Kitabı oku: «Gesicht des Todes», sayfa 17
Kapitel siebenundzwanzig
Zoe saß bereits angeschnallt in ihrem Sitz und klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden, als Shelley den Anruf beendete. Ihr Fahrzeug röhrte los und sie fuhren die Straße hinunter, ihr Navigationssystem berechnete die schnellste Route und wies Shelley mit roboterhafter Stimme an, am Ende der Straße abzubiegen.
„Ich habe ihn angewiesen, den Zug nicht losfahren zu lassen“, sagte Shelley. „Er wird nie hier durchkommen.“
„Es ist egal“, erwiderte Zoe, sich an ihren Gurt klammernd. „Er hat irgendetwas vorbereitet. Sie wird zu dem Zeitpunkt sterben, an dem der Zug gemäß Fahrplan hier durchfahren sollte, auch wenn er nie das Depot verlässt. Wir wissen jetzt, dass an den Gleisen nichts manipuliert wurde. Es ist etwas im Zug selbst.“
Shelleys Lippen bildeten eine feste dünne Linie, so fest zusammengepresst, dass die Enden weiß wurden. „Ich weiß“, sagte sie. „Wir haben etwas weniger als zweieinhalb Stunden, um sie zu finden, herauszubekommen, was die Falle ist und sie da raus zu bekommen.“
Zoe holte ihr Handy aus ihrer Tasche. „Ich werde Verstärkung anfordern. Bombenentschärfungskommando und andere Spezialisten, die mehr wissen werden als wir.“
Die Autoreifen fraßen die Meilen, Shelley hielt die Geschwindigkeit ständig über hundert, ganz gleich, auf welche Art Straße sie einbogen. Es war herrlich ruhig, beinah halb zwei morgens, die Straßen fast völlig leer. Der einzige Truck, den sie mit hoher Geschwindigkeit überholten, hupte sie an, das Geräusch verklang in verwirrte Ruhe, als zwei Streifenwagen folgten.
Zoe hielt sich mit verkrampften Fingern am Sicherheitsgurt und Türgriff fest. Ihr Magen bäumte sich auf, aber sie würde lieber sterben, als Shelley zu bitten, langsamer zu fahren. Aishas Leben hing davon ab, dass sie schnell dort ankamen.
Shelley hielt auf dem Depotparkplatz in einem völlig inkorrekten Winkel schlitternd an und Zoe taumelte fast aus der Tür, während sie einen tiefen Atemzug frischer Luft holte, um sich zu beruhigen. Sie war einige Schritte hinter Shelley, die zu dem riesigen Depotgebäude rannte, mit breiten Öffnungen an den Stellen, an denen die Schienen mehreren Zügen Ein- und Ausfahrt boten.
Ein 1,67 m großer Mann mit drahtigen Haaren und einem Bierbauch stand nah bei einem offenen Eingang, eilig durch den Papierstapel in seinen Händen blätternd. Da er eine Winterjacke über etwas trug, das wie ein Pyjama aussah, wusste Zoe, dass es der Mann war, den sie hatten wecken lassen, damit er herkam.
„Smith?“ rief Shelley, als sie näherkamen.
Er sah bestätigend auf, wedelte dann mit seinen Papieren. „Ich versuche, den Zug zu identifizieren. Hier steht, er sollte in der sechsten Bucht sein.“
Zoes Augen gingen nach oben, nahmen die Ausmaße des Ortes auf, während sie eintraten. Schienen und Züge erstreckten sich in die Entfernung. Sie zählte neun Buchten entlang der Vorderseite des Depots und aus dieser Entfernung konnte sie sehen, dass sie mindestens sechzig Waggons tief waren. Mehrere Züge in jeder Bucht.
„Bringen Sie uns hin“, sagte Shelley ihm schlicht und er drehte sich um und eilte vor ihnen her, konsultierte beim Gehen immer noch seine Notizen.
Die sechste Bucht war weit genug entfernt, um wertvolle Minuten verstreichen zu lassen und dann musste er die Pläne erneut prüfen und gegenprüfen, bevor er sicher war, dass sie vor der richtigen Lokomotive standen.
