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KAPITEL VIER

Rileys Herz schlug wild und ihre Lungen brannten von ihrem keuchenden Atem. Ein vertrautes Lied ging ihr durch den Kopf.

"Folge dem gelben Ziegelsteinweg …"

So müde und erschöpft sie auch war, Riley konnte ein amüsiertes Grinsen nicht unterdrücken. Es war ein kalter früher Morgen und sie lief den sechs Meilen Hindernislauf in Quantico. Der Kurs wurde ausgerechnet gelber Ziegelsteinweg genannt.

Er war von den US Marines so genannt worden, die ihn erbaut hatten. Die Marines hatten gelbe Ziegelsteine gesetzt, um jede Meile zu markieren. FBI Anwärtern, die den Kurs überlebten, wurde als Belohnung ein gelber Ziegelstein überreicht.

Riley hatte schon vor Jahren ihren gelben Ziegelstein gewonnen. Aber ab und zu durchlief sie den Kurs noch einmal, um sicherzugehen, dass sie ihm immer noch gewachsen war. Nach dem emotionalen Stress der letzten Tage brauchte Riley physische Auslastung, um ihren Kopf wieder freizubekommen.

Bisher hatte sie eine Reihe von einschüchternden Hindernissen überwunden und drei gelbe Ziegel auf dem Weg passiert. Sie war über eine Mauer geklettert, hatte sich über Hürden gezogen und war durch simulierte Fenster gesprungen. Gerade hatte sie sich an einem Seil eine Felswand hochgezogen und ließ sich nun wieder hinunter.

Als sie den Boden erreichte und aufsah, erblickte sie Lucy Vargas, eine clevere junge Agentin, mit der sie gerne arbeitete und trainierte. Lucy war an diesem Morgen bereitwillig als Rileys Trainingspartnerin mitgekommen. Sie stand keuchend auf der Spitze des Felsens und sah zu Riley hinunter.

Riley rief ihr zu, "Kannst du mit einem alten Knochen wie mir nicht mithalten?"

Lucy lachte. "Ich gehe es langsam an. Ich will nicht, dass du dich übernimmst – in deinem Alter."

"Hey, halte dich nicht mir zuliebe zurück", rief Riley. "Gib alles, was du hast."

Riley war vierzig, aber sie hatte ihr Fitnesstraining nie vernachlässigt. In der Lage zu sein, sich schnell zu bewegen und hart zuzuschlagen, war überlebenswichtig, wenn man es mit menschlichen Monstern zu tun hatte. Reine physische Kraft hatte mehr als einmal Leben gerettet, ihres eingeschlossen.

Trotzdem freute sie sich nicht, als sie sich dem nächsten Hindernis näherte – einem flachen See eiskalten, matschigen Wassers, über dem Stacheldraht hing.

Das würde nicht einfach werden.

Sie war für das Winterwetter angezogen und trug einen wasserfesten Parka. Der würde allerdings nicht verhindern, dass sie durchnässt und frierend auf der anderen Seite ankam.

Wird schon schiefgehen, dachte sie.

Sie warf sich in den Matsch. Das eisige Wasser sandte Schockwellen durch ihren ganzen Körper. Dennoch zwang sie sich weiter zu kriechen und sie drückte sich flacher auf den Boden, als sie den Stacheldraht leicht über ihren Rücken kratzen fühlte.

Eine nagende Taubheit setzte ein und löste eine ungeliebte Erinnerung aus.

Riley war in einem stockdüsteren Kriechkeller unter einem Haus. Sie war gerade dem Käfig entkommen, in dem sie von einem Psychopathen festgehalten und mit einer Propangasfackel gefoltert worden war. In der Dunkelheit hatte sie das Gefühl dafür verloren, wie viel Zeit vergangen war.

Aber sie hatte es geschafft, die Käfigtür aufzubrechen und jetzt kroch sie blindlings durch die Dunkelheit auf der Suche nach einem Ausgang. Es hatte kürzlich geregnet und der Matsch unter ihr war klebrig, kalt, und tief.

Während ihr Körper durch die Kälte taub wurde, überkam sie eine tiefe Verzweiflung. Sie war schwach vor Hunger und Schlafmangel.

Ich schaffe es nicht, dachte sie.

