Kitabı oku: «Die schönsten Gute-Nacht-Märchen zum Lesen und Träumen (Illustrierte Ausgabe)», sayfa 2

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Der standhafte Zinnsoldat
(Hans Christian Andersen)

Es waren einmal fünfundzwanzig Zinnsoldaten alle Brüder, denn sie waren von einem alten zinnernen Löffel geboren. Das Gewehr hielten sie im Arme und das Gesicht gerade aus; roth und blau war ihre Uniform. Das Erste, was sie in dieser Welt hörten, als der Deckel von der Schachtel genommen wurde, in der sie lagen, war das Wort: »Zinnsoldaten!« Das rief ein kleiner Knabe und klatschte in die Hände; er hatte sie bekommen, denn es war sein Geburtstag, und stellte sie nun auf dem Tische auf. Der eine Soldat glich dem andern leibhaftig, nur ein einziger war zuletzt gegossen und da hatte das Zinn nicht ausgereicht; doch stand er eben so fest auf seinem einen Beine, als die andern auf ihren zweien, und grade er ist es, der merkwürdig wurde.

Auf dem Tische, auf welchem sie aufgestellt wurden, stand viel anderes Spielzeug; aber das, was am meisten in die Augen fiel, war ein niedliches Schloß von Papier. Durch die kleinen Fenster konnte man in die Säle hineinsehen. Vor dem Schlosse standen kleine Bäume rings um einen kleinen Spiegel, der wie ein klarer See aussah. Schwäne von Wachs schwammen darauf und spiegelten sich. Das war Alles niedlich, aber das Niedlichste war doch eine kleine Dame, die mitten in der offenen Schloßthüre stand; sie war auch aus Papier geschnitten, aber sie hatte einen Rock vom klarsten Linnen an und ein kleines, schmales, blaues Band über die Schultern, ähnlich einem Gewande; mitten in diesem saß eine glänzende Flitterrose, so groß wie ihr ganzes Gesicht. Die kleine Dame streckte ihre beiden Arme aus, denn sie war Tänzerin; und dann hob sie das eine Bein so hoch empor, daß der Zinnsoldat es durchaus nicht finden konnte und glaubte, daß sie, wie er, nur ein Bein habe.

»Das wäre eine Frau für mich!« dachte er; »aber sie ist sehr vornehm; sie wohnt in einem Schlosse; ich habe nur eine Schachtel, und da sind wir fünfundzwanzig drin; das ist kein Ort für sie! Doch ich muß mit ihr Bekanntschaft machen!« dann legte er sich, so lang er war, hinter eine Schnupftabaksdose, welche auf dem Tische stand; da konnte er die kleine, feine Dame recht betrachten, die fortfuhr, auf einem Beine zu stehen, ohne aus dem Gleichgewichte zu kommen.


Als es Abend wurde, kamen alle die andern Zinnsoldaten in ihre Schachtel, und die Leute im Hause gingen zu Bette. Nun fing das Spielzeug an zu spielen, sowohl »Es kommt Besuch«, als auch »Krieg führen und Ball geben«. Die Zinnsoldaten rasselten in der Schachtel, denn sie wollten mit dabei sein, aber sie konnten den Deckel nicht abheben. Der Nußknacker machte Purzelbäume, und der Griffel belustigte sich auf der Tafel; es war ein Lärm, daß der Kanarienvogel davon erwachte und anfing mitzusprechen, und zwar in Versen. Die beiden Einzigen, die sich nicht von der Stelle bewegten, waren der Zinnsoldat und die Tänzerin; sie hielt sich gerade auf einer Fußzehenspitze und hatte beide Arme ausgestreckt; er war eben so standhaft auf seinem einen Beine; seine Augen wandte er keinen Augenblick von ihr.



Jetzt schlug die Uhr Zwölf und klatsch! da sprang der Deckel von der Schnupftabaksdose; aber es war kein Tabak drin, sondern ein kleiner schwarzer Kobold; das war ein Kunststück.

