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Kitabı oku: «Robert Blum», sayfa 33

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20. Deutschlands Todtenklage

Unbarmherzig hatten die wilden Novemberstürme die letzten Blätter herabgerissen und dahingewirbelt, die einst in hoffnungsreichem Grün der Frühlingssonne des Jahres 1848 entgegenrauschten. Entblättert und stöhnend im Wintersturm stand der stolze Stamm der deutschen Eiche.

Wie nächtliche Windsbraut grollte die Kunde über Deutschland: Am 9. November sei der Staatsstreich in Berlin vollzogen worden, General Wrangel eingerückt, die preußische Nationalversammlung gesprengt.

Aber weit aufregendere Kunde folgte nach. Am 13. November wußte man in Sachsen und Preußen, am 14. in Frankfurt: Robert Blum sei am 9. in der Brigittenau standrechtlich erschossen worden.

Nie werde ich die Nacht vergessen, die dem Tage folgte, an dem ich mit sieben Jahren erkannte, was es heißt, den Vater plötzlich durch gewaltsamen Tod zu verlieren. Schlaflos hörte ich, wie vor dem Hause, vor dem ein Vierteljahr zuvor Tausende im Fackelglanz, Blum zujubelnd, vorübergezogen waren, in der tiefen dunkeln Nacht viele, viele Männer nun abermals vorüberzogen, am Heim ihres Todten, und den Namen des Mannes riefen, der ihnen bei Lebzeiten der liebe, untrügliche Führer gewesen. „Blum ist todt! Blum ist todt!“ riefen sie in allen Tönen des Schmerzes und der Rache. Und der Novembersturm setzte die Klage wehmüthig fort, als ihre Schritte verhallt waren.

Durch ganz Deutschland zitterte die schmerzliche Klage. Nie hatte das deutsche Land die Ohnmacht seiner Lage, den jähen Niedergang seiner schönsten Hoffnungen so hart empfunden, wie in diesen Tagen! Jede der deutschen Versammlungen fast hat sich damals mit der Frage beschäftigt, wie Blum’s Tod an den Schuldigen zu rächen sei; was man thun müsse, um dem verletzten Ansehen des Reichsgesetzes Genugthuung zu bieten wie man den Schimpf, den die ganze Nation durch die Tödtung ihres unverletzlichen Vertreters erfahren, ahnden könne? Aber ein Narr wartete auf Antwort. Nicht eine einzige dieser Versammlungen hat ihre Absicht durch eine That zu krönen vermocht.

Voran ging die Paulskirche. Alle Parteien traten hier einmüthig zusammen, um die Rechte und Freiheiten des Parlaments gegen die Willkür der Wiener Landsknechte zu schützen! Fast einstimmig wurde am 16. November der Beschluß gefaßt: „gegen die Tödtung des Abg. Robert Blum feierliche Verwahrung einzulegen und das Reichsministerium zur Bestrafung der mittelbaren und unmittelbaren Schuldtragenden aufzufordern“. Aber irgend einen nennenswerthen Erfolg hatte dieser Beschluß nicht. Selbst die vom Parlament Anfangs beschlossene Todtenfeier für Blum scheiterte an dem nach der ersten Bestürzung und der ersten pietätvollen Regung wieder übermächtig hervortretenden Parteihader. Und schadenfroh durfte der höhnische Schmerling in die Versammlung rufen: „Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um!“

In Preußen verlangte der ehrwürdige Waldeck Sühne für den Mord der Brigittenau. In jedem Einzellandtag regte sich das Gefühl der Solidarität der in Blum vergewaltigten Gerechtsame der Abgeordneten.

