Kitabı oku: «Gefesselt», sayfa 3
Kapitel 5
Brent Merediths grimmiger Gesichtsausdruck machte deutlich, dass ihm Rileys Anfrage nicht gefiel.
“Der Fall liegt offensichtlich in meinem Bereich”, sagte sie. “Ich habe mehr Erfahrung mit dieser Art von perversen Serienmördern, als jeder andere.”
Sie hatte gerade von dem Anruf aus Reedsport berichtet und Merediths versteinerter Kiefer hatte sich nicht einmal bewegt.
Nach einem langen Schweigen seufzte Meredith schließlich.
“Ich erlaube es”, sagte er widerwillig.
Riley atmete erleichtert auf.
“Danke, Sir”, sagte sie.
“Danken Sie mir nicht”, knurrte er. “Ich erlaube es gegen mein besseres Wissen. Ich lasse Sie nur den Fall bearbeiten, weil Sie die passenden Fähigkeiten haben. Ihre Erfahrung mit dieser Art von Mörder ist einzigartig. Ich teile Ihnen einen Partner zu.”
Riley fühlte einen enttäuschten Stich. Sie wusste, dass sie gerade nicht mit Bill zusammenarbeiten konnte, aber sie fragte sich, ob Meredith den Grund der Spannungen zwischen den langjährigen Partnern kannte. Sie nahm an, dass Bill Meredith wahrscheinlich eher gesagt hatte, dass er vorerst in der Nähe bleiben wollte.
“Aber Sir–” begann sie.
“Kein Aber”, schnitt Meredith ihr das Wort ab. “Und Schluss mit diesem „Einsamer Wolf“ Blödsinn. Das ist nicht klug und auch gegen die Richtlinien. Sie wurden mehr als einmal fast getötet. Regeln sind Regeln. Und ich breche gerade so schon genug, indem ich Sie nach den letzten Vorkommnissen nicht beurlaube.”
“Ja, Sir”, sagte Riley leise.
Meredith rieb sich das Kinn und wog seine Möglichkeiten ab. Er sagte, “Agentin Vargas wird Sie begleiten.”
“Lucy Vargas?” fragte Riley.
Meredith nickte. Die Idee gefiel Riley nicht.
“Sie war im Team, das letzte Nacht bei mir zu Hause aufgetaucht ist”, sagte Riley. “Sie schien beeindruckend und ich mochte sie – aber sie ist noch ein Neuling. Ich bin es gewohnt mit jemandem zu arbeiten, der mehr Erfahrung hat.”
Meredith lächelte breit. “Ihre Bewertungen an der Akademie waren außerordentlich. Und sie ist jung, das stimmt. Es kommt selten vor, dass ein Student aus der Akademie direkt im BAU aufgenommen wird. Aber sie ist wirklich gut. Sie ist bereit für Erfahrungen im Feld.”
Riley wusste, dass sie keine andere Wahl hatte.
Meredith fuhr fort, “Wie schnell können Sie loslegen?”
Riley ging die notwendigen Vorbereitungen im Kopf durch. Mit ihrer Tochter reden stand ganz oben auf der Liste. Was noch? Ihre Reisetasche war nicht hier im Büro. Sie würde nach Fredericksburg fahren müssen, zu Hause anhalten, sicherstellen, dass April bei ihrem Vater blieb und dann zurück nach Quantico fahren.
“Geben Sie mir drei Stunden”, sagte sie.
“Ich lasse den Flieger bereitmachen”, sagte Meredith. “Ich lasse den Polizeichef in Reedsport wissen, dass unser Team auf dem Weg ist. Seien Sie in genau drei Stunden am Flugplatz. Wenn Sie zu spät sind, gibt es Ärger.”
Riley stand nervös auf.
“Verstanden, Sir”, sagte sie. Fast wollte sie sich wieder bei ihm bedanken, aber erinnerte sich rechtzeitig, dass er es ihr untersagt hatte. Sie verließ das Büro ohne ein weiteres Wort.
