Kitabı oku: «Nichts Als Rennen», sayfa 3
KAPITEL FÜNF
Adele runzelte die Stirn, als sie auf ihren Laptopbildschirm sah und lehnte sich auf dem ihr von Interpol gebuchten Sitzplatz in der ersten Klasse zurück. Das Flugzeug vibrierte, als es durch den dicht mit Wolken bedeckten Himmel flog. Adele hatte die Fensterabdeckung geschlossen, so dass die Helligkeit des Computerbildschirms den beengten Teil der Flugzeugkabine erhellte.
Sie erwischte sich dabei, wie sie nervös am Gurt ihrer Laptoptasche herumspielte, die auf dem leeren Sitz neben ihr stand, während sie die Informationen auf dem Bildschirm erneut durchging. Wenn sie einmal eine Akte aufmerksam gelesen hatte, vergaß sie selten die Details.
Sie machte es sich gemütlich, lehnte sich an die geschwungene weiße Plastikwand und scannte weiterhin Absatz für Absatz und alle ihr zur Verfügung gestellten Fotos.
Es hatte zwei Tote gegeben – bis jetzt. In einem Abstand von drei Tagen. Das war schnell, selbst für einen Serienmörder. Keine physischen Beweise jeglicher Art. Eine fehlende Niere beim ersten Opfer und ein ausstehender Bericht des Gerichtsmediziners für das zweite Opfer. Würde ihr auch eine Niere fehlen?
Es waren beides junge Frauen. Expats – Amerikaner, die jetzt in Frankreich lebten. Frauen, die erst kürzlich nach Frankreich eingereist waren. Beide waren so schnell getötet worden, dass sie nicht einmal reagiert hatten. Das war die einzige Erklärung dafür, dass die Schnitte an den Hälsen der Opfer so sauber waren. Keine gezackten Schnitte, keine Anzeichen eines Kampfes. In einem Moment waren die jungen Frauen noch am Leben und in ihren eigenen Wohnungen gewesen, im nächsten Moment waren sie wie von einem Geist ausgelöscht worden.
Adele bezweifelte, dass die Frauen es überhaupt hatten kommen sehen. Es gab ohnehin noch nicht viele Hinweise – noch nicht. Sie hatte noch immer die Fensterblenden geschlossen und lauschte dem Rütteln der Motoren, die auf Hochtouren liefen. Während sie wieder und wieder die Akten und bisherigen Hinweise durchging, wurden ihre Augen langsam klein.
***
Sie hatte sich ins Wi-Fi des Charles-De-Gaulle-Flughafens einloggen können und sah enttäuscht aus, als sie die jüngste Nachricht von Robert Henry, ihrem alten Mentor und Freund, las. Darin stand: Tut mir leid, Liebes, ich werde dich nicht abholen. Sie schicken einen anderen Agenten. Außerdem hatte er eine Reihe von Emoticons und Smiley-Gesichtern beigefügt.
Sie überlegte kurz und fing dann an zu tippen: Kein Problem. Wir sehen uns dann im Büro. Wen haben sie geschickt?
Keine Antwort. Adele schüttelte den Kopf, als sie den Gang verließ und das Hauptterminal betrat. Sie wurde mit dem Geruch von überteuertem Kaffee und vertrocknetem Gebäck aus den Flughafenrestaurants begrüßt. Sie schlenderten an einer Reihe von Läden vorbei; es war ein Kiosk und ein Buchladen. Adele steckte ihr Telefon wieder in die Tasche und ging schnell durch den Flughafen in Richtung Gepäckausgabe. Beim letzten Mal hatten sie ihr John als Partner zugeteilt – wahrscheinlich würde das wieder so sein. Aber nach dem sie sich das letzte Mal gesehen hatten waren die Dinge unangenehm geworden. Während sie und Robert sich alle paar Tage im Monat, seit sie in Frankreich gewesen war, gegenseitig eine Nachricht geschickt hatten, hatte John sich nicht ein einziges Mal gemeldet.
Du aber auch nicht, erinnerte sie eine kleine Stimme in ihrem Kopf.
