Lebenswerk verlieren könnte. Der darf stolz auf das sein, was er erreicht hat und das ihm auch niemand wegnehmen kann.«
Charlie blinzelte. Tatsächlich fiel es ihm schwer, die Gedanken von Wayne und Charlie auseinanderzuhalten. Hatte er überreagiert?
»Tief durchatmen, Charlie«, befahl Uma. »Schließ die Augen und konzentriere dich auf das Hier und Jetzt. Niemand will dir etwas Böses. Du bist der Held des Films. Du bist der Star.«
Folgsam tat er, was die Maskenbildnerin ihm aufgetragen hatte. Der Druck auf seiner Brust ließ ein wenig nach. Langsam weitete sich sein Tunnelblick, bis er erkannte, dass sie recht hatte. Wenn er allen bewies, was für ein guter Schauspieler er war, dann machte es keinen Unterschied, ob sein Kollege blond oder dunkelhaarig, wie er selbst war.
In den letzten zwei Wochen hatte er sich auf der Farm eingeschlossen und die Rolle des Wayne inhaliert. Obwohl das angemietete Haus nur schwer mit dem Zuhause des einfachen Ranchers vergleichbar war, hatte es doch nichts mit den Luxusvillen gemeinsam, in denen er sonst lebte, um der Welt zu zeigen, wie weit er es gebracht hatte. Das vergleichsweise einfache Leben hatte ihm gutgetan. Er hatte sich völlig von seinem Alltag loslösen können. Vermutlich war er deshalb auch so tief in die Rolle abgerutscht, dass er plötzlich seine Existenz von jemandem gefährdet sah, der es ohnehin nicht mit ihm aufnehmen konnte.
Es war an der Zeit, die erste Szene vor der Kamera als Wayne zu spielen, damit er die beiden Herzen, die in seiner Brust schlugen, besser voneinander trennen konnte. Sobald er sich das erste Mal gänzlich in Wayne verwandelt hatte, würden die Grenzen nicht mehr so leicht verschwimmen.
Er öffnete die Augen und schaffte ein Lächeln. »Danke, Uma. Du weißt einfach, wie du mich zur Vernunft bringen kannst.«
»Dafür bin ich da. Und jetzt geh da raus und zeig, was du draufhast.«
Dankbar nickte er ihr zu. »Aber ich möchte dich trotzdem bitten, ein wenig mehr über diesen Marcus herauszufinden. Ich möchte alles über ihn erfahren, was es zu wissen gibt. Wenn er mir doch Steine in den Weg legen will, muss ich vorbereitet sein.«
Uma wirkte nicht glücklich, stimmte dann aber zu. »Wie du willst, Boss.«
Charlie verließ die Garderobe und ging in die große Halle, in der die Räume der Ranch nachgebaut worden waren, um hier die Innenszenen drehen zu können. Heute legten sie gleich mit einer romantischen Szene los, was ihn in seiner aktuellen Stimmung nicht mit Begeisterung erfüllte. Wenigstens konnte er sich so ein sehr genaues Bild von seinem Kollegen machen.
Der Regisseur stand im Setting des Zimmers, in dem Everett Steele in dem Film wohnte, und unterhielt sich mit einem großen Kerl mit breiten Schultern. Bei dem Mann in abgenutzten Hosen, kariertem Hemd und Cowboyhut auf dem Kopf handelte es sich wohl um Marcus Lovett. Tatsächlich lugte ein Haarschopf unter dem Hut hervor, der den gleichen Farbton hatte wie Charlies Haar.
Erneut stieg Frustration in ihm auf. Die Fans würden völlig verwirrt sein. Wenn sich Everett und Wayne im Bett herumwälzten und mehrmals die Position wechselten, würden die Frauen nicht wissen, welchen Hintern sie gerade anhimmelten. Oft genug verhinderte der Kamerawinkel eine gute Sicht auf das Gesicht der Liebenden. Charlie hoffte also, dass sein Kollege zumindest einen weniger muskulösen Rücken hatte als er. Ein flacher Arsch konnte auch nicht schaden. Und wenn er dann noch irgendein auffälliges Muttermal besaß, konnte Charlie zufrieden sein.
