Kitabı oku: «Eine Spur von Tod», sayfa 11

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KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

Dienstag

Tagesanbruch

Vom Adrenalin hellwach fuhr Keri jetzt vom Angeles Crest Highway nach Norden ab. Rechts von ihr ging die Sonne auf und sie sah das Stahlantriebslabor der NASA am Horizont, während sie auf der zweispurigen Straße zum Angeles Nationalpark fuhr.

Nach weiteren zehn Minuten war die Stadt vollends hinter ihr verschwunden. Riesige Bäume türmten sich vor ihr auf, während sie zügig den steilen, felsigen Berg hinauffuhr. Um kurz nach halb sieben erreichte sie ihr Ziel, einen Rastplatz mit Toilette auf einer Schotterpiste westlich vom Woodwardia Canyon.

Nach einer viertel Meile sah sie vier Polizeifahrzeuge neben einem schwarzen Van stehen. Zwei gehörten zum LAPD und zwei zum LA County Sheriff. Ein Truck von der Spurensicherung war auch vor Ort und sie sah einige Ermittler, die vorsichtig den Van untersuchten. Ray und Hillman standen neben der Straße und redeten miteinander. Sterling und Cantwell hörten ihnen aufmerksam zu.

Keri stieg aus und ging hinüber. Sie ärgerte sich jetzt, dass sie keine Jacke mitgenommen hatte. In den Bergen war es kühl zu dieser Tageszeit, trotz der Hitzewelle. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Sie wusste nicht, ob es an der Temperatur oder an dem Anblick lag, der sich ihr jetzt bot.

Die Türen des Vans standen weit offen. Es gab keine Blutspuren oder sonstige Hinweise auf einen Kampf. Der Aschenbecher quoll über und überall lagen die leeren Verpackungen von Müsliriegeln, Chips und Keksen, sowie leere Gatorade-Flaschen verstreut. Der Schlüssel steckte im Zündschloss.

Ray kam Keri entgegen.

„Sie sind weggelaufen“, sagte er und zeigte ihr einen handgeschriebenen Zettel in einer Plastikfolie für Beweisstücke.

Ich fange ein neues Leben an.

Lasst mich einfach in Ruhe.

Wenn ihr mich zwingt zurück zu

kommen, laufe ich wieder weg.

Ashley

Keri schüttelte den Kopf.

„Das ist Bockmist.“

„Der Brief ist echt“, widersprach Ray. „Wir haben eine Kopie an Mia Penn geschickt. Sie bestätigt, dass es Ashleys Handschrift ist. Der Zettel kommt von einem Briefpapier-Set, das Ashley zum Geburtstag bekommen hat. Der Brief war mit einem ihrer Ohrringe an die Sonnenblende geheftet.“

„Ich glaube es trotzdem nicht“, sagte Keri.

„Sieh dich doch um. Wir sind hier am Angeles Crest Highway. Ich nehme an, sie wollten zuerst nach Woodwright, um der Polizei auszuweichen, und dann den Freeway Fifteen nach Vegas nehmen. Wahrscheinlich haben sie hier eine Pinkelpause gemacht und dann wollte der Van nicht mehr anspringen.“

„Woher willst du das wissen?“

„Weil er wirklich nicht mehr anspringt. Überzeuge dich selbst.“ Damit zog er einen Handschuh über, ging zur Fahrerseite und drehte den Schlüssel um, aber nichts geschah. „Die Batterieanschlüsse sind total verklebt, deswegen ist der Kontakt zu den Kabeln blockiert.“

„Na und, man muss nur die Stelle mit einen Schlüssel freikratzen und neu verbinden.“

„Du weißt das, ich weiß das, aber eine Fünfzehnjährige weiß das nicht. Der Van ist nicht angesprungen und deswegen sind sie per Anhalter weiter gefahren.“

„Du sagst immer sie. Wer war denn bei ihr?“

„Dieses andere Mädchen, keine Ahnung, wer sie ist.“

Keri dachte einen Moment nach.