*
Riley schaffte es in einer halben Stunde nach Hause, hielt vor dem Haus und lief zur Haustür. Sie musste ihr Reise Set holen, einen kleinen Koffer, der immer gepackt mit Kosmetik, Bademantel und Anziehsachen, bereitstand. Sie musste sich beeilen, damit sie in die Stadt kam und April und Ryan alles erklären konnte. Sie freute sich nicht gerade auf diesen Teil, aber sie musste wissen, dass April in Sicherheit war.
Als sie den Schlüssel im Schloss der Haustür drehte, fand sie sie unverschlossen vor. Sie wusste, dass sie sie abgeschlossen hatte. So wie sie es immer tat, ohne Ausnahme. Alle Sinne von Riley waren sofort hellwach. Sie zog ihre Waffe und ging vorsichtig ins Haus.
Während sie sich durch das Haus bewegte und um jede Ecke guckte, hörte sie ein kontinuierliches Geräusch. Es schien aus dem Garten des Hauses zu kommen. Es war Musik – sehr laute Musik.
Was zum Teufel?
Immer noch auf der Suche nach einem Eindringling, ging sie durch die Küche. Die Hintertür war einen Spalt offen und Popmusik lärmte im Garten. Sie roch ein vertrautes Aroma.
“Nicht das schon wieder”, sagte sie zu sich selbst.
Sie holsterte ihre Waffe und ging nach draußen. Wie erwartet fand sie dort April am Tisch sitzend, neben ihr ein schlaksiger Junge in ihrem Alter. Die Musik kam aus zwei kleinen Lautsprechern, die auf dem Tisch standen.
Als sie ihre Mutter sah, riss April ihre Augen panisch auf. Sie versteckte ihre Hand unter dem Tisch und versuchte den Joint auszudrücken, in der Hoffnung ihre Mutter würde ihn nicht bemerken.
“Gib dir keine Mühe”, sagte Riley und kam mit großen Schritten auf den Tisch zu. “Ich weiß, was du tust.”
Sie konnte sich selber über die laute Musik kaum hören. Sie schaltete die Lautsprecher aus.
“Es ist nicht das, wonach es aussieht, Mom”, fing April an.
“Es ist genau das, wonach es aussieht”, erwiderte Riley. “Gib mir den Rest davon.”
April rollte mit den Augen und reichte ihr eine Plastiktüte mit einem kleinen Rest Marihuana darin.
“Ich dachte du arbeitest”, sagte April, als würde das alles erklären.
Riley wusste nicht, ob sie eher wütend oder enttäuscht war. Sie hatte April schon einmal mit Marihuana erwischt. Aber nachdem sie sich ausgesprochen hatten, dachte sie, diese Tage lägen hinter ihnen.
Riley starrte den Jungen an.
“Mom, das ist Brian”, sagte April. “Er ist ein Freund von der Schule.”
Mit einem leeren Grinsen und glasigen Augen reichte ihr der Junge die Hand.
“Freut mich Sie kennenzulernen, Frau Paige”, sagte er.
Riley behielt ihre Hände bei sich.
“Was machst du überhaupt hier?” fragte Riley April.
“Ich wohne hier”, sagte April mit einem Achselzucken.
“Du weißt, was ich meine. Du solltest bei deinem Vater sein.”
April antwortete nicht. Riley sah auf die Uhr. Sie hatte keine Zeit mehr. Die Situation musste schnell geklärt werden.
“Erzähl mir, was passiert ist”, sagte Riley.
April sah beschämt aus. Sie war für die Situation nicht vorbereitet gewesen.
“Ich bin von Dads Haus heute Morgen zur Schule gegangen”, sagte sie. “Vor der Schule habe ich Brian getroffen. Wir haben uns entschieden heute zu schwänzen. Es ist okay, wenn ich ab und zu mal fehle. Ich bekomme so oder so eine gute Note. Die Klausur ist erst am Freitag.”
