Kitabı oku: «Vorher Verfällt Er», sayfa 2

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Kapitel zwei

Es war anders gewesen, als er es sich vorgestellt hatte. Jemanden umzubringen. Er hatte gedacht, sich zumindest kurz zu fragen: Was habe ich getan? Oder eine lebensdefinierende Schuld zu spüren. Das Gefühl zu haben, irgendwie das Leben einer ganzen Familie beeinflusst zu haben. Doch davon kam nichts. Das einzige, was er nach dem Töten seiner beiden Opfer gefühlt hatte, war überwältigende Paranoia.

Und, wenn er ehrlich war, Freude.

Vielleicht war es dumm von ihm gewesen, die Sache so lässig anzugehen. Er war überrascht gewesen, wie normal es sich angefühlt hatte. Die Idee war zuerst erschreckend gewesen, bis er tatsächlich seine Hände um ihre Hälse gelegt hatte. Bis er zugedrückt und ihre wunderschönen Körper des Lebens beraubt hatte. Am besten hatte ihm gefallen, zuzusehen, wie das Licht aus ihren Augen gewichen war. Es war unerwartet erotisch gewesen – noch nie zuvor hatte er etwas so Wehrloses gesehen.

Doch die Paranoia war schlimmer, als er sich je hätte vorstellen können. Nach dem ersten Mal hatte er drei Tage lang nicht geschlafen. Für diese Hürde hatte er sich beim zweiten Mal vorbereitet. Einige Gläser Rotwein und eine Schlaftablette direkt nach der Tat und er hatte sogar ziemlich gut geschlafen.

Was ihn beim zweiten Mal außerdem gestört hatte, war, wie schwer es gewesen war, den Tatort zu verlassen. Die Art und Weise, wie sie gefallen und das Leben sofort aus ihren Augen gewichen war … es hatte in ihm den Wunsch ausgelöst, zu bleiben. In diese frisch getöteten Augen zu starren, um zu sehen, welche Geheimnisse sich in ihnen befanden. Noch nie zuvor hatte er ein solches Verlangen gespürt. Um fair zu sein – er hätte sich bis vor ungefähr einem Jahr auch nie träumen lassen, je einen Menschen umzubringen. Vielleicht verändert sich die Moral eines Menschen von Zeit zu Zeit; genau wie seine Geschmacksnerven.

Er dachte darüber nach, während er vor seinem Kamin saß. Das Haus war leise, so unheimlich leise, dass er das Geräusch seiner Finger hören konnte, die sich am Stil des Weinglases bewegten. Er sah zu, wie das Feuer brannte und knallte, während er seinen dunklen Rotwein trank.

Das ist jetzt dein Leben, sagte er zu sich selbst. Du hast nicht nur einen, sondern zwei Menschen getötet. Sicher, es war notwendig. Du musstest es tun, sonst hätte dein Leben genauso gut vorbei sein können. Obwohl keines der Mädchen es technisch gesehen verdient hatte, zu sterben, geschah es dennoch aus Notwendigkeit.

Das sagte er sich wieder und wieder. Es war einer der Gründe, warum die erwarteten Schuldgefühle ihn noch nicht stillgelegt hatten. Und vielleicht hatte er deshalb auch so viel Platz für die Paranoia, die sich in ihm ausbreitete und immer tiefere Wurzeln schlug.

Es verging keine Sekunde, in der nicht auf das Klopfen an seiner Tür und den Polizisten auf der anderen Seite wartete. Oder auf das Sondereinsatzkommando samt Rammbock. Das Schlimmste war: Er wusste, dass er es verdiente. Er nahm an, dass die Wahrheit eines Tages ans Licht kommen würde. So funktionierte die Welt. Es gab keine Privatsphäre. Man konnte nicht einfach sein eigenes Leben leben.

Er würde sich, wenn es an der Zeit war, wie ein Mann benehmen und seine Strafe akzeptieren. Die Frage, die blieb, war nur: Wie viele musste er noch umbringen? Ein kleiner Teil in ihm bat darum, aufzuhören, versuchte ihn zu überzeugen, dass seine Arbeit getan war und kein weiterer Mensch sterben musste.

Aber er war sich ziemlich sicher, dass das nicht stimmte.

Die Aussicht, hinauszugehen und es wieder zu tun, löste eine Aufregung in ihm aus, die wie das Feuer vor ihm leuchtete und brannte. Und das war am allerschlimmsten.

Kapitel drei

Sie war sich ziemlich sicher, dass es an der neuen Umgebung lag. Der Sex in der Wildnis von Island, direkt unter dem majestätischen Wirbel der Nordlichter, war phänomenal. In der ersten Nacht, nachdem sie und Ellington ihre privaten Festivitäten abgewickelt hatten, schlief Mackenzie so gut wie schon lange nicht mehr. Glücklich, körperlich befriedigt und mit dem Bewusstsein, dass in ihr ein Leben heranwuchs, schlief sie ein.