Aber sie schob den Gedanken mit einem leichten Achselzucken beiseite. Sie erreichte die Gepäckausgabe und sah zu, wie sich das Gepäck über das metallene Lamellenförderband im Kreis drehte; sie wartete geduldig, schaffte es aber trotzdem nicht ganz, die Vorfreude abzuschütteln, die in ihrer Brust aufstieg.
Endlich entdeckte sie ihre Tasche und wartete darauf, dass um das Gepäck herum ein Platz frei wurde.
Sie fand sich dabei wieder, wie sie sich die Haare hinter den Ohren bürstete und ihr Outfit glättete, während sie sich dem Zoll näherte und darauf wartete, dass der Grenzbeamte ihren Pass und ihre Papiere mit besonderer Genauigkeit begutachtete. Reiß dich zusammen, dachte sie. Warum war sie plötzlich so besorgt um ihr Aussehen? John oder nicht, warum war das wichtig? Adele war größer als die meisten Frauen, aber auch nicht übermäßig – ihr langes, aschblondes Haar umrahmte Merkmale, die auf ihre französisch-amerikanische Herkunft hindeuteten. Exotisch, sagten einige. Ein einzelnes Muttermal saß nahe ihrer Oberlippe, was sie als Teenager extrem verunsichert hatte, aber jetzt bei Weitem keine Rolle mehr spielte.
Adele dachte an die letzte Nacht, in der sie John gesehen hatte, als sie den Abend gemeinsam am privatem Pool auf Roberts Anwesen geschwommen waren. Die Art, wie John zu Beginn des Abends gewesen war, gefolgt davon, wie er sich gegen Ende des Abends verhalten hatte. Er hatte versucht, sie zu küssen, oder hatte sie die Geste falsch interpretiert? Wie dem auch sei, als sie ihm ausgewichen war, war er beleidigt gewesen und kurz danach gegangen.
Trotz ihrer aufsteigenden Emotionen verwuschelte Adele ihre Haare und zerzauste absichtlich ihren Pony. Dann ließ sie ihren Kiefer knacken und rollte ihren Koffer durch den Zoll und hinaus in den Empfangsbereich des Flughafens.
Ihre Augen scannten die Menge und suchten nach der großen, schlaksigen Gestalt ihres früheren französischen Partners. Doch als ihr Blick über die wartende Menge blickte, konnte sie John nirgendwo entdecken. Ihr Lächeln – bei dem sie nicht gemerkt hatte, dass es eines gewesen war – erstarrte, als sie auf eine Frau im Anzug aufmerksam wurde, die an der getönten Scheibe stand, das auf die Straßen außerhalb des Flughafens gerichtet war.
Ihr Lächeln verblasste völlig, als sie die vollen Lippen der Frau und ihr zu einem Dutt zusammengebundenes silbernes Haar bemerkte. Die Frau ähnelte einer nichtssagenden Hilfslehrerin oder vielleicht einer Nonne ohne Kittel. Keine einzige Haarsträhne war fehl am Platz und selbst die Fältchen am Augenrand schienen sich zu verstärken, als ob sie versuchte, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
Ein Agent, mit dem sie schon vorher gearbeitet hatte… Aber es war nicht John.
Dieser spezielle Agent war Adeles Vorgesetzte gewesen, als sie noch für die DGSI gearbeitet hatte. Sie war degradiert worden, ein unglückliches Szenario, dessen Verantwortlichkeit allein auf Adeles Rücken ausgetragen worden war. Jedes Quäntchen Verachtung und Ungeduld zeigte sich in jeder Falte und jedem Schimmer in Agent Sophie Paiges Augen, aber schließlich hob sie die Hand und machte eine schnelle zuckende Geste in Adeles Richtung.
Kein Winken, sondern eher ein Befehl wie bei einem Herrchen, das seinen Hund ruft. Adele stand für einen Moment wie erstarrt und fühlte, wie sich die Menschen an ihr vorbeidrängten, als sie sich bewegten, um wartende Familie oder Freunde zu begrüßen. Die Stille wurde durch Lachen, das Geräusch von sich umarmenden Körpern, das leise Murmeln erschöpfter Reisender, die sich vom Flughafen zurückzogen und vor Erleichterung auf wartende Taxis oder Autos am Bordstein zueilten durchbrochen.