„Es ist der hier“, sagte er. „Frachtzug. Sechsunddreißig Güterwagen. Jeder mit einer eigenen Tür abgeschlossen, aber das ist für Fracht. Die meisten haben keine Fenster.“
Zoe fluchte, sah den Zug entlang. Sechsunddreißig fensterlose Waggons. Keine Möglichkeit, ohne Eigengefährdung hineinzusehen.
„Welche haben Fenster?“ fragte Shelley.
„Äh, mal sehen … Triebwagen, sechster, sechzehnter und der Letzte.“
Zoe drehte sich zu den Polizisten um, die ihnen gefolgt waren und nach ihrem Lauf über das Depot nach Atem rangen. „Prüfen Sie diese zuerst. Wenn Sie etwas sehen, sofortige Meldung machen.“
Sie nickten und rannten erneut los, jeder von ihnen verstand, dass es um Leben und Tod ging. Ein Polizist für jeden Waggon. Irgendwie war es ihnen gelungen, das richtige Mengenverhältnis von Leuten mitzubringen.
Mengenverhältnis – das ließ Zoe aufmerken. Die Waggons mit Fenstern – das war relevant, oder? Eins, sechs, sechzehn, sechsunddreißig. Ein Unterschied, der sich jedes Mal verdoppelte. Fünf, dann zehn, dann zwanzig Waggons dazwischen.
Das war definitiv der richtige Zug.
„Gibt es schon eine geschätzte Ankunftszeit für die Spezialisten?“ fragte Zoe.
„Vielleicht dreißig Minuten, vielleicht etwas länger“, sagte Shelley, die den goldenen Pfeilanhänger um ihren Hals so fest umfasste, dass Zoe den Abdruck in ihrer Handfläche sehen konnte, als sie los ließ. „Ich hake noch mal nach. Und rufe einen Rettungswagen, falls wir ihn brauchen.“
Wie lange würde es dauern, bis sie jeden Waggon durchsucht hatten? Wenn die Spezialisten ankamen, würden sie nur noch ein paar Stunden haben, um die zweiunddreißig zu analysieren und überprüfen, die keine Fenster hatten. Zwei Stunden, um gründlich genug zu sein, dass sie sicherstellen konnten, dass keine Agenten oder Polizisten beim Öffnen der Türe sterben würden.
Nicht lang genug.
Zoe zermarterte sich das Hirn, ging zwischen ihrem Zug und dem danebenstehenden hin und her. Ihre Gedanken rasten durch die Möglichkeiten. Sie wusste tief im Inneren, dass die Waggons, die sie jetzt durchsuchen konnten, nicht die richtigen sein würden. Er hätte es ihnen nicht so einfach gemacht. Er hätte nicht riskiert, dass jemand durch ein Fenster sah und etwas entdeckte, das gar keine Fracht war.
Es musste etwas hier sein, das ihm gesagt hatte, welchen Waggon er wählen sollte. Auf keinen Fall hätte er zufällig einen gewählt – nicht ihr Mörder. Kein Apophäniker.
Der mittlere Waggon? Es schien zu offensichtlich und außerdem gab es mit einer geraden Anzahl von Waggons keine genaue Mitte. Sie läge zwischen zwei Waggons. Es waren sechsunddreißig, also vielleicht eine Vielzahl von sechs? Aber was bedeutete die Sechs dem Mörder? Die Zahl war bisher nicht aufgetaucht. Sie war kein Teil der Fibonacci-Sequenz, die Sechsunddreißig ebenfalls nicht. Was war in seinem Kopf vorgegangen?
„Sagen Sie mir alles über den Zug, das Sie wissen“, sagte Zoe, wandte sich wieder an den Depotmanager.
Er stotterte eine Weile, ging seine Papiere durch. „Äh, nun, er wurde 2008 gebaut“, sagte er. „Kam 2013 hierher.“
Acht – Dreizehn. Diese Nummer hakten sich am Rand von Zoes Gedanken fest, aber sie machte eine Geste, dass er fortfahren sollte.