Bei diesem Gedanken schob sich ein Grinsen auf seine Lippen. Er trat zu Mr Demme und begrüßte ihn. Dann wandte er sich Marcus Lovett zu. Sofort flatterte sein Herz in seiner Brust. Verdammt, er hatte ein Problem.
»Du?«, fragte er ungläubig. »Du bist mein neuer Kollege?«
Die Augen seines Gegenübers weiteten sich. Schock huschte über die Züge des Mannes, der ihn vor zwei Wochen im Iron Alexander ausgehorcht hatte. »Das darf nicht wahr sein.«
»Sie kennen sich bereits?«, fragte Mr Demme.
»Flüchtig«, antwortete Charlie rasch und räusperte sich. Obwohl er noch hin und wieder an die seltsame Unterhaltung gedacht hatte, war ihm der Name des Kerls entfallen gewesen. »Ein Zusammentreffen, das nicht ganz glücklich verlaufen ist, wie man merkt. Es hat anscheinend mit einem Missverständnis geendet, das wir rasch aus der Welt räumen sollten.«
Als Marcus ihn immer noch erschrocken anstarrte, streckte Charlie ihm die Hand entgegen. »Freut mich, dich wiederzusehen, Marcus. Ich bin sicher, wir werden großartig zusammenarbeiten.«
Die Finger, die sich in Charlies Hand schoben, zitterten leicht. »Bestimmt. Vielleicht können wir uns kurz unterhalten, bevor wir loslegen?«
»Natürlich«, sagte Mr Demme. »Ich will die beiden Hauptpersonen des heutigen Tages nicht daran hindern, großartige Leistung zu zeigen. Nehmen Sie sich einen Augenblick. Ich gebe in der Zwischenzeit die ersten Anweisungen an das Kamerateam.«
Charlie wartete, bis der Regisseur außer Hörweite war. Seine Gedanken rasten. Noch wusste er nicht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Der Klatsch, dass Denise Marcus die Rolle verschafft hatte, konnte nur stimmen, wenn Marcus im Iron Alexander den Mann auf der Suche nach seinen wahren Vorlieben nur gespielt hatte. Der Abend im Club hatte wohl lediglich der Recherche gedient. Damit ergab sein seltsames Verhalten plötzlich einen Sinn. Charlies Misstrauen war gerechtfertigt gewesen. Sein sechster Sinn hatte ihn offensichtlich nicht betrogen, als er ihm zugeflüstert hatte, dass Marcus nicht auf Männer stand.
»Was zur Hölle hast du dir nur dabei gedacht, in eine Schwulenbar zu gehen und dort aus Recherchezwecken dämliche Fragen zu stellen?«, blaffte er Marcus an. »Das hätte einerseits in die Hose gehen können – im wahrsten Sinne des Wortes, und war andererseits nicht fair gegenüber den Menschen, die dir helfen wollten.«
»Dann denkst du nicht, dass ich auf Männer stehe?«, fragte Marcus der Schöne. Wirkte der Idiot sogar ein wenig erleichtert?