Für einen Moment musste Adele dem Drang widerstehen, sich nach rechts umzudrehen und wieder ins Flugzeug zu steigen und Sophie Paige mit ihrem finsteren Blick am Fenster stehen zu lassen.
Doch schließlich nahm sie den Rest ihres Mutes zusammen, bürstete sich schnell mit verstohlenen Bewegungen die Haare zurück in Form und bewegte sich auf ihre frühere Vorgesetzte und neue Partnerin zu.
KAPITEL SECHS
Im Stadtzentrum von Paris, in den nordwestlichen Vororten der Region Ile-de-France der Hauptstadt, sah Adele konsequent geradeaus, als das Auto in den vierten Stock des DGSI-Parkhauses fuhr. Sie hatten die ganze Fahrt über schweigend verbracht; nun stieg Agent Paige aus dem Fahrzeug und rief ihr etwas über die Schulter zu, um ihr mittzuteilen, dass sie sich mit Foucault treffen würden. Sie ließ Paige allein zurück und schlängelte sich durch die Sicherheitskontrolle zum Büro ihres alten Mentors.
Es war schön, Roberts Büro zu betreten.
Adele konnte spüren, wie ihre Schultern sich entspannten, als ob eine schwere Last von ihnen gefallen wäre, als sie mit einem leisen Klopfen an den Rahmen durch die Tür trat. Die Reise und der Verlauf des Tages waren anstrengend gewesen, aber ihre Laune hob sich, als sie sich in dem vertrauten Raum umsah. An den Wänden hingen noch immer die gleichen gerahmten Bilder alter Rennwagen und darunter Regale mit staubigen Büchern mit rissigen Ledereinbänden. In dem Raum standen nun zwei Schreibtische. Der zweite Schreibtisch war am Fenster, dahinter stand ein aufrechter Lederdrehstuhl. Auf dem Schreibtisch war ein kleines, goldenes Namensschild mit der Aufschrift Adele Sharp angebracht.
Als sie hörte, wie sich ein Mann räusperte, lenkte sie ihre Aufmerksamkeit auf den ersten Schreibtisch und der Person, die sich dahinter befand.
Robert Henry war bereits aufgestanden. Er stand oft auf, wenn eine Frau den Raum betrat. Der kleine Mann stand mit geradem Rücken und einen langen, gewellten Schnurrbart, der perfekt in Form geschnitten und schwarz gefärbt war. Er trug einen feinen, gutsitzenden Anzug, der, wie Adele vermutete, eine Maßanfertigung war. Robert stammte aus wohlhabenden Verhältnissen; er brauchte den Job bei der DGSI nicht, aber er liebte seine Arbeit. Vielleicht war dies der Grund dafür, dass er eine der besten Beurteilungen in der Abteilung hatte. Robert hatte einmal in Italien für ein halbprofessionelles Team Fußball gespielt, war aber nach Frankreich zurückgekehrt, als er von der französischen Regierung angeworben wurde, lange bevor es die DGSI gegeben hatte.
Der kleine Franzose scannte Adele einen Moment lang, aber seine Augen glitzerten und ließen auf ein Lächeln, das sich hinter seinen Lippen verbarg, schließen.
„Hallo“, sagte Adele, die einem eigenen Lächeln nicht widerstehen konnte.
Robert Henry schmunzelte jetzt und entblößte eine Reihe weißer perlmuttartigen Zähne in der zwei Zähne fehlten. Adele hatte viele Geschichten darüber gehört, wie er die Zähne verloren hatte, von denen jede weiter hergeholt war, als die andere.
Sie hielten quer durch den Raum Blickkontakt und beobachteten einander einen Moment lang.
Dann sagte Adele: „Du benutzt zu viele Emoticons.“ Etwas von ihrer schlechten Laune von vorher begann in ihr aufzusteigen und das Lächeln ihres alten Mentors und Freundes verblasste.
