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Antibiotika in der Zahnmedizin
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Lektorat, Herstellung und Reproduktionen:
Quintessenz Verlags-GmbH, Berlin
ISBN: 978-3-86867-553-5
Vorwort
Vor weniger als 100 Jahren wurde Penicillin durch Zufall von Alexander Flemming entdeckt und trat sogleich im 2. Weltkrieg seinen Siegeszug an. Später folgte die Entwicklung von Tetracyclin, den Makroliden und den Chinolonen, die heute alle noch eingesetzt werden. Parallel zum vielfach erfolgreichen Einsatz von Antibiotika in den letzten 70 Jahren haben sich aber auch resistente Bakterien etabliert und uns die Grenzen der Antibiotika als „Wundermedikamente“ aufgezeigt. Inzwischen sterben jährlich viele Menschen aufgrund von Antibiotikaresistenzen. Dem verantwortlichen Einsatz von Antibiotika kommt daher heute eine besondere Bedeutung zu.
Die Entwicklung moderner Antibiotika hat die Zahnmedizin maßgeblich verändert. Gab es früher durchaus Todesfälle nach odontogenen Infektionen, so stellen diese Komplikationen heutzutage eine absolute Rarität dar. Verbreitete Krankheitsbilder, wie die Osteomyelitis der Kiefer, haben ihr klinisches Bild verändert oder sind nahezu verschwunden. Komplexe Eingriffe im kontaminierten Operationsgebiet, wie Implantationen oder Kieferkammaugmentationen, sind mithilfe moderner Antibiotika möglich geworden. Besonders für immunsupprimierte Patienten stellt der Einsatz von Antibiotika im Rahmen von Eingriffen im Kieferbereich einen Segen dar. Aber nicht nur in der Chirurgie, auch in Parodontologie, Kinderzahnheilkunde, dentaler Traumatologie und Endodontie gibt es essenzielle Indikationen zur systemischen oder lokalen Antibiose.
Während noch in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts regelmäßig Neuentwicklungen von Antibiotika auf den Markt kamen und der Zahnarzt kaum mithalten konnte, Vorteile, Indikationen und auch Risiken dieser neuen Substanzen einzuschätzen, so finden sich in den letzten Jahren praktisch keine neuen Substanzklassen mehr. Auch das Bewusstsein über die möglichen Folgen eines unkontrollierten Antibiotikaeinsatzes hat in den letzten Jahrzehnten erfreulicherweise zugenommen. Auch wenn immer noch das Gros der Antibiotikamengen in der Tiermedizin, besser gesagt in der Massentierhaltung, eingesetzt wird, so kommt der ambulanten Medizin und auch der Zahnmedizin eine relevante Bedeutung beim Antibiotikaeinsatz zu. Informierte Zahnmediziner*innen sollten sich daher ihrer Verantwortung beim Einsatz dieser kostbaren Substanzen bewusst sein, die auch für unsere Kinder und Kindeskinder noch wirksam sein müssen.
Gerade in der Zahnmedizin gelingt es erfreulicherweise häufig, die Ursache von Erkrankungen zu behandeln. So sind in den meisten Fällen die Zahnextraktion, Abszessinzision, Wurzelkanalbehandlung oder subgingivale Instrumentierung entscheidend für den Therapieerfolg und weniger die begleitende Antibiotikatherapie. Allerdings gilt es klinisch, Ausbreitungstendenz, Bakteriämie und lokale Infektion für den Antibiotikaeinsatz mit ins Kalkül zu ziehen. Darüber hinaus hat in den letzten Jahren der Anspruch der Patient*innen an ein perfektes Behandlungsergebnis zugenommen. So gibt es immer wieder Diskussionen um „Absicherungsverhalten“ durch den Einsatz von Antibiotika. Einige Kolleg*innen sind vielleicht sogar verunsichert durch die Diskussionen über Resistenzbildung auf der einen Seite und die gewachsenen Ansprüche der Patient*innen auf der anderen Seite. Nicht selten resultiert hieraus eine „Sicher-ist-sicher“-Entscheidung mit dem Ergebnis einer langfristig fatalen Übertherapie. Diagnostische Unsicherheit, therapeutische Ratlosigkeit oder persistierende Schmerzen dürfen aber nie eine Antibiotikaanwendung rechtfertigen. Gerade deshalb kann eine übersichtliche und praxisnahe Zusammenfassung zum Thema Antibiotika wichtig und hilfreich sein.