„Wem gehört der Van eigentlich?“, fragte sie dann.

„Dexter Long.“

„Wer ist das denn?“

„Er geht auf das Occident College“, erklärte Ray. „Der Van ist auf seinen Namen zugelassen. Jemand hat ihn vom Campus-Parkplatz geklaut. Ihm war das noch gar nicht aufgefallen. Der Van stand dort seit einem Monat, weil der Junge in einem Studentenwohnheim direkt auf dem Campus wohnt.“

„Hat er den Wagen vielleicht jemandem geliehen?“

„Nein.“

„Wie sind sie dann an die Schlüssel gekommen?“

„Die lagen unterm Sitz.“

„Er sperrt seinen Wagen nicht ab?“

„Scheinbar nicht.“

„Verdammte Scheiße.“

„Allerdings.“

„Willst du Fingerabdrücke nehmen?“

„Haben wir bereits, aber wenn das andere Mädchen auch noch keinen Führerschein hat, werden uns die Fingerabdrücke nicht weiterhelfen. Außer, sie hat eine Akte bei uns.“

Hillman kam zu ihnen. „Die ganze Aufregung für nichts und wieder nichts.“

Keri legte die Stirn in Falten. „Sie glauben also auch, dass Ashley weggelaufen ist?“

Er nickte. „Was soll ich sonst denken? Ich weiß nicht warum oder mit wem, aber das ist mir auch egal. Für uns ist der Fall abgeschlossen.“

„Wie meinen Sie das?“

„Wir sind nicht mehr zuständig. Das FBI kann machen, was es möchte, aber wir wenden uns wieder den Vermissten dieser Stadt zu. Von denen gibt es mehr als genug.“

„Aber…“

„Kein aber“, unterbrach Hillman, „für uns ist der Fall erledigt. Fordern Sie mich nicht heraus, Detective Locke. Sie bewegen sich ohnehin auf dünnem Eis. Wenn ich richtig informiert bin, haben Sie in den vergangenen zwölf Stunden drei Menschen tätlich angegriffen. Wer weiß, wie viele noch dazukommen, von denen ich nichts weiß. Das hat jetzt ein Ende, und das meine ich bitterernst.“

Ray legte seine Hand auf Keris Schulter.

„Ich glaube, Lieutenant Hillman hat recht“, sagte er, „wir haben alle Spuren überprüft, aber es gibt keinen einzigen Beweis, dass Ashley Penn entführt wurde. Dafür gibt es jede Menge Hinweise, dass sie weggelaufen ist.“

„Das beweist gar nichts.“

„Alles ist möglich, das stimmt, aber das FBI wird jetzt entscheiden, wie es weitergeht. Das musst du akzeptieren, Keri. Ashley Penn ist nicht deine Tochter. Sie hat offensichtlich Probleme, aber das sind nicht deine Probleme.“

„Und wenn du dich irrst, vergeuden wir gerade wertvolle Zeit.“

„Ich übernehme die Verantwortung“, sagte Hillman und ging.

Aber du wirst nicht die Alpträume übernehmen.

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

Dienstag

Sonnenaufgang

Ashley erwachte und bemerkte sofort, dass etwas anders war. Es war nicht mehr stockdunkel im Silo. Schwaches Sonnenlicht fiel durch die Spalten rund um die Falltür über ihr. Jetzt war es so hell, dass sie die Taschenlampe nicht mehr brauchte.

Sie richtete sich auf. Noch etwas war anders. Knapp über ihr war ein Loch in der Wand, durch das ebenfalls Licht fiel. Wenn sie hochsprang, konnte sie beinahe nach draußen schauen. Beinahe. Sie brauchte etwas, auf das sie sich stellen konnte. Sie durchsuchte die kaputte Plastikkiste und holte ein paar Dosen heraus. Dann begann sie rechts und links unter dem Loch zu stapeln und legte das Brett darauf. Vorsichtig stützte sie sich an der Wand ab und kletterte darauf. Jetzt erreichte sie das Loch. Sie sah eine alte, verfallene Scheune, ein kleines Farmhaus und einen verwucherten Feldwege. Überall standen rostige Autowracks und verlassene Landwirtschaftsmaschinen herum.