Sie musste diese Gedanken aus ihrem Kopf verbannen. Sie musste weiterkriechen und weitersuchen. Wenn sie keinen Ausgang fand, dann würde er sie irgendwann töten – so wie er seine anderen Opfer getötet hatte.

"Riley, bist du okay?"

Lucys Stimme riss Riley aus den Gedanken an ihren schlimmsten Fall. Es war eine Qual, die sie niemals vergessen würde, vor allem, weil ihre Tochter später das Opfer des gleichen Psychopathen geworden war. Sie fragte sich, ob sie jemals von diesen Flashbacks befreit sein würde.

Und würde April jemals von diesen verheerenden Erinnerungen befreit sein?

Riley war zurück in der Gegenwart und bemerkte, dass sie unter dem Stacheldraht angehalten hatte. Lucy war direkt hinter ihr und wartete darauf, dass sie das Hindernis durchquerte.

"Ich bin okay", rief Riley zurück. "Sorry, dass ich dich aufhalte."

Sie zwang sich zum Weiterkriechen. Auf der anderen Seite rappelte sie sich wieder auf und versuchte ihre Gedanken abzuschütteln. Dann lief sie den Waldweg entlang, sicher, dass Lucy dicht hinter ihr war. Sie wusste, dass das nächste Hindernis aus einem Cargo Netz bestand, das es zu überwinden galt. Danach würden noch zwei Meilen und ein paar wirklich schwierige Hindernisse auf sie warten.

*

Am Ende des sechs Meilen Kurses stolperten Riley und Lucy Arm in Arm entlang, lachend und keuchend und sich gegenseitig zu ihrem Erfolg gratulierend. Riley war überrascht, ihren langjährigen Partner dort auf sie wartend vorzufinden. Bill Jeffreys war ein starker, stämmiger Mann in Rileys Alter.

"Bill!", sagte Riley, noch immer nach Atem ringend. "Was machst du denn hier?"

"Ich habe dich gesucht", sagte er. "Sie haben mir gesagt, ich würde dich hier finden. Ich konnte kaum glauben, dass du das freiwillig machst – und das auch noch im Winter! Was bist du, so eine Art Masochist?"

Riley und Lucy mussten beide lachen.

Lucy sagte, "Vielleicht bin ich der Masochist. Ich hoffe, dass ich den gelben Ziegelsteinweg so wie Riley laufen kann, wenn ich in ihrem Alter bin."

Neckend sagte Riley zu Bill, "Hey, ich bin bereit für die nächste Runde. Willst du mitmachen?"

Bill schüttelte lachend den Kopf.

"Nee, nee", sagte er. "Ich habe meinen alten Ziegelstein noch zu Hause – und ich benutze ihn als Türstopper. Das reicht mir. Ich dachte mehr an einen grünen Ziegel. Bist du dabei?"

Riley lachte wieder. Der sogenannte "grüne Ziegel" war ein Witz innerhalb des FBI – eine Auszeichnung, die jeder bekam, der fünfunddreißig Zigarren an fünfunddreißig aufeinander folgenden Nächten rauchen konnte.

"Nein danke", lehnte sie ab.

Bills Gesicht wurde plötzlich ernst.

"Ich bin an einem neuen Fall, Riley", sagte er. "Und ich brauche dich dabei. Ich hoffe, das ist okay. Ich weiß, dass unser letzter Fall noch nicht lange her ist."

Bill hatte Recht. Riley kam es vor, als wären sie erst gestern auf der Jagd nach Orin Rhodes gewesen.

"Du weißt, dass ich gerade erst Jilly nach Hause gebracht habe. Ich versuche ihr zu helfen, sich in ihrem neuen Leben zurechtzufinden. Neue Schule … neues Alles."

"Wie läuft es denn?"

"Sie ist launisch, aber sie gibt sich wirklich Mühe. Sie freut sich so, ein Teil einer Familie zu sein. Ich denke, sie wird sehr viel Hilfe brauchen."

"Und April?"

"Sie ist fantastisch. Ich kann immer noch nicht glauben, wie viel stärker sie der Kampf mit Rhodes gemacht hat. Und sie hat Jilly jetzt schon sehr lieb gewonnen."

Nach einer Pause fragte sie, "Was für einen Fall hast du, Bill?"

Bill schwieg für einen Augenblick.