»Es ist schwer genug, als offen homosexueller Mann in dieser Branche ernst genommen zu werden. Dieser Film ist in vielerlei Hinsicht wichtig. Da kann ich einen Hampelmann, der sich über uns lächerlich macht, gar nicht gebrauchen.«
»Das ist nicht meine Absicht«, verteidigte sich sein Kollege. »Ich wollte mir nur einen Eindruck verschaffen, wie ihr … wie Männer wie …«
»Schwule«, half Charlie aus. »Das Wort, das du suchst, heißt schwul. Wenn du das nicht einmal in den Mund nehmen willst, was wirst du dann gleich mit meiner Zunge anstellen?«
Marcus erbleichte. »Tut mir leid. Das alles ist ziemlich verwirrend. Ich verspreche, ich werde mein Bestes geben. Können wir einfach vergessen, dass wir uns vor dem heutigen Tag schon einmal getroffen haben?«
Enttäuscht zuckte Charlie mit den Schultern. Seine Hoffnung der letzten Wochen, dass dieser Film etwas Besonderes werden würde, verpuffte von einer Sekunde auf die andere. »Wie du willst. Sobald du bereit bist, legen wir los, damit wir diesen Dreh rasch hinter uns bringen.«
Er wartete nicht auf die Antwort des anderen, sondern ging los, um noch ein paar Crewmitglieder zu begrüßen und sich letzte Instruktionen abzuholen. Wenigstens einer von ihnen sollte sich professionell verhalten.
Keine zehn Minuten später wurde er für die erste Einstellung zurück vor Everetts Zimmer gerufen. Er stellte sich an seine Position und schloss die Augen. Von einer Sekunde auf die andere wurde er zu Wayne, der befürchten musste, die Kontrolle über sein Leben zu verlieren.
Arizona. Fünfziger Jahre. Brütende Hitze. Weites Land. Rinder und jede Menge Heu.
Wayne hatte einen harten Tag hinter sich. Die Arbeit war anstrengend gewesen. Er sehnte sich danach, die Beine hochlegen zu können. Doch erst galt es, eine Sache mit seinem neuen Angestellten zu klären. In den vergangenen Tagen war die Spannung zwischen ihnen immer mehr angestiegen. Wayne hegte die Vermutung, dass Everett schwul war und ebenfalls das Verlangen verspürt hatte, ihm näher zu kommen. Während der Arbeit des Tages war es nicht möglich, sich Klarheit darüber zu verschaffen. Sie waren selten allein und selbst dann könnten sie belauscht oder jederzeit erwischt werden, sollte die Anziehungskraft tatsächlich auf beiden Seiten bestehen. Also suchte er Everett in seinem Zimmer auf. Länger ertrug Wayne die Unsicherheit nicht mehr.
Als er die Augen öffnete, atmete er noch einmal tief durch. Dann klopfte er an Everetts Tür.
»Sekunde«, erklang die Stimme des anderen von drinnen. Undefinierbare Geräusche waren zu hören, dann wurde geöffnet.
»Boss! Habe ich vergessen, eine Aufgabe auf meiner Liste zu erledigen?« Nervosität zeigte sich auf Everetts Gesicht. »Ich habe doch nichts falsch gemacht?«
Wayne schüttelte den Kopf. »Darf ich kurz reinkommen?« Sein Blick glitt über Everetts Oberkörper. Das Hemd hatte sein Angestellter bereits geöffnet, weshalb das Unterhemd hervorblitzte.
Everett trat zur Seite und gab den Weg frei. Als Wayne an ihm vorbei war, schloss er die Tür.
Endlich allein. Wayne wandte sich um. »Wir sollten uns unterhalten. Über das, was da zwischen uns ist«, sagte er heiser und machte einen Schritt auf den anderen zu.
Erschrecken zeigte sich auf Everetts Gesicht. »Ich weiß nicht, was du …« Er stieß die Luft aus, versuchte sich nicht in Ausflüchten. »Es tut mir leid. In deiner Nähe kann ich einfach nicht unterdrücken, was ich wirklich bin. Natürlich packe ich sofort meine Sachen. Ich hätte dich nicht in diese Situation bringen dürfen. Verrate mich nur nicht …«
Wayne stoppte ihn mit einem Kuss. Er legte eine Hand in Everetts Nacken und zog ihn näher an sich heran. Ein überraschter Laut kam über Everetts Lippen. Mit dem Daumen seiner freien Hand strich Wayne über den Kiefer des anderen und vertiefte den Kuss.
Wollte den Kuss vertiefen.
Scheiterte an den unnachgiebigen Lippen seines Kusspartners.