Robert zögerte. „Ich betrachte es als eine Art Kunst.”
„Mhmm“, sagte Adele. „Warst du nicht derjenige, der mir sagte, das Aufkommen der Karikaturen sei der Tod der Kultur?”
Robert zuckte kapitulierend mit den Schultern und antwortete: „Ein vornehmer Mann weiß, wann er zugeben muss, dass er Unrecht hat.”
Adeles Grinsen wurde wieder gutmütiger. Robert Henry war ihr viele Jahre lang wie ein Vater gewesen. Ihr eigener Vater war kein Fan von Zuneigung, aber Robert war der Typ, der sich sehr darum bemühte, dass sich Adele willkommen fühlte. Robert lebte allein in einem großen Herrenhaus und freute sich bei jeder Gelegenheit, Gäste zu empfangen. Adele würde für ihre Zeit in Frankreich wieder mit ihm in seinem Haus wohnen.
„Es hat länger gedauert, als ich es erwartet hatte“, sagte Robert und blickte auf seine Uhr. Die silbern glänzende und teuer aussehende Armbanduhr sah aus wie etwas, das eher an das Handgelenk eines Bankers gehörte. Robert richtete seine Manschettenknöpfe und rückte die Uhr unter den Rand seines perfekt anliegenden Ärmels.
Adele lehnte ihren Koffer gegen den Türrahmen und stellte ihre Laptoptasche auf den Boden. „Wer auch immer meinen Flug gebucht hat, hat mir drei Stunden in London am Flughafen verschafft“, sagte sie. „Dann dauerte es einige Zeit, das Auto zu bekommen – wir mussten zur anderen Seite des Flughafens laufen. Ein Außenstehender könnte meinen, dass sie es absichtlich getan hat, nur um mich zu frustrieren.”
Robert runzelte die Stirn. „Sie? Wen hat Foucault dir als Partner zugeteilt?”
Anstatt zu antworten, schritt Adele durch den Raum und streckte ihre Hände aus und umarmte den kleineren Mann. Sie war nicht besonders groß, aber Robert war immer noch drei Zentimeter kleiner. Sie umarmte ihren alten Mentor und fühlte wie Wärme ihre Brust durchströmte. Er war jedoch kleiner, als sie ihn in Erinnerung hatte. Fast… gebrechlich. Obwohl Robert seine Haare und seinen Schnurrbart färbte, konnte Adele den Eindruck nicht abschütteln, dass er älter wurde. Sie trennte sich von ihrem alten Freund und lächelte wieder. „Wir werden von deinem Büro aus arbeiten, wie ich hörte“, sagte sie.
Robert tatschelte ihr tröstend die Schulter. „Ja, der hier ist für dich.“ Er nickte zum Schreibtisch mit ihrem Namensschild darauf.
„Du hast ihn ans Fenster stellen lassen. Ich weiß das zu schätzen.”
„Ich erinnere mich daran, wie dir die Aussicht beim letzten Mal, als du hier warst, gefallen hat“, sagte Robert mit einem Achselzucken. Er nahm seine Hand weg und ging zurück zu seinem eigenen Schreibtischstuhl. Er gab ein leises Seufzen von sich, als er sich in seinen Stuhl fallen ließ.
„Alles gut bei dir?“, fragte Adele.
Robert nickte und winkte mit einer abweisenden Geste weitere Fragen ab. „Ja, natürlich. Die alten Knochen sind nur nicht mehr so agil wie früher. Ich befürchte, ich werde dich im Einsatz draußen nicht begleiten können.”
Adele nickte verständnisvoll mit dem Kopf. „Das hatte ich mir bereits gedacht. Wir brauchen sowieso auch jemanden, der die Dinge hinter den Kulissen im Auge behält.”
Robert lächelte jetzt nicht mehr. Sein Blick schien plötzlich schwer zu sein.
„Du bist doch nicht krank, oder?“, fragte Adele ohne Vorwarnung. Sie war sich nicht sicher, woher die Frage kam, aber sie ploppte heraus, bevor sie sie stoppen konnte.