„Schwerlast. Er ist geeignet, einige risikoarme toxische Materialien zu befördern. Macht täglich zwischen zwei und sechs Fahrten, abhängig von Beladungszeiten und Art der Buchung. Passiert bei jeder Fahrt durchschnittlich vierzig Bahnhöfe ohne Anhalten, obwohl manchmal die Lieferungen eher regional oder auf verschiedene Bahnhöfe verteilt sein können.“
Zoe hob eine Hand, damit er aufhörte. Er sprach nun einfach, nur bedeutungslose Geräusche. Es waren keine Zahlen, keine Muster in dem, was er sagte. Durchschnitte hatten keine Bedeutung. Sie brauchte richtige Daten. Spezifikationen.
Aber wenn die Daten nicht in dem System waren, welches zur Fahrplanplanung benutzt wurde, wer hätte dann Zugriff darauf? Sicher kein Zivilist. Kein Außenseiter, der einen Zug wählen musste, ohne Expertenwissen über sie zu haben. Hier war etwas Einfacheres, irgendein Muster, das von außen sichtbar war. Es wäre ihm ins Auge gefallen.
Acht, dreizehn – Zoe wusste, warum diese ihr aufgefallen waren. Es waren Zahlen der Fibonacci-Sequenz. Eins, eins, zwei, drei, fünf, acht, dreizehn, einundzwanzig, vierunddreißig …
Diese Zahlen gaben die Dimensionen und Punkte der Fibonacci-Spirale vor. Und sie entsprachen der Anzahl seiner Opfer. Vierunddreißig, der Mann vor seiner Farm. Einundzwanzig, die Frau, die neben der Straße gegangen war. Dreizehn, der Parkplatz. Acht, Linda, die Tankstellenmitarbeiterin. Fünf, Rubie in den Wäldern. Drei, die Themenparkangestellte. Zwei, er selbst, in einer Blutlache im Diner. Und eins, Aisha Sparks, im Frachtzug gefangen.
Da der erste und zweite Punkt der Spirale die gleiche Nummer und somit den gleichen Ort hatten, würde er dort nur einmal töten müssen. Das bedeutete – was? Dass das Opfer im ersten Waggon sein musste?
Der Polizist, der diesem Waggon zugewiesen worden war, hatte ihn bereits gründlich durchsucht und war damit fertig. Es war nichts in der Fahrerkabine und wenn der Mörder seine Zählung stattdessen vom ersten Frachtwagen aus begonnen hatte, hätte er das ordentliche Muster der Waggons mit Fenstern verkürzt. Es sogar ruiniert, da der Triebwagen zählen musste. Die Fenster dort konnten nicht ignoriert werden.
Es war nicht der erste Waggon. Sie musste weiter denken, weiter als die Sequenz–
Nein. Nicht weiter.
Sie musste sie nur umdrehen.
Es gab keine Zeit für Erklärungen.
Sie musste losrennen.
Kapitel achtundzwanzig
Das Mädchen würde im vierunddreißigsten Waggon sein, um die Vervollständigung der Spirale zu symbolisieren.
Shelley rief ihr nach, aber Zoe eilte weiter hastig vorwärts, an einem paar überraschter Polizisten vorbei, die auf dem Weg von ihren Waggons zum Ende des Zuges waren. Sie begriffen und begannen, ihr zu folgen. Hinter sich konnte Zoe die Schritte von drei Menschen hören und wusste, dass ihr jeder folgte. An ihrer Seite flitzten die Waggons vorbei, so einfach gezählt, als ob ihnen ihre Nummern auf die Seite gemalt wären.
Vierunddreißig Waggons war eine lange Strecke. Lang genug, dass sie vom vorderen Teil des Zuges den richtigen Waggon nicht hatte ausmachen können, die Regeln der Perspektive ließen ihn schmaler erscheinen und verbargen ihn ihrer Sicht. Aber nun war sie näher und sie konnte ihn sehen, ihr Ziel. Ein Waggon wie all die anderen. Keine besondere Farbe oder Zeichen. Aber es war derjenige.
Zoe brachte sich schliddernd zum Stehen, ihr Herz schien bis in ihre Kehle zu pochen, während sie versuchte, zu Atem zu kommen. Ihre Augen glitten von der Seite über jedes Merkmal des Waggons, auf der Suche nach nicht dorthin gehörenden Drähten, abgekratzter Farbe, irgendetwas Ungewöhnlichem. Sie sprang über Konnektoren, die höher als ihre Knie waren, um die andere Seite zu überprüfen, umkreiste ihn entschlossen.