"Ich bin auf dem Weg, um mich mit dem Chief deswegen zu treffen", sagte er. "Ich brauche wirklich deine Hilfe, Riley."

Riley sah ihren Freund und Partner an. Sein Gesicht zeigte deutliche Anzeichen von Bedrängnis. Wenn er sagte, er brauche ihre Hilfe, dann meinte er das auch so. Riley fragte sich, warum.

"Lass mich kurz unter die Dusche springen und etwas Trockenes anziehen", sagte sie. "Ich treffe ich dann danach gleich im Hauptquartier."

KAPITEL FÜNF

Teamchef Brent Meredith war kein Mann, der seine Zeit mit Höflichkeiten verschwendete. Das wusste Riley aus Erfahrung. Daher erwartet sie keinen Small Talk, als sie nach dem Hindernislauf in sein Büro kam – keine höflichen Fragen über ihre Gesundheit, ihr Zuhause und ihre Familie. Er konnte freundlich und warm sein, aber diese Momente waren eher selten. Heute kam er direkt auf den Punkt und seine Anliegen waren immer dringend.

Bill war bereits dort. Er sah äußerst nervös aus. Sie hoffte, sie würde bald verstehen, warum.

Sobald Riley sich gesetzt hatte, lehnte Meredith sich über seinen Schreibtisch zu ihr, sein breites, kantiges Gesicht so einschüchternd wie immer.

"Das Wichtigste zuerst, Agentin Paige", sagte er.

Riley wartete darauf, dass er etwas sagte – ihr eine Frage stellte oder eine Anweisung gab. Stattdessen starrte er sie einfach an.

Riley brauchte nur einen kurzen Moment, um zu verstehen, was Meredith ihr sagen wollte.

Meredith stellte seine Frage absichtlich nicht laut. Riley wusste seine Diskretion zu schätzen. Ein Mörder war auf freiem Fuß und sein Name war Shane Hatcher. Er war aus Sing Sing geflohen und Rileys Auftrag war gewesen, Hatcher einzufangen.

Sie war gescheitert. Tatsächlich hatte sie es nicht wirklich versucht, und jetzt waren andere FBI Agenten dem Fall zugeteilt. Bisher hatten sie keinen Erfolg gehabt.

Shane Hatcher war ein kriminelles Genie. Er war während seiner langen Jahre im Gefängnis ein respektierter Experte der Kriminologie geworden. Daher hatte Riley ihn einige Male im Gefängnis besucht, um seinen Rat für ihre Fälle zu erhalten. Sie kannte ihn gut genug, um sich sicher zu sein, dass er derzeit keine Gefahr für die Gesellschaft darstellte. Hatcher hatte einen seltsamen, aber strikten Moralkodex. Er hatte einen Mann seit seiner Flucht getötet – einen alten Feind, der selbst ein gefährlicher Krimineller gewesen war. Riley war sich sicher, dass er niemanden sonst töten würde.

Riley verstand, dass Meredith wissen musste, ob Hatcher sich bei ihr gemeldet hatte. Es war ein hoch priorisierter Fall und es schien, als wäre Hatcher auf dem besten Weg, eine moderne Legende zu werden – ein berühmtes kriminelles Genie, dem alles möglich war.

Meredith wollte sie durch eine laut gestellte Frage nicht in Bedrängnis bringen. Aber die Wahrheit war simpel. Riley wusste nichts von Hatchers aktuellem Aufenthaltsort oder seinen Aktivitäten.

"Es gibt nichts Neues, Sir", antwortete sie auf Merediths unausgesprochene Frage.

Meredith nickte und schien sich leicht zu entspannen.

"Also gut", sagte Meredith. "Kommen wir direkt zur Sache. Ich schicke Agent Jeffreys nach Seattle. Er möchte Sie als Partnerin. Ich muss wissen, ob Sie bereit sind, mit ihm mitzugehen."

Riley musste nein sagen. Sie hatte so viel, worum sie sich gerade kümmern musste, weshalb ein Fall in einer entfernten Stadt nicht in Frage zu kommen schien. Sie hatte immer noch Anfälle von PTBS, auch wenn sie in der Zeit seit ihrer Gefangenschaft seltener geworden waren. Ihre Tochter, April, hatte ebenfalls durch den Mann gelitten und jetzt kämpfte April mit ihren eigenen Dämonen. Außerdem hatte Riley jetzt auch noch eine neue Tochter, die ihre eigenen Traumata durchlebt hatte.