Robert lächelte und schüttelte den Kopf. „Nein, nicht dass ich wüsste. Aber“, er tippte mit den Fingern gegen seinen Schreibtisch und blickte dann auf den Computerbildschirm ihm gegenüber, „ich lerne besser mit diesem Ding umzugehen. E-Mails zu verschicken ist schwierig. Aber ich dachte mir, na ja, um besser mit dir kommunizieren zu können…“ Er wich zurück und warf ihr einen Blick zu.
Adele war dankbar. Sie wusste, wie sehr Robert Technik verachtete. Trotz der vielen Emoticons, die er in seinen Nachrichten verwendete, war er hartnäckig gewesen, was das Erlernen des Umgangs mit Computern betraf. Dennoch hatte sie von Interpol gefordert, Robert die Teilnahme an ihrem Team zu gestatten. Das war die Abmachung, die sie mit Mrs. Jayne getroffen hatte, als sie den Vertrag ausgehandelt hatte.
Zu dieser Zeit hatte sie Gerüchte gehört, dass die DGSI versuchte, Robert aus seiner Position zu verdrängen – eine Zwangsversetzung in den Ruhestand. Sie spürte wie die Frustration in ihr aufstieg. Der Gedanke, dass jemand Roberts Job übernehmen würde, war skrupellos. Sie hatten mit seinen Bemühungen zum Teil die Abteilung zur Aufklärung von Morden des DGSI aufgebaut. Er hatte sich bei anderen Agencies einen Namen gemacht, lange bevor die DGSI überhaupt gegründet worden war, was viele neue Mitarbeiter angezogen hatte. Adele respektierte die meisten der Agenten, die für die französischen Geheimdienste arbeiteten, aber es gab keinen, den sie mehr respektierte als Robert. Er war auf intuitive Weise klug, und er irrte sich selten. Beim letzten Fall in Paris hatte er darauf bestanden, dass der Mörder naturrotes Haar hatte und ihm war die Ernsthaftigkeit des Falles sehr bewusst gewesen. Sie war sich nicht sicher gewesen, aber am Ende hatte sich die Schlussfolgerung als richtig erwiesen.
Dennoch erinnerte sie sich an ihre Interaktionen mit Executive Foucault. Das Stirnrunzeln in seinem Gesicht, als sie Robert um Hilfe bat. Die Agency versuchte, das Personal zurückzuschrauben. Aber jetzt, mit seiner Hilfe beim Interpol-Attaché, hatte sie Foucault die Hände gebunden.
„Ich brauche dich“, sagte sie ganz einfach. „Du bist der Beste in dem, was du tust.
Robert schüttelte den Kopf und seufzte dabei. „Ich weiß nicht, ob das stimmt, meine Liebe“, sagte er und seine Stimme brach ganz plötzlich etwas.
„Das tut es. Mach dir keine Sorgen wegen des Computers; Du wirst das schon hinbekommen. Da bin ich mir sicher. Wir brauchen jemanden auf den wir uns verlassen können, jemanden, der von hier aus die Fäden zieht. Ich würde niemand anderen wollen.”
Robert nickte erneut, sein Gesichtsausdruck war immer noch bedrückt. „Ich bin alt, Adele. Ich weiß, dass ich vielleicht nicht so aussehe.“ Er fuhr sich mit der Hand durch sein offensichtlich gefärbtes Haar. „Aber diese Agency, gehört jetzt den jüngeren Leuten.”
Adeles Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Warum sagst du so etwas?”
Robert winkte ab. „Es ist unwichtig. Ich bin dankbar. Hättest du nicht auf meine Mitarbeit bestanden, wäre ich wahrscheinlich innerhalb einer Woche gefeuert worden.”
Nun runzelte Adele mit einem finsteren Blick die Stirn. „Von wem hast du das gehört? Hat jemand gesagt, dass er dich loswerden wolle?”
Robert schüttelte nur den Kopf. „Ich bin Ermittler. Ich bin nicht dazu bestimmt, hinter einem Schreibtisch festzusitzen. Manchmal weiß man es einfach.”