Sie sah jetzt auch, dass das Silo bestimmt zehn Meter hoch war. Ashley war nicht schwindelfrei, sie konnte nicht einmal vom Drei-Meter-Brett im Schwimmbad springen.

Ashley sah nirgends ein Lebenszeichen – keine Menschen, Autos oder Hunde. Nichts. Auch von ihrem Entführer gab es keine Spur.

Dann legte sie sich auf den Boden und sah noch einmal in die düstere Tiefe. Ganz unten konnte sie eine schwache Lichtquelle ausmachen, als gäbe es dort unten ein Fenster oder eine Tür. Sie ließ das Brett hinunter und stieß auf die Knochen, bis das Loch frei war. Jetzt konnte sie sehen, dass ganz unten ein dreckiger Boden War. Darauf lag eine Schicht alten Getreides, in das sich die Knochen ein Stück hineingebohrt hatten. Sie schätzte, dass das Getreide etwa einen halben Meter tief war.

Ob ich mich hinunterfallen lassen soll?

Sie sah noch einmal genau hin und stellte sich den Fall vor. Er war ziemlich tief. Sie bezweifelte, dass das Getreide ihren Sturz anfangen würde – wenn sie überhaupt durch das Loch passte. Es würde auf jeden Fall knapp werden. Wäre es schlauer, die Hände an die Oberschenkel zu pressen oder über den Kopf zu strecken? Sie stellte sich vor, wie es wäre mit den Händen nach unten stecken zu bleiben. Wie würde sie lieber den Rest ihres Lebens verbringen? Hände oben oder Hände unten?

Schnell vertrieb sie den Gedanken.

Nicht hilfreich.

Da im Moment nur ein einziges Brett herausgebrochen war, konnte sie sowieso nicht hinunterspringen. Sie überlegte, ob es die Mühe wert war, noch ein Brett zu entfernen.

Ich habe keine Wahl.

Also begann sie wieder, an den Schrauben zu arbeiten. Diesmal hatte sie das Brett bereits nach zwei Stunden herausmontiert. Ashley hatte noch eine Idee: Sie würde die Matratze mit dem Deckel der Dose bearbeiten und Schaumstofffetzen nach unten werfen, dann würde sich unten ein Haufen bilden, der zusätzlich Polsterung bot. Wenn sie genau auf diesem Haufen landete, hatte sie vielleicht eine Chance, dass sich die alten Knochen vielleicht nicht in ihr Fleisch bohrten.

Sie überlegte, ob sie etwas Essen hinunterwerfen sollte. Vielleicht war das keine schlechte Idee, andererseits konnten die schweren Konservenbüchsen ihre Polsterung zerstören und darauf zu landen wäre auch nicht gerade weich.

Ein neuer Einfall ließ sie grinsen – zum ersten Mal, seit sie in dieser Hölle festsaß. Sie zog ihren Rock und ihr Top aus, warf beides nach unten und begann, sich mit Erdnussbutter einzuschmieren. Essen konnte sie das Zeug vielleicht nicht, aber es würde ihr helfen, durch die enge Öffnung zu rutschen. Besonders dick schmierte Ashley Po, Hüfte, Oberschenkel, Schultern und BH ein.

Als sie fertig war, hielt sie einen Moment inne, um sich mental auf ihr Vorhaben vorzubereiten. Das hatte sie immer vor großen Surf-Wettbewerben getan.

Sie atmete ruhig, konzentrierte sich und ging langsam an die Kante des Abgrunds.

Es war soweit.