„Der hier?“ fragte Shelley atemlos.
Zoe nickte fest. „Sie ist hier drin. Es ist die Sequenz.“
Shelley schien dies zu verstehen, auch wenn sie keine wirkliche Erklärung erhalten hatte, und sie kniete sich hin, um unter den Waggon zu sehen. „Ich kann nichts Verdächtiges entdecken.“
Die Polizisten hatten sich instinktiv verteilt, sich um die vier Ecken des Waggons angeordnet, ihr eigenes Muster geformt. Zoe schätzte ihren Einsatz, aber sie behinderten sie nur. Hier war nichts, das auffallen würde. Das war nicht sein Stil.
Sie näherte sich der Waggontüre und schlug dagegen, drückte ihr Ohr an das Metall, um auf eine Antwort zu lauschen. „Aisha? Kannst du mich hören?“
Da war nichts, obwohl sie sich anstrengte, jeden Laut wahrzunehmen. Sie hielt lange Sekunden inne, atmete sogar kaum, hoffte, wenigstens die Andeutung eines Geräuschs zu hören.
Das Mädchen war nicht bei Bewusstsein, was auch immer ihr angetan worden war. Zoe stellte sich einen rasiermesserscharfen Draht vor, der sich langsam und unerbittlich enger um den Hals eines schlafenden Mädchens schloss, und schauderte, schob sich von der Tür weg.
Aber was war das? Sie lehnte sich erneut vor, holte einen weiteren tiefen Atemzug durch die Nase. Da war – irgendwas – irgendeine Art seltsamer Geruch in der Luft …
Gas. Es war Gas.
„Er vergiftet ihre Luftversorgung“, stieß Zoe hervor, sobald sie begriff, was es bedeutete. „Der Waggon füllt sich mit Gas.“
Shelley kam neben sie und presste ihre eigene Nase an die haarfeine Lücke an der Türversiegelung, nickte. „Ich rieche es.“
„Wir sollten warten, bis das andere Team herkommt“, sagte einer der Polizisten nervös. „Es könnte explodieren.“
„Nur, wenn wir einen Funken in die Nähe bringen“, erwiderte Zoe kopfschüttelnd. Sie konnte kaum atmen, dachte an Aisha da drin, die Lungen langsam vom Gas erstickt. „Soweit wir wissen, ist er hinsichtlich dieses Materials kein Experte. Es kann gut sein, dass er es falsch gemacht hat. Sie könnte jetzt schon sterben.“
„Oder irreparable Schäden erleiden, selbst wenn sie sie da lebend rausbekommen“, stimmte Shelley zu, beugte ihren Kopf, um Zoe mit großen Augen von der Seite anzusehen. „Was denkst du?“
Zoe dachte gar nichts. Die Entscheidung war bereits gefallen. Sie war offensichtlich. „Alle zurücktreten“, sagte sie. „Weit zurück. Ich werde die Tür öffnen.“
„Wir sollten auf die Spezialisten warten“, sagte einer der Polizisten.
„Ich warte nicht länger“, beharrte Zoe. „Ihr Leben ist in Gefahr. Ich habe einen höheren Rang als Sie. Gehen Sie.“
Die Polizisten gingen ohne weiteren Widerspruch mit kleinen Schritten zurück. Sie mussten die Entschiedenheit in ihrem Gesicht gesehen und gewusst haben, dass sie ein Nein nicht akzeptieren würde.
„Du auch“, fügte Zoe an Shelley gewandt hinzu. „Geh in Deckung. Nur für den Fall, dass es doch explodiert.“
„Ich lasse dich nicht alleine. Wir haben das hier zusammen angefangen.“
„Du hast eine Tochter.“ Zoe versuchte, ihre Stimme fest und ruhig zu halten, aber sie verlor die Geduld. „Shelley, ich muss diese Tür jetzt öffnen. Geh mit den anderen zurück.“
Shelley biss sich auf die Lippe und zog den Kopf ein. Wenn ihre Augen beim Aufblicken glitzerten, musste es an einer Täuschung durch die Deckenleuchtröhren des Depots liegen, nicht an sich sammelnden Tränen. „Ich bleibe hier stehen“, sagte sie. „Gebe dir Rückendeckung.“
So wie die Polizisten sich Zoes Bestimmtheit hatten beugen müssen, fand Zoe sich nun mit Shelleys unerschütterlichem Willen konfrontiert. Sie hätte argumentieren können, aber die Uhr tickte. „Bleib an der Seite der Tür. Du wirst so ein wenig vor einer Explosion geschützt sein. Sei aktionsbereit, sobald ich herauskomme.“
Zoe holte Luft, um sich zu wappnen und wartete, bis das Geräusch von Schritten in der Entfernung verklang. Dann hob sie die Augen in einem stummen Flehen an einen Gott, über dessen Existenz sie sich nicht sicher war, an die Decke, legte ihre Hand auf den Türgriff und drehte.