„Du denkst zu viel nach. Du bist von unschätzbarem Wert – vertrau mir. Und außerdem, wenn du gehst, dann gehe ich auch.”
Robert lächelte über diesen Kommentar und verschränkte die Arme. „Schon gut. Computer sind nicht meine Stärke, aber ich werde mein Bestes versuchen. Du hast mir immer noch nicht gesagt, wen der Exekutive dir als Partner zugeteilt hat. John?“ Er hob seine Augenbrauen ganz leicht. Ein kleiner Schimmer eines Lächelns umspielte seine Lippenwinkel, aber Adele schüttelte den Kopf, um seinen Gesichtsausdruck zu beruhigen.
„Agent Paige“, sagte sie mit der Schwere eines Richterhammers.
Robert starrte sie an.
Sie zuckte die Achseln.
Er starrte weiter.
„Ich habe nicht darum gebeten", sagte sie.
„Sophie Paige?”
Adele blickte zurück zur Tür, vergewisserte sich, dass die Luft auf dem Flur rein war und nickte dann. „Sieht so aus. Sie war ungefähr genauso glücklich wie ich.”
„Kennt Foucault eure Geschichte nicht?“, sagte Robert und erhob seine Stimme.
„Es ist in Ordnung“, antwortete Adele mit leiser Stimme. „Ich weiß nicht, was der Exekutive tut oder weiß. Aber es ist, wie es ist.”
„Und was ist mit John?“, fragte Robert fordernd.
Adele winkte lässig ab, als wäre ihr der Gedanke nicht wirklich durch den Kopf gegangen. „Du meinst Agent Renee? Nun, ich glaube, er arbeitet an einem anderen Fall. Das hat Paige auch gesagt.”
Roberts gezupfte Augenbrauen hingen tief über seinen Augen wie dunkle Wolken, die einen Sturm ankündigten. „Paige“, sagte er mit einem Stöhnen. „Jetzt weiß ich, warum Foucault mir nichts gesagt hat.”
Adele zögerte. Da war etwas in seinem Tonfall, das sie nicht ganz zuordnen konnte.
„Wie meinst du das?”
Robert runzelte jedoch immer noch die Stirn und Adele musste die Frage wiederholen. Endlich wurden seine Augen hellwach. „Oh, ich meine, nichts, oder-außer, er weiß, was ich für dich empfinde. Und Paige ist seit dem Vorfall nicht gerade warmherzig dir gegenüber gewesen.”
Adele machte eine Pause und studierte ihren alten Mentor. Sie wusste, dass Robert sich auf ihre Seite schlagen würde. Aber da war noch etwas anderes an seinem Tonfall. Etwas hinter seinem Stirnrunzeln, das sie nicht ganz verstand. „Hast du seit meiner Abreise mit Paige gesprochen?“, fragte sie ihn vorsichtig.
„Gesprochen? Nein.“ Er zog sich zurück, als wollte er noch mehr hinzufügen, aber dann schien er sich dagegen zu entscheiden und schüttelte kurz den Kopf, rastete die Finger zusammen und faltete die Daumen übereinander. „Nein, nichts dergleichen. Ich bin sicher, dass ihr beide professionell damit umgehen könnt, oder?”
Adele zuckte die Achseln. „Ich kann es, wenn sie es kann.”
„Magnifique“, sagte er. „Aber ich hoffe, du konntest auf dem Flug etwas schlafen. Foucault wollte dich sofort nach der Landung sprechen.”
Adele nickte, die Lippen fest zusammengepresst. „Agent Paige ist bereits in seinem Büro“, sagte sie. „Sollen wir sofort gehen?”
Ihr alter Mentor nickte, als er vom Stuhl aufstand und sich mit steifen Bewegungen um die Kante seines Schreibtisches bewegte. „Lass deinen Koffer hier“, sagte er. „Ich werde jemanden schicken, der ihn zu mir nach Hause bringt. Komm jetzt.”