Sie sah hinunter. Obwohl sie in der richtigen Position war, wollte sie nicht aus dem Stehen springen. Der Sturz wäre weniger heftig, wenn sie sich möglichst weit hinabhangelte. Sie leuchtete mit der Taschenlampe nach unten. Dann sank sie auf die Knie, hielt sich mit den Händen an der Kante fest und ließ ihren Körper hinabhängen.

Jetzt kommt der Moment der Wahrheit. Mach’s gut, Mama, mach’s gut, Papa! Ich liebe euch! Es tut mir leid! Ich will nicht sterben!

Sie atmete schneller. Immer schneller – und verlor die Nerven.

Das ist total verrückt! Ich kann das nicht tun!

Wie wahnsinnig versuchte sie, sich wieder hinauf zu ziehen, aber ihre Arme waren nicht kräftig genug.

Jetzt konnte sie sich nur noch fallen lassen.

Sie zwang sich, wieder ruhiger zu atmen, schloss die Augen, konzentrierte sich und schwang langsam hin und her, um sich direkt über der Öffnung fallen zu lassen.

Als der Moment gekommen war, ließ Ashley Penn schließlich die Bretter los und fiel hinab ins Ungewisse.

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

Dienstag

Früher Morgen

Keri zerbrach sich den Kopf. Alles deutete darauf hin, dass Ashley weggelaufen war. Ray und Hillman glaubten es, aber Keri war immer noch anderer Meinung. Als sie wieder in die Stadt kam, ging sie nicht direkt zum Revier. Sie konnte die herablassenden Blicke und geflüsterten Kommentare der Kollegen jetzt nicht ertragen. Stattdessen fuhr sie noch einmal zu den Schauplätzen der vergangenen Nacht – Ashleys Schule, die Blue Mist Lounge, der Häuserblock, in dem Walker Lee wohnte. Nach einer Stunde rief sie Mia Penn an.

„Glauben Sie, dass Ashley weggelaufen ist?“

„Nein, ich glaube es nicht. Aber nach allem, was ich in den vergangenen Stunden über sie herausgefunden habe, muss ich zugeben, dass ich meine Tochter nicht so gut kannte, wie ich dachte“, sagte sie. „Wie konnte das nur passieren?“

„Alle Teenager haben Geheimnisse“, beruhigte Keri sie.

„Ich weiß, aber das… ich weiß nicht. Sie hat wirklich extreme Dinge getan. Ich dachte, ich hätte einen guten Draht zu ihr. Aber jetzt scheint es, als hätte sie mir nicht vertraut und deswegen auch nichts erzählt. Was habe ich nur getan, dass sie sich so von mir entfremdet hat?“

„Sie dürfen sich nicht die Schuld geben“, sagte Keri. „Ich weiß, wovon ich rede.“

„Ich werde mich einfach mit dem Gedanken anfreunden müssen, dass Ashley uns verlassen wollte. Sie wird sich früher oder später melden, dann werde ich herausfinden, was ich falsch gemacht habe. Ich muss ihr Zeit geben.“

„Ich könnte bei Ihnen vorbeikommen.“

„Nein.“

„Aber…“

„Ich glaube, das ist keine gute Idee. Stafford ist so wütend wegen der Suchanzeige, dass er heute Morgen unser Schlafzimmer in Trümmer gelegt hat. Er denkt, dass er seinen Sitz im Senat wegen der negativen Publicity verlieren wird.“

„Gibt er mir etwa die Schuld dafür?“

„Er wird sich schon beruhigen. Aber im Moment ist es besser, wenn Sie sich fernhalten.“

„Wir könnten noch einmal die Beweislage durchsehen.“

„Nehmen Sie es nicht persönlich, Keri, aber hören Sie bitte auf.“

Damit wurde die Verbindung unterbrochen.

Am anderen Ende der Straße zog ein schwarzer Van abrupt auf die Straße. Keri sah eine Bewegung im hinteren Fenster. Es sah aus, wie blonde Haare.