Brian lachte nervös.
“Ja, April ist wirklich super in der Klasse, Frau Paige”, sagte er. “Sie ist super clever.”
“Wie seid ihr hergekommen?” fragte Riley.
April sah zur Seite. Riley konnte leicht raten, warum sie ihr nicht die Wahrheit sagen wollte.
“Oh Gott, ihr seid per Anhalter gefahren, stimmt's?” sagte Riley.
“Der Fahrer war sehr nett, sehr ruhig”, sagte April. “Brian war die ganze Zeit bei mir. Wir waren sicher.”
Riley fiel es schwer ihre Nerven und ihre Stimme zu beruhigen.
“Woher weißt du, dass ihr sicher wart? April, du darfst niemals mit einem Fremden mitfahren. Und warum kommst du her, nachdem was gestern passiert ist? Das war unglaublich dumm. Was wenn Peterson noch hier gewesen wäre?”
April lächelte, als würde sie es besser wissen.
“Komm schon, Mom. Du machst dir zu viel Sorgen. Die anderen Agenten haben das auch gesagt. Ich habe gehört, wie die zwei sich unterhalten haben – die beiden, die mich gestern zu Dad gebracht haben. Sie haben gesagt, dass Peterson definitiv tot ist und du es nur nicht akzeptieren kannst. Sie haben gesagt, dass jemand die Steine wahrscheinlich nur als eine Art Scherz dagelassen hat.”
Riley kochte vor Wut. Sie wünschte sich, sie könnte ein paar Minuten alleine mit diesen Agenten verbringen. Wie konnten sie es wagen Riley vor ihrer Tochter so zu widersprechen? Sie war versucht April nach ihren Namen zu fragen, entschied sich dann aber dagegen.
“Hör mir zu, April”, sagte Riley. “Ich muss für die Arbeit ein paar Tage aus der Stadt. Ich muss sofort los. Wir fahren zu deinem Dad. Du bleibst dort, bis ich zurückkomme.”
“Warum kann ich nicht mit dir mitgehen?” fragte April.
Riley wunderte sich, wie naiv Teenager in solchen Dingen manchmal sein konnten.
“Weil du deinen Sommerkurs abschließen musst”, sagte sie. “Du musst ihn bestehen, damit du nicht weiter in der Schule zurückfällst. Englisch ist ein Pflichtfach und du bist ohne guten Grund durchgefallen. Außerdem muss ich arbeiten. Mein Job ist nicht immer sicher. Das solltest du mittlerweile wissen.”
April schwieg.
“Komm rein”, sagte Riley. “Wir haben nur ein paar Minuten. Ich muss ein paar Sachen zusammenpacken, genau wie du. Dann bringe ich dich zu deinem Vater.”
An Brian gewandt fügte sie hinzu, “Und ich fahre dich nach Hause.”
“Ich kann per Anhalter fahren”, meinte Brian.
Riley starrte ihn einfach böse an.
“Okay”, gab Brian eingeschüchtert nach. Er und April standen auf und folgten Riley ins Haus.
“Los jetzt und ab ins Auto”, sagte sie. Die Kinder verließen gehorsam das Haus.
Sie schob den neuen Riegel vor, den sie zusätzlich an der Hintertür angebracht hatte und ging dann von Raum zu Raum, um sicherzustellen, dass die Fenster geschlossen waren.
In ihrem Schlafzimmer nahm sie ihr Reise Set und stellte sicher, dass alles was sie brauchte auch eingepackt war. Als sie ging, warf sie noch einen nervösen Blick auf ihr Bett, als wenn die Kieselsteine von der letzten Nacht wieder auftauchen würden. Sie hielt kurz inne und fragte sich, warum sie auf dem Weg in einen anderen Staat war, anstatt zu versuchen den Mörder zu finden, der sie gestern mit ihnen verhöhnt hatte.