Wenn sie eine Weile hier bleiben und vielleicht einige Kurse an der Akademie unterrichten könnte, würde sich ihr Leben vielleicht stabilisieren.

"Ich kann nicht", sagte Riley. "Nicht jetzt."

Sie wandte sich an Bill.

"Du weißt, worum ich mich gerade kümmern muss", sagte sie.

"Ich weiß. Ich hatte nur gehofft …" sagte er, mit einem bittenden Ausdruck in den Augen.

Es war an der Zeit herauszufinden, worum es ging.

"Worum geht es?", fragte Riley.

"Es hat mindestens zwei Giftmorde in Seattle gegeben", sagte Meredith. "Es scheint sich um einen Serienfall zu handeln."

Da verstand Riley, warum Bill so aufgewühlt war. Als er noch ein kleiner Junge war, hatte man seine Mutter vergiftet und sie war gestorben. Riley kannte keine Details, aber sie wusste, dass der Mord einer der Gründe war, warum er FBI Agent wurde. Es hatte ihn jahrelang verfolgt. Dieser Fall riss alte Wunden auf.

Also hatte er es ernst gemeint, als er sie um Hilfe bat.

Meredith fuhr fort, "Bisher wissen wir von zwei Opfern – einem Mann und einer Frau. Es könnte andere gegeben haben und es könnten noch weitere folgen."

"Warum wurden wir dazu gebeten?", fragte Riley. "Es gibt doch eine FBI Außenstelle in Seattle. Können die das nicht übernehmen?"

Meredith schüttelte den Kopf.

"Die Situation dort ist recht dysfunktional. Es scheint, als könnten sich das örtliche FBI und die Polizei auf nichts in dem Fall einigen. Deshalb werden Sie gebraucht, ob Sie wollen oder nicht. Kann ich mich auf Sie verlassen, Agentin Paige?"

Plötzlich schien ihr die Entscheidung glasklar zu sein. Trotz ihrer persönlichen Probleme wurde sie bei diesem Fall wirklich gebraucht.

"Das können Sie", sagte sie deshalb.

Bill nickte und atmete hörbar erleichtert aus.

"Gut", sagte Meredith. "Sie fliegen beide morgen früh nach Seattle."

Meredith klopfte noch einen Moment mit den Fingern auf den Schreibtisch.

"Aber erwarten Sie kein herzliches Willkommen", fügte er hinzu. "Weder die Polizei, noch das FBI sind froh, Sie zu sehen."

KAPITEL SECHS

Riley grauste es vor Jillys erstem Schultag fast so sehr, wie es sie manchmal vor einem Fall grauste. Der Teenager sah grimmig drein und Riley fragte sich, ob sie vielleicht sogar im letzten Moment eine Szene machen würde.

Ist sie bereit dafür? fragte Riley sich immer wieder. Bin ich bereit dafür?

Auch das Timing schien nicht das Beste zu sein. Es macht Riley Sorgen, dass sie am nächsten Morgen nach Seattle fliegen musste. Aber Bill brauchte ihre Hilfe und damit war die Sache entschieden, soweit es sie anging. Als sie es zu Hause diskutiert hatte, wirkte Jilly verständnisvoll, aber Riley war sich nicht sicher, was sie jetzt erwarten sollte.

Glücklicherweise musste sie Jilly nicht alleine zur Schule bringen. Ryan hatte angeboten zu fahren und Gabriela und April waren als moralische Unterstützung dabei.

Sobald sie auf dem Parkplatz aus dem Auto stiegen, nahm April Jillys Hand und ging mit ihr geradewegs auf das Gebäude zu. Die beiden schlanken Mädchen trugen beide Jeans, Stiefel und warme Jacken. Gestern war Riley mit ihnen einkaufen gewesen und hatte Jilly eine neue Jacke aussuchen lassen, zusammen mit Bettwäsche, Postern, und einigen Kissen, um ihr Zimmer ein wenig persönlicher zu gestalten.