»Zinnsoldat!« sagte der Kobold; »sieh doch nicht nach Dem, was Dich Nichts angeht!«

Aber der Zinnsoldat that, als ob er es nicht hörte. »Ja, warte nur bis morgen!« sagte der Kobold.

Als es nun Morgen wurde und die Kinder aufstanden, wurde der Zinnsoldat in das Fenster gestellt und, war es nun der Kobold oder der Zugwind, auf einmal flog das Fenster auf und der Soldat fiel Hals über Kopf aus dem dritten Stockwerke hinunter. Das war eine schreckliche Fahrt! Er streckte das Bein gerade in die Höhe und blieb auf dem Tschako mit dem Bayonnet zwischen den Pflastersteinen stecken.

Das Dienstmädchen und der kleine Knabe kamen sogleich herunter, ihn zu suchen; obgleich sie nun nahe daran waren, auf ihn zu treten, sahen sie ihn doch nicht. Hätte der Zinnsoldat gerufen: Hier bin ich! so hätten sie ihn wohl gefunden; aber er fand es nicht für passend, laut zu schreien, weil er in Uniform war.

Nun fing es an zu regnen; bald fielen die Tropfen dichter; endlich wurde es ein Platzregen. Als er vorüber war, kamen zwei Straßenbuben.

»Sieh einmal!« sagte der eine, »da liegt ein Zinnsoldat! Der muß hinaus und auf dem Kahne fahren!«

Da machten sie einen Kahn von einer Zeitung, setzten den Soldaten mitten in denselben, und nun segelte er den Rinnstein hinunter; beide Knaben liefen nebenher und klatschten in die Hände. Gott bewahre uns! was für Wellen schlugen in dem Rinnsteine, und welch' ein Strom war da; ja der Regen hatte aber auch gefluthet! Das Papierboot schaukelte auf und nieder, und mitunter drehte es sich so geschwind, daß der Zinnsoldat bebte; aber er blieb standhaft, verzog keine Miene, sah gerade aus und hielt das Gewehr im Arme. Mit einem Male trieb der Kahn unter eine lange Rinnsteinbrücke, da wurde es so dunkel, als wäre er in seiner Schachtel.



»Wohin mag ich nun kommen?« dachte er. »Ja, ja, daran ist der Kobold schuld! Ach säße doch die kleine Dame hier im Kahne, da möchte es hier meinetwegen noch einmal so dunkel sein!«

Da kam plötzlich eine große Wasserratte, welche unter der Rinnsteinbrücke wohnte.

»Hast Du einen Paß?« fragte die Ratte. »Her mit dem Passe!«

Aber der Zinnsoldat schwieg und hielt das Gewehr noch fester.

Der Kahn fuhr fort und die Ratte hinterher. Hu! wie fletschte sie die Zähne, und rief den Holzspänen und dem Stroh zu:

»Haltet ihn! Haltet ihn! Er hat keinen Zoll bezahlt! Er hat den Paß nicht gezeigt!« Aber die Strömung wurde stärker und stärker; der Zinnsoldat konnte schon da, wo die Brücke aufhörte, den hellen Tag erblicken; allein er hörte auch einen brausenden Ton, der wohl einen tapfern Mann erschrecken konnte. Man denke nur: die Gosse mündete da, wo die Brücke endete, in einen großen Canal ein: das wäre für ihn eben so gefährlich gewesen, als für uns, einen großen Wasserfall hinunterzufahren.