Robert nahm sie am Arm, schlang ihre Hand durch die Ellbogenbeuge und begleitete sie zum Aufzug. Robert war altmodisch und es gab einige, die ihn für aufgeblasen hielten. Aber für Adele rief sein Verhalten nur eine liebevolle Belustigung hervor.
Sie warteten auf das leise Summen des Aufzugs und betraten Kabine. Für einen kurzen Moment schwebte Adeles Finger über dem Knopf für den zweiten Stock – John's Büro befand sich auf dieser Etage. War er da? Nein, jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt. Zwischen den Morden lagen nicht mehr drei Wochen wie beim letzten Mal. Drei Tage. Das war alles, was zwischen den Morden vergangen war. Alles war innerhalb kürzester Zeit geschehen. Wenn der Mörder dieses Tempo beibehielt, konnte alles nur noch schlimmer werden.
Adele drückte den Knopf für das oberste Stockwerk und während Robert neben ihr immer noch ihren Ellbogen hielt, wartete sie, dass der Aufzug sie nach oben und in Richtung des Büros der Exekutive beförderte.
***
Paige saß zurückgelehnt in ihrem Bürostuhl am Fenster. Für sie war es ein vertrautes Gefühl. Executive Foucault starrte auf seinen Computerbildschirm und nagte stirnrunzelnd an seiner Unterlippe herum, während er den Kopf schüttelte.
Adele und Robert standen wartend im Raum und schauten dem Treiben zu. „Ist das alles?“ fragte Foucault und blickte nach oben. „Es gibt nichts Neues?“ Seine Augen richteten sich auf Agent Paige, deren eigener Blick Adele fokussierte, als ob sie den Zorn des Exekutives umlenkten wollte.
Adele zögerte. Sonnenlicht strömte durch das offene Fenster des großen Büros des Exekutives – die Luft wirbelte einen Hauch von Zigarettenrauch umher, aber der Geruch hing noch immer fest in den Wänden.
„Ich bin gerade erst angekommen“, sagte Adele, zögernd, unsicher, ob sie für etwas verantwortlich gemacht wurde. „Ich hatte vor, von Roberts Büro aus zu arbeiten…“ Sie verlor sich im Blick auf Foucaults Gesicht und räusperte sich dann. „Ehrlich gesagt, habe ich im Flugzeug geschlafen. Wir können heute Nachmittag beginnen. Ich würde gerne den Tatort des zweiten Opfers sehen.”
Foucault nickte und winkte mit der Hand. „Ja“, sagte er, seine dicken Augenbrauen zogen sich über seinen dunklen Augen zusammen. „Das wäre das Beste. Wir haben keine Zeit, länger zu warten, hm? Nein.“ Er nickte Paige zu. „Sie beide haben schon einmal zusammengearbeitet, richtig?”
Paige saß weiterhin schweigend am Fenster. Sie nickte einmal. Adele nickte ebenfalls.
Nach einigen Momenten unangenehmen Schweigens griff Robert ein und räusperte sich. „Er ist etwas merkwürdig, dieser Fall.“, sagte er leise.
Adele hielt ihre Augen auf Foucault gerichtet, nickte aber zustimmend.
Robert seufzte und plötzlich war die ganze Aufmerksamkeit im Raum von Adele auf ihn verlagert. „Die Opfer müssen den Mörder gekannt haben“, sagte er. „Ein Freund? Vielleicht ein Familienmitglied?”
Adele drehte ihren Kopf leicht zur Seite und kreiste ihn ein wenig, um den Nacken zu entspannen. „Vielleicht. Oder vielleicht hat sich der Mörder an sie herangeschlichen. Ein Vermieter? Mit einem Schlüssel?”
Robert zögerte einen Moment lang und wieder herrschte Stille. Schließlich sagte er: „Was halten Sie von der fehlenden Niere?”
„Sie haben die Akten gelesen?”
„Der zweite Bericht ist noch nicht da.“ Robert hielt inne und zog fragend eine Augenbraue in Richtung Foucault hoch.
Die Exekutive nickte. „Sie arbeiten daran, aber es wird noch etwas dauern. Der vollständige Bericht sollte bald vorliegen.”