Riley, Ryan, und Gabriela folgten den Mädchen und Rileys Herz wurde warm, während sie ihnen nachsah. Nach Jahren des Trotzes und der Rebellion, schien April plötzlich erstaunlich erwachsen zu sein. Riley fragte sich, ob es genau das war, was April die ganze Zeit gebraucht hatte – jemanden, um den sie sich kümmern konnte.

"Sieh sie dir an", sagte Riley zu Ryan. "Sie schließen Freundschaft."

"Wundervoll, oder nicht?", sagte Ryan. "Sie sehen tatsächlich wie Schwestern aus. Ist das, was dich bei ihr angezogen hat?"

Es war eine interessante Frage. Als sie Jilly zu sich nach Hause geholt hatte, war Riley davon überwältigt gewesen, wie unterschiedlich die beiden Mädchen waren. Aber jetzt fielen ihr immer mehr Gemeinsamkeiten auf. Sicher, April war die blassere, mit den nussbraunen Augen ihrer Mutter, während Jilly dunkelbraune Augen hatte und einen olivfarbenen Teint.

Aber jetzt, nebeneinander hergehend, sahen sie sich sehr ähnlich.

"Vielleicht", beantwortete sie Ryans Frage. "Darüber habe ich nicht nachgedacht. Ich wusste nur, dass sie in ernsten Schwierigkeiten ist und ich ihr vielleicht helfen konnte."

"Wahrscheinlich hast du ihr das Leben gerettet", bemerkte Ryan.

Riley spürte einen Kloß in ihrem Hals. Das war ihr gar nicht in den Sinn gekommen und es war ein bewegender Gedanke. Sie war gleichzeitig aufgeregt und eingeschüchtert im Angesicht dieser neu gefundenen Verantwortung.

Die ganze Familie ging zum Büro der Vertrauenslehrerin. Warm und lächelnd wie immer, begrüßte Wanda Lewis Jilly mit einer Karte der Schule.

"Ich bringe dich gleich zu deinem Klassenzimmer", sagte Ms. Lewis.

"Ich kann sehen, dass das hier ein guter Ort ist", sagte Gabriela zu Jilly. "Hier wird es dir bestimmt gut gehen."

Jetzt sah Jilly nervös, aber glücklich aus. Sie umarmte alle noch einmal und folgte Ms. Lewis dann den Flur hinunter.

"Ich mag diese Schule", sagte Gabriela zu Ryan, April, und Riley auf dem Weg zurück zum Wagen.

"Es freut mich, dass du das auch so siehst", sagte Riley.

Das meinte sie ehrlich. Gabriela war sehr viel mehr, als eine Haushälterin. Sie war ein wahres Mitglied der Familie. Es war wichtig, dass sie ebenfalls ein gutes Gefühl bei Familienentscheidungen hatte.

Sie stiegen wieder ein und Ryan startete den Motor.

"Wohin als Nächstes?", fragte Ryan fröhlich.

"Ich muss zur Schule", sagte April.

"Und danach dann direkt nach Hause", sagte Riley. "Ich muss in Quantico einen Flug erwischen."

"Verstanden", sagte Ryan und fuhr los.

Riley beobachtete Ryans Gesicht während er fuhr. Er sah glücklich aus – glücklich, ein Teil des Ganzen zu sein und glücklich, Zuwachs in der Familie zu haben. Für den größten Teil ihrer Ehe, hatte sie ihn nicht so gekannt. Er schien wahrlich verändert zu sein. In Momenten wie diesen, war sie ihm dankbar.

Sie drehte sich um und sah zu ihrer Tochter, die auf dem Rücksitz saß.

"Du gehst mit allem wirklich gut um", lobte Riley.

April sah sie überrascht an.

"Ich gebe mir wirklich Mühe", erwiderte sie. "Schön, dass du das auch bemerkst."

Für einen Moment war Riley vor den Kopf gestoßen. Hatte sie ihre Tochter aus Sorge um ihr neues Familienmitglied ignoriert?

April war einen Moment still und sagte dann, "Mom, ich bin immer noch froh, dass du sie nach Hause gebracht hast. Ich nehme an, dass es komplizierter ist, als ich es mir vorgestellt hatte – eine neue Schwester zu haben. Sie hatte eine schwere Zeit und manchmal ist es nicht einfach, mit ihr zu reden."

"Ich will es dir nicht schwer machen", sagte Riley.