Nun war er schon so nahe daran, daß er nicht mehr anhalten konnte. Der Kahn fuhr hinaus, der arme Zinnsoldat hielt sich so steif, wie er konnte; Niemand sollte ihm nachsagen, daß er mit den Augen blinke. Der Kahn schnurrte drei, vier Mal herum, und war bis zum Rande mit Wasser gefüllt: er mußte sinken! Der Zinnsoldat stand bis an den Hals im Wasser, und tiefer und tiefer sank der Kahn, mehr und mehr löste das Papier sich auf; nun ging das Wasser über des Soldaten Kopf. – Da dachte er an die kleine, niedliche Tänzerin, die er nie mehr zu Gesicht bekommen sollte; und es klang vor seinen Ohren:

»Fahre hin, o Kriegesmann!


Den Tod mußt Du erleiden!«

Nun ging das Papier entzwei, und der Zinnsoldat stürzte hinab – wurde aber augenblicklich von einem großen Fische verschlungen.

O, wie dunkel war es im Fischleibe! Da war es noch finsterer, als unter der Rinnsteinbrücke; und dann war es da sehr enge. Aber der Zinnsoldat blieb standhaft und lag, so lang er war, mit dem Gewehr im Arme. –

Der Fisch schwamm hin und her; er machte die schrecklichsten Bewegungen; endlich wurde er ganz still; es durchfuhr ihn wie ein Blitzstrahl; das Licht schien klar, und eine Stimme rief laut: »Der Zinnsoldat!«



Der Fisch war gefangen, auf den Markt gebracht, verkauft und in die Küche hinaufgekommen, wo die Köchin ihn mit einem großen Messer aufschnitt. Sie faßte mit ihren beiden Fingern den Soldaten mitten um den Leib und trug ihn in die Stube hinein, wo alle einen solchen merkwürdigen Mann sehen wollten, der im Magen eines Fisches herumgereist war; aber der Zinnsoldat war nicht stolz. Sie stellten ihn auf den Tisch, und da – nein, wie sonderbar kann es doch in der Welt zugehen! Der Zinnsoldat war in derselben Stube, in der er früher gewesen war; er sah dieselben Kinder und dasselbe Spielzeug stand auf dem Tische: das herrliche Schloß mit der niedlichen, kleinen Tänzerin. Sie hielt sich noch auf dem einen Beine und hatte das andere hoch in der Luft: sie war auch standhaft. Das rührte den Zinnsoldaten; er war nahe daran, Zinn zu weinen, aber es paßte sich nicht. Er sah sie an, aber sie sagte nichts.

Da nahm der eine der kleinen Knaben den Soldaten und warf ihn in den Ofen und gab keinen Grund dafür an; es war sicher der Kobold in der Dose, der Schuld daran war.

Der Zinnsoldat stand beleuchtet da und fühlte eine Hitze, die schrecklich war; aber ob sie von dem wirklichen Feuer oder von der Liebe herrührte, wußte er nicht. Die Farben waren von ihm abgegangen; ob das auf der Reise geschehen, oder ob der Kummer daran Schuld war, konnte Niemand sagen. Er sah die kleine Dame an, sie blickte ihn an, und er fühlte, daß er schmolz; aber noch stand er standhaft mit dem Gewehr im Arme. Da ging plötzlich eine Thür auf, der Wind ergriff die Tänzerin, und sie flog, einer Sylphide gleich, in den Ofen zum Zinnsoldaten, loderte in Flammen auf und fort war sie. Da schmolz der Zinnsoldat zu einem Klumpen, und als das Mädchen am folgenden Tage die Asche herausnahm, fand sie ihn als ein kleines Herz. Von der Tänzerin hingegen war nur die Flitterrose da, welche kohlschwarz gebrannt war.

Die Prinzessin auf der Erbse
(Hans Christian Andersen)

Es war einmal ein Prinz, der wollte eine Prinzessin heirathen; aber es sollte eine wirkliche Prinzessin sein. Da reiste er in der ganzen Welt umher, um eine solche zu finden, aber überall stand dem etwas entgegen. Prinzessinnen gab es genug, aber ob es wirkliche Prinzessinnen waren, konnte er nicht herausbringen. Immer gab es etwas, was nicht in der Ordnung war. Da kam er denn wieder nach Hause und war traurig, denn er wollte doch gar zu gern eine wirkliche Prinzessin haben.