Am nächsten Morgen tranken sie sehr bitteren Kaffee am kleinen Lagerfeuer neben ihrem Zeltplatz. Sie befanden sich im nordöstlichen Teil des Landes und campten knapp dreizehn Kilometer vom See Mývatn entfernt. Sie hatten das Gefühl, die einzigen Menschen auf dem Planeten zu sein.

„Was hältst du von Fisch zum Frühstück?“, fragte Ellington.

„Ich glaube, Haferflocken und Kaffee reichen mir vollkommen“, sagte sie.

„Der See ist nur dreizehn Kilometer entfernt. Ich kann ein paar Fische rausziehen und uns ein richtiges Camperfrühstück zubereiten.“

„Du angelst?“, fragte sie überrascht.

„Früher sogar ziemlich oft“, sagte er und blickte verträumt in die Ferne. Sie hatte gelernt, dass er diesen Blick immer dann aufsetzte, wenn er von seiner Vergangenheit und damit höchstwahrscheinlich auch seiner ersten Ehe sprach.

„Das muss ich sehen“, meinte sie.

„Höre ich da etwa Skepsis in deiner Stimme?“

Sie schwieg, stand auf und ging auf den gemieteten Geländewagen zu. „Fisch klingt super“, sagte sie nur.

Sie stiegen in den Wagen und fuhren zum See. Mackenzie genoss das offene Land und die Fjorde und fand, dass die Landschaft aussah wie in einem Märchenbuch. Der Kontrast du dem hektischen Leben, an das sie sich in DC gewöhnt hatte, war groß. Sie beobachtete Ellington, während dieser den Wagen zum See Mývatn steuerte. Er sah wild und attraktiv aus und sein Haar war leicht zerzaust von der Nacht im Zelt. Sie hatten zwar Pläne gemacht, sich für die nächste Nacht in ein kleines Motel einzumieten, um vor ihrer Rückkehr zum Camp zu duschen, aber sie musste zugeben, dass sein ungeschliffenes, schmuddeliges Aussehen etwas Verführerisches hatte. Ihn so zu sehen, machte es irgendwie einfacher, zu begreifen, dass sie den Rest ihres Lebens mit ihm verbringen würde.

Zwanzig Minuten später waren sie am See, wo Ellington sich mit einer gemieteten Angel auf einen klapprigen, alten Steg setzte. Mackenzie sah ihm zu. Bis auf ein wenig Small Talk schwiegen sie. Sie genoss es, ihm bei einer Tätigkeit zuzusehen, von der sie niemals geglaubt hätte, dass sie ihm gefallen könnte. Es gab noch so viel, was sie über ihn lernen musste, das wurde ihr nun ernüchternd klar, als sie den Mann ansah, den sie vor zwei Tagen geheiratet hatte.

Als er seinen ersten Fisch an Land zog, war sie mehr als überrascht. Und als sich in dem kleinen Eimer auf dem Deck drei Fische befanden, war sie außerdem von sich selbst und der Tatsache überrascht, dass sie diese Seite an ihm zunehmend verführerisch fand. Sie fragte sich, welch anderen Frischluftaktivitäten Ellington auf Lager hatte und vor ihr versteckte.

Sie fuhren zurück zum Camp, der Jeep roch nach den drei Frischen, die ihr Frühstück bilden solltenh. Zurück am Zelt sah sie, dass seine Angelexpertise beim tatsächlichen Aus-Dem-Wasser-Holen aufhörte. Obwohl er sich beim Schuppen und Ausnehmen ziemlich unbeholfen anstellte, genossen sie anschließend trotzdem köstlichen Fisch vom Lagerfeuer. Auch wenn es sich lediglich um zerfetzte, kleine Häppchen handelte.

Ihre Pläne für den Tag beinhalteten Reiten, eine Wasserfalltour und die Fahrt zum kleinen Motel außerhalb von Reykjavík, wo sie vorhatten, zu duschen und etwas Anständiges zu essen, bevor sie vor Anbruch der Dunkelheit zurück in die wunderschöne Natur ihres Camp fahren wollten.

Es war alles wie in einem Traum und gleichzeitig ein sehr lebendiger Weg, ihr neues gemeinsames Leben zu beginnen. Sich in dieser unglaublichen Umgebung zu halten und zu küssen – das waren Momente, die sie ihr Leben über nicht wieder vergessen würde. Bis zu ihrem letzten Atemzug. Noch nie zuvor war sie so zufrieden gewesen.