Er nahm einen weiteren Anlauf und legte den Kopf schief. Er verstärkte den Druck, damit dieser Kuss doch noch echt wirkte.
»Cut!«, unterbrach sie die schneidende Stimme von Jonathan Demme. »Das versuchen wir gleich nochmal. Aber dieses Mal will ich, dass es nicht so verdammt steif wirkt. Lovett, lassen Sie mich meine Entscheidung für Sie nicht bereuen!«
Marcus nickte. In seinen Augen las Charlie Verunsicherung und Versagensangst.
Gegen seinen Willen verspürte er Mitgefühl. Er selbst war in seinen Anfängen auch ganz ähnlich tollpatschig gewesen. Ihm hatte man geholfen, damit er hatte besser werden können. Diesen Gefallen würde er jetzt Marcus erweisen, obwohl er nicht sicher war, ob der andere das verdient hatte. Irgendetwas an dem Mann weckte das Bedürfnis, auf ihn aufzupassen. Eine Regung, die ihm gar nicht gefiel, gegen die er sich allerdings auch nicht wehrte. Marcus musste besser werden, sonst würde auch Charlie nicht glänzen können. An sein Talent würde der Neuling ohnehin nicht heranreichen.
»Fünf Minuten Pause«, bat er.
Der Regisseur wirkte nicht sonderlich glücklich, aber da musste er jetzt durch. Charlie hatte das Gefühl, Marcus brauchte eine kleine Lehrstunde, bevor sie fortfahren konnten.
»Lass dich ganz in die Rolle fallen«, erklärte er leise, sobald die Crew abgelenkt wirkte. »Du musst zu Everett werden. Versuche, seine Sorgen und Träume nachzuvollziehen. Stell eine Verbindung zu ihm her, dann wird das schon.«
»Daran scheitert es nicht«, murmelte Marcus, während sich seine Ohren erhitzten.
Verdammt, wenn er seine Reaktionen so schlecht unter Kontrolle hatte, konnte das ein langer Drehtag werden. »Was ist dann das Problem?«
Marcus räusperte sich, sah nach beiden Seiten und beugte sich dann näher zu Charlie. »Das Küssen. Ich habe noch niemals einen Mann geküsst. Ich weiß nicht, ob ich glaubhaft genug bin. Küsst ihr anders als … als wir?«
Okay, möglicherweise besaß Charlie ebenfalls nicht sonderlich große Selbstbeherrschung. Mit Sicherheit sah man ihm seine Verärgerung an, wenn es nach den angespannten Muskeln in seinem Gesicht ging. »Was denkst du, was wir anders machen? Glaubst du, zwei Kerle sind zusammen zu keiner Zärtlichkeit fähig? Schließ die Augen und stell dir vor, ich wäre eine Frau. Eine große, flachbusige Frau.«
»Aber du hast einen Bart!«
Charlie lachte auf. Gott, das war zu köstlich. »Und?«
»Es fühlt sich anders an.«
»Natürlich. Schließlich bist du jetzt schwul. Da solltest du dich schon verändert fühlen.« Er unterdrückte ein Grinsen.
Der Neuling wurde ein wenig blass um die Nase. Wenigstens war damit das Problem der roten Ohren gelöst. »Vielleicht ist das hier ein Fehler«, murmelte er.
So weit sollte die Verunsicherung nun doch nicht gehen. Auch wenn es für Charlie von Vorteil wäre, wenn man ihm wie geplant einen blonden Weichling an die Seite stellte, bereute er plötzlich, Marcus dermaßen in Verlegenheit gebracht zu haben.