Außerdem hatte April ihr Angst gemacht. Konnte sie sich darauf verlassen, dass ihre Tochter in Fredericksburg sicher war? Sie hatte geglaubt sie wäre es, aber jetzt hatte sie ihre Zweifel.
Trotzdem gab es nichts, was sie jetzt daran ändern konnte. Sie hatte einen neuen Fall und musste sich auf den Weg machen. Als sie von der Haustür zum Auto ging, schielte sie auf den dichten, dunklen Wald, auf der Suche nach einem Zeichen von Peterson.
Aber sie fand keines.
Kapitel 6
Riley blickte auf die Uhr in ihrem Wagen, während sie die Kinder in die bessere Nachbarschaft von Fredericksburg fuhr. Die Zeit lief ihr davon. Merediths Worte kamen ihr in den Sinn.
Wenn Sie zu spät kommen, gibt es Ärger.
Vielleicht – nur vielleicht – würde sie es rechtzeitig zum Flugplatz schaffen. Sie hatte eigentlich nur vorgehabt zu Hause vorbeizufahren, um ihren Koffer zu holen und jetzt war alles so viel komplizierter. Sie fragte sich, ob sie Meredith anrufen und drüber informieren sollte, dass familiäre Probleme sie aufhielten. Nein, entschied sie; ihr Boss war so schon nicht begeistert von dem neuen Fall. Sie konnte nicht erwarten, dass er nachgiebig sein würde.
Glücklicherweise lag Brians Haus auf dem Weg zu Ryan. Als Riley vor dem großen Vorgarten hielt, sagte sie, “Ich sollte mitgehen und deine Eltern darüber informieren, was passiert ist.”
“Sind nicht zu Hause”, sagte Brian mit einem Schulterzucken. “Dad ist verschwunden und Mom ist auch nicht oft da.”
Er stieg aus dem Auto, drehte sich noch einmal um und sagte, “Danke fürs Mitnehmen.” Als er langsam zur Haustür ging, fragte Riley sich, welche Eltern ihr Kind so alleine lassen würden. Wussten sie nicht, in welche Schwierigkeiten sich Teenager bringen konnten?
Aber vielleicht hat seine Mutter keine Wahl, dachte Riley unglücklich. Wie kann ich sie verurteilen?
Sobald Brian im Haus war, fuhr Riley weiter. April hatte bisher kein Wort gesagt und schien auch jetzt nicht in der Stimmung dazu zu sein. Riley konnte nicht sagen, ob es ein beleidigtes oder ein beschämtes Schweigen war. Ihr wurde klar, dass sie einiges nicht über ihre Tochter zu wissen schien.
Riley war wütend auf sich selbst und April. Erst gestern waren sie so viel besser miteinander klar gekommen. Sie hatte gedacht, dass April anfing den Druck zu verstehen, der auf FBI Agenten lastete. Aber dann hatte Riley darauf bestanden, dass April zu ihrem Vater ging und heute rebellierte April dagegen.
Riley ermahnte sich selbst, dass sie deutlich mehr Mitgefühl zeigen sollte. Sie war selber auch immer ein Rebell gewesen. Und Riley wusste, wie es war eine Mutter zu verlieren und einen distanzierten Vater zu haben. April musste Angst haben, dass ihr das gleiche passieren würde.
Sie hat Angst um meine Sicherheit, wurde Riley klar. In den letzten Monaten hatte April gesehen, wie ihre Mutter sowohl physische, als auch emotionale Verletzungen erlitten hatte. Aber nach dem Einbruch letzte Nacht, musste April krank vor Sorge sein. Riley ermahnte sich, dass sie den Gefühlen ihrer Tochter gegenüber aufmerksamer sein sollte. Jedem, egal in welchem Alter, würde es schwer fallen mit den Komplikationen in Rileys Leben umzugehen.