Zurück im Camp entfachten sie ihr Lagerfeuer und begaben sich dann frisch geduscht und mit vollem Magen in ihr Zelt. Es wurde eine sehr lange Nacht.

* * *

Zwei Tage vor Ende ihrer Flitterwochen nahmen sie an einer privaten Gletschertour am Golden Circle teil. Es war der einzige Tag ihres Trips, den Mackenzie mit Morgenübelkeit begonnen hatte und so entschied sie sich dagegen, selbst klettern zu gehen. Sie sah jedoch Ellington dabei zu und genoss es, zu beobachten, wie er sich wie ein übereifriges Kind in die Unternehmung stürzte. Diese Seite an ihm hatte sie zuvor schon ab und an gesehen – aber nie in diesem Ausmaß. Dann fiel ihr ein, dass sie vor diesem Urlaub noch nie so viel Zeit außerhalb der Arbeit miteinander verbracht hatten. Es war wie ein Paradies auf Zeit, das ihr die Augen geöffnet hatte, wie sehr sie ihn liebte.

Als Ellington und der Instrukteur den Abstieg begannen, spürte Mackenzie das Vibrieren ihres Handys in der Jackentasche. Sie hatten zu Beginn der Flitterwochen zwar den Ton ihrer Geräte abgeschaltet, sich aber, aufgrund ihrer Jobs, nicht erlaubt, die Handys vollständig zu verbannen. Um sich die Zeit bis zu Ellingtons Rückkehr zu vertreiben, zog sie nun ihr Handy heraus.

Als sie McGraths Name auf dem Bildschirm sah, wurde ihr schwer ums Herz. Die letzten Tage waren wie ein emotionaler Höhenflug gewesen. Nun seinen Namen zu sehen, machte ihr klar, dass dieser vermutlich bald ein Ende haben würde.

„Agent White hier“, sagte sie. Dann dachte sie: Verdammt … ich habe meine erste Chance verpasst, mich als Agent Ellington zu melden.

„McGrath hier. Wie ist Island?“

„Sehr schön“, sagte sie. Und dann, ohne sich darum zu kümmern, dass sie etwas zu viel von sich preisgab, korrigierte sie sich. „Es ist traumhaft. Wirklich wunderschön.“

„Na, dann werden Sie mich für meinen Anruf hassen.“

Er erklärte ihr den Grund für seinen Anruf und er hatte recht. Als sie auflegte, war sie tatsächlich ziemlich böse auf ihn.

Ihre Ahnung war korrekt gewesen. Von einer Sekunde zur nächsten waren ihre Flitterwochen vorbei.

Kapitel vier

Es war ein reibungsloser Übergang. Eilig machten sie sich auf den Weg zum Flughafen und erwischten einen Nachtflug nach DC. Als die Realität sie einholte löste sich der Zauber der Flitterwochen langsam in Luft auf. Doch auch in DC und bei ihrer Arbeit waren sie verheiratet und als Mackenzie das realisierte, kam zumindest ein kleiner Teil der Magie zurück. Ja, Island war magisch gewesen, aber sie und Ellington verband so viel mehr als ein gemeinsamer Urlaub.

Sie hatte das prominente Gefühl ihres Eheringes am Finger nicht erwartet, als sie und Ellington McGraths Büro nur vierzehn Stunden nach der Unterbrechung ihrer Flitterwochen betraten. Sie war nicht so naiv, zu glauben, dass sie deshalb ein anderer Mensch war. Aber sie betrachtete es als Zeichen, dass sie sich verändert hatte – dass sie in der Lage war, zu wachsen. Und wenn das in ihrem Privatleben möglich war, warum dann nicht auch in ihrer Karriere?

Vielleicht machst du den Anfang, indem du deinem Vorgesetzten erzählst, dass du dich in der 15. Schwangerschaftswoche befindest, dachte sie.

Als sie daran dachte, wurde ihr klar, dass der Fall, für den sie einberufen worden waren, vermutlich ihr letzter sein würde, bevor sie ihre Schwangerschaft würde beichten muessen – obwohl der Gedanke sie amüsierte, mit einem Babybauch Mörder zu jagen.

„Danke, dass Sie beide vorzeitig zurückgekommen sind“, sagte McGrath. „Und ich möchte Ihnen gerne zur Hochzeit gratulieren. Natürlich gefällt es mir nicht, ein Ehepaar zusammen rauszuschicken. Aber ich will, dass dieser Fall so schnell wie möglich abgewickelt wird. Wir müssen unter allen Umstünden eine Massenpanik an der Uni vermeiden. Und Sie beide seid zweifelsohne ein gutes Team.“

Ellington sah sie an und lächelte. Mackenzies Gefühle für ihn waren entwaffnend. Es war wunderschön, doch gleichzeitig fühlte sie sich dabei auch etwas komisch.