Eines Abends zog ein schreckliches Gewitter auf; es blitzte und donnerte, der Regen strömte herunter, es war entsetzlich! Da klopfte es an das Stadtthor, und der alte König ging hin, um aufzumachen.



Es war eine Prinzessin, die draußen vor dem Thore stand. Aber, o Gott! wie sah die von dem Regen und dem bösen Wetter aus! Das Wasser lief ihr von dem Haare und den Kleidern herunter; es lief in die Schnäbel der Schuhe hinein und an den Hacken wieder heraus. Und doch sagte sie, daß sie eine wirkliche Prinzessin sei.

»Ja, das werden wir schon erfahren!« dachte die alte Königin. Aber sie sagte nichts, ging in die Schlafkammer hinein, nahm alle Betten ab und legte eine Erbse auf den Boden der Bettstelle, darauf nahm sie zwanzig Matratzen und legte sie auf die Erbse, und dann noch zwanzig Eiderdunenbetten auf die Matratzen.



Darauf mußte nun die Prinzessin die ganze Nacht liegen. Am Morgen würde sie gefragt, wie sie geschlafen habe.

»O, schrecklich schlecht!« sagte die Prinzessin. »Ich habe meine Augen fast die ganze Nacht nicht geschlossen! Gott weiß, was da im Bette gewesen ist! Ich habe auf etwas Hartem gelegen, so daß ich ganz braun und blau über meinen ganzen Körper bin! Es ist entsetzlich!«



Nun sahen sie ein, daß sie eine wirkliche Prinzessin war, weil sie durch die zwanzig Matratzen und die zwanzig Eiderdunenbetten hindurch die Erbse verspürt hatte. So empfindlich konnte Niemand sein, als eine wirkliche Prinzessin.

Da nahm der Prinz sie zur Frau, denn nun wußte er, daß er eine wirkliche Prinzessin besitze; und die Erbse kam auf die Kunstkammer, wo sie noch zu sehen ist, wenn Niemand sie gestohlen hat.

Sieh, das ist eine wahre Geschichte.

Die Schneekönigin
(Hans Christian Andersen)

Erste Geschichte

Welche von dem Spiegel und den Scherben handelt.