Sie gab Vollgas und zog direkt neben den Van. Der Fahrer war ein pockennarbiger Mittdreißiger mit fettigen braunen Haaren und einer Zigarette zwischen den Fingern. Sie gab ihm ein Zeichen, rechts ran zu fahren. Er zeigte ihr nur den Mittelfinger und beschleunigte.

Sie beschloss, ihn unter die Lupe zu nehmen und wollte gerade die Sirene aufs Dach stellen, als vor ihnen die Ampel auf Rot umschaltete und der Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen kam.

Keri lenkte an den Straßenrand, um ihm auszuweichen. Dann stieg sie aus und hielt ihre Marke an das Fenster.

„Wenn ich Ihnen sage, dass Sie anhalten sollen, dann befolgen Sie das gefälligst!“

Der Mann nickte.

„Aussteigen und herkommen!“

Er folgte.

Keri beobachtete ihn und zog gleichzeitig die Beifahrertür auf, um einen Blick in den Wagen zu werfen. Er war voll mit Blumen, ansonsten war niemand zu sehen.

Ein Blick auf die Seite des Wagens verkündete Brandys Blumengeschenke.

Der Mann war inzwischen bei ihr angekommen.

„Klappe öffnen“, befahl sie.

Auch das befolgte er.

Keine Kinder, nur noch mehr Blumen. Was sie für Haare gehalten hatte, waren gelbe Blüten.

Ich verliere langsam den Verstand.

Keri sah den Fahrer an, der zwischen Verwirrung, Angst und Wut schwankte. Sie kam ihm zuvor: „Hören Sie, Sie sind gerade vor einer Schule wie ein Wahnsinniger herausgezogen und haben mir den Finger gezeigt, als ich sie herauswinken wollte. Sie können froh sein, dass ich Sie nicht aus Prinzip mitnehme.“

„Es tut mir leid, ich wusste nicht, dass Sie ein Cop sind. Sehen Sie es aus meiner Sicht: Nur weil eine verrückte Fahrerin will, dass ich anhalte, muss ich das nicht gleich tun.“

„Deswegen lasse ich Sie mit einer Verwarnung davon kommen. Ich bin Ihnen fast hinten drauf gefahren. Vorsicht im Straßenverkehr! Verstanden?“

„Natürlich.“

„Gut, dann verschwinden Sie jetzt.“

Das ließ er sich nicht zweimal sagen.

Keri setzte sich in ihren Wagen und dachte darüber nach, dass sie beinahe noch einen Menschen grundlos angegriffen hätte. Diesmal war es kein Drogendealer und auch kein Zuhälter, nicht einmal ein überheblicher Möchtegern-Rockstar, sondern ein ganz gewöhnlicher Blumenlieferant. Sie wusste einfach nicht, wie sie sich unter Kontrolle halten sollte. Es war wie ein übermächtiges Bedürfnis, dem sie nachgeben musste.

*

Keri parkte in einer schmalen Seitenstraße, die jetzt mit den Fahrzeugen von Nachrichtensendern und Paparazzos verstopft war. Auf dem Weg hierher hatte sie mit dem Kinderschutzdienst über Susan Grangers Fall gesprochen. Eine Frau, die sich mit dem Namen Margaret Rondo vorgestellt hatte, erklärte ihr, dass Susan in ein sicheres Frauenhaus in Redondo Beach gebracht worden war. Susans Zuhälter, der unter dem Decknamen Crabby bekannt war, würde sie dort niemals finden.

Dank Detective Suarez waren Crabbys Unterlagen wie durch Geisterhand verschwunden, weswegen er weitere achtundvierzig Stunden auf dem Revier festgehalten werden musste. Das war genug Zeit für Keri, einen Bericht zu schreiben, der mit Sicherheit keine Freilassung auf Kaution vorsah.

Nach einiger Diskussion durfte Keri schließlich mit Susan sprechen.

„Wie geht es dir?“, fragte sie.