Riley hielt vor dem Haus, das sie einst mit Ryan geteilt hatte. Es war ein großes, schönes Haus mit einer Überdachung an der Seitentür, oder einer porte-cochère, wie Ryan es nannte. Mittlerweile zog Riley es vor am Bordstein zu parken, anstatt auf die Auffahrt zu fahren.
Sie hatte sich hier nie zu Hause gefühlt. Irgendwie hatte es nie zu ihr gepasst in einer respektablen Vorort-Nachbarschaft zu wohnen. Ihre Ehe, das Haus, die Nachbarschaft, all das hatte die vielen Erwartungen widergespiegelt, die Riley nie zu erfüllen schien.
Über die Jahre war es für Riley deutlich geworden, dass sie in ihrer Arbeit besser war, als sie es jemals in einem normalen Leben sein würde. Schließlich hatte sie die Ehe, das Haus und die Nachbarschaft verlassen, was sie nur darin bestärkt hatte, zumindest die Erwartungen in sie als Mutter einer Tochter im Teenager Alter zu erfüllen.
Als April die Tür öffnen wollte, sagte Riley, “Warte.”
April drehte sich zu ihr und sah sie erwartungsvoll an.
Ohne darüber nachzudenken, sagte Riley, “Es ist okay. Ich verstehe dich.”
April starrte sie überrascht an. Für einen Moment sah es aus, als würde sie anfangen zu weinen. Riley war fast genauso überrascht wie ihre Tochter. Sie wusste nicht, was über sie gekommen war. Sie wusste nur, dass jetzt nicht die Zeit für Standpauken war, selbst wenn sie tatsächlich Zeit dafür gehabt hätte. Sie fühlte, dass sie genau das Richtige gesagt hatte.
Riley und April stiegen aus und gingen zusammen zur Tür. Sie wusste nicht, ob sie hoffen sollte, dass Ryan zu Hause war oder nicht. Sie wollte keinen Streit mit ihm anfangen und sie hatte bereits entschieden ihm nichts von dem Marihuana Vorfall zu erzählen. Sie wusste, sie sollte es ihm sagen, aber sie hatte einfach keine Zeit sich mit ihm auseinanderzusetzen. Trotzdem sollte sie ihm erklären, dass sie für einige Tage weg sein würde.
Gabriela, die untersetzte, guatemalische Haushälterin, begrüßte Riley und April an der Haustür. Gabrielas Augen waren groß vor Sorge.
“Hija, wo warst du?” fragte sie in ihrem starken Akzent.
“Es tut mir leid, Gabriela”, sagte April kleinlaut.
Gabriela betrachtete Aprils Gesicht aufmerksam. Ihr Gesichtsausdruck sagte Riley, dass sie von Aprils Marihuana Konsum wusste.
“Tonta!” sagte Gabriela scharf.
“Lo siento mucho”, sagte April, die aufrichtig reumütig klang.
“Vente conmigo”, sagte Gabriela. Während sie April wegführte, drehte sie sich um und warf Riley einen bitteren Blick der Missbilligung zu.
Riley schrank unter ihrem Blick zusammen. Gabriela war eine der wenigen Personen, die sie wirklich einschüchtern konnten. Die Frau konnte außerdem fantastisch mit April umgehen, und momentan schien sie ein besserer Elternteil für sie zu sein als Riley.
Riley rief Gabriela hinterher, “Ist Ryan da?”
“Sí”, erwiderte Gabriela kurz angebunden. Dann rief sie ins Haus. “Señor Paige, Ihre Tochter ist zurück.”
Ryan erschien im Flur, angezogen und bereit zu gehen. Er sah Riley überrascht an.
“Was machst du hier?” fragte er. “Wo war April?”
“Bei mir zu Hause.”
“Was? Nachdem was gestern passiert ist, hast du sie mit nach Hause genommen?”
Riley biss frustriert die Zähne aufeinander.