„Beim letzten Opfer handelt es sich um eine Studentin im zweiten Jahr an der Queen Nash Universität in Baltimore. Christine Lynch. Sie wurde spät am Abend in ihrer Küche ermordet. Ihr Shirt lag auf dem Boden. Den Anzeichen zufolge wurde sie erwürgt. Soweit ich weiß, befanden sich keine Abdrücke in ihrem Hals, der Täter muss also Handschuhe getragen haben.“

„Der Mord war also vorsätzlich und nicht situationsbedingt“, meinte Mackenzie.

McGrath nickte und schob drei Bilder des Tatorts zu ihr hinüber. Christine Lynch war ein hübsches, blondes Mädchen. Ihr Gesicht war nach rechts gedreht, auf der Schulter hatte sie ein kleines Tattoo. Ein Spatz, dachte Mackenzie. Der Spatz schien seinen Blick auf den Bereich des Halses zu richten, wo die Prellungen begannen. Sogar auf den Fotos waren diese gut sichtbar.

„Das erste Opfer“, sagte McGrath und öffnete eine weitere Akte, „war die einundzwanzig jährige Jo Haley. Ebenfalls Studentin der Queen Nash. Sie wurde in ihrem Schlafzimmer, genauer in ihrem Bett, gefunden. Vollständig entkleidet. Ihr Körper war mindestens drei Tage lang dort gelegen, bevor ihre Mutter sich Sorgen machte und die Polizei rief. Auch hier gab es Zeichen von Strangulierung, allerdings nicht ganz so ausgeprägt, wie wir sie bei Christine Lynch gesehen haben. Die Spurensicherung hat außerdem Hinweise auf sexuelle Aktivitäten kurz vor ihrem Tod festgesellt, inklusive einer leeren Kondompackung.“

Er zeigte ihnen auch diese Tatortaufnahmen. Jo Haley mit Prellungen am Hals, vermutlich stranguliert. Wie Christine Lynch war auch sie ziemlich attraktiv. Sie war außerdem ziemlich dünn, fast schon dürr.

„Der einzige wirkliche Hinweis, den wir also haben, ist, dass zwei hübsche Studentinnen der Queen Nash Universität ermordet wurden? Vor oder während dem Sex?“, fragte Mackenzie.

„Ja“, sagte McGrath. „Laut dem Urteil des Gerichtsmediziners bezüglich des Todeszeitpunktes von Jo Haley lagen zwischen den Morden nicht mehr als fünf Tage.“

„Haben wir einen ungefähren Anhaltspunkt, um wie viel Uhr sie umgebracht wurden?“, fragte Mackenzie.

„Nein. Nichts Konkretes. Aber wir wissen, dass Christine Lynch am Mittwoch bis circa ein Uhr morgens in der Wohnung ihres Freundes gesehen worden war. Ihr Freund war es auch, der die Leiche am nächsten Tag entdeckte, als er sie in ihrer Wohnung besuchen wollte.“

Ellington betrachtete die Fotos gründlich und schob sie dann zurück zu McGrath. „Sir, mit allem Respekt. Ich bin ein verheirateter Mann und kann nicht mehr einfach so junge Damen auf dem Campus ansprechen.“

McGrath rollte mit den Augen und blickte zu Mackenzie. „Viel Glück mit dem da“, sagte er und nickte zu Ellington. „Im Ernst … ich möchte, dass der Fall so schnell wie möglich aufgeklärt wird. Das Semester beginnt nächste Woche und ich will keine Panik auf dem Campus, wenn all die Studenten zurückkehren.“

Wie auf Knopfdruck wurde Ellington plötzlich ernst. „Ich schnapp mir die Akten und wir fangen sofort an.“

„Danke. Und … genießen Sie den gemeinsamen Fall. Ich glaube nicht, dass es eine gute Idee ist, wenn Sie beide auch in Zukunft zusammenarbeiten. Jetzt wo Sie verheiratet sind. Betrachten Sie diesen Fall als mein Hochzeitsgeschenk.“

„Wirklich, Sir“, sagte Mackenzie, die sich nicht zurückhalten konnte. „Ich hätte eine Kaffeemaschine bevorzugt.“

Sie konnte es kaum glauben, als sowas wie ein Lächeln auf McGraths Lippen erschien. Es verschwand, als Mackenzie und Ellington das Büro verließen, um ihren ersten Fall als Mann und Frau zu bestreiten. Und, folglich, auch ihren letzten als Team.