„Ich habe Angst. Ich dachte, Sie wären auch hier.“

„Ich suche immer noch nach dem Mädchen, von dem ich dir erzählt habe, aber sobald ich es gefunden habe, komme ich dich wieder besuchen. Okay?“

„Okay“, flüsterte Susan.

„Ich wette, eine Menge Leute haben dir schon Dinge versprochen und ihr Wort gebrochen, oder?“

„Ja.“

„Und du denkst, dass ich mein Versprechen auch breche, richtig?“

„Vielleicht.“

„Das werde ich aber nicht. Glaubst du, dass jemand, der den fetten Crabby auf sich sitzen hat und ihn trotzdem in Handschellen legen kann, einen Weg findet, dich zu besuchen?“

„Ich schätze schon.“

„Verdammt richtig. Ich komme, sobald ich kann. Verlass‘ dich drauf! Und ich werde dir auch ein paar meiner Tricks beibringen. Wie klingt das?“

„Können Sie mir den Trick mit dem Augen aufspießen zeigen?“

„Klar. Aber man darf ihn nur im Notfall anwenden.“

„Ich war schon in einigen Notfällen.“

„Ich weiß, Kleines.“ Keri spürte einen Kloß im Hals. „Aber das ist jetzt vorbei. Wir sehen uns bald, okay?“

„Okay.“

Keri legte auf und saß einen Augenblick still da. Sie stellte sich vor, welchen Schrecken dieses Mädchen durchmachen musste. Als sich die Vorstellung einschlich, dass Evie in einer ähnlichen Situation sein könnte, schob sie den Gedanken weit von sich. Jetzt war keine Zeit zum Nachdenken. Es war Zeit zu handeln.

Sie stieg aus und ging mit festen Schritten auf die Penn-Residenz zu. Es war fast acht Uhr, Zeit für einen kleinen Hausbesuch. Eigentlich war ihr die Uhrzeit völlig egal. Etwas an ihrem Gespräch mit Mia Penn kam ihr merkwürdig vor. Es ließ ihr keine Ruhe. Jetzt würde sie sich ein paar Antworten holen.

Die Journalisten erkannten und umzingelten sie sofort. Keri ging unbeirrt weiter. Die Reporter stolperten über ihre eigenen Kameramänner, um mit ihr Schritt zu halten. Keri musste ein breites Grinsen unterdrücken.

Sobald sie das Grundstück betreten hatte, blieben die Reporter hinter ihr zurück, als wurden sie von einer unsichtbaren Macht zurückgehalten.

Keri klopfte an die Tür. Der gleiche Sicherheitsmann vom letzten Mal öffnete ihr. Sie drückte sich an ihm vorbei. Er zögerte, offensichtlich unsicher, ob er sie aufhalten sollte. Ihr entschlossener Blick überzeugte ihn.

„In der Küche“, sagte er. „Ich bringe Sie hin, sonst halten sie mich für unfähig und feuern mich.“

Keri tat ihm den Gefallen und ging etwas langsamer, damit er sie überholen konnte. Als sie in die Küche kamen, nippte Mia gerade an ihrem Kaffee.

Stafford Penn schaltete durch alle möglichen Fernsehender. Jeder einzelne berichtete über Ashley.

Mia blickte auf und sofort verschwand der müde Ausdruck aus ihrem Gesicht.

„Ich… Ich habe Ihnen doch gesagt, dass Sie ...“

Keri winkte ab. Senator Penn drehte sich um. Auch er wollte etwas sagen, überlegte es sich dann doch anders.

„Punkt Eins – Schluss mit den Höflichkeiten. Ich habe weder die Zeit, noch die Geduld dafür.“

„Wovon reden Sie?“, fragte der Senator energisch.

Keri sah Mia an.