“Ich habe sie nirgendwo hingebracht”, sagte sie. “Frag sie, wenn du wissen willst, wie sie dort hingekommen ist. Ich kann nichts dafür, wenn sie nicht mit dir leben will. Du bist der Einzige, der das ändern kann.”
“Das ist alles deine Schuld, Riley. Dank dir ist sie vollkommen außer Kontrolle.”
Für einen Moment war Riley fuchsteufelswild. Aber ihre Wut wurde sofort von dem schleichenden Gefühl ersetzt, dass er möglicherweise Recht hatte. Es war nicht fair, aber er wusste, wie er sie manipulieren konnte.
Riley atmete tief durch und sagte, “Hör zu, ich muss für ein paar Tage aus der Stadt. Ich habe einen Fall in New York. April muss hier bleiben, und sie darf nicht wieder abhauen. Bitte erkläre Gabriela die Situation.”
“Du kannst die Situation Gabriela erklären”, schnappte Ryan. “Ich muss einen Klienten treffen. Sofort.”
“Und ich muss ein Flugzeug erwischen. Sofort.”
Sie starrten sich einen Moment schweigend an. Ihr Argument hatte mal wieder sein Schachmatt errreicht. Als sie ihm in die Augen sah, erinnerte sie sich selbst daran, dass sie ihn einmal geliebt hatte. Und er schien sie ebenso geliebt zu haben. Damals waren sie beide jung und arm gewesen, es war bevor er ein erfolgreicher Anwalt und sie eine FBI Agentin geworden war.
Sie konnte nicht verleugnen, dass er immer noch ein gut aussehender Mann war. Er verbrachte viele Stunden im Fitnessstudio und machte sich große Mühe, um so auszusehen. Riley wusste, dass er viele Frauen in seinem Leben hatte. Das war ein Teil des Problems – er genoss sein Leben als Single zu sehr, um sich Gedanken darüber zu machen ein guter Vater zu sein.
Nicht, als wäre ich viel besser, dachte sie.
Dann sagte Ryan, “Es geht immer um deinen Job.”
Riley musste eine wütende Antwort schlucken. Sie hatten sich mehr als einmal deswegen gestritten. Ihr Job war gleichzeitig zu gefährlich und zu unwichtig. Sein Job war alles was zählte, weil er sehr viel mehr verdiente und weil er behaupten konnte einen wahren Unterschied in der Welt zu machen. Als wenn Klagen für reiche Klienten durchzufechten wichtiger war als Rileys nie endender Kampf gegen das Böse.
Aber sie konnte sich jetzt nicht in den alten Streit verwickeln lassen. Keiner von ihnen gewann etwas dabei.
“Wir reden, wenn ich zurück bin”, sagte sie.
Sie drehte sich um und verließ das Haus. Sie hörte, wie Ryan die Tür hinter ihr zuschlug.
Riley stieg in ihr Auto und fuhr davon. Sie hatte weniger als eine Stunde, um zurück nach Quantico zu kommen. Ihr Kopf drehte sich. Zu viel passierte zu schnell. Sie hatte gerade erst einen neuen Fall angenommen. Jetzt fragte sie sich, ob sie das richtige getan hatte. Es war nicht nur, dass April Probleme hatte damit umzugehen, sie war sich auch sicher, dass Peterson wieder in ihrem Leben war.
Aber auf eine Weise machte es Sinn. Solange April bei ihrem Vater blieb, würde sie vor Peterson sicher sein. Und Peterson würde während Rileys Abwesenheit keine neuen Opfer entführen. So sehr sie auch von ihm verwirrt wurde, war Riley sich in einer Sache sicher. Sie alleine war das Ziel seiner Rache. Sie, und niemand sonst, war sein nächstes Opfer. Und es würde sich gut anfühlen eine Weile von ihm weg zu sein.
Sie erinnerte sich auch an eine harte Lektion, die sie während ihres letzten Falles gelernt hatte – nicht zu versuchen alles Böse der Welt auf einmal anzugehen. Es war ein einfaches Motto: Ein Monster nach dem anderen.