Am tiefsten und schmerzlichsten war die Aufregung in Sachsen, dem Lande, in dem der Todte die größte Wirksamkeit seines Lebens entfaltet hatte. Auch hier einigten sich alle Parteien, alle Stände, von der Regierung bis zum schlichten Arbeiter, zu einstimmiger Verurtheilung der That. In Leipzig traten schon am Nachmittag des 13. November die Stadtverordneten zu einer außerordentlichen Sitzung zusammen und beschlossen gemeinsam mit dem Rath drei Adressen, an die Reichscentralgewalt, an die Nationalversammlung in Frankfurt und an das Gesammtministerium in Dresden zu richten,359 auch die Adresse in Frankfurt durch eine besondere Deputation übergeben zu lassen. Am nämlichen Tag fand eine stürmische Trauerversammlung statt in der Thomaskirche, die der Rath eingeräumt hatte und die mit umflorten Vereinsfahnen angefüllt war. In der Nacht wurden durch eine empörte Volksmenge das österreichische Consulatswappen herabgerissen und zertreten. Am 14. November folgte eine ungeheure Volksversammlung im Leipziger Odeon. Die Rede hielt Professor Flathe, auch Joseph und Schaffrath sprachen. – In Dresden fanden ähnliche Vorgänge statt. Am 13. faßten die sächsischen Kammern den Beschluß: „die Königliche Regierung anzugehen, den sächsischen Gesandten in Wien zur strengen Rechenschaft zu ziehen.“ Am 16. folgte die Stadtverordnetenversammlung mit dem Beschlusse: „die Staatsregierung wolle den sächsischen Gesandten am österreichischen Hofe sofort zurückberufen und über sein Verhalten bei Robert Blum’s Verhaftung zur Verantwortung ziehen, schleunigst die Actenstücke einfordern und bekannt machen, und bei der Centralgewalt entschiedene Schritte für die nothwendige Genugthuung beantragen.“ Am 18. November erschien im offiziellen Dresdner Journal eine Bekanntmachung des Gesammtministeriums vom 17., in welcher die Regierung erklärte: „sie erkenne die inhaltsschwere Bedeutung dieses traurigen Ereignisses, sowie die Pflichten, welche es ihr auferlege, und sie werde sie erfüllen.“ Am 19. fand eine außerordentliche kirchliche Todtenfeier in der Frauenkirche statt. Minister Oberländer ging mit im Zuge, der 8–9000 Personen zählte, Minister v. d. Pfordten wohnte der Feier in der Kirche bei. Diakonus Pfeilschmidt sprach von der Kanzel über die Worte Jesu: „Ich bin nicht allein bereit, mich binden zu lassen, sondern auch zu sterben.“

Doch wer könnte sie erschöpfend aufzählen alle jene unzähligen Anträge, Schritte und Aussprachen von Behörden aller Art, welche Sühne für Blum’s Tödtung heischten? Was der Todte dem ganzen Volke gewesen, erkannte schmerzlich bewegt Freund und Feind.

Noch gewaltiger und ergreifender aber äußerte sich die Todtenklage der schlichten Volksseele. Treffend schreibt Gustav Kühne:360 „Keinem Helden, der auf dem Felde der Ehre, keinem Dichter, keinem Genius irgend welcher Art, der für Deutschlands Ruhm verblutet, keinem Könige und Fürsten hat noch je deutsches Volk so im Tode gehuldigt.“ In Hunderten von Volksversammlungen forderten Millionen deutscher Männer Sühne für das begangene Verbrechen: Alle umsonst; denn wir waren ein ohnmächtiges Volk. Wie ohnmächtig wir waren, ergibt am besten folgender Vorgang. Als die deutschen Reichscommissare Paur und Pözl, welche zur Ausführung des über Blum’s Hinrichtung am 16. November in der Paulskirche gefaßten Beschlusses nach Wien gesendet worden, den bösen Willen und das böse Gewissen Oesterreichs endlich in einer Denkschrift brandmarkten, schrieb dagegen der österreichische Bevollmächtigte in Frankfurt an das Reichsministerium: daß man zu Wien sich der Hoffnung hingebe, „es werde das Reichsministerium sich mit dieser erschöpfenden (!) und jedenfalls letzten Entgegnung der k. k. Regierung in Betreff der in Rede stehenden Hinrichtung definitiv beruhigen!“ —

In rührendster Weise zeigte sich, wie herzlich das Volk an dem Erschossenen gehangen. In Mannheim und Mainz flaggten alle Schiffe schwarz, Todtenfeiern fanden überall statt. Reich waren im Vergleich zu der damaligen Armuth unseres Volkes die Sammlungen für Blum’s Hinterlassene zu nennen. Manches schöne Gedicht hat die Erregung der schmerzlichen Kunde geboren, keines schöner als Freiligrath’s „Blum“:

 
Vor zweiundvierzig Jahren war’s, da hat mit Macht geschrieen
Ein siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knieen;
Ein Kind mit breiter, offner Stirn, ein Kind von heller Lunge,
Ein prächtig Proletarierkind, ein derber Küferjunge.
Er schrie, daß in der Werkstatt rings des Vaters Tonnen hallten;
Die Mutter hat mit Lächeln ihn an ihre Brust gehalten;
An ihrer Brust, auf ihrem Arm hat sie ihn eingesungen; —
Es ist zu Köln das Wiegenlied des Knaben hell erklungen.
 
 
Und heut’ in diesem selben Köln zum Weh’n des Winterwindes
Und zu der Orgel Brausen schallt das Grablied dieses Kindes.
Nicht singt die Ueberlebende, die Mutter, es dem Sohne:
Das ganze schmerzbewegte Köln singt es mit festem Tone.
Es spricht: Du, deren Schooß ihn trug, bleib still auf deiner Kammer
Vor deinem Gott, du graues Haupt, ausströme deinen Jammer!
Auch ich bin seine Mutter, Weib! ich und noch eine Hohe —
Ich und die Revolution, die grimme, lichterlohe!
Bleib du daheim mit deinem Schmerz! Wir wahren seine Ehre —
Das Robert-Requiem singt Köln, das revolutionäre!
 