Robert nickte und wandte sich diesmal an Foucault, der langsam durch den Raum ging, um durch das offene Fenster auf die Straße darunter zu blicken. Ein kleines, rosa gestrichenes Café befand sich auf der Straße gegenüber dem DGSI.
„Ich habe den ersten Bericht gelesen“, sagte er. „Nur die Niere fehlt. Warum ist das Ihrer Meinung nach so?”
Paige und Foucault schwiegen beide. Doch Adele blickte durch den Raum zu ihrem Mentor und beobachtete, wie die Nachmittagssonne die Seite seines Gesichts beleuchtete und Schatten auf den Teppichboden warf.
„Vielleicht sammelt er Trophäen.“, sagte sie.
„Vielleicht“, sagte Robert. „Das würde Sinn ergeben.”
„Was noch?”
Robert zuckte mit den Schultern und sein Blick richtete sich auf Foucault hinter seinem Schreibtisch.
Das Stirnrunzeln der Exekutive vertiefte sich. „Sie werden dafür bezahlt, genau das herauszufinden“, sagte er. Seine Augen huschten zwischen den drei Agenten hindurch, er streckte die Hand aus und tätschelte die Seite seines Computers. „Wir brauchen mehr Informationen und Sie haben nicht viel Zeit, uns diese zu beschaffen.”
Adele bemerkte wie schnell das wir in seiner Sprache zu Ihnen wurden. Sie hielt inne und sagte dann leise: „Ich habe über die Opfer nachgedacht. Beide sind Ausländerinnen, oder? Als ich noch ein Kind war, hatte ich zu einigen Mitglieder dieser Community Kontakt – nicht allzu viel, da meine Mutter hier aus der Gegend stammte, aber zu einigen amerikanischen Freunde in der Schule, deren Eltern wegen der Arbeit umzogen waren.“ Sie machte eine kurze Pause. „Sie sind eine kleine Gemeinschaft. Oft isoliert und unter sich, aufgrund der Kultur -und Sprachbarrieren. Vielleicht nutzt der Mörder das aus, um ihnen näher zu kommen. Er nutzt ihre Einsamkeit oder den Druck aus, sich ihrem Gastland anzupassen.”
Foucault nahm dies mit einem Nicken und Achselzucken zur Kenntnis. „Überprüfen Sie alle Möglichkeiten“, sagte er. „Nur“, hielt er inne, „machen Sie nichts Persönliches daraus.“ Er wandte sich von Adele ab. „Agent Henry, Sie bleiben doch hier, nehme ich an?“ Foucaults Blick wanderte zu dem kleineren Mann.
Robert rieb sich den Schnurrbart. „Ich werde den Außeneinsatz den jungen Leuten überlassen, denke ich.”
Foucault lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Adele. „Zweiter Tatort?“, fragte er. „Er wird derzeit noch untersucht.”
„Ich wäre bereit sofort anzufangen, wenn sie nicht zu müde ist“, sagte Paige und sprach zum ersten Mal, seit sie den Raum betreten hatten. Der Kommentar schien zunächst nicht böswillig, aber irgendetwas daran ließ Adeles Nackenhaare aufstellen.
Nun, da der Fokus wieder auf ihr lag, atmete Adele leise ein.
Amerikaner in Frankreich, Expats – sie fühlte eine tiefe Verbundenheit zu ihnen, eine Art familiäre Verantwortung. Adele wusste, wie es war, keine richtige Heimat zu haben und von Land zu Land zu ziehen, Wurzeln zu schlagen und sich wieder ein Leben aufbauen zu müssen.
Aber im Fall der Mordopfer hatten sie diese Leben nur aufgebaut, um letztendlich in einer Blutlache auf dem Boden ihrer Wohnungen zu enden. Keine physischen Beweise. Keine Anzeichen für einen Kampf. Keine Anzeichen für einen Einbruch.
Jetzt war nicht die Zeit zum Ausruhen.
„Ich stehe zur Verfügung, wenn Sie bereit sind“, sagte Adele und wandte sich bereits der Tür zu.