Entstanden ist die vorliegende Sammlung aus themenrelevanten Kostbarkeiten der Quintessenz-Fortbildungszeitschriften Quintessenz Zahnmedizin, PARODONTOLOGIE und ENDODONTIE. Diese haben wir aus fachlicher Sicht aktualisiert und ergänzt; es ist also gleichermaßen unvermeidlich wie erwünscht, dass manche Themen an verschiedenen Stellen aus unterschiedlichem Blickwinkel noch einmal beleuchtet werden. Damit soll das vorliegende Buch auch eine Lektüre einzelner Kapitel kurzweilig und informativ gestalten.
Möge dieses Buch den Kolleg*innen Sicherheit im verantwortungsvollen, indikationsbezogenen Einsatz dieser kostbaren Therapiemittel vermitteln.
Prof. Dr. Dr. Bilal Al-Nawas, Mainz,
Prof. Dr. Peter Eickholz, Frankfurt,
Prof. Dr. Michael Hülsmann, Zürich,
im April 2021
Autoren
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Bilal Al-Nawas
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische Operationen
Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz
Dr. med. dent. Steffi Baxter
Poliklinik für Präventive Zahnmedizin, Parodontologie und Kariologie Universitätsmedizin Göttingen
Robert-Koch-Straße 40, 37075 Göttingen
Dr. med. dent. Amira Begić
Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie, Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum)
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main
Dr. med. dent. Katharina Bücher
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München,
Goethestraße 70, 80336 München
Elisabetta Cotti
Department of Conservative Dentistry and Endodontics, University of Cagliari, Cagliari, Sardinia, Italien
Prof. Dr. med. dent. Bettina Dannewitz
Poliklinik für Parodontologie, Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum)
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main
und
Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis
Dres. Dannewitz & Glass
Langgasse 36−38, 35781 Weilburg
Prof. Paul M. H. Dummer
School of Dentistry, College of Biomedical & Life Sciences, Cardiff University, Cardiff, UK
Prof. Dr. med. dent. Benjamin Ehmke
Universitätsklinikum Münster
Poliklinik für Parodontologie und Zahnerhaltung
Waldeyerstraße 30, 48149 Münster
Prof. Dr. med. dent. Peter Eickholz
Poliklinik für Parodontologie, Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum)
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main
Prof. Dr. med. dent. Kerstin Galler
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg
Dr. med. dent. Kimberly Goepel-Kaempfert
Königstraße 55, 25335 Elmshorn
Prof. F. Kate Gould
Newcastle upon Tyne Hospitals NHS
Foundation Trust, Newcastle upon Tyne, UK
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Knut A. Grötz
Tagesklinik Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Burgstraße 2-4, 65183 Wiesbaden
und
HELIOS Dr. Horst-Schmidt-Kliniken Wiesbaden
PD Dr. Dr. Frank Halling
Gesundheitszentrum Fulda
Praxis Für MKG-Chirurgie/Plastische Operationen
Gerloser Weg 23a, 36039 Fulda
PD Dr. med. Dr. med. dent. Julia Heider
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische Operationen
Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz
Prof. Dr. med. dent. Roswitha Heinrich-Weltzien
Poliklinik für Kieferorthopädie - Sektion Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde
Universitätsklinikum Jena
Bachstraße 18, 07743 Jena
Prof. Dr. med. dent. Reinhard Hickel
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Goethestraße 70, 80336 München
Prof. Dr. med. dent. Michael Hülsmann
Klinik für Zahnerhaltung und Präventivmedizin
Zentrum für Zahnmedizin
Universität Zürich
Plattenstrasse 11, 8032 Zürich, Schweiz
PD Dr. med. dent. Yvonne Jockel-Schneider