Kapitel fünf

Gemäß Mackenzies gewöhnlicher Herangehensweise begannen sie mit dem jüngsten Tatort. Dieser war das Äquivalent zu einem noch warmen Körper und gab mehr Hinweise preis als einer, der bereits erkaltet war. Auf der Fahrt nach Maryland las Mackenzie die Akten laut vor, während Ellington am Steuer saß.

Als sie in Christines Wohnung in Baltimore ankamen, wurden sie von einem Vertreter der örtlichen Polizeidienststelle erwartet. Es handelte sich um einen älteren Herrn, der vermutlich in seinem letzten Dienstjahr war und Fälle wie diesen beaufsichtigte.

„Schön, Sie kennenzulernen“, sagte er und schüttelte ihnen die Hand mit einer Freude, die ihn schon fast anstößig machte. „Hilfssheriff Wheeler. Ich habe quasi die Aufsicht über den Fall hier.“

„Agenten White und Ellington“, sagte Mackenzie und merkte, dass sie sich immer noch nicht ganz sicher war, wie sie sich selbst vorstellen sollte. Mit Ellington hatte sie darüber noch nicht gesprochen, obwohl ihre Eheurkunde sie offiziell zu Mackenzie Ellington machte.

„Was können Sie uns aus Ihrer Perspektive heraus erzählen?“, fragte Ellington, während sie Christine Lynchs Wohnung betraten.

„Nun, mein Partner und ich haben uns hier mit dem Freund des Opfers getroffen und dann gemeinsam die Wohnung betreten. Sie lag genau hier, auf dem Küchenboden. Ihr Shirt neben ihr, die Augen noch immer geöffnet. Es war offensichtlich, dass sie erwürgt worden war, auch wenn es keine Anzeichen auf einen Kampf gab.“

„In der Tatnacht hat es geschneit“, sagte Ellington. „Gab es im Hausflur keine nassen Schuhabdrücke?“

„Nein. Soweit wir wissen fand ihr Freund sie erst am folgenden Nachmittag. Zwischen ihrem Mord und seinem Besuch können zwischen zehn und sechzehn Stunden vergangen sein.“

„Es war also ein sauberer Tatort?“, fragte Mackenzie.

„Ja. Keine Hinweise, keine Schuhabdrücke. Nichts von Interesse.“

Mackenzie dachte an die Fallakten, genauer an eine recht persönliche Notiz des Gerichtmediziners, die dieser vor nicht mehr als sechs Stunden zur Akte hinzugefügt hatte. Bei der Vorbereitung des Körpers hatten sie Hinweise auf sexuelle Erregung in der Unterwäsche Christines gefunden. Das könnte, natürlich, ein Resultat der Zeit sein, die sie mit ihrem Freund verbracht hatte. Aber wenn sie hier gefunden worden war, ohne Shirt und in ihrer Küche … naja, der Verdacht lag nahe, dass sie sich mit jemandem hier getroffen hatte. Und vielleicht wollten sie nicht warten, bis sie im Schlafzimmer waren.

„Hat die örtliche Polizei nach den Videoaufnahmen gefragt?“, wollte Mackenzie wissen. „Ich habe beim Reinkommen gesehen, dass an der Gebäudeseite mindestens zwei Sicherheitskameras angebracht sind.“

„Wir haben jemanden dran“, sagte Wheeler. „Letzter Stand vor zwei Stunden war, dass sich auf den Bändern nichts Bemerkenswertes befindet. Aber Sie können sich gerne selbst ein Bild machen.“

„Darauf werden wir vielleicht sogar zurückkommen“, sagte Mackenzie, als sie die Küche verließ und den Wohnraum betrat.

Christine war ein sehr ordentlicher Mensch gewesen. Das kleine Bücherregal auf der rechten Seite des Wohnzimmers war sauber gestapelt, die Titel, bei denen es sich hauptsächlich um Biographien und alte, politikwissenschaftliche Texte handelte, alphabetisiert. Auf den zwei Beistelltischen und an der Wand befanden sich einige Bilder. Die meisten zeigten Christine und eine Frau, bei der es sich eindeutig um ihre Mutter handelte.

Schließlich sah sie sich im Schlafzimmer um. Das Bett war gemacht und auch der Rest des Raums genauso aufgeräumt wie das Wohnzimmer. Die Gegenstände, die sich auf Nacht- und Schreibtisch befanden, verrieten nur wenig: Stifte, Kleingeld, ein iPhone-Ladegerät, das Flugblatt eines örtlichen Politikers, ein Glas mit einem Schluck Wasser darin. Es war offensichtlich, dass in der Nacht, in der Christine starb, nichts Physisches in diesem Zimmer vorgefallen war.

Es stellten sich viele Fragen und Mackenzie fand genauso viele möglichen Folgerungen, die sie nun alle in ihrem Kopf sortierte, während sie zurück in die Küche ging.