Seht! nun fangen wir an. Wenn wir am Ende der Geschichte sind, wissen wir mehr, als jetzt, denn es war ein böser Kobold! Er war einer der allerärgsten, er war der Teufel! Eines Tags war er recht bei Laune, denn er hatte einen Spiegel gemacht, welcher die Eigenschaft besaß, daß alles Gute und Schöne, was sich darin spiegelte, fast zu Nichts zusammenschwand, aber Das, was nichts taugte und sich schlecht ausnahm, hervortrat und noch ärger wurde. Die herrlichsten Landschaften sahen wie gekochter Spinat darin aus, und die besten Menschen wurden widerlich oder standen auf dem Kopfe ohne Rumpf; die Gesichter wurden so verdreht, daß sie nicht zu erkennen waren, und hatte man eine Sommersprosse, so konnte man überzeugt sein, daß sie sich über Nase und Mund ausbreitete. Das sei äußerst belustigend, sagte der Teufel. Fuhr nun ein guter frommer Gedanke durch einen Menschen, dann zeigte sich ein Grinsen im Spiegel, sodaß der Teufel über seine künstliche Erfindung lachen mußte. Die, welche die Koboldschule besuchten, – denn er hielt Koboldschule – erzählten überall, daß ein Wunder geschehen sei; nun könnte man erst sehen, meinten sie, wie die Welt und die Menschen wirklich aussähen. Sie liefen mit dem Spiegel umher, und zuletzt gab es kein Land und keinen Menschen mehr, welcher nicht verdreht darin gesehen wäre. Nun wollten sie auch zum Himmel selbst auffliegen, um sich über die Engel und den lieben Gott lustig zu machen. Je höher sie mit dem Spiegel flogen, um so mehr grinste er; sie konnten ihn kaum festhalten; sie flogen höher und höher, Gott und den Engeln näher; da erzitterte der Spiegel so fürchterlich in seinem Grinsen, daß er ihren Händen entfiel und zur Erde fiel, wo er in hundert Millionen, Billionen und noch mehr Stücke zersprang. Und nun gerade verursachte er weit größeres Unglück, als zuvor, denn einige Stücke waren kaum so groß als ein Sandkorn; diese flogen nun in die weite Welt, und wo Jemand sie in das Auge bekam, da blieben sie sitzen, und da sahen die Menschen Alles verkehrt, oder hatten nur Augen für das Verkehrte bei einer Sache; denn jede kleine Spiegelscherbe behielt dieselben Kräfte, welche der ganze Spiegel besessen hatte. Einige Menschen bekamen sogar eine Spiegelscherbe in das Herz, dann aber war es ganz entsetzlich; das Herz wurde einem Klumpen Eis gleich. Einige Spiegelscherben waren so groß, daß sie zu Fensterscheiben verbraucht wurden; aber durch diese Scheiben taugte es nicht, seine Freunde zu betrachten; andere Stücke kamen in Brillen, und dann ging es schlecht, wenn die Leute diese Brillen aufsetzten, um recht zu sehen und gerecht zu sein; der Böse lachte, daß ihm der Bauch wackelte und das kitzelte ihn so angenehm. Aber draußen flogen noch kleine Glasscherben in der Luft umher. Nun, wir werden's hören!

Zweite Geschichte

Ein kleiner Knabe und ein kleines Mädchen.

Drinnen in der großen Stadt, wo so viele Menschen und Häuser sind, daß dort nicht Platz genug ist, damit alle Leute einen kleinen Garten besitzen können, und wo sich deshalb die Meisten mit Blumen in Blumentöpfen begnügen müssen, waren zwei arme Kinder, die einen etwas größeren Garten, als einen Blumentopf, besaßen. Sie waren nicht Bruder und Schwester, aber sie waren sich eben so gut, als wenn sie es wären. Die Eltern wohnten einander gerade gegenüber in zwei Dachkammern. Da, wo das Dach des einen Nachbarhauses gegen das andere stieß, und die Wasserrinne zwischen den Dächern entlang lief, war in jedem Hause ein kleines Fenster; man brauchte nur über die Rinne zu schreiten, so konnte man von dem einen Fenster zu dem andern gelangen.

Beider Eltern hatten draußen einen großen hölzernen Kasten, und darin wuchsen Küchenkräuter, die sie gebrauchten, und ein kleiner Rosenstock; in jedem Kasten stand einer; die wuchsen herrlich! Nun fiel es den Eltern ein, die Kasten quer über die Rinne zu stellen, sodaß sie fast von dem einen Fenster zum andern reichten und zwei Blumenwällen ganz ähnlich sahen. Erbsenranken hingen über die Kasten herab, und die Rosenstücke schössen lange Zweige, die sich um die Fenster rankten und einander entgegen bogen; es war fast einer Ehrenpforte von Blättern und Blumen gleich. Da die Kasten sehr hoch waren und die Kinder wußten, daß sie nicht hinauf kriechen durften, so erhielten sie oft die Erlaubniß, zu einander hinaus zu steigen und auf ihren kleinen Schemeln unter den Rosen zu sitzen; da spielten sie dann prächtig.