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kiefergesundheit, Universitätsklinikum Würzburg
Pleicherwall 2, 97070 Würzburg
Peter Jonasson
Department of Endodontology, Institute of Odontology, Sahlgrenska Academy, University of Gothenburg, Gothenburg, Schweden
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Ti-Sun Kim
Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten
Poliklinik für Zahnerhaltungskunde
Sektion Parodontologie
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Prof. Dr. med. dent. Jan Kühnisch
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Goethestraße 70, 80336 München
Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Martin Kunkel
Universitätsklinikum Knappschaftskrankenhaus Bochum
Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie
In der Schornau 23-25, 44892 Bochum
Annalisa Mazzoni
Department of Biomedical and Neuromotor Sciences, DIBINEM, University of Bologna, Bologna, Italien
PD Dr. med. Dr. med. dent. Maximilian Moergel
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische Operationen
Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz
Dr. med. Lena Katharina Müller
Zahnärztin
Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie – plastische Operationen
Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz
Augustusplatz 2, 55131 Mainz
Dr. med. Imanuel Neuwirth
Marie-Eberth-Straße 6, 86956 Schongau
Dr. med. dent. Karina Obreja
Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie, Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum)
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main
Dr. med. dent. Alexander Oei
Hunnenveld Nr. 38, NL-6846 Arnheim, Niederlande
PD Dr. med. Dr. med. dent. Sven Otto
Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität
München
Goethestraße 70, 80336 München
Dr. med. Jan Pfisterer
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München
Goethestraße 70, 80336 München
Prof. Dr. med. dent. Bernadette Pretzl
Klinik für Mund-, Zahn- und Kieferkrankheiten
Poliklinik für Zahnerhaltungskunde
Sektion Parodontologie
Im Neuenheimer Feld 400, 69120 Heidelberg
Dr. med. dent. Annette Roth
Oeltingsallee 23, 25421 Pinneberg
Prof. Dr. med. dent. Edgar Schäfer
Zentrale Interdisziplinäre Ambulanz in der ZMK-Klinik
Universität Münster
Waldeyerstraße 30, 48149 Münster
Prof. Dr. med. dent. Frank Schwarz
Poliklinik für Zahnärztliche Chirurgie und Implantologie, Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (Carolinum)
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt
Theodor-Stern-Kai 7, 60596 Frankfurt am Main
Prof. Dr. Bilge Hakan Şen
Private Practice, Alsancak, Izmir, Türkei
Prof. Dr. med. Pramod M. Shah
Prof. Dr. med. dent. Ulrich Schlagenhauf
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kiefergesundheit
Universitätsklinikum Würzburg
Pleicherwall 2, 97070 Würzburg
Prof. Dr. Juan Jos. Segura-Egea
Department of Endodontics, School of Dentistry, University of Sevilla, Sevilla, Spanien
Dr. med. dent. Isabel Simon
Dr. Krigar & Partner
Schlosskirschenweg 24, 69124 Heidelberg Kirchheim
Prof. Hakkı Sunay
Department of Endodontology, Dental Faculty of Istanbul, Kemerburgaz University, Istanbul, Türkei
Prof. Leo Tjäderhane
Department of Oral and Maxillofacial Diseases, Helsinki University Hospital, University of Helsinki, Helsinki, Finnland
Research Unit of Oral Health Sciences, Medical Research Center Oulu (MRC Oulu), University Hospital and University of Oulu, Oulu, Finnland
PD Dr. med. dent. Matthias Widbiller
Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie
Universitätsklinikum Regensburg
Franz-Josef-Strauß-Allee 11, 93053 Regensburg
Dr. med. dent. Tim Wolff M.Sc.