Sie hat sich nach ihrer Rückkehr mit jemandem hier getroffen. Hatte sie Besuch erwartet oder nicht?

Die Tatsache, dass ihre Leiche innerhalb der Wohnung gefunden worden war und ihr Shirt sich nicht mehr an ihrem Körper befand, lässt vermutlich darauf schließen, dass sie den Mörder hereingebeten hat – unabhängig davon, ob er erwartet oder unerwartet vorbeigekommen war. Hat sie ihn in ihre Wohnung eingeladen, ohne auch nur zu ahnen, dass sie in Gefahr war?

Als sie die Küche betrat, machte sich Ellington, der mit Hilfssheriff Wheeler sprach, gerade Notizen. Sie wechselten einen kurzen Blick und nickten. Es war eines der vielen Beispiele ihres harmonischen, abgestimmten Arbeitens – eine nonverbale Sprache, die sie vor Unterbrechungen und unangenehmen Momenten bewahrte.

„Nun, Hilfssheriff Wheeler, ich denke, wir sind hier fertig“, sagte Ellington. „Besteht die Chance, dass Sie zufällig auch für den Fall der getöteten Jo Haley zuständig sind?“

„Nein. Aber ich weiß genug über den Fall, um zu helfen, wenn es nötig ist.“

„Sehr gut. Wir werden Ihnen Bescheid geben, wenn es dazu kommen sollte.“

Wheeler schien damit zufrieden zu sein und lächelte beiden zu, als sie Christine Lynchs Wohnung verließen. Draußen betrachtete Mackenzie den Bürgersteig, der nur dürftige Hinweise darauf lieferte, dass es geschneit hatte. Sie lächelte dünn, als sie realisierte, dass sie und Ellington vermutlich kurz davor gewesen waren, zu heiraten, als das arme Mädchen gestorben war.

Christine Lynch wird niemals das Privileg haben, zu heiraten, einen Ehemann an ihrer Seite zu spüren. Mackenzie fühlte Trauer für die Frau – eine Trauer, die noch tiefgründiger wurde, als sie realisierte, dass ihr eine weitere Freude des Frauseins verwehrt bleiben würde.

Traurig legte Mackenzie eine Hand auf ihren leicht hervortretenden Bauch, als wolle sie beschützen, was sich darin befand.

* * *

Nach einem Anruf im Büro fanden Mackenzie und Ellington heraus, dass es sich bei Christines Freund um einen zweiundzwanzigjährigen Mitstudenten des Mädchens handelte. Er arbeitete Teilzeit auf einem Amt für Gesundheitswesen, um erste Erfahrungen in einer Branche zu sammeln, die ihn nach seinem Abschluss möglicherweise erwartete. Er war nicht bei der Arbeit, sondern zuhause und schien den Verlust Christines besonders schwer zu nehmen.

Als sie bei ihm ankamen, putzte Clark Manners gerade seine bereits blitzsaubere Wohnung. Es war offensichtlich, dass er nicht gut geschlafen hatte. Seine Augen waren glasig und er bewegte sich, als schob eine unsichtbare Kraft ihn vor sich her. Dennoch wirkte er enthusiastisch, als er sie in seine Wohnung einlud – eifrig, der ganzen Sache auf den Grund zu gehen.

„Ich bin nicht dumm“, sagte er, als er sich in seinem makellosen Wohnzimmer hinsetzte. „Wer auch immer sie umgebracht hat … wollte sie vergewaltigen, oder? Deshalb war sie oben ohne, nicht wahr?“

Mackenzie hatte sich genau das auch gefragt, doch die Fotos des Tatorts erzählten eine andere Geschichte. Als Christine zu Boden ging, landete sie auf dem Shirt. Das schien einen Hinweis darauf zu geben, dass es ihr widerstandsfrei ausgezogen und dann zu Boden geworfen worden war. Wenn Mackenzie wetten müsste, würde sie daraufsetzen, dass Christine sich dem Oberteil selbst entledigt hatte. Vermutlich für die Person, die sie in ihre Wohnung gelassen und die sie am Ende getötet hatte. Mackenzie war sich bezüglich eines potentiellen Plans des Täters, Christine zu vergewaltigen, nicht sicher. Die Möglichkeit war dagewesen, doch Mackenzie vermutete, dass für ihn die Tötung im Vordergrund gestanden hatte.

Doch der arme Junge musste davon nichts wissen.