April lächelte schwach. "Ich habe es dir schwer gemacht", sagte sie. "Ich bin stark genug, um mit Jillys Problemen umzugehen. Und wenn ich ehrlich bin, dann fange ich an es zu genießen, ihr zu helfen. Das wird schon. Bitte mach dir keine Sorgen um uns."

Es erleichterte Riley, dass sie Jilly bei drei Menschen lassen konnte, denen sie vertraute – April, Gabriela, und Ryan. Gleichzeitig störte es sie, dass sie so früh fliegen musste. Sie hoffte, dass es nicht zu lange dauern würde.

*

Die Welt unter ihnen wurde kleiner, während Riley aus dem Fenster des kleinen BAU Jets blickte. Der Jet stieg für seinen Flug nach Seattle über die Wolken – sie würden fast sechs Stunden unterwegs sein. In wenigen Minuten blieb nur noch eine weiße Wolkendecke unter ihnen.

Bill saß neben ihr.

Er sagte, "In einen anderen Teil des Landes zu fliegen, lässt mich immer daran denken, wie es vor vielen Jahren gewesen sein muss, als die Leute sich noch zu Fuß oder mit Pferdewagen fortbewegt haben."

Riley nickte und lächelte. Es war, als hätte Bill ihre Gedanken gelesen. Das Gefühl hatte sie oft bei ihm.

"Das Land muss den Leuten damals riesig erschienen sein", sagte sie. "Es hat Monate gedauert, es zu durchqueren."

Eine vertraute und angenehme Stille senkte sich über sie. Über die Jahre hatten sie und Bill mehr als eine Meinungsverschiedenheit und Streits gehabt, es hatte einige Male sogar danach ausgesehen, als wäre ihre Partnerschaft vorüber. Aber jetzt fühlte sie sich ihm gerade wegen dieser harten Zeiten näher als zuvor. Sie vertraute ihm mit ihrem Leben und sie wusste, dass er das gleiche tat.

In Zeiten wie diesen war sie froh, dass sie und Bill sich nicht der gegenseitigen Anziehungskraft ergeben hatten. Auch wenn es manchmal knapp gewesen war.

Es hätte alles ruiniert, dachte Riley.

Es war klug gewesen, es zu vermeiden. Sie konnte sich nicht vorstellen, was der Verlust seiner Freundschaft bedeutet hätte. Er war ihr bester Freund.

Nach einigen Momenten sagte Bill, "Danke, dass du mitkommst, Riley. Ich brauche diesmal wirklich deine Hilfe. Ich glaube nicht, dass ich den Fall mit einem anderen Partner hätte bearbeiten können. Nicht einmal mit Lucy."

Riley sah ihn an, sagte aber nichts. Sie musste nicht fragen, was ihm durch den Kopf ging. Sie wusste, dass er ihr endlich die Wahrheit über das sagen würde, was seiner Mutter zugestoßen war. Dann würde sie verstehen, wie wichtig und verstörend der Fall für ihn wirklich war.

Er starrte vor sich hin, während er sich erinnerte.

"Du weißt bereits von meiner Familie", sagte er. "Ich habe dir erzählt, dass Dad ein Mathelehrer in der Highschool war, und meine Mom als Kassiererin in einer Bank gearbeitet hat. Mit drei Kindern ging es uns gut, wenn wir auch nicht übermäßig wohlhabend waren. Es war ein glückliches Leben für uns. Bis …"

Bill hielt kurz inne.

"Es passierte, als ich neun Jahre alt war", fuhr er stockend fort. "Kurz vor Weihnachten veranstalteten die Mitarbeiter in Moms Bank die jährliche Weihnachtsfeier, mit Geschenkeaustausch, Kuchen und dem gewöhnlichen Bürokram. Als meine Mutter an dem Nachmittag nach Hause kam, klang sie, als hätte sie Spaß gehabt und alles wäre gut. Aber im Verlauf des Abends benahm sie sich immer seltsamer."

Bills Gesicht spannte sie bei der grausigen Erinnerung an.

"Ihr wurde schwindelig, sie war verwirrt und sie sprach undeutlich. Es war fast, als wäre sie betrunken. Aber Mom trank nie viel und außerdem war bei der Feier kein Alkohol ausgeschenkt worden. Niemand von uns wusste, was los war. Es wurde immer schlimmer. Ihr wurde übel und sie musste sich übergeben. Mein Dad brachte sie in die Notaufnahme. Wir Kinder fuhren mit."