Dr. Wolff & Dr. Schorn
Am Oberborn 2–4, 63791 Karlstein
Prof. Dr. rer. nat. Albrecht Ziegler
Richterstraße 18a, 24159 Kiel
Inhalt
Resistenzentwicklung
1 Resistenzentwicklung und ihre klinische Relevanz
Pramod M. Shah
Zahnärztliche Chirurgie
2 Odontogene Infektionen
Julia Heider, Bilal Al-Nawas
3 Prinzipien der Antibiotikaprophylaxe in der zahnärztlichen Chirurgie
Bilal Al-Nawas, Frank Halling
4 Einsatz lokaler Antibiotika in der zahnärztlichen Chirurgie
Lena Katharina Müller, Bilal Al-Nawas
5 Systemische Antibiotikagabe zur Therapie der periimplantären Mukositis und der Periimplantitis
Amira Begić, Karina Obreja, Frank Schwarz
Parodontologie
6 Adjuvante systemische Antibiotikagabe bei subgingivaler Instrumentierung im Rahmen der systematischen Parodontitistherapie
S3-Leitlinie (Kurzversion)
Yvonne Jockel-Schneider, Bernadette Pretzl, Benjamin Ehmke, Ulrich Schlagenhauf
7 Therapie von Parodontitis der Stadien I, II und III
Aktuelle Leitlinien der EFP und DG PARO
Peter Eickholz, Bettina Dannewitz
8 Medikamententräger für die topische subgingivale Applikation von Antiseptika und Antibiotika
Peter Eickholz, Bettina Dannewitz
9 Systemische Antibiotika in der parodontalen Therapie
Peter Eickholz, Ti-Sun Kim, Bettina Dannewitz
10 Adjuvante systemische Antibiotikagabe bei subgingivaler Instrumentierung
Fallbericht: Parodontitis, generalisiert Stadium III, Grad C
Bettina Dannewitz, Isabel Simon, Peter Eickholz
Endodontie
11 ESE Position Statement: Antibiotika in der Endodontie
Juan José Segura-Egea, F. Kate Gould, Bilge Hakan Şen, Peter Jonasson, Elisabetta Cotti, Annalisa Mazzoni, Hakkı Sunay, Leo Tjäderhane, Paul M. H. Dummer
12 Antibiotika in der Behandlung dentaler Traumata
Michael Hülsmann, Steffi Baxter
13 Ledermix und Co: Antibiotikahaltige Spüllösungen und medikamentöse Einlagen in der Endodontie
Michael Hülsmann, Annette Roth, Edgar Schäfer
14 Antibiotika in der regenerativen Endodontie
Matthias Widbiller, Kerstin Galler
15 Antibiotika bei akutem apikalem Abszess
Eine Umfrage unter deutschen Zahnärzten
Kimberly Goepel-Kaempfert, Michael Hülsmann
16 Der akute apikale Abszess
Wann ist eine Antibiose indiziert?
Alexander Oei, Michael Hülsmann
17 Endodontische Abszesse im Milchgebiss
Endodontisch bedingte Schmerzfälle und Abszesse im Kindes- und Jugendalter
Jan Kühnisch, Sven Otto, Katharina Bücher, Jan Pfisterer, Reinhard Hickel, Roswitha Heinrich-Weltzien
Risikopatienten in der zahnärztlichen Praxis
18 Endokarditisprophylaxe
Martin Kunkel
19 Antibiotikaprophylaxe bei Patienten mit künstlichem Gelenkersatz (Endoprothesen) im Rahmen zahnmedizinischer Eingriffe
Imanuel Neuwirth
20 Antibiotika beim zahnärztlichen Risikopatienten
Maximilian Moergel, Tim Wolff, Knut A. Grötz
21 Antimikrobielle Wirkstoffe in Therapie und Prophylaxe
Bilal Al-Nawas, Albrecht Ziegler, Frank Halling
Resistenzentwicklung
Resistenzentwicklung und ihre klinische Relevanz
Pramod M. Shah
Antibiotika gehören zu den erfolgreichsten Therapeutika. Mit einer antimikrobiellen Therapie kann es gelingen, eine vorliegende Infektionskrankheit auszuheilen. Die Grundvoraussetzung hierfür ist, dass der Erreger gegen das eingesetzte Antibiotikum empfindlich ist.