 
So redet Köln! und Orgelsturm entquillt dem Kirchenchore;
Es stehn die Säulen des Altars umhüllt mit Trauerflore,
Die Kerzen werfen matten Schein, die Weihrauchwolken ziehen,
Und tausend Augen werden naß bei Neukomm’s Melodien.
So ehrt die treue Vaterstadt des Tonnenbinders Knaben —
Ihn, den die Schergen der Gewalt zu Wien gemordet haben!
Ihn, der sich seinen Lebensweg, den steilen und den rauhen,
Auf bis zu Frankfurts Parlament mit starker Hand gehauen!
(Dort auch, was er allstündlich war, ein Wackrer, kein Verräther!) —
Was greift ihr zu den Schwertern nicht, ihr Singer und ihr Beter?
Was werdet ihr Posaunen nicht, ihr eh’rnen Orgeltuben,
Den jüngsten Tag ins Ohr zu schrein den Henkern und den Buben?
Den Henkern, die ihn hingestreckt auf der Brigittenaue —
Auf festen Knieen lag er da im ersten Morgenthaue!
Dann sank er hin – hin in sein Blut – lautlos! – heut vor acht Tagen
Zwei Kugeln haben ihm die Brust, eine das Haupt zerschlagen!
 
 
Ja, ruhig hat man ihn gemacht: – er liegt in seiner Truhe!
So schall’ ihm denn ein Requiem, ein Lied der ew’gen Ruhe!
Ruh’ ihm, der uns die Unruh’ hat als Erbtheil hinterlassen: —
Mir, als ich heut im Tempel stand in den bewegten Massen,
Mir war’s, als hört’ ich durch den Sturm der Töne ein Geraune:
Du, rechte mit der Stunde nicht! die Orgel wird Posaune!
Es werden die du singen siehst das Schwert in Händen tragen —
Denn Nichts als Kampf und wieder Kampf entringt sich diesen Tagen!
Ein Requiem ist Rache nicht, ein Requiem nicht Sühne —
Bald aber steht die Rächerin auf schwarzbehangner Bühne!
Die dunkelrothe Rächerin! mit Blut bespritzt und Zähren,
Wird sie und soll und muß sie sich in Permanenz erklären!
Dann wird ein ander Requiem den todten Opfern klingen —
Du rufst sie nicht, die Rächerin, doch wird die Zeit sie bringen!
Der Andern Greuel rufen sie! So wird es sich vollenden —
Weh’ Allen, denen schuldlos Blut klebt an den Henkerhänden!
 
 
Vor zweiundvierzig Jahren war’s, da hat mit Macht geschrieen
Ein siebentägig Kölner Kind auf seiner Mutter Knieen!
Acht Tage sind’s, da lag zu Wien ein blut’ger Mann im Sande —
Heut scholl ihm Neukomm’s Requiem zu Köln am Rheinesstrande.
 

Wir haben heute erreicht, was Robert Blum erstrebte, und bei seinem Tode unerfüllt sah; wir haben es erreicht, in anderer Weise, als er dachte; anders, als auch unter uns viele erwarteten. Einem Manne danken wir vornehmlich die Verwirklichung unserer nationalen Einheit. So mag denn dieses Mannes Urtheil über Robert Blum diese Lebensgeschichte beschließen.

Am 23. Mai 1870, nach einer Sitzung des Reichstags, in der mich die Herren Socialisten beschimpft hatten, weil durch meine Stimme das Strafgesetzbuch mit zu Stande gekommen war, ersuchte mich der Bundeskanzler, Graf Bismarck, in sein Cabinet zu kommen.

Er reichte mir seine Rechte und sagte: „Lassen Sie uns in dieser Stunde, von der ich hoffe, daß sie für ganz Deutschland segensreich sein wird, ein Bündniß schließen“ – ich stutzte – „ein Bündniß,“ sagte er mit feinem Lächeln – „nicht zu Gunsten eines von uns oder eines Lebenden – sondern zu Gunsten eines Todten. Sie werden erkennen, was ich meine. Wenn es den Herren Socialisten wieder einfallen sollte, Ihren Vater herabzuwürdigen dadurch, daß sie ihn für einen der ihrigen ausgeben, so verfügen Sie über die Macht, die ich besitze, namentlich etwa in der Presse, um dies Bild rein zu halten. Ihr Vater war sehr liberal – er würde auch heute, wenn er noch lebte, sehr liberal sein. Aber er war auch gut national.“

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  Tageblatt vom 14. November, erste Seite.


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  Tagebuch S. 543, 544.


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