Im Winter hatte dieses Vergnügen ein Ende. Die Fenster waren oft ganz zugefroren; aber dann wärmten sie Kupferschillinge auf dem Ofen und legten den warmen Schilling gegen die gefrorene Scheibe; dadurch entstand ein schönes Guckloch, so rund, so rund; dahinter blitzte ein lieblich mildes Auge, eins vor jedem Fenster; das war der kleine Knabe und das kleine Mädchen. Er hieß Kay und sie hieß Gerda. Im Sommer konnten sie mit einem Sprunge zu einander gelangen, im Winter mußten sie erst die vielen Treppen herunter und die Treppen hinauf; draußen stob der Schnee.

»Das sind die weißen Bienen, die schwärmen,« sagte die alte Großmutter.

»Haben sie auch eine Bienenkönigin?« fragte der kleine Knabe, denn er wußte, daß unter den wirklichen Bienen eine solche ist.

»Die haben sie!« sagte die Großmutter. »Sie fliegt dort, wo sie am dichtesten schwärmen! Es ist die größte von allen, und nie bleibt sie still auf der Erde; sie fliegt wieder in die schwarze Wolke hinauf. Manche Mitternacht fliegt sie durch die Straßen der Stadt und blickt zu den Fenstern hinein, und dann frieren diese so sonderbar und sehen wie Blumen aus.«

»Ja, das haben wir gesehen!« sagten beide Kinder und wußten nun, daß es wahr sei.

»Kann die Schneekönigin hier hereinkommen?« fragte das kleine Mädchen.

»Laß sie nur kommen!« sagte der Knabe; »dann setze ich sie auf den warmen Ofen und sie schmilzt.«

Aber die Großmutter glättete sein Haar und erzählte andere Geschichten.

Am Abend als der kleine Kay zu Hause und halb entkleidet war, kletterte er auf den Stuhl am Fenster und guckte durch das kleine Loch; einige Schneeflocken fielen draußen, und eine derselben, die größte, blieb auf dem Rande des einen Blumenkastens liegen; die Schneeflocke wuchs mehr und mehr und wurde zuletzt wie eine ganze Jungfrau, in den feinsten weißen Flor gekleidet, der aus Millionen sternartigen Flocken zusammengesetzt war. Sie war so schön und fein, aber von Eis, von blendendem, blinkendem Eise. Doch sie war lebendig; die Augen blitzten, wie zwei klare Sterne; aber es war keine Ruhe oder Rast in ihnen. Sie nickte dem Fenster zu und winkte mit der Hand. Der kleine Knabe erschrak und sprang vom Stuhle herunter; da war es, als ob draußen vor dem Fenster ein großer Vogel vorbeiflöge.

Am nächsten Tage wurde es klarer Frost – und dann kam das Frühjahr; die Sonne schien, das Grün keimte hervor, die Schwalben bauten Nester, die Fenster wurden geöffnet, und die kleinen Kinder saßen wieder in ihrem kleinen Garten hoch oben in der Dachrinne über allen Stockwerken.

Wie prachtvoll blühten die Rosen diesen Sommer! Das kleine Mädchen hatte einen Psalm gelernt, in welchem auch von Rosen die Rede war; und bei den Rosen dachte sie an ihre eigenen; und sie sang ihn dem kleinen Knaben vor, und er sang mit:

»Die Rosen, sie verblüh'n und verwehen,


Wir werden das Christ-Kindlein sehen!«

Und die Kleinen hielten einander bei den Händen, küßten die Rosen, blickten in Gottes hellen Sonnenschein hinein und sprachen zu demselben, als ob das Jesuskind da wäre. Was waren das für herrliche Sommertage; wie schön war es draußen bei den frischen Rosenstöcken, welche zu blühen nie aufhören zu wollen schienen! Kay und Gerda sahen in das Bilderbuch mit Thieren und Vögeln, da war es – die Uhr schlug gerade Fünf auf dem großen Kirchthurme, – als Kay sagte: »Au! es stach mich in das Herz, und mir flog etwas in das Auge!«

Das kleine Mädchen fiel ihm um den Hals; er blinzelte mit den Augen; nein, es war nichts zu sehen.