„Es ist zu früh für Spekulationen“, sagte Mackenzie. „Es gibt verschiedene Szenarien. Und wir hatten gehofft, dass Sie uns dabei helfen können, herauszufinden, was geschehen ist.“

„Sicher, sicher“, sagte Clark, der offensichtlich ein langes Nickerchen und einen eingeschränkteren Koffeinkonsum nötig hatte. „Ich werde tun, was ich kann.“

„Können Sie Ihre Beziehung zu Christine beschreiben?“, fragte Ellington.

„Wir waren ungefähr sieben Monate zusammen. Sie war meine erste richtige Freundin – die erste Beziehung, die länger hielt als zwei oder drei Monate. Ich habe sie geliebt. Das wusste ich bereits nach wenigen Wochen.“

„Hatte die Beziehung bereits ein körperliches Level erreicht?“, fragte Mackenzie.

Mit verträumtem Blick nickte Clark. „Ja. Das ging ziemlich schnell.“

„In der Nacht ihres Todes“, fuhr Mackenzie fort, „war sie zuerst hier gewesen. Blieb sie oft über Nacht?“

„Ja, ein oder zwei Mal pro Woche. Manchmal war ich auch bei ihr. Erst vor einigen Wochen hat sie mir einen Schlüssel gegeben, damit ich kommen konnte, wann immer ich wollte. So war ich auch in der Lage, ihre Wohnung zu betreten … und sie zu finden.“

„Warum ist sie in jener Nacht nicht hiergeblieben?“, frage Ellington. „Es war spät, als sie nach Hause ging. Gab es Streit zwischen Ihnen beiden?“

„Nein. Gott, wir stritten nur selten. Nein … wir haben alle etwas getrunken und ich hatte viel zu viel. Ich gab ihr einen Gutenachtkuss und ging dann zu Bett, wo ich sofort einschlief. Es ging mir nicht so prickelnd. Sie blieb noch mit meinen Freunden sitzen. Ich war mir sicher, dass sie sich früher oder später zu mir ins Bett legen würde, aber als ich am nächsten Morgen aufwachte, war sie weg.“

„Glauben Sie, dass einer Ihrer Freunde sie womöglich nach Hause gebracht haben könnte?“, fragte Mackenzie.

„Ich habe sie alle gefragt und sie haben es verneint. Selbst wenn sie es ihr angeboten hätten – Christine hätte es abgelehnt. Ich meine, es sind nur drei Häuserblocks und sie liebte das kalte Wetter, liebte es, zu laufen. Sie stammte aus Kalifornien, Schnee war für sie also etwas Magisches, verstehen Sie? Ich erinnere mich sogar, wie aufgeregt sie an dem Abend gewesen war, als sie die Wettervorhersage hörte. Sie machte sogar Witze darüber, im Schnee spazieren zu gehen.“

„Wie viel Freunde waren an dem Abend hier bei Ihnen?“

„Mit Christine waren wir zu sechst. Soweit ich weiß, sind sie alle kurz nach Christine ebenfalls aufgebrochen.“

„Können Sie uns die Namen und Kontaktinformationen geben?“, fragte Ellington.

„Sicher“, sagte er und zog sein Handy heraus, um die Informationen zusammenzusuchen.

„Ist es normal, unter der Woche so viel Besuch zu haben?“, fragte Mackenzie.

„Nein. Wir haben uns quasi für einen letzten gemeinsamen Abend getroffen, bevor die Ferien zu Ende sind. Nächste Woche geht der Unterricht wieder los. Und mit der Arbeit und anstehenden Familienbesuchen war es der einzige Abend, den wir alle freischaufeln konnten.“

„Hatte Christine außerhalb Ihrer Gruppe noch andere Freunde?“

„Nicht viele, sie war ein sehr introvertierter Mensch. Da waren nur ich und zwei meiner Freunde, mit denen sie manchmal abhing, aber das war‘s. Sie stand ihrer Mutter sehr nahe. Ich denke, ihre Mom hatte vor, noch vor Ende des nächsten Semesters herzukommen und hier zu leben.“

„Haben Sie nach dem Vorfall mit ihrer Mutter gesprochen?“

„Ja“, sagte er. „Es war seltsam, weil ich zuvor noch nie mit der Frau geredet habe. Ich habe ihr bei den …“

Er hielt inne und zum ersten Mal bildeten sich Tränen in seinen müden Augen.

„… bei den Beerdigungsvorbereitungen geholfen. Ich glaube, sie soll hier eingeäschert werden. Sie ist gestern Abend hergeflogen und wohnt in einem Hotel in der Umgebung.“

„Ist sie alleine?“, fragte Mackenzie.

„Ich weiß es nicht.“ Er krümmte sich und sah zu Boden. Er war sowohl erschöpft als auch traurig, eine Mischung, die ihn schließlich umhauen würde.