Die Tür öffnete sich leicht, die elektronischen Schlösser waren während der Ruhezeit des Zuges abgeschaltet. Das zischende Fauchen von in die Luft strömendem Gas wurde deutlich, sobald sie hineinging, darauf wartete, dass ihre Augen sich an die Düsternis gewöhnten, die hinter dem durch die Tür fallenden Quadrat aus Licht lag.
Dann sah sie sie.
Zoe sprang vorwärts und berührte Aisha Sparks Hals, spürte erleichtert einen schwachen Puls unter ihren Fingerspitzen. In der anderen Ecke bei der Tür stand ein Gaskanister, markiert mit wütenden roten Symbolen, die Zoe sagten, dass es besser für sie wäre, so schnell wie möglich hier rauszukommen. Er war groß, nach ihren Berechnungen ausreichend für eine starke Anreicherung der Luft mit seinem Inhalt, wenn er erst einmal leer war.
Sie näherte sich ihm, suchte nach einem Ventil oder etwas, das abgeschaltet werden konnte. Ihre Finger fanden ein kleines Loch an der Seite des Kanisters und das Geräusch des Gases hörte auf, als sie ihren Finger darauf legte. Eine bestenfalls temporäre Lösung. Sie sah sich nach etwas um, das sie darüberkleben konnte, dann aber merkte Zoe, dass sie selbst schon ein wenig benommen wurde und zog sich von dem Kanister zurück. Die Spezialisten sollten sich darum kümmern. Sie hatte nicht genug Werkzeug, um die Öffnung zu verstopfen und da diese so klein war, war er sicher noch nicht mal halb leer.
Zoe bemerkte die Seile um Aishas Knöchel und Handgelenke, als sie zu dem Teenager ging, um sie hochzuheben. Das Mädchen wog mit Kleidern nur knapp siebenundvierzig Kilo und war komplett bewusstlos, rührte sich überhaupt nicht, als Zoe sie vom Boden hochhob und sich hinstellte.
Sie ging hinaus, manövrierte ihre Last ungeschickt, um die Tür mit einem Ellbogen zuzustoßen und das Gas vorerst einzuschließen. Dann rief sie, ihre Stimme von den hohen Decken des Depots wiederhallend: „Ich hab sie! Wo ist dieser Rettungswagen?“
Epilog
Zoe nahm den grauen Himmel und das kühle Wetter in sich auf, es stellte keine Überraschung dar, da sie zu Hause angekommen waren. Das Flugzeug setzte mit einem Rattern der Räder auf, die Passagiere gaben diesen kleinen gemeinsamen Laut der Überraschung und dann Erleichterung über die sichere Landung von sich. Zoe wandte ihren Blick vom Fenster und begann, ihre Sachen zusammenzusuchen, griff ein Notizbuch aus dem Fach in der Rücklehne des Sitzes vor sich.
„Warte einen Moment“, sagte Shelley neben ihr, hielt sie mit einer Bewegung an. Sie streckte die Hand aus und ergriff eine von Zoes Händen, wandte sich ihr voll zu. „Ich wollte nur etwas sagen.“
Zoe spannte sich kurz an, entspannte aber dann. Bei jedem anderen hätte sie jetzt die Rede erwartet: darüber, dass sie hiernach nicht als Partner arbeiten würden und ihrer getrennten Wege gehen sollten. Aber nicht bei Shelley.
Zoe hatte lange aufgehört, Shelley als vorübergehende Unbequemlichkeit zu betrachten, die bald verschwinden würde. Sie hatte bewiesen, dass sie langfristig dabei sein würde. Zoe hatte ein Gefühl, dass ihre Partnerschaft sich ausgesprochen gut entwickeln würde.