„Sie glauben ebenso wenig wie ich, dass Ashley weggelaufen ist. Sie haben uns die ganze Zeit zu den Ermittlungen ermutigt. Sie waren ganz sicher, dass ihr etwas zugestoßen ist. Und jetzt plötzlich diese Kehrtwendung? Das kaufe ich Ihnen nicht ab!“

„Es ist mir wirklich egal, was Sie glauben oder nicht“, mischte sich Stafford Penn wieder ein. „Ich habe Ihnen von Anfang an gesagt, dass dieses Mädchen uns an der Nase herumführt, und genau das hat sie auch getan. Sie wollen nur nicht zugeben, dass Sie falsch lagen.“

Keri sah ihn ernst an. Er war ein erfolgreicher Politiker, der es weit gebracht hatte, und er war es gewohnt, dass die Menschen taten, was er wollte – Abgeordnete, Journalisten und vor allem seine Frau.

Aber Keri gehörte nicht dazu. Sie war ein Detective des LAPD, sie hatte Erfahrung darin, Lügner zu enttarnen, selbst wenn es sich um besonders gute Lügner handelte.

„Sie lügen mich an. Bei Gott, es ist mir egal, ob Sie ein Senator oder der Präsident der Vereinigten Staaten sind. Und wenn es mich meinen Job kostet – ich nehme Sie fest wegen Behinderung von polizeilichen Ermittlungen. Überlegen Sie sich gut, ob ich Sie in Handschellen vor all den Kameras abführen soll.“

Keri sah aus dem Augenwinkel, wie sich der Sicherheitsmann den Mund kratzte, um sein breites Grinsen zu verbergen.

„Was wollen Sie eigentlich?“, zischte der Senator.

„Ich will wissen, was Sie mir verheimlichen.“

„Ich verheimliche gar nichts.“

Mia sah ihn von der Seite an. „Stafford.“

„Stopp, Mia.“

„Komm schon, Stafford, es reicht.“

„Genau. Es reicht“, sagte Stafford Penn und starrte dabei Keri an. Sie starrte gelassen zurück.

„Gut“, sagte sie dann und holte ein Paar Handschellen aus der Tasche.

Mia stand auf.

„Sag es ihr“, forderte Mia von ihrem Mann in einem Ton, den Keri bei ihr noch nicht gehört hatte.

Er schüttelte den Kopf.

„Sie hat kein Recht.“

„Stafford, sag es ihr, sonst tue ich es.“

Er atmete laut aus, als wäre er selbst erstaunt über das, was er gleich tun würde.

„Warten Sie.“ Er ging nach oben. Eine Minute später kam er wieder zu ihnen und überreichte Keri ein Stück Papier. „Das war heute Morgen in unserem Briefkasten.“ Auf einem weißen Papier standen ein paar gedruckte Worte:

Du hast mir Unrecht getan, jetzt wiederfährt es dir.

Rache ist süß, freu dich drauf.

„Ich kann nicht glauben, dass Sie nichts gesagt haben“, sagte Keri.

Stafford seufzte. „Das hat nichts zu bedeuten.“

„Warum sagen Sie das?“

„Weil ich weiß, wer es geschickt hat.“

„Wer?“

„Mein Halbbruder, Payton Penn. Wir sind vom gleichen Vater, haben aber verschiedene Mütter.“

„Warum glauben Sie, dass er es war?“

„Payton ist ein Loser – milde gesagt. Er hasst mich und meine Familie. Er ist eifersüchtig, weil gewisse Dinge passiert sind, als wir jung waren. Und er ist eifersüchtig auf alles, was ich habe. Er hasst Mia, weil er nie eine Frau wie sie bekommen kann. Er hasst Ashley, sie hasst ihn. Er weiß Dinge über uns, die die meisten Leute nicht wissen. Zum Beispiel, dass ich Ashleys Vater bin.“

Keri nickte und versuchte, ein überraschtes Gesicht zu machen.