»Ach, was.« Er klopfte Marcus auf die Schulter. »Du hast dich gar nicht so schlecht angestellt. Dein Schauspiel war total überzeugend, bis es zum Kuss kam. Du hast Talent. Nach fünf Minuten solltest du noch nicht aufgeben. Wenn du kein Durchhaltevermögen beweist, wird aus dir niemals ein guter Schauspieler.«
»Ich habe bereits in einigen Filmen mitgespielt. Das hat dir anscheinend noch niemand gesagt. Ich bin kein blutiger Anfänger, der nicht weiß, was er tut. Ich fühle mich lediglich ein wenig überfordert von der Tatsache, dass ich mich diesmal an einen Mann ranmachen soll.«
»Welche Filme?«, fragte Charlie. Er hatte vor dem heutigen Tag noch nicht von Marcus Lovett gehört. Allzu groß konnten die Rollen also nicht gewesen sein.
Tatsächlich zählte Marcus ein paar Produktionen auf, die bewiesen, dass er noch lange nicht zu den Großen der Branche zählte. Dennoch beschloss Charlie, ihm eine echte Chance einzuräumen.
»Wir versuchen es jetzt noch einmal«, sagte er. »Dieses Mal weißt du ja schon, was auf dich zukommt. Tut mir leid, dass ich nicht weiblicher sein kann, damit dir die Sache leichter fällt. Bei diesem Film hast du die Rolle des Sensibelchens über. Also spiele, als hinge dein Leben davon ab. Lass dich darauf ein, damit dir jeder hier abkauft, dass du auf mich stehst. Und sobald die Klappe gefallen ist, kannst du wieder ganz du selbst sein.«
Marcus nickte, und Charlie gab Demme ein Zeichen. Kurz darauf lief die Kamera wieder.
Sie wiederholten die Szene. Charlie wurde wieder zu Wayne, verspürte die Hoffnung, in Everett einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, empfand Erleichterung, als sich sein Eindruck bestätigte, und konnte dann die Sehnsucht nicht länger bekämpfen, von den Lippen des anderen zu kosten.
Die Einsamkeit, die dem Leben auf der Farm und der Tatsache geschuldet war, dass er kein Interesse daran hatte, sich eine Ehefrau zu suchen, drückte schwer auf seine Schultern. Doch als er seinen Mund auf den des anderen legte, verschwand ein Teil der Last. Ein Hochgefühl flutete seine Adern. Möglicherweise bot Everett ihm ein wenig Abwechslung von der Eintönigkeit seines Lebens. Vielleicht konnten sie zusammen ihr Verlangen stillen.
Everett erwiderte seinen Kuss. Ein Hauch Zurückhaltung und Unsicherheit verlieh der Berührung ihrer Lippen eine bittere Süße.
Wayne unterbrach den Kuss und lächelte den anderen an. »Vielleicht ist das erst einmal genug für heute. Wir sind genug Risiko für einen Tag eingegangen. Verrate mir morgen Früh, ob du dir vorstellen kannst, den Einsatz noch ein wenig zu erhöhen.«
„Cut!“ Demme klang zufriedener als beim ersten Versuch. „Wir starten nochmal bei: Ich hätte dich nicht in diese Situation bringen dürfen, aber diesmal konzentriert sich die Kamera ganz auf Charlies Gesicht. Ich will, dass dieser Kuss endlich so überzeugend wirkt, wie wir ihn brauchen.“
Charlie las Verunsicherung in Marcus’ Augen. Ganz so enttäuscht wie sein Kollege konnte er nicht darüber sein, dass sie den Kuss ein drittes Mal spielen mussten. Marcus’ Lippen schmeckten verboten. Obwohl Charlie wusste, dass sie abseits des Sets nichts verband, genoss er die Nähe, die sie teilen mussten. Wenn Marcus endlich lockerer wurde, könnte dieser Dreh ganz amüsant werden.
„Mach dir nicht zu viele Gedanken“, befahl er an Marcus gewandt. „Wenn du willst, können wir gemeinsam dafür sorgen, dass du glaubwürdiger bist. Was hältst du von Trainingsstunden nach dem Dreh?“
„Ich weiß nicht.“ Marcus wirkte völlig durch den Wind.
„Keine Sorge. Das Publikum erhält mit meiner Hilfe die perfekte Liebesgeschichte.“
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