Bill hielt wieder inne. Riley konnte sehen, dass es ihm immer schwerer fiel, ihr zu erzählen, was passiert war.

"Als wir im Krankenhaus ankamen, raste ihr Puls, sie hyperventilierte und ihr Blutdruck war unglaublich hoch. Dann fiel sie in ein Koma. Ihre Nieren versagten und sie hatte eine Herzinsuffizienz."

Bill schloss die Augen und sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz. Riley fragte sich, ob es vielleicht besser für ihn wäre, den Rest nicht zu erzählen. Aber sie spürte, dass es auch falsch wäre, ihn zu stoppen.

Bill sagte, "Am nächsten Morgen hatten die Ärzte herausgefunden, was mit ihr nicht stimmte. Sie litt an einer extremen Ethylenglykol Vergiftung."

Riley schüttelte den Kopf. Das klang vertraut, aber sie konnte es nicht richtig zuordnen.

Bill erklärte schnell, "Ihr Punsch auf der Party wurde mit Frostschutzmittel versetzt."

Riley schnappte nach Luft.

"Mein Gott!", sagte sie. "Wie ist das überhaupt möglich? Ich meine, würde nicht alleine der Geschmack––?"

"Das Ding ist, die meisten Frostschutzmittel schmecken süßlich", sagte Bill. "Es ist einfach, es mit süßen Getränken zu vermischen, ohne das man es merkt. Es ist wirklich leicht, es als Gift zu nutzen."

Riley versuchte zu begreifen, was sie gerade hörte.

"Aber wenn der Punsch vergiftet war, waren nicht auch andere Menschen betroffen?", fragte sie.

"Das ist es ja gerade", sagte Bill. "Niemand sonst wurde vergiftet. Es war nicht in der Punschschüssel. Es war nur im Punsch meiner Mutter. Jemand hatte es auf sie abgesehen."

Er hielt inne.

"Aber da war es schon zu spät", sagte er. "Sie blieb im Koma und starb an Silvester. Wir waren alle da, neben ihrem Bett."

Irgendwie schaffte Bill es, nicht in Tränen auszubrechen. Riley nahm an, dass er schon zu viele Tränen darüber vergossen hatte.

"Es ergab keinen Sinn", sagte Bill. "Jeder mochte meine Mutter. Sie hatte nicht einen Feind auf der ganzen Welt. Die Polizei hat ermittelt und jeder Mitarbeiter in der Bank wurde als Täter ausgeschlossen. Aber einige Mitarbeiter erinnerten sich an einen fremden Mann, der kam und ging während der Party. Er schien freundlich zu sein und jeder nahm an, dass er der Gast von jemandem war, ein Freund oder Verwandter. Er war weg, bevor die Party vorbei war."

Bill schüttelte verbittert den Kopf.

"Der Fall wurde nicht gelöst. Er ist immer noch ungelöst. Ich nehme an, das wird auch immer so bleiben. Nach so vielen Jahren, wird er niemals gelöst werden. Es war furchtbar nicht herauszufinden, wer es war, ihn nicht der Gerechtigkeit zuzuführen. Aber das Schlimmste ist, nicht zu wissen warum. Es scheint mir immer noch so unnötig grausam. Warum Mom? Was hat sie getan, dass ihr jemand so etwas Schreckliches angetan hat? Oder vielleicht hat sie gar nichts getan. Vielleicht war es nur ein grausamer Scherz. Nicht zu wissen, war Folter. Ist es noch immer. Und natürlich ist das auch einer der Gründe, warum ich––"

Er brachte den Gedanken nicht zu Ende. Das brauchte er auch nicht. Riley wusste schon lange, dass der ungelöste Fall seiner Mutter der Grund war, weshalb er FBI Agent geworden war.

"Es tut mir leid", sagte Riley.

Bill zuckte schwach mit den Schultern, als würde ein schweres Gewicht auf ihnen lasten.

"Es war vor langer Zeit", sagte er. "Außerdem weißt du so gut wie niemand sonst, wie es sich anfühlt."