„Ich weiß Ihr Vertrauen in dieser Angelegenheit zu schätzen, Senator, aber ich muss wissen, warum Sie denken, dass Ihr Bruder kein Verdächtiger ist, obwohl er diese Nachricht geschrieben hat.“

„Seit ich zum Senator gewählt wurde, zahlen wir ihm Schweigegeld. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass er unsere Situation jetzt ausnutzt. Schließlich ist seine Zahlung gefährdet. Aber sehen Sie sich den Zettel an. Das hier ist keine richtige Lösegeldforderung.“

„Was meinen Sie?“

„Das ist typisch Payton. Er würde nie alles riskieren. Sehen Sie sich an, wie vage der Brief formuliert ist. ‚Du hast mir Unrecht getan.‘ Das könnten Hunderte von Leuten hier und in Washington geschrieben haben. Er fordert nichts.“

„Was denken Sie, steckt dann dahinter?“

„Wahrscheinlich hat er gehört, dass Ashley vermisst wird und dachte, dass er mit diesem Brief ein bisschen Profit herausschlagen kann. Dann hat er aber nicht einmal die Eier, Lösegeld zu fordern, sondern macht nur irgendwelche Andeutungen. Oder er wollte mir einfach zusätzlichen Schmerz zufügen, wenn ich schon am Boden bin. Er bekommt nicht oft Gelegenheit dazu, deswegen wollte er seine Chance nutzen.“

„Was macht Sie so sicher, dass er nicht doch plötzlich Eier bewiesen und sie entführt hat?“

„Weil ich gestern, als Ashley nicht nach Hause gekommen ist, einen Privatdetektiv auf ihn angesetzt habe. Payton war den ganzen Tag auf der Arbeit, bis fünf Uhr. Wie Sie wissen, ist Ashley um kurz nach drei verschwunden.“

„Sind Sie ganz sicher, dass er auf der Arbeit war?“

„Ja. Der Detektiv hat mir die Aufnahmen der Überwachungskamera geschickt.“

„Vielleicht hat er jemanden angeheuert.“

„Dafür hat er kein Geld.“

„Ich dachte, Sie geben ihm Geld.“

„Nicht genug um einen Kriminellen zu bezahlen, dass er meine Tochter entführt.“

„Vielleicht bekommt sein Partner einen Anteil des Lösegelds.“

„Sie meinen das Lösegeld, das er nicht gefordert hat? Das ist doch absurd. Ich habe Ihre Fragen beantwortet. Es ist eine Sackgasse. Übrigens werde ich Lieutenant Hillman berichten, dass Sie mir gedroht haben. Ich weiß nicht, wie gut das Ihrer Karriere tut, das ist schließlich nicht Ihr erster Fehltritt.“

„Halt den Mund, Stafford!“, rief Mia. „Wenn du dich für deine Tochter halb so leidenschaftlich einsetzen würdest, wie für deine Karriere, wäre das alles nicht passiert!“

Er sah aus, als hätte sie ihn ins Gesicht geschlagen. Seine Augen wurden feucht und er drehte sich schnell weg.

„Ich werde Sie zur Tür bringen“, sagte Mia.

Im Flur fiel Keri noch etwas ein.

„Mia, hatte Payton je Zutritt zu diesem Haus?“

„Nun, wir haben in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, mit ihm reinen Tisch zu machen. Zu Ostern hat er sogar ein ganzes Wochenende bei uns verbracht. Aber es ist leider schief gegangen.“

„Haben Sie ihn damals im Auge behalten?“

„Nein, wir haben versucht, das Misstrauen ihm gegenüber abzulegen. Ihn zu überwachen wäre dabei ziemlich kontraproduktiv gewesen, finden Sie nicht?“

„Ist es sehr schlecht ausgegangen?“

„Stafford und er haben sich irgendwann nur noch angeschrien, da ist er gegangen. Seitdem haben wir ihn nicht mehr gesehen.“

„Vielen Dank“, sagte Keri und ging. Die Presse besetzte nach wie vor die Straße. Um keinen Verdacht zu erwecken, bemühte sie sich, langsam zu gehen.

Das gelang ihr aber nicht besonders gut.

Es gab nämlich etwas Dringendes zu erledigen.