Und gerade jetzt würde sie einem besonders brutalen Monster hinterherjagen. Ein Mann, von dem sie wusste, dass er bald wieder zuschlagen würde.
Kapitel 7
Der Mann fing an die langen Ketten auf seiner Werkbank im Keller auszubreiten. Draußen war es dunkel, aber die Glieder aus rostfreiem Stahl leuchteten unter dem Schein der nackten Glühbirne.
Er zog eine der Ketten zu ihrer vollen Länge aus. Das rasselnde Geräusch weckte schreckliche Erinnerungen daran gefesselt zu sein, eingesperrt und mit Ketten wie diesen gequält zu werden. Aber wie er sich immer wiederselber sagte: Ich muss mich meinen Ängsten stellen.
Und um das zu tun, musste er beweisen, dass er die Ketten beherrschte. In der Vergangenheit hatten die Ketten zu oft über ihn geherrscht.
Es war eine Schande, dass deshalb andere leiden mussten. Für fünf Jahre hatte er geglaubt, dass er das alles hinter sich gelassen hatte. Es hatte so geholfen, als die Kirche ihn als Nachtwächter angestellt hatte. Er mochte seinen Job und war stolz auf die Autorität, die er brachte. Er fühlte sich stark und nützlich.
Aber im letzten Monat, war ihm dieser Job genommen worden. Sie brauchten jemanden mit besseren Referenzen, hatten sie gesagt, jemanden der größer und stärker war. Sie hatten versprochen ihm die Gärtnerposition zu geben. Er würde immer noch genug Geld verdienen, um die Miete für sein kleines Haus zu zahlen.
Trotzdem hatte der Verlust seiner Arbeit, der Verlust der Autorität, die sie ihm gab, ihn hilflos fühlen lassen. Das Verlangen hatte sie wieder gemeldet – die Verzweiflung nicht hilflos zu sein, das dringende Bedürfnis die Ketten zu beherrschen, damit sie ihn nicht wieder einnehmen konnten. Er versuchte seinem Drängen nicht nachzugeben, als wenn er seine innere Dunkelheit hier im Keller lassen könnte. Das letzte Mal, war er bis nach Reedsport gefahren, in der Hoffnung ihm zu entkommen. Aber er schaffte es nicht.
Er wusste nicht, wie er es nicht konnte. Er war ein guter Mann, mit einem guten Herzen und er mochte es anderen Gefallen zu tun. Aber früher oder später würde sich diese Freundlichkeit gegen ihn richten. Als er der Frau in Reedsport geholfen hatte, der Krankenschwester, ihre Einkäufe zum Auto zu bringen, hatte sie gelächelt und gesagt, “So ein guter Junge!”
Er zuckte bei der Erinnerung an dieses Lächeln und ihre Worte zusammen.
“So ein guter Junge!”
Seine Mutter hatte gelächelt und solche Dinge gesagt, selbst wenn sie seine Kette zu kurz gehalten hatte, um nach draußen zu sehen, oder Essen erreichen zu können. Und die Nonnen hatten auch gelächelt und so etwas gesagt, wenn sie durch die kleine viereckige Öffnung in sein kleines Gefängnis geschaut hatten.
“So ein guter Junge!”
Nicht jeder war grausam, das wusste er. Die meisten Leute meinten es gut, vor allem in dieser kleinen Stadt, in der er sich niedergelassen hatte. Sie mochten ihn sogar. Aber warum sah ihn jeder als Kind – vor allem ein behindertes Kind? Er war siebenundzwanzig Jahre alt und er wusste, dass er außergewöhnlich klug war. Sein Verstand war voller brillanter Gedanken und er traf selten auf Probleme, die er nicht lösen konnte.
Aber natürlich wusste er, warum die Leute ihn so sahen. Es lag daran, dass er kaum sprechen konnte. Sein ganzes Leben lang hatte er hilflos gestammelt und er versuchte meist gar nicht zu reden, auch wenn er alles verstand, was andere Leute sagten.