Zwei Fähigkeiten der Mikroben können den Therapieerfolg negativ beeinflussen. Zum einen hatten viele Erreger evolutionär die Möglichkeit, im Kontakt mit den in der Natur vorkommenden antimikrobiellen Substanzen Resistenz-Mechanismen gegen diese zu entwickeln (natürliche Resistenz). Beispielsweise fand man Spuren von Tetracyclin in Knochen von Mumien aus dem Sudan, tausende Jahre bevor Tetracycline zur Therapie entwickelt worden waren1.
Zum anderen stellte man sehr bald bei Bakterienarten, die primär als empfindlich gegen Penicillin eingestuft worden waren, eine stetige Zunahme von Resistenzen fest (erworbene Resistenz), welche zu klinischem Versagen führten (Tab. 1).
Tab. 1 Penicillinresistenz bei Staphylococcus aureus in Erlangen (persönliche Mitteilung Siegfried Heinrich).
Jahr | % resistent |
1948 | 3 |
1949/50 | 24 |
1954/56 | 58 |
1963 | 78 |
1967 | 54 |
1972/73 | 49 |
Resistenz-Definition
Die Antibiotikaresistenz ist definiert als Widerstandsfähigkeit eines Mikroorganismus gegenüber einer antimikrobiellen Substanz. Das bedeutet, dass ein resistenter Erreger in Gegenwart dieser Substanz ungehemmt wachsen und sich vermehren kann.
Natürliche Resistenz: Wenn natürlich vorkommende Erreger, die die normale, nicht mutierte Form des Genoms besitzen (Wildtyp), a priori Resistenzmechanismen, geno- oder phänotypisch nachweisbar, gegen ein getestetes Antibiotikum besitzen, sind sie natürlich resistent. Beispiel für solch eine Resistenz ist die Unfähigkeit höchster In-vitro-Konzentration von Vancomycin, gramnegative Bakterien in ihrem Wachstum zu hemmen (Tab. 2).
Tab. 2 Beispiele für natürliche Resistenz.
Mikroorganismen | Antimikrobielle Wirkstoffe |
Enterobacteriaceae, z. B. E. coli | Vancomycin, Teicoplanin, Makrolide |
Proteus-, Providencia-, Serratia-Arten | Polymyxin, Colistin |
Haemophilus influenzae | Oleandomycin |
Anaerobier, z. B. Bacteroides-Spezies | Aminoglykoside |
Erworbene Resistenz: Ein primär empfindlicher Erreger wird nach Exposition zu einem Antibiotikum resistent gegen dieses. So beobachtete man kurze Zeit nach Einführung von Penicillin eine Zunahme von penicillinresistenten Stämmen bei Staphylococcus aureus bzw. nach Einführung von Ciprofloxacin eine Resistenzzunahme bei Escherichia coli (Tab. 1, Abb. 1)
Solche Resistenz entsteht selten als Einschritt-Resistenz, sondern ist meist eine allmähliche Abnahme der Empfindlichkeit. So kann man im Laboratorium einen Erreger langsam steigenden Wirkstoffkonzentrationen aussetzen, um einen resistenten Stamm zu züchten oder zu selektionieren.
Klinisch wichtiger ist die erworbene Resistenz. Je mehr Antibiotika eingesetzt werden, desto häufiger werden resistente Erreger nachgewiesen2–9. Problematisch wird dies, wenn solche Stämme multiresistent sind. Diese Eigenschaft kann horizontal – Weitergabe von Bakterienzelle zu Bakterienzelle derselben Generation – oder vertikal – Weitergabe durch Zellteilung auf die Tochterzelle – verbreitet werden. Gefürchtet ist das Überspringen der Resistenz auf andere Spezies durch Plasmide, d. h. durch extrachromosomal im Zytoplasma lokalisierte DNS. Ein Beispiel hierfür wäre das Übertragen einer Resistenz gegen Cefotaxim von E. coli auf Salmonella-Spezies.