„Wir werden Sie fürs erste alleine lassen“, sagte Mackenzie. „Haben Sie die Hotelinformationen von Mrs. Lynch?“

„Ja“, sagte er und zog langsam wieder sein Handy raus. „Moment.“

Während er nach dem Namen des Hotels suchte, sah Mackenzie Ellington an. Wie immer waren seine Antennen ausgefahren und er sah sich intensiv im Raum um, damit ihm nichts entging. Sie bemerkte auch, dass er mit seinem Ehering spielte, während er sich umsah. Langsam drehte er ihn an seinem Finger herum.

Dann blickte sie wieder zu Clark Manners. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie ihn erneut befragen würde – und das vermutlich bald. Die Tatsache, dass er wie besessen seine Wohnung putzte, nachdem seine Freundin umgebracht worden war, machte aus psychologischer Sicht Sinn. Aber es könnte auch als Versuch gewertet werden, Beweise verschwinden zu lassen.

Doch sie hatte schon zuvor Menschen gesehen, die die Trauer zerbrochen hatte und tief in sich fühlte sie, dass Clark vermutlich unschuldig war. Niemand konnte diese Art von Trauer spielen, ganz zu schweigen von seiner Unfähigkeit zu schlafen. Doch früher oder später würden sie auf jeden Fall mit seinen Freunden sprechen müssen.

Als Clark die Hoteldetails gefunden hatte, gab er Mackenzie sein Handy, damit sie diese notieren konnte. Sie schrieb auch die Namen und Nummern der Freunde ab, die sich am Abend von Christines Tod in Clarks Wohnung aufgehalten hatten. Während sie schrieb, bemerkte sie, dass auch sie mit ihrem Ehering gespielt hatte. Ellington sah es ebenfalls und schenkte ihr, trotz der Situation, ein kurzes Lächeln. Als sie das Handy entgegennahm, hörte sie auf, an dem Ring zu drehen.

* * *

Margaret Lynch war das genaue Gegenteil von Clark Manners. Sie war kühl und gesammelt und begrüßte Mackenzie und Ellington mit einem Lächeln, als sie sich in der Lobby des Radisson-Hotels trafen, wo sie wohnte. Sie geleitete sie zu einer Couch im hinteren Teil der Lobby, wo sie zum ersten Mal Schwäche zeigte.

„Wenn ich beginne, zu weinen, möchte ich das lieber nicht vor allen anderen tun“, bemerkte sie und verschwand in der Couch. Sie schien sich ziemlich sicher zu sein, dass das passieren würde.

„Ich würde gerne mit der Frage beginnen, wie gut Sie Clark Manners kennen“, sagte Mackenzie.

„Nun, ich habe vor zwei Tagen zum ersten Mal mit ihm gesprochen. Nach dem Vorfall. Aber Christine hatte ihn einige Male am Telefon erwähnt. Ich denke, sie war ziemlich angetan von ihm.“

„Gibt es irgendeinen Verdacht von Ihrer Seite?“

„Nein. Ich kenne den Jungen natürlich nicht, aber basierend auf Christines Erzählungen kann ich mir nicht vorstellen, dass er derjenige war, der es getan hat.“

Mackenzie bemerkte, dass Mrs. Lynch alles ihr Mögliche tat, um Worte wie getötet oder ermordet zu vermeiden. Sie nahm an, dass die Frau in der Lage war, bei Verstand zu bleiben, weil sie es schaffte, sich davon zu distanzieren. Die Tatsache, dass sie beide bereits seit einiger Zeit an verschiedenen Enden des Landes gelebt hatten, machte es vermutlich einfacher.

„Was können Sie mir über Christines Leben hier in Baltimore erzählen?“, fragte Mackenzie.

„Nun, sie begann ihr Studium in San Francisco. Sie wollte Anwältin werden, aber die Schule und der Lernstoff … es passte einfach nicht. Wir redeten lange über ihren Wunsch, sich bei der Queen Nash Universität zu bewerben. Sehr lange. Ihr Vater verstarb, als sie elf Jahre alt war und seitdem waren es nur Christine und ich. Keine Onkel, keine Tanten. Wir waren schon immer eine kleine Familie. Sie hat eine noch lebende Großmutter, doch die leidet an Demenz und lebt in einem Heim in der Nähe von Sacramento. Ich weiß nicht, ob Sie es bereits wissen, aber ich werde sie hier in Baltimore einäschern lassen. Es macht keinen Sinn, sie zurück nach Kalifornien zu bringen, um dort genau dasselbe zu tun. Wir haben dort keine wirklichen Verbindungen. Und ich weiß, dass ihr es hier gefallen hat, also …“

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Litres'teki yayın tarihi:
15 nisan 2020
Hacim:
241 s. 3 illüstrasyon
ISBN:
9781094311180
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