Bills leise Worte erschütterten Riley. Sie wusste genau, was er meinte. Und er hatte Recht. Sie hatte ihm vor langer Zeit davon erzählt, also bestand keine Notwendigkeit, es zu wiederholen. Er wusste es bereits. Aber das machte die Erinnerung nicht weniger schmerzlich.

Riley war sechs Jahre alt und ihre Mutter hatte sie zum Süßwarenladen mitgenommen. Riley war aufgeregt und bat um alle Süßigkeiten, die sie sah. Manchmal schalt ihre Mami sie für dieses Verhalten. Aber an diesem Tag war ihre Mami lieb und verhätschelte sie, kaufte ihre alle Süßigkeiten, die sie wollte.

Als sie in der Schlange vor der Kasse standen, kam ein fremder Mann auf sie zu. Er trug etwas auf seinem Gesicht, das seine Nase, Lippen und Wangen platt machte und ihm einen gleichzeitig lustigen und beängstigenden Ausdruck gab; so wie ein Zirkusclown. Riley brauchte einen Moment, um zu verstehen, dass er eine Strumpfhose über dem Gesicht trug, so wie ihre Mami an den Beinen.

Er hielt eine Waffe. Die Waffe sah riesig aus. Er zielte auf ihre Mami.

"Gib mir deine Tasche", sagte er.

Aber Mami tat es nicht. Riley wusste nicht, warum. Sie wusste nur, dass ihre Mami Angst hatte, vielleicht zu viel Angst, um zu tun, was der Mann ihr sagte, und vielleicht sollte Riley auch Angst haben, also tat sie es.

Er sagte böse Wörter zu ihrer Mami, aber sie gab ihm immer noch nicht die Tasche. Sie zitterte am ganzen Körper.

Dann kam ein Knall und ein Blitz und ihre Mami fiel auf den Boden. Der Mann sagte noch mehr böse Wörter und rannte weg. Mamis Brust blutete und sie schnappte nach Luft und wand sich, bevor sie vollkommen still lag.

Die kleine Riley fing an zu schreien. Sie hörte lange nicht auf zu schreien.

Die sanfte Berührung von Bills Hand brachte Riley zurück in die Gegenwart.

"Es tut mir leid", sagte Bill. "Ich wollte es nicht wieder aufwühlen."

Er hatte offensichtlich die Träne gesehen, die ihr über die Wange lief. Sie drückte seine Hand. Sie war dankbar für sein Verständnis. Aber wenn sie ehrlich war, dann hatte sie Bill nie von einer Erinnerung erzählt, die sie weitaus mehr beschäftigte.

Ihr Vater war ein Oberst bei den Marines gewesen – ein strenger, grausamer, liebloser und nachtragender Mann. In all den Jahren, die folgten, hatte er Riley die Schuld für den Tod ihrer Mutter gegeben. Es machte keinen Unterschied, dass sie erst sechs Jahre alt gewesen war.

"Du hättest sie genauso gut selber erschießen können, so hilfreich wie du ihr warst", hatte er gesagt.

Er war im letzten Jahr gestorben, ohne ihr jemals zu vergeben.

Riley wischte sich über die Wange und sah aus dem Fenster.

Wie so oft wurde ihr klar, wie viel Bill und sie gemeinsam hatten, wie sehr sie von ihrer Vergangenheit gequält wurden. Während all der Jahre, die sie zusammengearbeitet hatten, waren sie von ähnlichen Dämonen und Geistern heimgesucht worden.

So sehr sie sich auch um Jilly und das Leben zu Hause sorgte, wusste Riley doch, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte. Jedes Mal, wenn sie zusammen arbeiteten, wurde ihre Bindung stärker. Diesmal würde es keine Ausnahme geben.

Sie würden diese Morde lösen, dessen war sie sich sicher. Aber was würden sie und Bill dadurch erreichen oder verlieren?

Vielleicht heilen wir beide ein wenig, dachte Riley. Oder vielleicht werden unsere Wunden wieder aufgerissen und schmerzen mehr.

Sie sagte sich, dass es keinen Unterschied machte. Sie arbeiteten immer zusammen, um den Job abzuschließen, egal wie schwer es war.

Jetzt könnten sie sich allerdings einem besonders hässlichen Fall gegenübersehen.

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Yaş sınırı:
16+
Litres'teki yayın tarihi:
10 ekim 2019
Hacim:
261 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9781640290211
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