»Ich glaube, es ist weg!« sagte er; aber weg war es doch nicht. Es war gerade so eins von jenen Glaskörnern, welche vom Spiegel gesprungen waren, dem Zauberspiegel, – wir entsinnen uns seiner wohl – dem häßlichen Glase, welches alles Große und Gute, das sich darin abspiegelte, klein und häßlich machte; aber das Böse und Schlechte trat recht hervor und jeder Fehler an einer Sache war gleich zu bemerken. Der arme Kay hatte auch ein Körnchen gerade in das Herz hinein bekommen. Das wird nun bald wie ein Eisklumpen werden. Nun that es nicht mehr weh, aber das Körnchen war da.

»Weshalb weinst Du?« fragte er. »So siehst Du häßlich aus!« »Mir fehlt ja nichts!« »Pfui!« rief er auf einmal, »die Rose dort hat einen Wurmstich! Und sieh, diese da ist ganz schief! Im Grunde sind es häßliche Rosen! Sie gleichen dem Kasten, in welchem sie stehen!« Und dann stieß er mit dem Fuße gegen den Kasten und riß die beiden Rosen ab.

» Kay, was machst Du?« rief das kleine Mädchen; und als er ihren Schrecken gewahrte, riß er noch eine Rose ab und sprang dann in sein Fenster hinein von der kleinen, lieblichen Gerda fort.

Wenn sie später mit dem Bilderbuche kam, sagte er, daß das für Wickelkinder wäre; und erzählte die Großmutter Geschichten, so kam er immer mit einem aber: – konnte er dazu gelangen, dann ging er hinter ihr her, setzte eine Brille auf und sprach ebenso, wie sie; das machte er ganz treffend, und die Leute lachten über ihn. Bald konnte er die Sprache und den Gang aller Menschen in der ganzen Straße nachahmen. Alles, was an ihnen eigenthümlich und unschön war, das wußte Kay nachzuahmen; und die Leute sagten: »Das ist sicher ein ausgezeichneter Kopf, den der Knabe hat!« Aber es war das Glas, welches ihm in dem Herzen saß; daher kam es auch, daß er selbst die kleine Gerda neckte, die ihm von ganzem Herzen gut war.

Seine Spiele wurden nun anders, als früher; sie wurden ganz verständig. – An einem Wintertage, wo es schneite, kam er mit einem großen Brennglase, hielt seinen blauen Rockzipfel heraus und ließ die Schneeflocken darauf fallen.

»Sieh nun in das Glas, Gerda!« sagte er; und jede Schneeflocke wurde viel größer und sah aus wie eine prächtige Blume oder ein zehneckiger Stern; es war schön anzusehen. »Siehst Du, wie künstlich!« sagte Kay. »Das ist weit interessanter, als die wirklichen Blumen! Und es ist kein einziger Fehler daran; sie sind ganz regelmäßig. Wenn sie nur nicht schmelzen!«

Bald darauf kam Kay mit großen Handschuhen und seinem Schlitten auf dem Rücken; er rief Gerda in die Ohren: »Ich habe Erlaubniß erhalten, auf dem großen Platze zu fahren, wo die anderen Knaben spielen!« und weg war er.