„Niemand wird etwas über deine Fähigkeiten erfahren, nicht von mir“, fuhr Shelley fort, drückte Zoes Hand. „Nicht, bis du dazu bereit bist, falls das je passiert. Ich werde dein Geheimnis bewahren.“
„Danke“, sagte Zoe schlicht. Vielleicht stolperte sie ab und an bei höflicher Konversation, aber hier wusste sie, was sie sagen wollte. Sie war dankbar, tiefempfunden und aufrichtig. Shelley musste das erfahren. Das war alles, was zählte.
Und zum ersten Mal, während Zoe sich am Flughafen von einer Partnerin entfernte, stellte sie fest, dass sie sich tatsächlich darauf freute, wieder mit ihr zu arbeiten.
* * *
Zoe kam mit einem erleichterten Aufseufzen durch die Tür. Ein lautes Miauen aus der Küche und das Erscheinen von Euler mit hocherhobenem Schwanz zeigten ihr, dass sie nicht die Einzige war, die sich über ihre Rückkehr freute.
Sie ließ ihre Reisetasche im Flur fallen, nahm sich vor, sich später darum zu kümmern. Zuerst die Katzen füttern, dann sich selbst, dann duschen. Und hoffentlich vierundzwanzig Stunden schlafen.
Nachdem sie das Katzenfutter in die Näpfe gegeben hatte, kraulte Zoe Pythagoras hinter dem Ohr, bis er ihre Hand mit einer ungeduldigen Pfote wegschubste, begierig darauf, ungestört zu fressen. Sie setzte sich auf ihre Fersen, sah ihnen eine Weile zu.
Auch wenn ihre Katzen sie nur wegen ihrer Fähigkeit, Katzenfutter zu verteilen, schätzten, war sie wenigstens anderswo nicht mehr eine persona non grata. Ihre Methoden hatten ganz und gar nicht das Versagen dargestellt, vor dem ihre Vorgesetzten sie gewarnt hatten, sie waren gerechtfertigt gewesen. Aisha Sparks hatte durch das ihr verabreichte Beruhigungsmittel und das Gasleck leichte Beschwerden davongetragen, aber sie hatte nur eine Nacht zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben müssen. Sie war nach Hause entlassen worden, bevor Shelley und Zoe mit dem Klären verbleibender offener Punkte fertig gewesen und ins Flugzeug gestiegen waren.
Durch die Beweise, dass der Mörder es tatsächlich auf den Themenpark abgesehen hatte und dass nur der forensische Fehler der falschen zugrunde gelegten Autofarbe ihnen in die Quere gekommen war, war es nun für jeden offensichtlich, dass Zoe auf dem richtigen Weg gewesen war. Der letzte Anruf des Chiefs war das genaue Gegenteil des vorherigen gewesen – voll des Lobes und der Gratulationen. Sie wurde in internen Unterhaltungen als brillante Agentin mit überdurchschnittlichen deduktiven Fähigkeiten beschrieben und die Presse hatte sich begeistert auf die psychischen Probleme des Mörders gestürzt. Die Gerüchte würden verschwinden, ebenso wie das Lob. Es gab immer einen neuen Fall.
Aber diesmal war etwas anders gewesen. Etwas hatte sich in ihr verändert, wie ein Erdstoß. Sie hatte sich nie zuvor direkt mit einem Serienmörder verglichen, so viele Gemeinsamkeiten gefunden. Zoe war daraus stärker hervorgegangen, ihr Glaube an sich selbst hatte den Sturm überlebt. Sie war ein guter Mensch. Sogar die immer noch in ihrem Hinterkopf kreischende Stimme ihrer Mutter konnte das nicht ändern.
Sie spürte, dass ein Teil des Sieges von der anderen Premiere dieses Falles herrührte: die erste Agentin, die ihre Fähigkeiten herausgefunden hatte und nicht geflüchtet war. Andere hatten nie auch nur danach gefragt. Sie hatten sich nur unbehaglich gefühlt und waren gegangen, nicht in der Lage, mit Zoes Eigenheiten und der Tatsache, dass sie den Fall immer am schnellsten löste, zurechtzukommen. Shelley war anders. Zoe konnte bereits fühlen, welchen Unterschied das machte. Das Selbstbewusstsein, das in ihr gewachsen war.