Und er war klein, und schwach, und seine Gesichtszüge waren weich und kindlich, wie die von jemandem, der mit einem Defekt geboren worden war. In diesem leicht verformten Schädel steckte ein bemerkenswerter Verstand, in seinem Verlangen behindert brillante Dinge für die Welt zu tun. Aber niemand wusste das. Niemand. Nicht einmal die Ärzte in der Psychiatrie hatten es gewusst.
Es war ironisch.
Leute dachten, dass er Worte wie ironisch nicht kannte. Aber das tat er.
Jetzt fand er sich selber einen Knopf nervös in der Hand drehend. Er hatte ihn von der Uniform der Krankenschwester gerissen, als er sie aufgehängt hatte. An sie erinnert, sah er auf das Feldbett, wo er sie für mehr als eine Woche angekettet hatte. Er hatte sich gewünscht mit ihr reden zu können, zu erklären, dass er nicht grausam sein wollte, dass sie einfach seiner Mutter und den Nonnen zu sehr ähnelte, vor allem in ihrer Krankenschwester-Uniform.
Der Anblick der Uniform hatte ihn verwirrt. Es war das gleiche mit der anderen Frau vor fünf Jahren gewesen, der Gefängniswärterin. Irgendwie waren die Frauen in seinem Verstand zu seiner Mutter und den Nonnen und den Anstalt-Mitarbeitern geworden. Er kämpfte vergeblich darum sie auseinanderzuhalten.
Es war eine Erleichterung gewesen als er mit ihr fertig war. Sie so angekettet zu haben, war eine schreckliche Verantwortung; ihr Wasser zu geben, ihr Stöhnen durch die Kette zu hören, mit der er sie geknebelt hatte. Er nahm den Knebel nur heraus, um ihr ab und zu einen Strohhalm für Wasser in den Mund zu stecken. Dann versuchte sie zu schreien.
Wenn er ihr nur hätte erklären können, dass sie nicht schreien durfte, dass Nachbarn gegenüber waren, die sie nicht hören durften. Vielleicht hätte sie ihn verstanden, wenn er es hätte sagen können. Aber er konnte es nicht erklären, nicht mit diesem hoffnungslosen Stottern. Stattdessen hatte er sie stumm mit einem Rasiermesser bedroht. Auf lange Sicht hatte aber auch diese Drohung nicht funktioniert. Da hatte er ihr die Kehle durchschneiden müssen.
Dann hatte er sie zurück nach Reedsport gebracht und so aufgehängt, dass sie jeder sehen konnte. Er wusste nicht genau warum. Vielleicht war es eine Warnung. Wenn die Leute sie verstehen würden. Wenn sie es täten, dann müsste er nicht so grausam sein.
Vielleicht war es seine Art der Welt zu sagen, wie leid es ihm tat.
Denn es tat ihm leid. Er würde am nächsten Tag zum Blumenladen gehen und Blumen kaufen – ein billiges kleines Bouquet – für die Familie. Er konnte nicht mit dem Floristen reden, aber er konnte einfache Anweisungen aufschreiben. Das Geschenk würde anonym sein. Und wenn er einen guten Platz finden würde, um sich zu verstecken, dann würde er bei ihrem Grab stehen, wenn sie sie begruben und seinen Kopf neigen, wie die anderen Trauernden.
Er zog eine andere Kette stramm über die Werkbank, umklammerte das Ende so fest er konnte, nutzte all seine Kraft, um das Rasseln zu beenden. Aber tief in sich wusste er, dass es nicht reichte, um ihn zum Meister der Ketten zu machen. Dafür würde er die Ketten noch einmal nutzen müssen. Und er würde eine der Zwangsjacken nutzen, die er noch hatte. Jemand musste gebunden werden, wie er gebunden worden war.
Jemand musste leiden und sterben.