Dort auf dem Platze banden die kecksten Knaben oft ihre Schlitten an den Wagen der Landleute fest, und dann fuhren sie ein gutes Stück Wegs mit. Das ging recht schön. Als sie im besten Spielen waren, kam ein großer Schlitten; der war ganz weiß angestrichen, und darin saß Jemand, in einen rauhen, weißen Pelz gehüllt und mit einer rauhen, weißen Mütze auf dem Kopfe; der Schlitten fuhr zwei Mal um den Platz herum, und Kay band seinen kleinen Schlitten schnell daran fest, und nun fuhr er mit. Es ging rascher und rascher, gerade hinein in die nächste Straße. Der, welcher fuhr, drehte sich um, nickte dem Kay freundlich zu; es war, als ob sie einander kannten; jedesmal, wenn Kay seinen kleinen Schlitten abbinden wollte, nickte der Fahrende wieder, und dann blieb Kay sitzen; sie fuhren zum Stadtthore hinaus. Da begann der Schnee so dicht niederzufallen, daß der kleine Knabe keine Hand vor sich erblicken konnte; aber er fuhr weiter; nun ließ er schnell die Schnur fahren, um von dem großen Schlitten loszukommen, doch das half nichts, sein kleines Fuhrwerk hing fest, und es ging mit Windeseile vorwärts. Da rief er ganz laut, aber Niemand hörte ihn, und der Schnee stob, und der Schlitten flog von dannen; mitunter gab es einen Sprung; es war, als führe er über Gräben und Hecken. Der Knabe war ganz erschrocken; er wollte sein Vater unser beten, aber er konnte sich nur des großen Ein-Mal-Eins entsinnen.



Die Schneeflocken wurden größer und größer; zuletzt sahen sie aus wie große, weiße Hühner; auf einmal sprangen sie zur Seite, der große Schlitten hielt, und die Person, die ihn fuhr, erhob sich; der Pelz und die Mütze waren ganz und gar von Schnee; es war eine Dame, hoch und schlank, glänzend weiß; es war die Schneekönigin. »Wir sind gut gefahren!« sagte sie; »aber wer wird wohl frieren! Krieche in meinen Pelz!« Und sie setzte ihn neben sich in den Schlitten und schlug den Pelz um ihn; es war als versänke er in einem Schneetreiben.

»Friert Dich noch?« fragte sie und küßte ihn auf die Stirn. O! das war kälter, als Eis; das ging ihm gerade hinein bis ins Herz, welches ja schon zur Hälfte ein Eisklumpen war; es war als sollte er sterben; aber nur einen Augenblick, dann that es ihm recht wohl; er spürte nichts mehr von der Kälte rings umher.

»Meinen Schlitten! Vergiß nicht meinen Schlitten!« Daran dachte er zuerst, und der wurde an einem der weißen Hühnchen festgebunden, und dieses flog hinterher mit dem Schlitten auf dem Rücken. Die Schneekönigin küßte Kay nochmals, und da hatte er die kleine Gerda, die Großmutter und Alle daheim vergessen.

»Nun bekommst Du keine Küsse mehr!« sagte sie; »denn sonst küßte ich Dich todt!«

Kay sah sie an; sie war so schön! ein klügeres, lieblicheres Antlitz konnte er sich nicht denken; nun erschien sie ihm nicht von Eis, wie damals, als sie draußen vor dem Fenster saß und ihm winkte; in seinen Augen war sie vollkommen; er fühlte gar keine Furcht. Er erzählte ihr, daß er kopfrechnen könne, und zwar mit Brüchen; er wisse des Landes Quadratmeilen und die Einwohnerzahl; und sie lächelte immer. Da kam es ihm vor, als wäre es doch nicht genug, was er wisse; und er blickte hinauf in den großen Luftraum; und sie flog mit ihm hoch hinauf auf die schwarze Wolke, und der Sturm sauste und brauste; es war, als sänge er alte Lieder. Sie flogen über Wälder und Seen, über Meer und Länder; unter ihnen sauste der kalte Wind, die Wölfe heulten, der Schnee knisterte; über ihnen flogen die schwarzen, schreienden Krähen; aber hoch oben schien der Mond groß und klar, und dort betrachtete Kay die lange, lange Winternacht; am Tage schlief er zu den Füßen der Schneekönigin.

Yaş sınırı:
18+
Litres'teki yayın tarihi:
13 kasım 2024
Hacim:
408 s. 48 illüstrasyon
ISBN:
9788026850205
Yayıncı:
Telif hakkı:
Bookwire
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