Vielleicht hätte Zoe das Muster früher unterbrechen und mehr Leben retten können, wenn sie sich Shelley früher anvertraut hätte. Das war das Einzige, das sie bereute.
Sie ließ die Katzen alleine und stand auf, sah durch ihren Gefrierschrank, um etwas zu finden, das sie einfach in den Ofen schieben konnte. Sie zuckte zusammen, als es in ihrem Arm spannte, sobald sie ihn ein wenig zu weit ausstreckte, spürte, wie sich die neuen Nähte bemerkbar machten. Daran würde sie sich gewöhnen müssen. Der Arzt hatte sie gewarnt, dass sie wahrscheinlich eine unschöne Narbe bekommen würde, da sie so lange mit der Versorgung der Wunde gewartet hatte.
Zoe ging zur vertrauten Form ihres Computers, fuhr ihn hoch. Wenigstens belastete Tippen die Wunde nicht besonders. Während ihr Abendessen warm wurde, loggte sie sich in ihr Emailkonto, sah nach, ob es etwas Neues gab.
Da war tatsächlich eine Mitteilung, begraben unter den zehn Junkmails und der üblichen offiziellen Aufforderung, sich für eine Beratungssitzung zu melden, da sie ihre Waffe abgefeuert hatte. Es war keine Nachricht, die sie erwartet hatte. Der Anwalt für Eigentumsrecht, John, mit dem sie auf dieser unbehaglichen Verabredung gewesen war, die nun schon Monate her schien, der so viel Brot gegessen und ihr am Ende des Abends alles Gute gewünscht hatte, ohne ein weiteres Treffen in Aussicht zu stellen. Sie hatte nicht erwartet, je wieder von ihm zu hören, und doch stand da sein Name, in einer durch jene Datingseite geschickten Nachricht, durch die er sie ursprünglich kontaktiert hatte.
Hi Zoe, ich hoffe, Dir geht’s gut. Ich denke öfter über unsere Verabredung nach. Ich war etwas langweilig; um ehrlich zu sein, war ich von einem Fall abgelenkt. Würdest Du mir eine zweite Chance geben?
Zoe dachte darüber nach, horchte mit einem Ohr auf das Signal des Ofentimers, während sie seine Nachricht mehrere Male durchlas. Wie seltsam. Da war sie nun davon ausgegangen, dass sie diejenige gewesen war, die die Verabredung versaut hatte und er dachte das Gleiche von sich. Vielleicht waren sie zu je fünfzig Prozent dafür verantwortlich. Sie würde sogar achtundneunzig Prozent übernehmen, denn das war besser als einhundert.
Die 10-Punkt-Schrift blinkte sie an, bis sie sich entschlossen umdrehte, ihr Handy nahm und eine Nummer wählte. Es klingelte viermal, bis die Leitung ein deutlicheres Geräusch übertrug.
„Hallo?“
Zoe blinzelte. Sie hatte fast keine Antwort erwartet. „Hallo, ist das Dr. Lauren Monk?“
„Ja, am Apparat. Wie kann ich helfen?“
Zoe wappnete sich. Es war wirklich an der Zeit, den Sprung zu wagen. Sie war nicht annähernd in der Lage, den Versuch einer zweiten Verabredung mit einem Typen zu wagen, schon gar nicht einem, der durchaus interessantes Potential hatte. Sie musste an sich und den Dämonen arbeiten, die sie nachts immer noch wachhielten, wenn sie sich sinnvoll weiterentwickeln wollte.
Und nun, da sie eine ständige Partnerin hatte, würde es wohl auch um Shelleys willen gut sein, wenn sie auch lernen könnte, etwas weniger kratzbürstig zu sein.
„Dr. Applewhite hat mich an Sie verwiesen. Mein Name ist Zoe Prime. Ich würde gerne einen Termin machen.“
Während sie sich das Datum in ihrem Kalender notierte, hoffte sie nur, dass sie nicht zu einem anderen Fall außerhalb des Staates gerufen würde, bevor sie den Termin einhalten konnte.